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3. Folgen der Blindheit in sozialer Beziehung.

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Inhaltsverzeichnis

Wie alles Unglück, so erregt auch die Blindheit Teilnahme und Mitleid, ja es wird kaum einem andern Unglücklichen soviel Sympathie und Mitgefühl entgegengebracht wie dem Blinden. Die mit der Blindheit gegebene Hilflosigkeit in bezug auf Bewegung und Orientierung, die große Beschränkung in der äußeren Wahrnehmung und der damit verbundene Verzicht auf so viele edle Freuden, die gedrückte äußere Erscheinung des Blinden, auf dessen Gesicht sein Unglück geschrieben steht: das alles wird so ohne weiteres offenbar, daß jeden Menschen tiefes Mitleid ergreift, wenn er mit einem Blinden in Berührung kommt. Diese innige Teilnahme ist erfreulich, von ihr ist unendlicher Segen ausgegangen, auf ihr beruht zu einem gewichtigen Teil der Erfolg der Arbeit an den Blinden und für die Blinden.

Aber die Teilnahme hat auch ihre Kehrseite. Wohl tut es dem Menschen wohl, wenn er Verständnis und Mitgefühl für sein Unglück findet, aber es berührt ihn peinlich, wenn diese teilnehmende Gesinnung sich in unzarter oder gar aufdringlicher Weise äußert. Kein Mensch mag an Fehler und Gebrechen gern erinnert werden, auch der Blinde nicht. Der Rat, den das Sprüchlein an der Mauer jener alten Blindenanstalt den Besuchern gab, ist darum beherzigenswert und sollte auch heute noch beachtet werden:

„Den Geist dem Lichte zugewandt,

Regt hier der Blinde froh die fleiß’ge Hand.

Sag ihm, was ihn erfreuen kann,

Doch stimme nie des Mitleids Wehlaut an!“

Das Mitleid kann aber den Blinden nicht bloß verwunden, es kann ihm geradezu zum Verderben gereichen, dadurch, daß es zu unrichtiger und unzeitiger Hilfe verleitet. Es ist ein falsches und kurzsichtiges Mitleid, das dem Blinden jede Mühe und Anstrengung ersparen will. Wie jeder Mensch, so wird auch der Blinde nur durch den fleißigen Gebrauch der ihm verliehenen Gaben und Kräfte eine selbständige und lebensfrohe Persönlichkeit; durch unverständige Hilfe bringt man ihn um sein Lebensglück. Am verhängnisvollsten wirkt das Mitleid, wenn es zum Darreichen von Almosen verleitet.

Diese letztgenannte Art der Hilfe wird sich ja freilich nur den Blinden anbieten, die in gedrückten äußeren Verhältnissen leben; da aber die Blindheit die sozial tieferstehenden Volksschichten stärker heimsucht als die oberen, so tritt die Gelegenheit, durch Almosen zu helfen, sehr häufig ein. In früheren Zeiten sah man diese Art der Hilfe als die einzig mögliche an: Die Blinden aßen Bettelbrot und Gnadenbrot. So wurde und wird auch heute noch vielfach der Blinde durch falsch geleitetes Mitleid auf die sozial tiefste Stufe herabgedrückt; man will ihm helfen und läßt ihm eine Demütigung widerfahren, man will ihn aufrichten und lähmt durch Almosen oder Unterstützung seine Arbeitsfreudigkeit und seinen Fleiß, man glaubt ihn zu befriedigen und macht ihn um so begehrlicher. Die rechte Fürsorge geht andere Wege.

Die Blindheit bringt mehr als die meisten anderen körperlichen Gebrechen den mit ihr Behafteten in Abhängigkeit von anderen Menschen. Der Blinde muß sich im unbekannten Raume führen lassen; er muß Hilfeleistungen annehmen, die ein Sehender entrüstet zurückweisen würde. Sucht er Unterhaltung oder Belehrung aus Büchern, so muß er andere bitten, ihm vorzulesen; will er seine Gedanken und Wünsche einem Briefe anvertrauen, so muß ein anderer für ihn die Feder ergreifen: er ist abhängig auf Schritt und Tritt. Solche Abhängigkeit ist tief schmerzlich, und man versteht die Bitterkeit, mit welcher zuweilen die Blinden von ihr sprechen.

Dem Blinden ist seine Geistesbildung erschwert. Die Volksschule kann ihm fast nichts bieten; er muß eine eigens für ihn eingerichtete Bildungsanstalt aufsuchen[6]. Damit ist in den meisten Fällen ein Verlassen des Elternhauses in frühen Jahren und ein Verzichtleisten auf die Lebensgemeinschaft der Familie verbunden. Das Ziel, welches sich die Blindenanstalt hinsichtlich der Schulbildung stecken kann, ist zwar im allgemeinen nicht niedriger als das der Volksschule, ja in manchen Stücken höher, aber überall da, wo die sinnliche Auffassung infolge der beschränkten Leistungsfähigkeit des Tastvermögens stark herabgesetzt ist, muß sich der Unterricht in sehr bescheidenen Grenzen halten. (Naturgeschichte, Chemie, wichtige Stücke der Physik, Zeichnen.)

Durch die Notwendigkeit von Spezialanstalten, durch die eigenartigen Lehrmittel, deren Herstellung mit bedeutenden Kosten verbunden ist, durch die Notwendigkeit kleiner Schulklassen (etwa 12 Schüler pro Klasse) wird der Unterricht teuer, so daß unbemittelte Blinde auf die Schulbildung verzichten müßten, wenn nicht durch die Fürsorge des Staates oder besonderer Vereine und Stiftungen die Ausbildung der Blinden ganz oder wenigstens teilweise unentgeltlich erfolgte.

Dem Blinden ist auch seine geistige Weiterbildung erschwert. Wohl hat ihm die Anstalt während seiner Schulzeit alle ihre Bildungsmittel zur Verfügung gestellt, aber mit seiner Entlassung aus der Anstalt entstehen Schwierigkeiten, die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten und weiter auszubilden. Der Blinde ist meist nicht in der Lage, sich eigene Bücher anzuschaffen, denn sie sind teuer und nehmen viel Raum ein; die in Reliefschrift vorhandene Literatur ist auch ihrem Umfange nach eine recht bescheidene und kann sich mit der Fülle, die dem Sehenden zu Gebote steht, bei weitem nicht messen. Die Zeitungen und Zeitschriften berücksichtigen seinen Erfahrungs- und Interessenkreis zu wenig, abgesehen davon, daß er sie sich von einem Sehenden vorlesen lassen muß. In Bildungs- und ähnlichen Vereinen findet er nur selten Aufnahme und Anschluß. Museen und Ausstellungen existieren für ihn nicht, denn die ausgestellten Gegenstände dürfen nicht betastet werden. Wanderungen und Reisen bieten ihm wenig Anregung.

Der Blinde ist in der Wahl eines Berufes beschränkt. Es gibt nur ganz wenige Berufe, bei denen das Auge allenfalls entbehrt werden kann. Ausgeschlossen ist fast immer der Beamtenberuf, selbst wenn er sich auf die Schreibstube beschränkt; die schriftlichen Arbeiten des amtlichen Verkehrs kann der Blinde nicht erledigen. Die Ausbildung befähigter Blinder zu Lehrern und Lehrerinnen an Volksschulen und Blindenanstalten ist zwar verschiedentlich versucht worden, und wenn es auch einzelne tüchtige, ja bedeutende blinde Lehrer gegeben hat, die segensreich in ihrem Kreise wirkten, so können die Staatsbehörden aus verschiedenen Gründen sich doch nicht entschließen, blinde Lehrer an öffentlichen Schulen, selbst nicht an Blindenanstalten, allgemein anzustellen. So bleibt dem blinden Lehrer nur die private Tätigkeit als Sprachlehrer oder als Hilfskraft in einer Blindenanstalt übrig. Ebenso schwierig ist es für solche Blinde, welche eine Universität besucht haben, einen angemessenen Wirkungskreis zu finden; meist bleiben sie bei rein privater Tätigkeit. Der Beruf als Organist, Konzertmusiker und Musiklehrer kann zwar von dem Blinden aufs beste ausgefüllt werden; bei der sehr großen Konkurrenz seitens der sehenden Musiker wird der Blinde sich aber nur dann Geltung verschaffen können, wenn er ganz hervorragend tüchtig ist, die ihm entgegentretenden äußeren Schwierigkeiten zu überwinden und die Bedenklichkeiten und Vorurteile zu zerstreuen weiß, die ihm fast immer entgegengebracht werden. Für die Mehrzahl der Blinden bleibt ein Handwerk der geeignetste Beruf. Aber auch hier muß mit einer weitgehenden Beschränkung gerechnet werden. Es gibt nur wenige Handwerke, die von Blinden einwandfrei ausgeübt werden können. In Deutschland haben sich besonders die Korbflechterei, die Bürstenmacherei und die Seilerei bewährt, in Dänemark auch die Schuhmacherei, in Skandinavien die Holzbearbeitung und eine bestimmte Art der Weberei. Für Blinde, deren Befähigung zur Erlernung eines Handwerks nicht ausreicht, bleiben nur Handarbeiten von untergeordnetem Wert übrig: das Flechten von Stroh- und Rohrseilen, die Herstellung von Fußmatten, das Beziehen von Rohrstühlen, die Anfertigung von Strohhülsen für Flaschen pp. Für Mädchen sind Strick-, Häkel- und Knüpfarbeiten geeignet, doch geben sie bei der Billigkeit der Maschinenarbeit nur einen minimalen Verdienst. Von sonstigen Beschäftigungen, die von Blinden vereinzelt ausgeübt werden, seien genannt: Massage, Maschinennähen, Korrespondenz im Bureau eines Anwalts, Reliefdruckerei.

Bei der Ausübung des Berufes hat der Blinde ebenfalls mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Handwerker leidet unter dem Vorurteil, daß die Arbeit des Blinden nicht so gut und dauerhaft sei wie die des Sehenden. Dieses Mißtrauen in seine Leistungsfähigkeit führt häufig dazu, daß er bei Aufträgen übergangen wird. Nicht selten mutet man ihm zu, daß er billiger arbeiten solle als der Sehende, „da doch seine Bedürfnisse geringere seien“. (In Wirklichkeit hat der Blinde manche Ausgaben, die der Sehende nicht kennt; man denke z. B. an den Führerlohn und die Bezahlung der Hilfeleistungen, die der Blinde im häuslichen und beruflichen Leben so oft braucht.) Bei der Beschaffung des Arbeitsmaterials und dem Vertriebe der gefertigten Waren ist er vielfach auf die Vermittelung der Sehenden angewiesen, und diese ist nicht immer sachgemäß und geschäftsdienlich. Der blinde Musiker muß oft viele Jahre warten, ehe sich ihm eine Organistenstelle mit bescheidenem Einkommen bietet, und der blinde Konzertmusiker ist von dem sehenden „Impresario“ gänzlich abhängig, der gewöhnlich nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und nicht selten auch mit unlauteren Mitteln arbeitet, um gute Geschäfte zu machen.

Auch in seiner Eigenschaft als Staatsbürger ergibt sich für den Blinden manche Beschränkung. Ein staatliches oder kommunales Amt, selbst wenn es sich um ein Ehrenamt handelt, wird ihm nur in wenigen Ausnahmefällen übertragen. Man traut ihm die erforderlichen Welt- und Menschenkenntnisse nicht zu; hindernd tritt auch hier wieder die Schwierigkeit des schriftlichen Verkehrs auf. Als Schöffe oder Geschworener kommt er nicht in Frage; selbst als Zeuge wird er nur selten herangezogen. Die Ausstellung von rechtsverbindlichen Urkunden und Erklärungen durch einen Blinden stößt auf Schwierigkeiten, da er mit Feder und Tinte nicht zu schreiben vermag und ein mit der Schreibmaschine ausgeführtes Schriftstück nur in gewissen Fällen Gültigkeit hat. Ist er mittellos, so kann es auch vorkommen, daß er in der Freizügigkeit beschränkt ist, da manche Gemeinden aus Besorgnis, daß sie in die Lage kommen könnten, ihn unterhalten oder wenigstens unterstützen zu müssen, ihm bei der Niederlassung Schwierigkeiten bereiten und ihn nach dem Heimatsort abzuschieben bestrebt sind.

Endlich sei noch auf die Beschränkung hingewiesen, die dem Blinden hinsichtlich der Gründung einer Familie auferlegt ist. Bei einem blinden Mädchen ist die Verheiratung so gut wie ausgeschlossen, und auch bei einem blinden Manne ergeben sich meist, wenn er eine Ehe mit einem sehenden Mädchen schließen will, große Schwierigkeiten und Bedenken. So muß also der Blinde vielfach einsam durchs Leben gehen.

Die mit der Blindheit gegebenen sozialen Mängel und Härten nach Möglichkeit zu beseitigen, ist eine schöne und notwendige Aufgabe. Sie fällt der Gesamtheit der Sehenden zu, in erster Linie denen, die von Amts wegen berufen sind, ihre Kraft den Blinden zu widmen; aber auch die Blinden selbst können viel dazu beitragen, ihre soziale Lage zu verbessern.

Die Gefahr, die dem Blinden aus dem unüberlegten Mitleid der Sehenden erwächst, kann nur durch Aufklärung und Belehrung des Publikums, wie sie wahre Blindenfreunde durch Wort und Schrift stets geübt haben, abgewandt werden. Mehr als das wirkt oft der Einblick in die Arbeit der Blindenanstalt und die Tätigkeit der Fürsorgevereine.

Die Milderung der Abhängigkeit des Blinden von den Sehenden wird durch die Erziehung und den Unterricht in der Blindenanstalt erstrebt. Sie sucht den Blinden körperlich selbständig zu machen, damit er fremder Handreichung möglichst entbehren kann; sie bildet sein Orientierungsvermögen aus, um ihn von einem Führer weniger abhängig zu machen; sie lehrt ihn eine tastbare Schrift lesen und erschließt ihm damit die Schätze der Literatur; sie ermöglicht ihm den schriftlichen Verkehr mit den Sehenden durch eine leicht herzustellende Flachschrift und den mit seinen Schicksalsgenossen durch die Punktschrift und sammelt endlich diejenigen Blinden, die infolge widriger Verhältnisse in besondere Abhängigkeit von anderen Menschen geraten würden, in Heimstätten, die mit Arbeitsanstalten verbunden sind.

Die Erschwernisse, die dem Blinden in seiner Weiterbildung entgegentreten, suchen die Blindenanstalten und die Fürsorgevereine ebenfalls nach Möglichkeit zu beseitigen. Auch die Blinden selbst arbeiten in dieser Richtung in anerkennenswerter Weise. Die Anstalten versenden die in ihren Bibliotheken vorhandenen Bücher auf Wunsch an die auswärtigen Blinden und tragen in den meisten Fällen auch die Versendungskosten. Vor einigen Jahren ist in Hamburg eine große Leihbibliothek für Blinde (Zentral-Bibliothek für Blinde) gegründet worden, die ebenfalls die Bücher unentgeltlich an Blinde verborgt. Von einigen Anstalten werden auch Zeitschriften für Blinde mit unterhaltendem und belehrendem Inhalt herausgegeben; dasselbe geschieht von einzelnen Blinden und Blindenvereinigungen[7]. In großen Städten haben sich die Blinden zwecks Weiterbildung in Vereinen zusammengefunden. Der schriftliche Verkehr der Blinden mit den Sehenden findet mehr und mehr durch die Schreibmaschine Förderung und Erleichterung. Maschinen für erhabene Schrift, die auch der weniger bemittelte Blinde sich anschaffen kann, ersetzen das mühsame und langsame Arbeiten mit dem Schreibstift. Dazu hat unter Mitwirkung der Blinden die Punktschrift eine Kürzung erfahren, so daß neben der alphabetischen Schrift eine Kurzschrift besteht, die in erster Linie der Fortbildung der Blinden zugute kommt[8].

Was die Beschränkung des Blinden in der Berufswahl betrifft, so ist trotz der Bemühungen der Blindenlehrer und auch der Blinden selbst ein wesentlicher Fortschritt leider nicht erzielt worden. Wohl erschließt sich hie und da dem einzelnen Blinden ein neuer Beruf, der aber für die Allgemeinheit nicht in Frage kommen kann. Voraussichtlich werden diejenigen handwerklichen Beschäftigungen, die als für Blinde besonders geeignet in den Anstalten gelehrt werden, auch in Zukunft für die Mehrzahl in Betracht kommen. Daneben wird man von Fall zu Fall prüfen müssen, ob etwa die besondern Verhältnisse und äußeren Umstände es ratsam erscheinen lassen, diesem und jenem Blinden einen Beruf zu erschließen, der abseits liegt. Allerdings wird dies weniger Aufgabe der Anstalt, als vielmehr der Angehörigen des Blinden sein müssen.

Die Schwierigkeiten, die dem Blinden bei der Ausübung seines Berufes entgegentreten, werden durch eine gründliche Ausbildung und durch besondere Maßnahme der Fürsorge wenigstens teilweise zu überwinden sein. Auf die Ausbildung wird das Hauptgewicht zu legen sein, und zwar gilt dies hinsichtlich des Handwerkers ebenso wie hinsichtlich des Musikers und derer, die etwa einen anderen Beruf ergreifen. Nur dadurch, daß der blinde Handwerker durchaus gute und einwandfreie Ware liefert, wird er das Vorurteil gegen die Blindenarbeit beseitigen. Und der blinde Musiker muß Vorzügliches leisten, um mit den Sehenden erfolgreich konkurrieren zu können. Die Fürsorge geht den Schwierigkeiten und Hemmnissen nach, die dem Einzelnen im Berufsleben begegnen, und versucht, ihm den Kampf um seine Existenz zu erleichtern.

Die Beschränkungen und Erschwernisse, die dem Blinden als Staatsbürger entgegentreten, werden sich kaum beseitigen lassen. Hervorragende Tüchtigkeit, verbunden mit strengster Ehrenhaftigkeit und Charakterfestigkeit, werden die Stellung des Blinden in der menschlichen Gemeinschaft festigen und ihn auch wohl zu der einen oder anderen Vertrauensstellung im Gemeinschaftsleben führen. Der Wunsch der Blinden, rechtsverbindliche Urkunden, besonders die Bestimmung des letzten Willens, in Punktschrift abfassen zu dürfen, wird sich wegen der Möglichkeit von Unterschiebungen, wegen der Schwierigkeit der Prüfung und aus andern Gründen schwerlich erfüllen lassen.

Auch die Ausnahmestellung, die der Blinde hinsichtlich des Familienlebens einnimmt, wird nicht zu beseitigen sein, ja die Beseitigung ist in vielen Fällen nicht einmal wünschenswert. Es mag darum hier in aller Kürze über die Blindenehe etwas gesagt sein. Die Verheiratung eines blinden Mädchens ist in keinem Falle wünschenswert, da sie ihre Pflichten als Hausfrau und Mutter nur ganz mangelhaft erfüllen kann. Geradezu verhängnisvoll kann eine Heirat Blinder untereinander werden. Wo dahingehende Wünsche auftreten, hat man die dringende Pflicht, zu warnen und ihre Verwirklichung zu verhüten. Gegen die Ehe zwischen einem blinden Mann und einem sehenden Mädchen bestehen solche schweren Bedenken nicht, doch werden die beteiligten Personen und deren Berater ernst zu prüfen haben, ob einerseits der Blinde imstande ist, eine Familie zu ernähren und ob andererseits die Frau für ihn paßt und aus Neigung und mit ehrlichen Absichten in die Ehe tritt. In diesem Falle kann die Ehe für beide Teile, namentlich für den Blinden, zum Segen werden. Treffen die Voraussetzungen nicht zu, so wird die Heirat der Quell von Jammer und Elend. Für manche blinden Männer ist es auch unter günstigen äußeren Verhältnissen Pflicht, eine Ehe nicht einzugehen, nämlich dann, wenn eine Vererbung der Blindheit oder eine andere Schädigung der Nachkommenschaft zu erwarten ist.

Die Angehörigen und Freunde des Blinden werden ihm daher bei Erwägungen über den entscheidenden Schritt der Eheschließung ratend und helfend zur Seite stehen. Freilich ist es Tatsache, daß die Blinden gerade in diesem Punkte nicht immer geneigt sind, guten Rat anzunehmen. Denjenigen Blinden, die einsam durchs Leben gehen müssen, kann ein reger Verkehr mit ihren Schicksalsgenossen, der Zusammenschluß in Vereinen und in behaglich eingerichteten Heimen das Familienleben einigermaßen ersetzen.

Moldenhawer, Die soziale Stellung der Blinden. Kongr.-Ber. Dresden 1876.

Büttner, Die Blindenehe. Kongr.-Ber. Köln 1888.

Moldenhawer, Die Stellung der Blinden in der Welt. Kongr.-Ber. Steglitz-Berlin 1898.

Heller, Die soziale Stellung der Blinden. Bericht über den 4. österreichischen Blindenlehrertag. Brünn 1909.

Erziehung und Unterricht der Blinden

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