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Das Fausttürmlein, das rote Licht und der Spuk der unschuldig Hingerichteten
ОглавлениеAlle, die immer noch am Sendlinger-Tor-Platz stehen und denen das Fausttürmchen partout nicht aus der Phantasie verschwindet, mögen sich die Zeit der grausigen Hinrichtungen im Mittelalter vergegenwärtigen und daran denken, dass immer, wenn das Blutgericht auftritt, auch Unschuldige dran glauben müssen. So war es auch damals. Aber dann hat es hier in dieser Gegend, die zu einem »besetzten Ort« wurde, sauber gespukt…
Nun hat es mit diesem Fausttürmlein aber noch eine ganz besondere Bewandtnis gehabt, die nicht weniger schauerlich zu nennen wäre:
Denn damals existierte das Scharfgericht, und wie schon das obige Schicksal des durch Gerichtsbeschluss eingemauerten Ratsherren zeigt, war man mit derlei Urteilen damals nicht gerade zimperlich oder zurückhaltend.
Da kam es dann schon das eine oder andere Mal vor, dass die Richter sich in ihrem Urteilsspruch irrten.
Nun denke keinesfalls, lieber mitfühlender Leser, dass dieser Irrtum allen miteinander nicht ganz besonders leid getan hätte; für eine Begnadigung war es dann halt ein für allemal zu spät. Denn der Betroffene hing unschuldig am Strick, er ward unschuldig einen Kopf kürzer gemacht oder unschuldig eingemauert. (Unser verräterischer Ratsherr, der hat sozusagen noch Glück gehabt, denn er musste wenigstens verdientermaßen den Tod erleiden!)
Musste aber ein ganz und gar Unschuldiger dran glauben, dann war zwar sein Gewissen heil (solange er noch lebte), und sein ewiges Leben war ebenfalls zum Guten hin gerettet. Für sein irdisches Dasein jedoch war dies ein sogenannter irreversibler Schaden.
Immer aber, wenn solcher Justizirrtum passierte, zeigte sich das ganze Grauen des Geschehens in folgender Szene:
Denn dann erglomm in der darauffolgenden Nacht das Fausttürmlein in blutrotem Lichte, und zugleich tat es drei schwere gewaltige Schläge, von dumpfer todbringender Wucht, die das entsetzliche Niedersausen des Schwertes auf dem Richtblock wiedergaben. Dies dreimalige Pochen geschah an der Tür des Scharfrichterhauses, das früher innerhalb der Stadtmauer auf einem kleinen Platz, der sich unter dem gruseligen Turmbauwerk öffnete, lag.
Der Scharfrichter, also von Gespensterhand aus dem Bette geholt, eilte gleich zur Türe, um diese tüchtig abzusperren, wusste er doch seit Urgroßvaters Zeiten nur zu genau, was der ernste Spuk zu bedeuten habe!
Zugleich fragte der Henker durch die geschlossene Türe nach draußen, wer denn da klopfe?
Dann kniete er nieder und betete mit lauter Stimme ein Vaterunser und ein Ave Maria ums andere, so lange, bis es ein Uhr von der inneren Stadt herüberschlug und die Geisterstunde, wie das so üblich ist, endlich beendet schien. Das alles mag an dunkle Einweihungen erinnern. Vielleicht ist es auch so?
Mit dem Vorüberziehen der Geisterstunde war auch das rote Licht verschwunden, der Scharfrichter versuchte nun zu schlafen, was ihm natürlich nach dem zuvor Erlebten nicht gelang.
Gleich am Morgen eilte er nun zum Rat der Stadt, zeigte an, was geschehen, und sogleich begab sich die Münchner Bevölkerung in Kirchen und Kapellen und betete inständig für die ungerecht hingerichtete arme Seele.
Denn nichts anderes hatte der Spuk zu bedeuten, als dass ein Unschuldiger von Henkershand vom Leben zum Tode befördert worden.
Das kam leider immer wieder vor.
Einmal erwischte es den Goldschmied vom Schönen Turm (Man findet die Sage auch in dieser Sammlung), ein andermal musste eine bildhübsche junge Dienstmagd, die ihr Stüblein »zuhöchst« in einem Hause unweit der Dienergasse hatte, unschuldig dran glauben.
In diesen beiden Fällen waren eine Dohle und ein Rabe »die Schuldigen«, denn diese schwarzen Galgenvögel hatten glitzernden Schmuck »von oben«, also aus der Luft und durch offene Fenster, fort genommen.
Als man dies merkte, da konnte man die enthaupteten Opfer aber auch nicht wieder zum Leben erwecken. Was mit den »wahrhaft Schuldigen«, den beiden Vögeln geschah, das weiß keiner. Wahrscheinlich sind sie eines ganz natürlichen Todes gestorben, und nicht einmal das Gewissen hat die gefiederten Freunde sonderlich geplagt.
Wie auch?