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V.

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Manche wollen hierzulande den Anschein erwecken, als habe alles zum Besten gestanden und sei in Ordnung gewesen, bis der Verbrecher Hitler und seine Spießgesellen gekommen seien und die Dinge auf den Kopf gestellt hätten. Ursache von allem Bösen sei Hitler gewesen. Es habe einige Teufel gegeben, und die hätten Geschichte gemacht, Hitler und Himmler, Göring und Goebbels, Eichmann und einige Dutzend oder Hunderte dazu.

Mit solchen Erklärungen kann man sich aber nicht zufriedengeben; so war es auch nicht. Der Nazismus ist nicht eine Bewegung gewesen, die von Hitler und ein paar Helfershelfern geschaffen wurde und sich mit ihnen erschöpfte. Sie ist nicht mit Ihnen entstanden und auch nicht notwendig mit ihnen gestorben. Der Nazismus war eine Bewegung im deutschen Volke. Es gibt keinen »Führer« ohne Menschen, die sich führen lassen. Das Problem Nazismus ist nicht mit einer Psychologie Hitlers allein oder auch seiner nächsten Umgebung zu lösen.

Wenn wir an das Problem Nazismus so ernsthaft, wie Heuss es mit der Forderung, unsere Vergangenheit zu bewältigen, gemeint hat, herangehen, gilt es, uns selber zu prüfen und Gerichtstag zu halten über uns.

Der Nazismus ist nicht vom Himmel gefallen; er wurde nicht nur von Hitler verkörpert. Hitler wurde gewählt, zunächst mit 40 bis 45 Prozent und nachher mit 99 Prozent. Viele haben ja zu ihm gesagt; sie haben früh und spät »Heil Hitler« gerufen, sie haben die Hakenkreuzfahne gehißt und sind bei Aufzügen und Demonstrationen oft genug mit dabei gewesen. Sie haben den gelben Fleck an den Kleidern ihrer jüdischen Mitbürger gesehen und die Röhm-Morde, die Kristallnacht und viele andere Ausschreitungen schwerster Art mit eigenen Augen und Ohren erfahren. Sie haben erlebt, wie ihre jüdischen Nachbarn verschwanden, sahen den Abtransport der Juden, sie kannten aus den »Führerreden« und -schriften die furchtbaren Drohungen gegen dieses Volk; sie sahen und beteiligten sich daran, wie politische Gegner wegen ihrer abweichenden Meinungen und Ziele niedergeschrien und niedergemacht wurden; sie wußten von der Versklavung anderer Völker, sie benutzten die ­Fremdarbeiter.

Gewiß waren nicht alle begeisterte Nazis. Es gab aber Begeisterte in nicht geringer Zahl. Von allen guten Geistern verlassen, ohne Anständigkeit, Menschlichkeit und Sinn für Recht und Gerechtigkeit haben sie nicht nur geschwiegen, sondern oft Grauenhaftes bejaht und getan. Es wäre falsch, darüber hinwegzusehen. Andere hatten Angst und waren feige; sie beschränkten sich darauf, Mitläufer zu sein. Andere lehnten den Nazismus innerlich ab, und glücklicherweise gab es auch einen aktiven Widerstand. Trotz allem bleibt die Tatsache bestehen, daß breite Teile der Bevölkerung fast bis zum bitteren Ende an Adolf Hitler glaubten und seine Mitkämpfer waren.

Die Frage nach den Wurzeln des Nazismus ist daher auch immer die Frage nach der Empfänglichkeit breitester Schichten für seinen Ungeist und nach der Bereitschaft vieler, ja, allzu vieler Menschen zur Komplizenschaft.

Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns

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