Читать книгу Einführung in die ökumenische Theologie - Friederike Nüssel - Страница 12
b) Eph 4,4 – 6 oder: Worin die Einheit der Kirche gründet
ОглавлениеBewahrung der Einheit
Schon zur Zeit der Apostel und in der frühen nachapostolischen Zeit war die Bewahrung der Gemeinden in der Einheit des Glaubens ein dringendes Anliegen. Davon zeugen nicht nur die Briefe, die Paulus eindeutig selbst geschrieben hat, sondern auch die sog. deuteropaulinischen Briefe, zu denen der Epheserbrief gerechnet wird (vgl. Schnackenburg/20: 20 – 34). Eindringlich heißt es hier: „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens – ein Leib und ein Geist, wie ihr auch zu einer Hoffnung durch den Ruf an euch gerufen wurden, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allen und durch alle und in allen ist“ (Übersetzung nach Schnackenburg/20: 161).
Eph 4 in der Confessio Augustana
Diese Passage aus dem Epheserbrief hat nicht erst in der modernen ökumenischen Bewegung, sondern bereits in der Reformationszeit zentrale Bedeutung erlangt, als die Anhänger der von Wittenberg ausgegangenen Reformation auf dem Augsburger Reichstag 1530 vor Kaiser Karl V. für die Anerkennung der Reformation eintraten. Um dieses Ziel zu erreichen und die Erneuerung der einen Kirche zu bewirken (vgl. die gemeinsame katholischlutherische Stellungnahme zum Augsburger Bekenntnis in: DwÜ 1, S. 325, Nr. 10), entwarf Philipp Melanchthon als gemeinsames Bekenntnis der evangelischen Stände die „Confessio Augustana“ (CA). Melanchthon hoffte dabei, dass eine Spaltung der Kirche vermieden werden könne, wenn sich Einvernehmen darüber herstellen lässt, was für die Einheit der Kirche unabdingbar notwendig ist und was demgegenüber dem Reformstreben der einzelnen Territorien überlassen bleiben kann. Im Anschluss an die Grundaussagen zur Lehre von Gott und zur Erlösung des Menschen (Art. I–VI) hält er in Artikel VII der CA fest, „daß alle Zeit musse ein heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Glaubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakrament lauts des Evangelii gereicht werden“ (BSLK S. 61, Z. 2 – 7). Aus diesem Verständnis von Kirche ergibt sich, dass wahre Einigkeit der Kirchen da herrscht, wo „einträchtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakrament dem gottlichen Wort gemäß gereicht werden“ (BSLK S. 61, Z. 9 – 12). Die Pointe von CA VII liegt in der Folgerung, die Melanchthon im Sinne der reformatorischen Einsichten zieht: zur wahren Einheit der Kirche sei nicht notwendig, „daß allenthalben gleichformige Ceremonien, von den Menschen eingesetzt, gehalten werden“ (BSLK, S. 61, Z. 12 – 16).
Einheit in Gott
Dass die Übereinstimmung im Evangelium und in der Sakramentsverwaltung für die Einheit der Kirche nötig, aber auch hinreichend ist, belegt Melanchthon mit Verweis auf Eph 4,5f. Dass er sich auf den Epheserbrief beruft, hängt nicht nur damit zusammen, dass hier der eine Glaube und die eine Taufe als die Realisierungsgestalt kirchlicher Einheit genannt werden. Wichtig ist zugleich die theologische Begründung, die der Autor des Epheserbriefes für seine Ermahnung zur Einheit gibt. Denn in Eph 4,4 – 6 und an anderen Stellen bringt der Epheserbrief zur Geltung, dass die Einheit der Kirche als Einheit des Leibes und des Geistes in der Einheit Gottes gründet, zu dem alle Menschen in Jesus Christus Zugang gewinnen (vgl. Eph 2,11 – 22). Dieser Gedanke ist nicht nur den Reformatoren wichtig gewesen (vgl. z. B. Calvin, Institutio: I,13,16), er war in der Christenheit vielmehr immer von zentraler Bedeutung und spielt entsprechend auch in der Ökumenischen Bewegung heute eine wichtige Rolle (vgl. z. B. NMC 53; vgl. auch Mayer/19: 287 – 305).
Einheit als Gabe
Indem die Einheit der Kirche in der Einheit Gottes und seines Wirkens in der Kirche gründet, erscheint sie im Epheserbrief als Gabe, die allem menschlichen Bemühen voraus liegt (vgl. Mayer/19: 87 f.). Wichtig ist weiter, dass Einheit im Epheserbrief als dynamische Einheit vorgestellt wird, wie die Metaphern vom Erbauen und Wachsen des Leibes (vgl. Eph 4,12.15f.) signalisieren. Damit verbindet sich die umfassende heilsgeschichtliche Perspektive des Epheserbriefes, wonach der ewigen Erwählung und Vorherbestimmung (vgl. Eph 1,4.11) die Erleuchtung und die Gestaltung zum Leib Christi folgen, „bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes“ (Eph 4,13; zitiert nach der revidierten Lutherübersetzung).
Taufe
Manifest wird die Gemeinschaft mit Christus in dem einen Leib Christi durch die eine Taufe (vgl. dazu Mayer/19: 64). Entsprechend spielt in den ökumenischen Bemühungen der Kirchen die Taufe eine zentrale Rolle. Wie die Konvergenzerklärung „Taufe, Eucharistie und Amt“ des Ökumenischen Rates von 1982 betont, werden Christen durch die Taufe „in die Gemeinschaft mit Christus, miteinander und mit der Kirche aller Zeiten und Orte geführt“ (DwÜ 1, S. 551, Nr. 6). Diese Einheit mit Christus, an der die Taufe die Christen teilhaben lässt, hat „wichtige Folgen für die Einheit der Christen“ (ebd.). Denn: wenn „die Einheit der Taufe in einer, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche realisiert wird, kann ein echtes Zeugnis abgelegt werden für die heilende und versöhnende Liebe Gottes. Daher ist unsere eine Taufe in Christus ein Ruf an die Kirchen, ihre Trennungen zu überwinden und ihre Gemeinschaft sichtbar zu manifestieren“ (ebd.). Für eine am Epheserbrief ausgerichtete Ökumene wird diese Bedeutung der Taufe bestimmend bleiben im Bewusstsein dessen, dass die Einheit ebenso wie die Taufe als Band der Einheit Gabe Gottes ist.