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Die drei Raben oder: Wie der Teufel sich die Seele eines Münchner Advokaten holte!

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Wenn man durch die Maximilianstraße spaziert oder die in geldaristokratischem Jugendstil bebauten Sträßchen Alt-Bogenhausens durchwandert, dann dauert es selten lange, bis einem an den Eingangspforten der verwöhnten und verwöhnenden Domizile golden oder silbern glänzende Namensschildchen auffallen, prunkend montierte Visitenkarten renommierter Anwaltskanzleien, hinter deren Fenster flinke Erfolgsjuristen schalten und walten und die Welt so gestalten, dass ohne juristische Entwirrung nichts mehr läuft.

Alles, was recht ist, mag man da gerne einwenden, das Recht jedoch ist den Herren bevorzugt recht, denn mit dem Recht lässt sich recht gut verdienen. Wer verdient, der verdient Achtung, und in unseren Tagen haben sich die Anwälte, Justitiare, Notare, Steuerberater und alle sonstigen Rechtsbeistände so unersetzlich gemacht, dass jedermann froh sein darf; wenn er »einen hat«, also eine gute Adresse kennt.

Man sieht sie in München bevorzugt im Zentrum oder in guter Gegend, sie tragen »Nadelstreifen«, im Winter Lodenmäntel und -hüte und stets eine gute Gesinnung vor sich her. Das Leben gerinnt ihnen zum »Fall«, und das gefällt ihnen so.

Die meisten sind anständig.

»Der Sage nach« soll es in dieser Stadt aber einmal ein recht schwarzes Schaf jener Innung gegeben haben:

Zu Ende des 18. Jahrhunderts, da lebte in München ein Advokat, der war verschlagen und hinterlistig.

Dem war alles recht.

Denn vom Recht lebte er. Seine Seele hatte er längst verloren, er besaß nichts mehr davon, dafür aber hatte er tausend krumme Winkelzüge im Gehirn. Und er dachte an nichts anderes, als wie er seinen Geldsack füllen könnte.

Mit der sogenannten »inneren Ethik« dieses Mannes kann es nicht allzu weit her gewesen sein, denn er handelte stets nur zu seinem eigenen Vorteil, auch wenn es dem Recht zu leid und dem Unrecht zu lieb geschah.

Mit seinen Klienten führte er »Beratungsgespräche«, wie man sie auch heute so kennt, aber das muss schon eine saubere Beratung gewesen sein!

Niemals besänftigte er seine Kunden, wenn diese gegeneinander aufgebracht waren, vielmehr stachelte er sie auf zu unvernünftigem Handeln und Prozessieren, so lange, bis sie endlich alles verloren und er ihnen den letzten Heller aus der Tasche gezogen hatte. Auch machte er sich, wie man das damals benannte, »kein Gewissen daraus«, selbst arme Witwen und Waisen um ihr Recht und um ihr letztes Schärflein zu bringen.

Den Menschen, die mit ihm zu tun haben mussten, denen konnte er die Worte im Munde umdrehen, eher noch, als diese ihre eigenen Worte überhaupt gedacht hatten!

»Rabulist«, so nannte man einen derartigen Wortteufel und Winkeladvokaten damals. Heute täte man sagen: »…ein gewandter Redner, erfolgreich im Denken und Auftreten, zielorientiert, praxisbezogen«.

Wir wissen als aufmerksame Leser einer Sage und als Erkenner der inneren Wirklichkeit längst, dass solche Gewissenlosigkeit niemals ungestraft bleibt. Dem Advokaten ging es so ähnlich wie dem herzlosen und ausschließlich profitorientierten »Jedermann«: Mitten aus dem Leben heraus traf ihn der Schlagfluss (Gehirnschlag). Und mausetot waren sowohl er selbst als auch sein geöltes Mundwerk.

Dies möge keine Abhandlung über Bestattungsriten in München sein, aber Beerdigungsunternehmen und das, was wir »Trauerhilfe« nennen, das gab es damals noch nicht in der Form, wie wir es heute gewohnt sind. Wenn einer tot war, dann musste er sich schon selber helfen. Auch die Trauernden konnten nicht einfach zum Telefonhörer greifen und die Bestattungs-, Formal-, und sogar Trauerarbeit einem städtischen oder privaten Dienstleistungsunternehmen übergeben.

Es gab dafür, neben den Totengräbern vor Ort, sogenannte »Seelnonnen«, die sich um die Leiche kümmerten und diese zur Aufbahrung aufbereiteten. So auch hier.

Die Seelnonne also hatte den Leichnam hergerichtet, ihm zwei brennende Lichter an die Seite gestellt und ein Kruzifix am Haupte aufgerichtet, so lag er in seinem Saal, ehrbar und prunkhaft aufgebahrt. Und wie es der Brauch ist, kamen Leute aus der Nachbarschaft, um den Toten zu beschauen, ihn mit Weihwasser zu besprengen und um für ihn ein Vaterunser zu beten. »Und vergib uns unsere Schuld…!«

Geweint hat allerdings kein Mensch um den Kerl, ganz im Gegenteil; manches böse Wort wurde laut. Aber was da alles an Abfälligkeiten gesagt wurde, das soll hier nicht wiedergegeben werden. Nur die Einsichtigen und Mildgesinnten meinten: »Gott möge seiner armen Seele gnädig sein!«

Aber da!

Plötzlich war ein unheilverkündendes Rauschen in der Luft, ein bösartig knarrendes Flügelschlagen!

Da hörten die im Totenzimmer Versammelten sowie das Volk, das gaffend ums Haus herumlungerte, etwas durch die Luft daher rauschen, und man sah alsbald zwei mächtige Raben an das geschlossene Fenster fliegen.

Hat man je zuvor Vögel mit so teuflisch intelligenten und wissenden Augen gesehen! Die pickten mit ihren starken Schnäbeln an die Scheiben, bis das Glas zerbrach und die Scherben klirrend auf den Boden fielen.

Das war der Teufel selber und ein Spießgeselle, der Seelenfänger in Persona war da, der den Unglücklichen, der da unvorbereitet hat sterben müssen, ohne je etwas von seinem ichbezogenen Leben bereut zu haben, durch die Luft abgeholt hat. Im selben Augenblick, zu aller Staunen und Grauen, entflog dem Munde des Toten ein ebensolcher schwarzer Vogel, schwirrte zum Fenster hinaus und mit den beiden anderen davon.

Wir wissen, dies war die Seele des Erfolgsanwalts, die zum Teufel ging.

Im Totengemach aber war es stockdunkel jetzt.

Fassungslos standen die Menschen da, alle Lichter waren verlöscht, und das Kruzifix lag umgestürzt am Boden: Ein eindeutiges Zeichen, dass die Macht des Bösen über den bösen Juristen gesiegt hatte. Doch der hat es, wie wir gesehen haben, der Schwarzen Macht recht leicht gemacht.

Der Teufel hat ihn einfach nur abzuholen brauchen.

Das heißt, seine Seele war schutzlos den höllischen Vögeln preisgegeben. Der Körper lag immer noch da und ist nachher, vor den Augen der Umstehenden und zu Tode Erschrockenen, über und über schwarz geworden.

Wollen wir im Lesen innehalten und für ihn beten, dass er doch noch irgendwann einmal erlöst werden möge. Der liebe Gott kennt, Gott sei Dank, andere Gesetze und Gesetzmäßigkeiten, als Juristen und Pharisäer sie kennen. Er verzeiht - wenn der Mensch ihm auch nur einen einzigen Schritt entgegenkommt. Für den hinterlistigen und wortverdreherischen Advokaten ist es dafür zu spät gewesen.

Der Teufelstritt

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