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I.

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Die Probleme, die die Bewältigung unserer Vergangenheit aufwirft, sind, wie ich meinen möchte, in Deutschland zu selten und oft auch unzulänglich behandelt worden, wenn auch der Begriff der Vergangenheitsbewältigung zum deutschen Sprachschatz gehört. Freilich setzen viele dabei das Wort in Anführungszeichen; einige halten die Aufgabe für unlösbar, andere fordern, man solle »diese Dinge« doch endlich ruhen lassen.

Mit der Aufzählung zeithistorischer Fakten ist es nicht getan, wie wichtig die Beschreibung des geschichtlichen Ablaufs der Ereignisse in den letzten Generationen auch ist. Die Ursachen dieser Ereignisse aber können ohne Psychologie, Psychoanalyse und Soziologie, auch Kriminologie nicht geklärt werden. Fremde Länder haben sich gründlicher mit dem Fragenkomplex beschäftigt.

Nach dem Kriege haben es z. B. die skandinavischen Länder Norwegen und Dänemark, die von den Deutschen besetzt waren, unternommen zu untersuchen, wie es möglich war, daß während der Okkupation einzelne Norweger und Dänen zu »Quislingen«, Kollaborateuren mit der deutschen Besatzung, wurden und mit den Vorstellungen des Nationalsozialismus sympathisierten. Sie haben gefragt und wissenschaftlich zu beantworten versucht, was die sozialen, psychischen und physischen Bedingungen der Menschen waren, die trotz der demokratischen eigenen Umwelt den autoritären Parolen einer militärischen Fremdherrschaft folgten und an kriminellen Handlungen der Besatzungsmacht teilnahmen.

In Amerika wurde während des Krieges und danach mit den Werkzeugen der Soziologie, Sozialpsychologie und Psychoanalyse der Frage nach den Entstehungsgründen nazistischen Denkens und Handelns nachgegangen. Die Ergebnisse sollen hier nicht ausgeführt werden. Aber die Fragestellung interessiert, weil wir in Deutschland dem nichts zur Seite zu stellen haben.

Wir haben noch nicht einmal die KZ-Mörder, die kleinen Eichmanns, auf ihren Geisteszustand untersucht oder sie getestet. Wir wissen nicht, ob sie geisteskrank oder normal sind. Obwohl eine Politik der Vorbeugung ohne Kenntnis der Krankheitsherde nicht möglich ist, war in Deutschland die Angst und Scheu vor dem »Erkenne dich selbst« vorherrschend. Man hat die Fragen und damit die vielleicht unangenehmen, aber nützlichen Antworten gern mit der billigen und wenig überzeugungskräftigen Begründung beiseite geschoben, das harmlose und nichts ahnende deutsche Volk mit seinen 70 Millionen sei sozusagen über Nacht einigen abgefeimten Schurken zum Opfer gefallen und von ihnen mit List, Tücke, Propaganda und Gewalt überwältigt ­worden.

Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns

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