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Das Fausttürmlein und der Raubritter

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Steht man am Sendlinger-Tor-Platz, sollte man es nicht versäumen, das Sendlinger Tor und sein dunkles altes Mauerwerk zu betrachten. In der Phantasie fällt es nun gar nicht so schwer, das efeuumrankte Gemäuer zu erweitern, bis es die ehemaligen Ausmasse, die es in Zeiten des Mittelalters hatte, wieder erreicht, und vor seinem inneren Auge die »innere Stadtringmauer« erneut entstehen zu lassen.

Inmitten dieser alten Stadtringmauer, unfern vom Sendlinger Tore – da stand dereinst ein Türmchen mit einer drohenden Faust auf der Dachspitze. Damit hatte es die folgende nachtfinstere Bewandtnis:

Dereinst, als die Menschen noch an den Teufel glaubten, der Alchimie Glauben schenkten und öffentliche Hinrichtungen ein rechtes Volksspektakel waren, da hat ein Raubritter, dessen Namen allerdings nicht überliefert ist, der Stadt München »Fehde angekündigt«, wie das in altehrwürdigen Büchern so genannt wird.

Man darf sich das aber nicht wie eine offene Kriegserklärung vorstellen, weil der nun folgende Fortgang der Geschichte zeigen wird, dass in der Verfahrensweise des unedlen Raubritters von »offen« in keiner Weise die Rede sein kann.

Wir wollen innehalten und ein Wort über Raubritter verlieren. Dieser erst durch spätere Abenteuerromane zu Ehren gekommene Ritter hatte es wohl nicht leicht zu Lebzeiten, sonst nämlich hätten die Herren Raubritter ganz sicherlich nicht die immer schon anrüchige Lebens- und Existenzform »Raubritter« als die Ihrige erkoren.

Vielmehr ist das Raubrittertum ein sicheres Zeichen für den Niedergang des »klassischen« Rittertums mit all seinen edlen Tugenden: manheit, zuht, mâze, milte, güete, êre, staete.

Überhaupt Beständigkeit! Denn beständig ging es mit dem Tugendkatalog bergab, und ab der Mitte des 13.Jahrhunderts hatten es die Ritter, die König Artus noch an seinen runden Tisch gebeten hätte, wahrlich schwer! Denn damals kam das merkantile Bürgertum zu Ehren und Reichtum. Siehe: Alter Adel war schon damals nicht mehr das, was er einmal gewesen!

Man darf sagen, dass mit dem Raubrittertum die Neuzeit beginnt, zumindest aber unsere geliebte freie Marktwirtschaft.

Nun denn. Der Raubritter von damals, um den es hier in unserer Schauersage geht, der war sogar noch etwas moderner, denn er lieferte der Stadt den allerersten Bestechungsskandal.

Weil nämlich er mit einem Ratsherren gegen hohen Lohn ein heimliches Bündnis einging, dass dieser Ratsherr ihm zu einer bestimmten und ausgemachten Zeit eines der wuchtigen Tore der Stadtmauer auftun würde. Alsdann wollte der strategisch gewitzte Raubritter die Stadt überfallen und »mit Brand anstoßen«.


Wenn eine unschuldige arme Seele hingerichtet wurde, dann stand über dem Falltürmchen und dem Scharfrichterhaus ein feuerroter Lichtschein… (Aquarell von 1874)

Aber! Gottlob! Die verräterische Tat ward rechtzeitig entdeckt und der enttarnte Ratsherr lebendig in eben diesen Faustturm eingemauert.

Elendiglich musste er im finstersten Verliese, unentrinnbar seinem Ende entgegensehend, verhungern und verdursten, wenn nicht ein gnädiger Wahnsinn, eine durch Auszehrung einsetzende Umnachtung der Sinne seinem bewussten Ende und Endleiden einen milderen Schlusspunkt gesetzt haben möge.

So schändlich die Tat des hinterlistigen Verrates wider die Stadt München gewesen ist, so grausam und unmenschlich war der Tod im kaltfinsteren Verliese.

Und zur Warnung an alle Verräter wurde daraufhin eine drohende Faust auf die Spitze des Turmes gesetzt, die für alle Vorübergehenden als grausige Mahnung da oben prangte.

Möge der Liebe Gott des im Turme verdorrten Ratsherren gnädig sein.

Der Teufelstritt

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