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III.

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Weder der Faschismus noch der Nationalsozialismus vertraten eine aus der Vernunft geborene Idee zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme. Weder Faschismus noch Nationalsozialismus haben jemals erklärt, ihre Wurzeln seien geistiger Art und kämen aus dem Verstand. Beide Bewegungen haben den größten Wert darauf gelegt, gerade nicht vom Verstand, vom Intellekt zu stammen, sondern aus ganz anderen Quellen gespeist zu werden. Sie sprachen vom Gefühl, von Instinkten, von naturhafter Ursprünglichkeit und von Urgewalt. Der Nazismus hat immer wieder auf »Blut und Boden«, Volkstum und auf den »Mythos« verwiesen, die alles andere als rational sind.

Faschismus und Nazismus haben die Tradition einer aufklärerisch-humanistischen Bildung abgebrochen. Die meisten Autoren, die sich mit dem Problem Faschismus und Nazismus beschäftigen, zeigen denn auch, wie deren »Gedankengut« eher einer Art Romantik entlehnt ist, worunter sie allerdings nicht etwa Dichtungen über eine »mondbeglänzte Zaubernacht« verstanden wissen wollen, sondern eine Lust zur Maßlosigkeit, zum Grenzen- und Uferlosen, zum Irrationalen und zur Vernunftfeindlichkeit, eine Bewegung, bei der Dunkel und Hell, Tag und Nacht, Leben und Tod miteinander eine seltsame Verbrüderung eingehen, eine Mystik, in der Gut und Böse dicht beieinander wohnen. Es ist nicht zufällig, daß Hitlers Lieblingsoper »Die Götterdämmerung« war. Seinen Vorstellungen entsprach ein grandioser Weltuntergang und ein großes Chaos.

Wir wissen z. B. von Hitler, insbesondere aus seinen Tischgesprächen, daß ihm am deutschen Sieg wesentlich weniger lag als seinen Mitläufern. Der Mord war ihm wichtiger; auf ihn war er fixiert. In Hannah Arendts Buch über die »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« finden wir viele Hinweise darauf, daß weder militärischen noch wirtschaftlichen Erwägungen Gewicht beigemessen wurde, wenn es sich darum handelte, das den Kriegshandlungen in jeder Hinsicht abträgliche Programm der »Ausmerzungen« durchzuführen. Mitten im Kriege und bei offensichtlichem Mangel an Transportmitteln wurden Millionen von Juden in die Lager verschleppt und kostspielige Vernichtungsfabriken angelegt und bedient. Auch Martin Broszat weist in seiner Schrift über Weltanschauung, Programm und Wirklichkeit des Nationalsozialismus auf das Fehlen aller rationalen Beweggründe und die reine Besessenheit Hitlers und seines Kreises hin, die sich in den umfangreichen SS-­Spezialkommandos, den Transportmaterialien und den diplomatischen Anstrengungen manifestierten, noch die letzten ungarischen Juden nach Auschwitz zur fabrikmäßigen Ermordung zu fahren, zu einer Zeit, als alle militärischen Erwägungen gegen solche ­Judentransporte sprachen.

Versteht man unter Weltanschauung den Versuch einer intellektuellen Klärung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Fakten, so war der Nationalsozialismus keine geistig-theoretische Auseinandersetzung, sondern auf der Ebene der politischen Ideen bewußt – wie Walter Hofer formuliert – »der größte und furchtbarste Aufstand des Ungeistes«. Darauf war der Nationalsozialismus eigentlich noch stolz.

Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns

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