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Sechster Auftritt

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MORTIMER. MARIA.

MARIA.

Von meinem Oheim!

Dem Kardinal von Lothringen aus Frankreich!

(Liest.)

»Traut dem Sir Mortimer, der Euch dies bringt,

Denn keinen treuern Freund habt Ihr in England.«

[18](Mortimern mit Erstaunen ansehend.)

Ist’s möglich? Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht?

391So nahe find ich einen Freund und wähnte mich

Verlassen schon von aller Welt – find ihn

In Euch, dem Neffen meines Kerkermeisters,

In dem ich meinen schlimmsten Feind –

MORTIMER (sich ihr zu Füßen werfend).

Verzeihung

395Für diese verhasste Larve, Königin,

Die mir zu tragen Kampf genug gekostet,

Doch der ich’s danke, dass ich mich Euch nahen,

Euch Hülfe und Errettung bringen kann.

MARIA.

Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kann

400So schnell nicht aus der Tiefe meines Elends

Zur Hoffnung übergehen – Redet, Sir –

Macht mir dies Glück begreiflich, dass ich’s glaube.

MORTIMER (steht auf).

Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier sein,

Und ein verhasster Mensch begleitet ihn.

405Eh Euch ihr Schreckensauftrag überrascht,

Hört an, wie Euch der Himmel Rettung schickt.

MARIA.

Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht!

MORTIMER.

Erlaubt, dass ich von mir beginne.

MARIA.

Redet, Sir!

MORTIMER.

Ich zählte zwanzig Jahre, Königin,

410In strengen Pflichten war ich aufgewachsen,

In finsterm Hass des Papsttums aufgesäugt,

Als mich die unbezwingliche Begierde

Hinaustrieb auf das feste Land. Ich ließ

Der Puritaner dumpfe Predigtstuben,

415Die Heimat hinter mir, in schnellem Lauf

Durchzog ich Frankreich, das gepriesene

Italien mit heißem Wunsche suchend.

Es war die Zeit des großen Kirchenfests,

Von Pilgerscharen wimmelten die Wege,

420Bekränzt war jedes Gottesbild, es war,

Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre,

[19]Wallfahrend nach dem Himmelreich – Mich selbst

Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge,

Und riss mich in das Weichbild Roms –

425 Wie ward mir, Königin!

Als mir der Säulen Pracht und Siegesbogen

Entgegenstieg, des Kolosseums Herrlichkeit

Den Staunenden umfing, ein hoher Bildnergeist

In seine heitre Wunderwelt mich schloss!

430Ich hatte nie der Künste Macht gefühlt,

Es hasst die Kirche, die mich auferzog,

Der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie,

Allein das körperlose Wort verehrend.

Wie wurde mir, als ich ins Innre nun

435Der Kirchen trat, und die Musik der Himmel

Herunterstieg, und der Gestalten Fülle

Verschwenderisch aus Wand und Decke quoll,

Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig,

Vor den entzückten Sinnen sich bewegte,

440Als ich sie selbst nun sah, die Göttlichen,

Den Gruß des Engels, die Geburt des Herrn,

Die heil’ge Mutter, die herabgestiegne

Dreifaltigkeit, die leuchtende Verklärung –

Als ich den Papst drauf sah in seiner Pracht

445Das Hochamt halten und die Völker segnen.

O was ist Goldes, was Juwelen Schein,

Womit der Erde Könige sich schmücken!

Nur Er ist mit dem Göttlichen umgeben.

Ein wahrhaft Reich der Himmel ist sein Haus,

450Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.

MARIA.

O schonet mein! Nicht weiter. Höret auf,

Den frischen Lebensteppich vor mir aus-

Zubreiten – Ich bin elend und gefangen.

MORTIMER.

Auch ich war’s, Königin! und mein Gefängnis

455Sprang auf und frei auf einmal fühlte sich

Der Geist, des Lebens schönen Tag begrüßend.

Hass schwur ich nun dem engen dumpfen Buch,

[20]Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken,

Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen.

460Viel edle Schotten drängten sich an mich

Und der Franzosen muntre Landsmannschaften.

Sie brachten mich zu Eurem edeln Oheim,

Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann!

Wie sicher, klar und männlich groß! – Wie ganz

465Geboren, um die Geister zu regieren!

Das Muster eines königlichen Priesters,

Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah!

MARIA.

Ihr habt sein teures Angesicht gesehn,

Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes,

470Der meiner zarten Jugend Führer war.

O redet mir von ihm. Denkt er noch mein?

Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch,

Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?

MORTIMER.

Der Treffliche ließ selber sich herab,

475Die hohen Glaubenslehren mir zu deuten,

Und meines Herzens Zweifel zu zerstreun.

Er zeigte mir, dass grübelnde Vernunft

Den Menschen ewig in der Irre leitet,

Dass seine Augen sehen müssen, was

480Das Herz soll glauben, dass ein sichtbar Haupt

Der Kirche not tut, dass der Geist der Wahrheit

Geruht hat auf den Sitzungen der Väter.

Die Wahnbegriffe meiner kind’schen Seele,

Wie schwanden sie vor seinem siegenden

485Verstand und vor der Suada seines Mundes!

Ich kehrte in der Kirche Schoß zurück,

Schwur meinen Irrtum ab in seine Hände.

MARIA.

So seid Ihr einer jener Tausende,

Die er mit seiner Rede Himmelskraft

490Wie der erhabne Prediger des Berges

Ergriffen und zum ew’gen Heil geführt!

MORTIMER.

Als ihn des Amtes Pflichten bald darauf

Nach Frankreich riefen, sandt er mich nach Reims,

[21]Wo die Gesellschaft Jesu, fromm geschäftig,

495Für Englands Kirche Priester auferzieht.

Den edeln Schotten Morgan fand ich hier,

Auch Euren treuen Leßley, den gelehrten

Bischof von Roße, die auf Frankreichs Boden

Freudlose Tage der Verbannung leben –

500Eng schloss ich mich an diese Würdigen,

Und stärkte mich im Glauben – Eines Tags,

Als ich mich umsah in des Bischofs Wohnung,

Fiel mir ein weiblich Bildnis in die Augen,

Von rührend wundersamem Reiz, gewaltig

505Ergriff es mich in meiner tiefsten Seele,

Und des Gefühls nicht mächtig stand ich da.

Da sagte mir der Bischof: Wohl mit Recht

Mögt Ihr gerührt bei diesem Bilde weilen.

Die schönste aller Frauen, welche leben,

510Ist auch die jammernswürdigste von allen,

Um unsers Glaubens willen duldet sie,

Und Euer Vaterland ist’s, wo sie leidet.

MARIA.

Der Redliche! Nein, ich verlor nicht alles,

Da solcher Freund im Unglück mir geblieben.

MORTIMER.

515 Drauf fing er an, mit herzerschütternder

Beredsamkeit mir Euer Märtyrtum

Und Eurer Feinde Blutgier abzuschildern.

Auch Euern Stammbaum wies er mir, er zeigte

Mir Eure Abkunft von dem hohen Hause

520Der Tudor, überzeugte mich, dass Euch

Allein gebührt in Engelland zu herrschen,

Nicht dieser Afterkönigin, gezeugt

In ehebrecherischem Bett, die Heinrich,

Ihr Vater, selbst verwarf als Bastardtochter.

525Nicht seinem einz’gen Zeugnis wollt ich traun,

Ich holte Rat bei allen Rechtsgelehrten,

Viel alte Wappenbücher schlug ich nach,

Und alle Kundige, die ich befragte,

Bestätigten mir Eures Anspruchs Kraft.

530[22]Ich weiß nunmehr, dass Euer gutes Recht

An England Euer ganzes Unrecht ist,

Dass Euch dies Reich als Eigentum gehört,

Worin Ihr schuldlos als Gefangne schmachtet.

MARIA.

O dieses unglücksvolle Recht! Es ist

535Die einz’ge Quelle aller meiner Leiden.

MORTIMER.

Um diese Zeit kam mir die Kunde zu,

Dass Ihr aus Talbots Schloss hinweggeführt,

Und meinem Oheim übergeben worden –

Des Himmels wundervolle Rettungshand

540Glaubt ich in dieser Fügung zu erkennen,

Ein lauter Ruf des Schicksals war sie mir,

Das meinen Arm gewählt, Euch zu befreien.

Die Freunde stimmen freudig bei, es gibt

Der Kardinal mir seinen Rat und Segen,

545Und lehrt mich der Verstellung schwere Kunst.

Schnell ward der Plan entworfen, und ich trete

Den Rückweg an ins Vaterland, wo ich,

Ihr wisst’s, vor zehen Tagen bin gelandet.

(Er hält inne.)

Ich sah Euch, Königin – Euch selbst!

550Nicht Euer Bild! – O welchen Schatz bewahrt

Dies Schloss! Kein Kerker! Eine Götterhalle,

Glanzvoller als der königliche Hof

Von England – O des Glücklichen, dem es

Vergönnt ist, eine Luft mit Euch zu atmen!

555 Wohl hat sie Recht, die Euch so tief verbirgt!

Aufstehen würde Englands ganze Jugend,

Kein Schwert in seiner Scheide müßig bleiben,

Und die Empörung mit gigantischem Haupt

Durch diese Friedensinsel schreiten, sähe

Der Brite seine Königin!

MARIA.

560 Wohl ihr!

Säh jeder Brite sie mit Euren Augen!

MORTIMER.

Wär er, wie ich, ein Zeuge Eurer Leiden,

Der Sanftmut Zeuge und der edlen Fassung,

[23]Womit Ihr das Unwürdige erduldet.

565Denn geht Ihr nicht aus allen Leidensproben

Als eine Königin hervor? Raubt Euch

Des Kerkers Schmach von Eurem Schönheitsglanze?

Euch mangelt alles, was das Leben schmückt,

Und doch umfließt Euch ewig Licht und Leben.

570Nie setz ich meinen Fuß auf diese Schwelle,

Dass nicht mein Herz zerrissen wird von Qualen,

Nicht von der Lust entzückt, Euch anzuschauen! –

Doch furchtbar naht sich die Entscheidung, wachsend

Mit jeder Stunde dringet die Gefahr,

575Ich darf nicht länger säumen – Euch nicht länger

Das Schreckliche verbergen –

MARIA.

Ist mein Urteil

Gefällt? Entdeckt mir’s frei. Ich kann es hören.

MORTIMER.

Es ist gefällt. Die zweiundvierzig Richter haben

Ihr Schuldig ausgesprochen über Euch. Das Haus

580Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London

Bestehen heftig dringend auf des Urteils

Vollstreckung, nur die Königin säumt noch,

– Aus arger List, dass man sie nötige,

Nicht aus Gefühl der Menschlichkeit und Schonung.

MARIA (mit Fassung).

585Sir Mortimer, Ihr überrascht mich nicht,

Erschreckt mich nicht. Auf solche Botschaft war ich

Schon längst gefasst. Ich kenne meine Richter.

Nach den Misshandlungen, die ich erlitten,

Begreif ich wohl, dass man die Freiheit mir

Nicht schenken kann – Ich weiß, wo man hinaus will.

591In ew’gem Kerker will man mich bewahren,

Und meine Rache, meinen Rechtsanspruch

Mit mir verscharren in Gefängnisnacht.

MORTIMER.

Nein, Königin – o nein! nein! Dabei steht man

595Nicht still. Die Tyrannei begnügt sich nicht,

Ihr Werk nur halb zu tun. Solang Ihr lebt,

[24]Lebt auch die Furcht der Königin von England.

Euch kann kein Kerker tief genug begraben,

Nur Euer Tod versichert ihren Thron.

MARIA.

600 Sie könnt es wagen, mein gekröntes Haupt

Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?

MORTIMER.

Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.

MARIA.

Sie könnte so die eigne Majestät

Und aller Könige im Staube wälzen?

605Und fürchtet sie die Rache Frankreichs nicht?

MORTIMER.

Sie schließt mit Frankreich einen ew’gen Frieden,

Dem Duc von Anjou schenkt sie Thron und Hand.

MARIA.

Wird sich der König Spaniens nicht waffnen?

MORTIMER.

Nicht eine Welt in Waffen fürchtet sie,

610Solang sie Frieden hat mit ihrem Volke.

MARIA.

Den Briten wollte sie dies Schauspiel geben?

MORTIMER.

Dies Land, Mylady, hat in letzten Zeiten

Der königlichen Frauen mehr vom Thron

Herab aufs Blutgerüste steigen sehn.

615Die eigne Mutter der Elisabeth

Ging diesen Weg, und Katharina Howard,

Auch Lady Gray war ein gekröntes Haupt.

MARIA (nach einer Pause).

Nein, Mortimer! Euch blendet eitle Furcht.

Es ist die Sorge Eures treuen Herzens,

620Die Euch vergebne Schrecknisse erschafft.

Nicht das Schafott ist’s, das ich fürchte, Sir.

Es gibt noch andre Mittel, stillere,

Wodurch sich die Beherrscherin von England

Vor meinem Anspruch Ruhe schaffen kann.

625Eh sich ein Henker für mich findet, wird

Noch eher sich ein Mörder dingen lassen.

– Das ist’s, wovor ich zittre, Sir! und nie

Setz ich des Bechers Rand an meine Lippen,

Dass nicht ein Schauder mich ergreift, er könnte

630Kredenzt sein von der Liebe meiner Schwester.

[25]MORTIMER.

Nicht offenbar noch heimlich soll’s dem Mord

Gelingen, Euer Leben anzutasten.

Seid ohne Furcht! Bereitet ist schon alles,

Zwölf edle Jünglinge des Landes sind

635In meinem Bündnis, haben heute früh

Das Sakrament darauf empfangen, Euch

Mit starkem Arm aus diesem Schloss zu führen.

Graf Aubespine, der Abgesandte Frankreichs,

Weiß um den Bund, er bietet selbst die Hände,

640Und sein Palast ist’s, wo wir uns versammeln.

MARIA.

Ihr macht mich zittern, Sir – doch nicht für Freude.

Mir fliegt ein böses Ahnden durch das Herz.

Was unternehmt ihr? Wisst ihr’s? Schrecken euch

Nicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,

645Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,

Nicht das Verderben der Unzähligen,

Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden,

Und meine Ketten schwerer nur gemacht?

649Unglücklicher, verführter Jüngling – flieht!

Flieht, wenn’s noch Zeit ist – wenn der Späher Burleigh

Nicht jetzt schon Kundschaft hat von euch, nicht schon

In eure Mitte den Verräter mischte.

Flieht aus dem Reiche schnell! Marien Stuart

Hat noch kein Glücklicher beschützt.

MORTIMER.

Mich schrecken

655Nicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,

Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,

Nicht das Verderben der unzähl’gen andern,

Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden,

Sie fanden auch darin den ew’gen Ruhm,

660Und Glück schon ist’s, für Eure Rettung sterben.

MARIA.

Umsonst! Mich rettet nicht Gewalt, nicht List.

Der Feind ist wachsam und die Macht ist sein.

Nicht Paulet nur und seiner Wächter Schar,

Ganz England hütet meines Kerkers Tore.

665Der freie Wille der Elisabeth allein

Kann sie mir auftun.

[26]MORTIMER.

O das hoffet nie!

MARIA.

Ein einz’ger Mann lebt, der sie öffnen kann.

MORTIMER.

O nennt mir diesen Mann –

MARIA.

Graf Leicester.

MORTIMER (tritt erstaunt zurück).

Leicester!

Graf Leicester! – Euer blutigster Verfolger,

670Der Günstling der Elisabeth – von diesem –

MARIA.

Bin ich zu retten, ist’s allein durch ihn.

– Geht zu ihm. Öffnet Euch ihm frei.

Und zur Gewähr, dass ich’s bin, die Euch sendet,

Bringt ihm dies Schreiben. Es enthält mein Bildnis.

(Sie zieht ein Papier aus dem Busen, Mortimer tritt zurück und zögert, es anzunehmen.)

675Nehmt hin. Ich trag es lange schon bei mir,

Weil Eures Oheims strenge Wachsamkeit

Mir jeden Weg zu ihm gehemmt – Euch sandte

Mein guter Engel –

MORTIMER.

Königin – dies Rätsel –

Erklärt es mir –

MARIA.

Graf Leicester wird’s Euch lösen.

680Vertraut ihm, er wird Euch vertraun – Wer kommt?

KENNEDY (eilfertig eintretend).

Sir Paulet naht mit einem Herrn vom Hofe.

MORTIMER.

Es ist Lord Burleigh. Fasst Euch, Königin!

Hört es mit Gleichmut an, was er Euch bringt.

(Er entfernt sich durch eine Seitentür, Kennedy folgt ihm.)

Maria Stuart

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