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Vierter Auftritt
ОглавлениеMARIA. KENNEDY.
KENNEDY.
Darf Euch der Rohe das ins Antlitz sagen!
O es ist hart!
MARIA (in Nachdenken verloren).
Wir haben in den Tagen unsers Glanzes
265Dem Schmeichler ein zu willig Ohr geliehn,
Gerecht ist’s, gute Kennedy, dass wir
Dies Vorwurfs ernste Stimme nun vernehmen.
KENNEDY.
Wie? so gebeugt, so mutlos, teure Lady?
Wart Ihr doch sonst so froh, Ihr pflegtet mich zu trösten,
270Und eher musst ich Euren Flattersinn
Als Eure Schwermut schelten.
[14]MARIA.
Ich erkenn ihn.
Es ist der blut’ge Schatten König Darnleys,
Der zürnend aus dem Gruftgewölbe steigt,
Und er wird nimmer Friede mit mir machen,
275Bis meines Unglücks Maß erfüllet ist.
KENNEDY.
Was für Gedanken –
MARIA.
Du vergissest, Hanna –
Ich aber habe ein getreu Gedächtnis –
Der Jahrstag dieser unglückseligen Tat
Ist heute abermals zurückgekehrt,
280Er ist’s, den ich mit Buß und Fasten feire.
KENNEDY.
Schickt endlich diesen bösen Geist zur Ruh.
Ihr habt die Tat mit jahrelanger Reu,
Mit schweren Leidensproben abgebüßt.
Die Kirche, die den Löseschlüssel hat
285Für jede Schuld, der Himmel hat vergeben.
MARIA.
Frischblutend steigt die längst vergebne Schuld
Aus ihrem leichtbedeckten Grab empor!
Des Gatten rachefoderndes Gespenst
Schickt keines Messedieners Glocke, kein
290Hochwürdiges in Priesters Hand zur Gruft.
KENNEDY.
Nicht Ihr habt ihn gemordet! Andre taten’s!
MARIA.
Ich wusste drum. Ich ließ die Tat geschehn,
Und lockt ihn schmeichelnd in das Todesnetz.
KENNEDY.
Die Jugend mildert Eure Schuld. Ihr wart
So zarten Alters noch.
MARIA.
295 So zart, und lud
Die schwere Schuld auf mein so junges Leben.
KENNEDY.
Ihr wart durch blutige Beleidigung
Gereizt und durch des Mannes Übermut,
Den Eure Liebe aus der Dunkelheit
300Wie eine Götterhand hervorgezogen,
Den Ihr durch Euer Brautgemach zum Throne
Geführt, mit Eurer blühenden Person
Beglückt und Eurer angestammten Krone.
Konnt er vergessen, dass sein prangend Los
305[15]Der Liebe großmutsvolle Schöpfung war?
Und doch vergaß er’s, der Unwürdige!
Beleidigte mit niedrigem Verdacht,
Mit rohen Sitten Eure Zärtlichkeit,
Und widerwärtig wurd er Euren Augen.
310Der Zauber schwand, der Euren Blick getäuscht,
Ihr floht erzürnt des Schändlichen Umarmung
Und gabt ihn der Verachtung preis – Und er –
Versucht’ er’s, Eure Gunst zurückzurufen?
Bat er um Gnade? Warf er sich bereuend
315Zu Euren Füßen, Besserung versprechend?
Trotz bot Euch der Abscheuliche – Der Euer
Geschöpf war, Euren König wollt er spielen,
Vor Euren Augen ließ er Euch den Liebling,
Den schönen Sänger Rizzio durchbohren –
320Ihr rächtet blutig nur die blut’ge Tat.
MARIA.
Und blutig wird sie auch an mir sich rächen,
Du sprichst mein Urteil aus, da du mich tröstest.
KENNEDY.
Da Ihr die Tat geschehn ließt, wart Ihr nicht
Ihr selbst, gehörtet Euch nicht selbst. Ergriffen
325Hatt Euch der Wahnsinn blinder Liebesglut,
Euch unterjocht dem furchtbaren Verführer,
Dem unglücksel’gen Bothwell – Über Euch
Mit übermüt’gem Männerwillen herrschte
Der Schreckliche, der Euch durch Zaubertränke,
330Durch Höllenkünste das Gemüt verwirrend
Erhitzte –
MARIA.
Seine Künste waren keine andre,
Als seine Männerkraft und meine Schwachheit.
KENNEDY.
Nein, sag ich. Alle Geister der Verdammnis
Musst er zu Hülfe rufen, der dies Band
335Um Eure hellen Sinne wob. Ihr hattet
Kein Ohr mehr für der Freundin Warnungsstimme,
Kein Aug für das, was wohlanständig war.
Verlassen hatte Euch die zarte Scheu
Der Menschen, Eure Wangen, sonst der Sitz
340[16]Schamhaft errötender Bescheidenheit,
Sie glühten nur vom Feuer des Verlangens.
Ihr warft den Schleier des Geheimnisses
Von Euch, des Mannes keckes Laster hatte
Auch Eure Blödigkeit besiegt, Ihr stelltet
345Mit dreister Stirne Eure Schmach zur Schau.
Ihr ließt das königliche Schwert von Schottland
Durch ihn, den Mörder, dem des Volkes Flüche
Nachschallten, durch die Gassen Edinburgs,
Vor Euch hertragen im Triumph, umringtet
350Mit Waffen Euer Parlament, und hier,
Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,
Zwangt Ihr mit frechem Possenspiel die Richter,
Den Schuldigen des Mordes loszusprechen –
Ihr gingt noch weiter – Gott!
MARIA.
Vollende nur!
355Und reicht’ ihm meine Hand vor dem Altare!
KENNEDY.
O lasst ein ewig Schweigen diese Tat
Bedecken! Sie ist schauderhaft, empörend,
Ist einer ganz Verlornen wert – Doch Ihr seid keine
Verlorne – ich kenn Euch ja, ich bin’s,
360Die Eure Kindheit auferzogen. Weich
Ist Euer Herz gebildet, offen ist’s
Der Scham – der Leichtsinn nur ist Euer Laster.
Ich wiederhol es, es gibt böse Geister,
Die in des Menschen unverwahrter Brust
365Sich augenblicklich ihren Wohnplatz nehmen,
Die schnell in uns das Schreckliche begehn
Und zu der Höll entfliehend das Entsetzen
In dem befleckten Busen hinterlassen.
Seit dieser Tat, die Euer Leben schwärzt,
370Habt Ihr nichts Lasterhaftes mehr begangen,
Ich bin ein Zeuge Eurer Besserung.
Drum fasset Mut! Macht Friede mit Euch selbst!
Was Ihr auch zu bereuen habt, in England
Seid Ihr nicht schuldig, nicht Elisabeth,
375[17]Nicht Englands Parlament ist Euer Richter.
Macht ist’s, die Euch hier unterdrückt, vor diesen
Anmaßlichen Gerichtshof dürft Ihr Euch
Hinstellen mit dem ganzen Mut der Unschuld.
MARIA.
Wer kommt?
(Mortimer zeigt sich an der Türe.)
KENNEDY.
Es ist der Neffe. Geht hinein.