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Herkunft der Zukunft

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Zukunftsforschung ist in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts aus unterschiedlichen Quellen und Impulsen entstanden. Militärstrategie gehörte dazu, Philosophie, Wirtschaftswissenschaft, Biologie, Psychologie und Kybernetik. Zukunftsforschung ist also wahrlich interdisziplinär. Bekanntes Beispiel sind die Shell-Szenarien der 1970er-Jahre. Damit bereitete der Energiekonzern die Lehren aus der ersten »Ölkrise« auf und versuchte, Optionen für das weitere Vorgehen zu erarbeiten.

Heute sind zukunftsforscherische Methoden Bestand in fast allen Planungsstäben der Global Player. Dort beheimatet – und genau für diese Großkonzerne konzipiert.

Zukunftsforschung in KMU: Fehlanzeige!

Im Mittelstand oder bei Kleinunternehmen kommt Zukunftsforschung allerdings nicht vor. Warum? Wie entwickeln sie Innovationen? Haben sie andere Hilfsmittel? Liefern ihnen Trends aus der Zeitung, Tipps vom Branchenverband, Hinweise von den eigenen Mitarbeitern und Unternehmensexperten oder »Geheiminfos« von Beratern Empfehlungen für die Zukunftsvorsorge? Wohl kaum. Gerade Mittelständler beklagen nach Durchleuchtung ihres Betriebes durch Consultants oft, dass ihnen als Fazit oft genau das präsentiert wird, was sie den Beratern selbst zu Anfang berichtet haben – frei nach dem unter Zukunftsforschern gerne zitierten Treppenwitz: Show me your watch and I’ll tell you the time.

Ein Grund für die Leerstelle an zukunftsbezogenem Urteilsvermögen in KMU dürfte in der Dominanz der Betriebswirtschaftslehre liegen. Die meisten Unternehmer sind mit ihr »großgeworden« und setzen automatisch Zukunftsvorsorge mit Planungswissen gleich. BWL ist von ihrer Tradition her eine kaufmännische Organisations- und Handelslehre aus dem 19. Jahrhundert. Mit ihr wurden ursprünglich die wichtigsten Betriebsbelange (Buchhaltung, Vertrieb und Ähnliches) transparenter und effizienter gemacht. Dabei dreht sich alles um interne Verfahrensfragen. BWL ist eine beeindruckende organisationswissenschaftliche Sortiermaschine: Sie sammelt, ordnet, prüft, berechnet und optimiert. Am Ende identifiziert sie wirtschaftliche Probleme und behauptet oft, dass ihre Lösung die einzig richtige sei und deshalb kontrolliert abgearbeitet werden müsse. Und das sei dann aber auch mal genug an Aufwand, meinen viele Entscheider. Bloß: Kann man so Zukunft gestalten? Auf neue Wettbewerber reagieren? Mit Zufällen jonglieren? Technologiesprünge verkraften oder sie sogar blitzschnell für sich nutzen? Zukunftsforscher glauben das nicht.

Erfahrene Zukunftsforscher denken nicht in Kaufmannslogik. Sie lehnen Erbsenzählen und Entscheiden in Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen als Mittel der Zukunftsvorsorge rundweg ab.

Warum? Weil die Faktoren, die man berücksichtigen muss, viel zu komplex und daher nicht berechen- oder kontrollierbar sind. Neue Kunden, Märkte, Technologien, Veränderungen der Rahmenbedingungen, politische Vorgaben und vieles mehr: Dieses Spektrum bekommt man weder mit Stärken-Schwächen-Analysen noch mit Rankings oder Wichtigkeits-Dringlichkeits-Sortieren unter einen Hut. Versucht man es trotzdem, vergleicht man Äpfel mit Birnen. Das ist keine Zukunftsvorsorge, sondern Spekulation. Je durchdachter und durchgerechneter, desto starrer und untauglicher. Man sollte sich daher vom Kreisklassen-Niveau der betriebswirtschaftlichen Zukunfts-Spökenkiekerei nicht verunsichern lassen.

Erfahrene Zukunftsforscher misstrauen »Business-Plänen«, die rosige Aussichten versprechen (müssen). Papier ist geduldig. Vielmehr konzentrieren sie sich darauf, wie sich das Auf-uns-Zukommende beeinflussen und gestalten lässt: Wie Bevorstehendes befördert, geformt oder verhindert werden kann. Praktisch. Konkret. Jetzt.

Insofern geht es in diesem Buch auch immer um ein neues Verständnis von Unternehmertum. Denn Unternehmer sind Gestalter par excellence! Die Winkelzüge unternehmerischen Handelns sind für KMU viel wichtiger als »Milestone-Watching«, Daten-Updates oder das Mit-Surfen auf der neuesten ultimativen Managementmode. Einzig die Summe und das Zusammenspiel ihrer Tätigkeiten verleihen den KMU ihr unternehmerisches Gesicht. Nur dadurch werden sie unverwechselbar, interessant, innovativ und richtungweisend. Und wenn nicht? Dann hilft auch keine noch so gut geplante Strategie.

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