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Weltwirtschaftskrise im Morgengrauen

Wenn wir beide Glück gehabt hätten, würde ich Ihnen jetzt was Lustiges über die Weltwirtschaftskrise erzählen. Auch so ein Thema, von dem ich richtig viel verstehe. Das wäre garantiert ganz komisch geworden. Wir haben aber kein Glück, weil – ja, weil ich heute Morgen sehr früh, sehr sehr früh!, aus einem angenehmen Traum gerissen wurde, der Sie nichts angeht.

Draußen tobte das Verderben. Geräusche, die darauf schließen ließen, dass direkt vor meinem Schlafzimmerfenster entweder Ernst Jüngers »Stahlgewitter« verfilmt werden oder Bruce Willis persönlich die Sicherheitspolitik des Bundesinnenministers in die Tat umsetzt. Es war aber nicht »Schrei hart fünf Punkt Null«, das mich schweißnass ins wirkliche Leben riss. Es war eine Kolonne Bauarbeiter, die es für eine gute Idee hielt, noch vor den frühen Vögeln vorm Nachbarhaus ein Baugerüst abzuladen. Das Baugerüst war aus Metall und die Arbeiter aus Restjugoslawien. Ihr Chef war leider nicht mitgekommen, sondern leitete die Bauarbeiten von zuhause aus. Die Arbeiter hatten kein Mobiltelefon, deswegen mussten sie bis Restjugoslawien schreien, wenn sie ihren Boss was fragen wollten.

Ich leitete Gegenmaßnahmen ein, riss mein Fenster auf und erwiderte den Angriff in angemessener Lautstärke, also so, dass auch der Chef im Ausland noch mithören konnte: »Sagt mal, Jungs! Seid ihr eigentlich noch ganz dicht? Heute schon mal in die Zeitung gekuckt? Es ist Weltwirtschaftskrise! Die USA wurden an China verpfändet, Griechenland versteigert die Akropolis bei Ebay, in London-City müssen die Fußgänger schon wieder aufpassen, dass sie nicht von abstürzenden Börsenbrokern erschlagen werden und ihr macht hier auf Vollbeschäftigung? Ihr glaubt doch wohl nicht im Ernst, dass mein Nachbar noch in der Lage ist, die Rechnung für euer Gerüst zu bezahlen. Mein Nachbar ist Kleinsparer, Systemlottospieler und Nebenerwerbsgrößenwahnsinniger. Mit anderen Worten: Er hat sich von seinem Sparkassenfredi das Glück versprechen lassen. Tja, schon wieder Pech gehabt. Den Tigersprung vom Klein- zum Großbürger schafft man nicht mit DAX-orientierten Mischpapieren vom drei-Prozent-Discounter, sondern mit krimineller Energie. Alles schon mal da gewesen. Schon vergessen? Die Börsenblase platzt und der inkontinente kleine Doofmann steht heulend in der eigenen Pfütze. Wenn er überhaupt noch einen Job kriegt, dann als Fernsehexperte für Geldknappheit. Die einzige realistische Perspektive für Stützezieher. Also Jungs, packt euer blödes Gerüst wieder ein und lasst Leistungsträger wie mich gefälligst Mehrwert generieren! Ich muss gerade ein Buch schreiben. Man erwartet Qualitätswitze von mir!«

Mein akustischer Angriff verpuffte ergebnislos. Ein Bauarbeiter ließ einen dicken Eisenträger auf das Pflaster fallen und teilte in lupenreinem Hochdeutsch mit: »Kein Problem, Kollägge – zehn Minute fertich! «

Ich war wohl doch zu sehr ins Detail gegangen.

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