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c) 1 Kor 12 oder: Einheit in der Unterschiedenheit der Geistesgaben

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Vielfalt der Gaben

Die im Evangelium offenbare Gerechtigkeit und Güte Gottes gilt nach dem Zeugnis des Neuen Testaments unterschiedslos allen Menschen und überschreitet alle Grenzen und Unterschiede, wie sie durch Staaten, durch Armut und Reichtum, Abstammung, Rasse und Geschlecht gegeben sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass in der Kirche alle Glieder unterschiedslos eins sind. Wie Paulus im ersten Korintherbrief deutlich macht, lebt die Kirche vielmehr von der Unterschiedenheit der Gaben, die der Geist den einzelnen zum Nutzen aller schenkt. So wird dem einen „durch den Geist Weisheitsrede gegeben, einem anderen Erkenntnisrede gemäß demselben Geist, einem anderen (Wunder-)Glauben in demselben Geist, einem anderen Heilungsgaben in dem einen Geist, einem anderen Kräfte zu Machttaten (bzw. Wunderwirkungen), einem anderen Prophetie, einem anderen aber Unterscheidung der Geister, einem anderen verschiedene Arten von Zungenreden, einem anderen aber Deutung der Zungenreden. Die alles aber wirkt ein und derselbe Geist, der einem jeden das Eigene zuteilt, wie er will“ (1 Kor 12,8 – 11; Übersetzung nach Schrage/21: 135).

Gemeinschaft in der Vielfalt

Für Paulus ist es dabei zum einen wichtig, dass die Gemeindeglieder diese Vielfalt ihrer Gaben in ihrer Unterschiedenheit und Zugehörigkeit zu dem einen Leib anerkennen. Denn „der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. Wenn der Fuß sagt: , Weil ich keine Hand bin, darum gehöre ich nicht zum Leibe‘, gehört er deswegen trotzdem zum Leibe. Und wenn das Ohr sagt: , Weil ich kein Auge bin, gehöre ich nicht zum Leibe‘, gehört es deswegen trotzdem zum Leibe. Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Gehör wäre, wo bliebe der Geruch? Nun aber hat Gott die Glieder eingesetzt, jedes von ihnen am Leibe, wie er wollte. Wenn aber das Ganze ein Glied wäre, wo bliebe der Leib?“ (1 Kor 12,14 – 19; Übersetzung nach Schrage/21: 205). Zum anderen verbindet Paulus damit die Einsicht, dass „gerade die Glieder des Leibes, die schwächer zu sein scheinen, um so notwendiger“ sind (1 Kor 12,22; Schrage/21: 206). Denn: „Gott aber hat den Leib zusammengefügt und dem zurückstehenden (bzw. benachteiligten) Glied besondere Ehre gegeben, damit keine Spaltung am Leibe entsteht, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgten“ (1 Kor 12,24b–25; Schrage/21: 206). Das wiederum bedeutet für die Glieder am Leib Christi: „wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit“ (1 Kor 12,26; Schrage/21: 206).

ökumenische Bedeutung

In der neueren ökumenischen Diskussion ist dieser Text in besonderer Weise zum Ausgangspunkt genommen worden, um die Unterschiedenheit und Vielfalt der Gnadengaben als eine Bereicherung wahrnehmen zu lernen. Nicht zuletzt im Nachdenken über 1 Kor 12 ist deutlich geworden, dass Einheit nicht mit Uniformität verwechselt werden darf. So hält die Studie „The Nature and Mission of the Church“ (NMC), die die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen als Vorstufe einer Konvergenzerklärung zum Kirchenverständnis entworfen hat, mit Bezug auf 1 Kor 12 – 14 fest, dass die Einheit nur durch eine angemessene Koordination der verschiedenen Gaben Gottes möglich ist. Mit Blick auf die Tatsache, dass es schon im Neuen Testament selbst ein breites Spektrum von Aussagen über das Wesen und den Auftrag der Kirche gibt, betont das Dokument: „Diversity appears not as accidental to the life of the Christian community, but as an aspect of its catholicity, a quality that reflects the fact that it is part of the Father’s design that the story of salvation in Christ be incarnational. Thus, diversity is a gift of God to the Church“ (NMC 16).

Aufgabe für die Kirchen

Inwiefern sich aus der gemeinsamen Anerkennung der Vielfalt von Aufgaben und Diensten in der Kirche (vgl. NMC 21) und der Vielfalt in der Gestaltung christlicher Lebenspraxis (vgl. NMC 60) auch ein gemeinsamer Umgang mit der Vielfalt konfessioneller Traditionen gewinnen lässt, ist eine Frage, die ökumenisch noch weiterer Diskussion bedarf. Zwar erkennen die meisten Kirchen an, dass die Einheit der Kirche eine Verschiedenheit im Verständnis und im Lebensvollzug von Kirche nicht ausschließt. Doch werden die Grenzen solcher Verschiedenheit unterschiedlich bestimmt (vgl. NMC, S. 37 – 39, Kasten nach Nr. 63). Paulus hatte diese Fragestellung noch nicht vor Augen. Sein Verständnis der Einheit des Leibes in der Vielfalt und Unterschiedenheit der Charismen legt es jedoch nahe, die Vielfalt gewachsener konfessioneller Traditionen nicht per se als Widerspruch zur Einheit des Leibes in den Blick zu nehmen, sondern differenziert danach zu fragen, in welcher Weise die Kirchen in ihren Traditionen einander zu bereichern vermögen und wo Unterschiede der Einheit des Leibes entgegen stehen.

Einführung in die ökumenische Theologie

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