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3. Das Ziel der Therapie (Familie Bastian, Teil 1)

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Die Situation eines Familientherapeuten ist in mancher Hinsicht mit der eines Taxifahrers zu vergleichen, zu dem mehrere Personen in den Wagen steigen, die unterschiedliche Fahrtziele angeben. Der eine möchte zum Bahnhof, der andere zum Flughafen, ein dritter sagt, ihm sei es egal, wohin die Fahrt gehe, er wolle nur weg von hier, und ein vierter will eigentlich da bleiben, wo er ist, wird aber von den anderen in den Wagen gezerrt. Aber selbst wenn alle sich einig sind, ist meist nicht klar, wohin sie wollen. Schon zur Orientierung des Therapeuten ist es daher wichtig, sich zu Beginn einer jeden Therapie geraume Zeit damit zu beschäftigen, wohin die Reise denn gehen soll. Solch eine „Zielklärung“ ist – konstruktivistisch betrachtet – eigentlich eine Zielerfindung, da die Beteiligten sich häufig erst Gedanken über das Ziel einer Therapie machen, wenn sie danach gefragt werden. Der sich so entwickelnde Dialog ist mühsam und scheint sich auf den ersten Blick mit nebensächlichen Themen zu beschäftigen, bedenkt man, welch dramatische und manchmal tragische Begebenheiten berichtet werden. Doch wenn das Ziel der Therapie nicht thematisiert wird und der Therapeut sich sofort in die angebotenen Inhalte „verliebt“, kann dies dazu führen, daß er sich – vorauseilend verstehend – seinen Auftrag selbst gibt. Und der muß nicht immer der sein, der ihm von seinen Klienten gegeben würde, wenn er genau nachfragen würde.

Die gemeinsame Beleuchtung der Frage, was das Ziel der Therapie sein könnte, ist im allgemeinen ein wichtiger Aspekt des therapeutischen Prozesses, da die Beziehung zwischen Therapeut und Klient bzw. Klientensystem eben doch einige Unterschiede zu der zwischen Taxifahrer und Passagier aufweist: Die Passagiere des Therapeuten müssen selbst fahren. Damit sie das tun zu können, sollten sie wissen, woran sie merken würden, daß sie dort sind, wo sie hinwollen (siehe Abb. 2).

Dieser Teil des therapeutischen Prozesses ist wenig spektakulär und erscheint ziemlich kleinkariert. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, daß die meisten Therapeuten sich zu schnell mit irgendwelchen Abstraktionen abspeisen lassen oder zu schnell glauben, sie wüßten, was ihre Klienten meinen. Entscheidend ist, daß die Klienten konkrete und von mehreren Personen beobachtbare Merkmale benennen, an denen man die „Lösung“ erkennen kann. Da die Gefühle und Gedanken menschlicher Individuen von außen nicht direkt beobachtbar sind, sollte immer nach Verhaltensweisen gefragt werden. Da individuelles Verhalten fast immer als Element von Interaktionsmustern betrachtet werden kann, kommen so auch die Mitspieler und Beziehungspartner ins Blickfeld, die für den Therapieerfolg von Bedeutung sind.

Abb. 2: Veränderungsrichtung bei positiv definiertem Therapieziel

Solch eine Ziel- oder Auftragsklärung sollte nicht mit einem juristischen Kontrakt verwechselt werden, da sich im Laufe der Therapie die Ziele verändern können. Sie stellt aber einen Maßstab zur Verfügung, an dem gemeinsam überprüft werden kann, ob überhaupt Bewegung in der Therapie ist. Die Fokussierung auf ein hypothetisches Ziel, das obendrein in der Zukunft liegt, hilft auch deutlich zu machen, daß therapeutische Beziehungen aufgabenorientiert und zeitlich begrenzt sind.

Zur Illustration solch eines Zielklärungsprozesses hier einige Ausschnitte aus dem Erstinterview mit Familie Bastian.

Zum Gespräch erscheinen drei Familienmitglieder: Frau Bastian, 64 Jahre alt, ihr Sohn Ernst, 33 Jahre alt, und ihre Tochter Helga, 42 Jahre, das älteste Kind der Familie. Der Vater und zwei weitere Brüder sind nicht zum Gespräch erschienen. Sie wissen zwar davon, aber der Mutter erschien es besser, erst einmal nur mit dem Sohn und der Tochter zu kommen. Die drei sind von weit her angereist: Mutter und Sohn leben zusammen mit dem Vater im elterlichen Haus in Norddeutschland. Die zwei nicht anwesenden Brüder wohnen in derselben kleinen Stadt, nicht weit vom Elternhaus entfernt. Die Schwester, das älteste Kind, lebt mit ihrer eigenen Familie (sie hat zwei Kinder) in der Schweiz.

Überweiserin ist die Schwester, die einen psychosozialen Beruf ausübt und vor einiger Zeit Teilnehmerin an einem Seminar über Psychosen-Therapie bei FS war. Sie hat telefonisch einen Termin vereinbart, weil sie sich solche Sorgen um ihren Bruder macht. Er habe vor einigen Jahren eine Lebertransplantation erhalten; da er immer wieder Alkohol trinke, befürchte sie das Schlimmste; sie sei mit ihrem Latein am Ende; wenn er nicht aufhöre zu trinken, sei sein Leben ernsthaft bedroht – wie ihr die behandelnden Ärzte mitgeteilt hätten. Ernst, der identifizierte Patient, ist das dritte von vier Kindern.

Der hier wiedergegebene Ausschnitt des Interviews beginnt nach der Klärung des Überweisungskontextes (Was hat die Schwester über den Therapeuten erzählt? Welche „Versprechungen“ hat sie gemacht, die der Therapeut jetzt halten soll? Welche Vorerfahrungen gibt es mit Therapeuten? Antwort: „Schlechte, die zwei bislang aufgesuchten Psychologen waren immer nur an der Frage der Honorierung interessiert“ usw.) mit Fragen zum Ziel dieses Gesprächs. Bis dahin war bereits deutlich geworden, daß die Mutter von allen Anwesenden die größten Hoffnungen an das Gespräch knüpft.


FRITZ SIMON(zur Schwester) Ja, ich fange einmal bei Ihnen an. Das haben Sie nun davon, daß Sie da so aktiv waren! (Mutter lacht) Also, wenn das hier optimal liefe, woran würde Ihre Mutter es merken? Also, was wäre das Wunschziel Ihrer Mutter für das Gespräch hier und heute? Was denken Sie?

Wer Informationen gewinnen will, muß nach Unterschieden fragen. Nur wer eine Vorstellung davon hat, was der Unterschied zwischen dem Zustand oder der Situation vor und nach bzw. mit und ohne Therapie sein soll, kann entscheiden, ob er sich darauf einlassen will. Das gilt für die Familienmitglieder ebenso wie für Therapeuten. Durch Fragen nach diesem Unterschied wird außerdem stillschweigend mitgeteilt, daß Therapie ein begrenztes Unternehmen ist. Wenn es Merkmale der Unterscheidung für den Therapieerfolg gibt, so droht keine unendliche Behandlung, und beide Seiten, Klienten wie Therapeuten, können gemeinsam überprüfen, wie weit man auf dem Weg zu diesem Ziel schon fortgeschritten ist. Das gilt natürlich nur, wenn solch ein Ziel konkret auf einer beobachtbaren Ebene, d. h. im allgemeinen: auf der Verhaltensebene, beschrieben wird und nicht in irgendwelchen Abstraktionen verschwimmt (z. B. „Bessergehen“, „Glück“, „Reife“). Deswegen empfehlen sich Fragestellungen wie „Wenn ich jetzt eine Videokamera einschalten würde und Ihre Situation filmen würde und wenn ich dasselbe nach einer erfolgreichen Therapie machen würde, was wäre der Unterschied zwischen den beiden Filmen?“ oder „Wenn heute nacht eine gute Fee käme und Sie an Ihr Ziel brächte, was wäre morgen früh anders?“

Eine solche Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die „Lösung“ bringt häufig erst den Prozeß der Suche nach solchen Merkmalen der Unterscheidung in Gang. Das ist oft an sich schon eine Veränderung. Meist kommen ja Personen in Therapie, die einigermaßen genau sagen können, woran sie ihr „Problem“ erkennen, nicht aber, woran sie merken würden, daß es „gelöst“ ist.

Noch komplizierter ist die Situation, wenn sich die Therapiewünsche auf einen Angehörigen beziehen. Es gibt häufig voneinander abweichende Therapieziele, in unserem Beispiel wird die Außenperspektive der Tochter über die Wünsche der Mutter erfragt. Das Interesse des Therapeuten gilt erst in zweiter Linie den tatsächlichen Wünschen und Zielen der Mutter; im Vordergrund steht, wie diese Wünsche und Ziele von den anderen gesehen werden. Denn die Mitglieder einer Familie reagieren – das kann nicht oft genug wiederholt werden – nicht auf die Gefühle und Gedanken des jeweils anderen, sondern darauf, wie sie denken und fühlen, daß der andere fühlt und denkt …

SCHWESTERNa, für das Gespräch heute ist das Wunschziel, würd ich sagen, daß eine ernsthafte Beschäftigung mit den ganzen anstehenden Problemen einfach ins Rollen kommt. Daß dann Schritt für Schritt einerseits das Klima zu Hause offener, freundlicher und herzlicher wird, daß der Ernst sicherer auf neue Situationen zugeht, daß er weniger Angst hat und daß sie ihn weniger antreiben muß …

FRITZ SIMONAber das wären nicht alles Ziele für das heutige Gespräch, oder?

SCHWESTERNein, das wär so ein Ansatz, ein Schritt in die Richtung.

FRITZ SIMONJa, bleiben wir einmal bei dem heutigen Gespräch … Was wäre denn für Ihre Mutter ein Zeichen, daß es in die richtige Richtung geht …Woran wird es Ihre Mutter im Alltag merken? Morgen zum Beispiel! Was wird morgen anders laufen als gestern, wenn dieses Gespräch sinnvoll ist? An wessen Verhalten wird sie es merken, an (zum Bruder gewandt) Ihrem oder an wessen Verhalten?

MUTTERSoll ich jetzt darauf antworten?

FRITZ SIMONNein, ich frag Sie gleich, ob Sie sich da wiedererkennen und ob Ihre Tochter das richtig sieht, aber ich bin erst einmal an Außensichten interessiert!

SCHWESTERJa, an Ernsts Verhalten.

FRITZ SIMONUnd was wäre das für ein Verhalten, wenn das jetzt hier die sensationellste Sitzung der Welt wäre, wie wird er sich verhalten – aus Sicht Ihrer Mutter?

SCHWESTEREr würde morgen früh ins Büro gehen. Er würde sagen: Der Chef ist zwar ein Arsch, aber mit dem komme ich schon irgendwie klar! Ich mache die Prüfung, ja, ich gehe das an. Soviel kann mir da ja gar nicht jetzt passieren. Das werde ich schon schaffen! Und für Samstag nehme ich mir dann vor, daß ich einen Freund anrufe, den ich schon lange nicht mehr angerufen habe, und gehe mit dem irgendwo spazieren, oder so was, also ich nehme mir von mir aus etwas vor für das Wochenende mit dem Freund.

MUTTER(lacht) Das hat sie sehr schön gesagt.

Einen Außenstehenden über die Beziehung zweier anderer zu fragen hat nicht nur den Vorteil, daß die Betroffenen eine Rückmeldung darüber erhalten, wie ihre Beziehung von außen gesehen wird, sie erhalten auch die Chance, sich verstanden zu fühlen …

FRITZ SIMON(zur Mutter) Sie strahlen, daraus folgere ich, daß Sie sich da ganz gut beschrieben fühlen.

MUTTERDaß ich mich sehr, sehr freuen würde, wenn dieser Erfolg schon mal eintreten würde!

FRITZ SIMON(zur Schwester) Und Ihr Bruder, was ist für ihn ein Erfolg dieser Sitzung? Woran wird er das merken?

SCHWESTERDaß die Augen vielleicht einmal weniger gelb sind, wenn er morgens in den Spiegel schaut, daß die Streßsituation mal einfach weg ist.

FRITZ SIMON(zum Sohn) Das heißt, Sie schauen morgen in den Spiegel und wissen, ob das hier eine gute Sitzung war?

(Bruder und Schwester lachen)

FRITZ SIMON(zur Schwester) Was noch?

SCHWESTERWas noch? Ja, so das Gefühl: Eigentlich kann ich’s angehn! Neue Situationen können mich gar nicht so aus der Bahn werfen, daß sie nicht bewältigbar sind … Einfach so dieses Stück: Ich kann! Ja, ich probier’s!

FRITZ SIMONUnd was wird Ernst dann tun, wenn er das Gefühl hat: Mich kann nichts aus der Bahn werfen?

SCHWESTERWas wird er tun? Ja, das sind zwei Situationen. Einmal schauen, was sind die positiven Aspekte der Arbeitssituation, die mir eigentlich auf den Nerv geht. Was hab ich da eigentlich? Ist es nur nervig, oder kann ich dem auch etwas abgewinnen? Und das andere wär halt, mal wirklich zu schauen, wo sind Freunde? Oder wen kann ich ansprechen und es dann auch tun?

Der Indikativ in den Fragen des Therapeuten ist grammatikalisch natürlich falsch. In gutem Deutsch hätte hier der Konjunktiv verwendet werden müssen. Der Indikativ hat aber eine gewisse suggestive Wirkung, er nimmt das, was sein könnte, als bereits geschehen voraus.

Die Antworten der Schwester zeigen, daß sie die „Einladung“ zum Perspektivwechsel angenommen hat. Ihre Aussagen über die potentielle Sichtweise des Bruders sind in der Ichform, das heißt, sie nimmt die Position des Bruders ein und spricht für ihn.

FRITZ SIMONWird er es in erster Linie im Arbeitsbereich merken, im Umgang mit irgendwelchen Kollegen und Chefs, oder eher im Bereich mit Freunden?

SCHWESTERIch vermute mal, daß es jetzt vordergründig mehr Auswirkung im Arbeitsbereich hätte und in der Familie. Bei Freunden kenn ich mich zu wenig aus. Also ich seh momentan keine …

FRITZ SIMONJa, würde er es eher daran merken, daß er etwas anders macht oder daß die anderen etwas anders machen?

SCHWESTERDaß er es anders macht.

FRITZ SIMONUnd wie säh es aus?

SCHWESTERDas Sehen von etwas Positivem oder das Schauen auf etwas Positives …

FRITZ SIMONDas heißt, er würde eine rosa Brille tragen, damit man das Gelb im Auge nicht mehr sieht?

(Schwester lacht, Bruder schmunzelt)

Der Umgang mit den körperlichen Symptomen ist hier eher locker flockig und wahrscheinlich nicht der tatsächlichen Lebensbedrohung, die damit verbunden ist, angemessen. Aber ein ängstliches Nicht-drüber-Sprechen eröffnet im allgemeinen keine neuen Optionen. Daher empfiehlt sich eher der respektlose Umgang mit ansonsten respekteinflößenden Themen.

FRITZ SIMONAlso, er würde eher optimistisch, positiv …?

SCHWESTER(zustimmend) Hm!

FRITZ SIMONAha. (zum Sohn) Hat Ihre Schwester da nun über sich geredet oder über Sie, was die Wünsche an die Sitzung angeht? Erkennen Sie sich da wieder in dieser Beschreibung?

ERNSTTeilweise ja.

FRITZ SIMONWo da?

ERNSTIrgendwann hat man keine Lust mehr, die Leute anzurufen. Also, in der Beziehung war ich schon sehr tätig, aber dann ist keine Rückmeldung gekommen. Und dann heiraten die Burschen und sitzen den ganzen Tag daheim. Und dann irgendwie … geht man nicht mehr irgendwohin. Da ist eigentlich nur noch einer gekommen, und der hat gesagt: Komm, wir gehen ein Bier trinken! Und das war mir zu blöd!

Die Antworten von Ernst und seiner Schwester legen die Idee nahe, daß Ernst im Moment eher isoliert zu sein scheint. Der Kontakt zu seinen früheren Freunden ist reduziert. Diese Antwort zeigt, daß man auf die Frage nach dem Ziel häufig Hinweise auf die gegenwärtige Lebenssituation erhält, zu der durch die Therapie ein Unterschied hergestellt werden soll. Also, eine gute Antwort, wenn auch nicht auf die gestellte Frage …

FRITZ SIMONJa, dann frag ich Sie doch noch einmal direkt. Nehmen wir an, dieses Gespräch hier läuft gut oder auch weitergehende Gespräche laufen gut, wie sieht es denn am Ende einer Serie von gut gelaufenen Gesprächen aus?

ERNSTJa, wenn ich überzeugt davon bin, dann würde ich auch noch einmal sagen, ich ergreif noch einmal die Initiative.

FRITZ SIMONWo werden Sie etwas anders machen? Sind Sie überhaupt derjenige, der am meisten anders machen würde?

ERNSTIch denke mal, daß immer zwei Seiten dazu gehören. Aber dadurch, daß ich alleinstehend bin und zum großen Teil auf die Leute zugehe, und es kommt einfach nichts zurück … Ich weiß nicht, wie oft ich Leute anrufe und die sagen: Ich hab jetzt keine Zeit, ich ruf zurück! Und dann kommt nichts. Dann mache ich mir natürlich auch meine Gedanken. Warum ruft er oder warum ruft sie nicht zurück?

FRITZ SIMONAlso, ich möchte es noch einmal zuspitzen. Sie müssen entschuldigen, wenn ich da so penetrant nachfrage. Sie haben eine lange gemeinsame Geschichte und wissen sehr vieles, was ich nicht weiß, und deswegen bin ich etwas hartnäckig. Das bin ich auch sonst, aber da ganz besonders! Also, nehmen wir an, es käme eine gute Fee, die berühmte gute Fee aus dem Märchen, Sie haben auch schon von ihr gehört … Nehmen wir an, die würde alle Probleme beseitigen, die Sie haben; die Sie in der Familie haben, nicht nur Sie als Person, sondern alles, was Sie hierhergeführt hat! Wie sähe das dann morgen früh aus? Was wäre anders im Leben der Familie, in Ihrem Leben?

Bei der Zieldefinition ist eine gewisse Penetranz unverzichtbar, da man leicht durch irgendwelche blasigen Formulierungen abgespeist wird. Als gut erzogener Mensch würde man im Alltag nicht so beharrlich nachfragen, das gehört sich einfach nicht. In der Therapie ist es aber nötig, damit der Therapeut eine Vorstellung davon erhält, was denn eigentlich seine Aufgabe sein soll.

ERNSTIch denke mal, daß ich dann doch … Ich bin eigentlich relativ selten richtig schlecht gelaunt, aber …

FRITZ SIMONDas heißt, Sie wären meistens gut gelaunt?

ERNSTNa ja, gut, normal gelaunt halt.

FRITZ SIMONFür manche ist normal gelaunt schlecht gelaunt. Deswegen: eher normal oder gut? … (zur Mutter) Sie schütteln den Kopf?

MUTTERJa, das „gelaunt“ gefällt mir nicht. Wir sind eigentlich Morgenmuffel, aber der Tag bringt dann eigentlich, wenn er gut läuft, die sogenannte gute Laune sowieso …

Hier zeigt sich bereits in ersten Ansätzen, daß die Mutter eine Tendenz zum „positiven Denken“ hat – wie immer man das bewerten mag.

ERNSTAlso ich bin normalerweise kein Morgenmuffel! Normalerweise, aber wenn es nicht so läuft … Unter der Woche ist das unheimlich schwer, weil ich schon die ganze Nacht ständig immer aufwache, da denk ich an den nächsten Tag.

FRITZ SIMONAber wie ist dieser Tag nach der Fee … dieser Tag, wenn die Fee da war?

ERNST(klopft sich mit beiden Händen auf die Schultern) Dann könnte er mich …!

FRITZ SIMONWer?

ERNSTMein Chef!

FRITZ SIMONO. K. Also, wie läuft es dann bei der Arbeit ab? Was ist anders?

ERNSTJa, dann würde ich ihn gar nicht sehen, ich mein …

FRITZ SIMONWie ist er denn, was macht er denn überhaupt, daß er Ihnen so auf die Nerven geht?

ERNSTDer redet nichts!

FRITZ SIMONDer redet nichts.

ERNSTÜberhaupt nichts!

FRITZ SIMONUnd was ist daran das Problem?

ERNSTNa ja, ich bin halt so ein Mensch, der … Die ganzen anderen Leute, die sind so nett zu mir und zuvorkommend: „Wenn du dies brauchst und wenn du jenes brauchst …“ Das ist vollkommen ideal!

FRITZ SIMONBei der Arbeit?

ERNSTBei der Arbeit, ja! Aber zu denen kann ich nicht den ganzen Tag gehen, die haben auch was zu tun. Und er sitzt mir halt genau im Nebenzimmer und ist ein absolut launischer Kerl, und das sind halt Sachen, die mich nerven! Normalerweise, wenn ich nicht fertig werde, also, ich bin noch in der Ausbildung. Also ich brauche ihn noch.

FRITZ SIMONWie lange brauchen Sie noch?

ERNSTBis September.

FRITZ SIMONAlso, wenn die gute Fee da war, dann verhalten Sie sich wie? Wenn er launisch ist …?

ERNSTJa, ich brauch mich nicht anders zu verhalten, nur dann ist da oben (läßt die Hand an der Stirn rotieren) auch ein bißchen anderes Denken drin.

FRITZ SIMONWürden Ihre Kollegen das merken?

ERNSTMit Sicherheit!

FRITZ SIMONUnd woran?

ERNSTAn meinem Verhalten!

FRITZ SIMONUnd an welchem?

ERNSTNa ja, ich würde dann öfters Strahlen! Schätz ich mal.

FRITZ SIMONAh, Sie würden öfter strahlen.

ERNSTAlso, Lachstrahlen, nicht gelb strahlen! Schätz ich mal!

FRITZ SIMONAha. Und Sie ließen sich nicht durch die Launen des Chefs erschüttern?

ERNSTVermutlich nicht. Öfters mal schon, wenn er mich direkt angreift, aber … Ich mein, ich hab den ganzen Tag zu lernen … Natürlich auch etwas, was mich nervt mit 33! Man hat Abitur und Studium hinter sich, und dann muß man noch einmal …

FRITZ SIMONWas müssen Sie denn lernen jetzt? Was ist das für eine Ausbildung?

ERNSTFinanzbeamter.

FRITZ SIMONAha. Und wie kommt es, daß Sie da jetzt in dieser Ausbildung sind?

ERNSTIch hab mich beworben und bin genommen worden. Das heißt, ich bin lebertransplantiert und hab eine ziemliche Ausfallzeit durch diese Operation gehabt, na, ja. Jetzt bin ich schwerbehindert, und da hat man es bei der Ausbildung unheimlich schwer. Die öffentlichen Verwaltungen haben vor eineinhalb Jahren noch Schwerbehinderte eingestellt, damit sie die Quote erreichen, und die privaten Unternehmen zahlen lieber diese Strafe, nein, diese Abgabe, na ja!

FRITZ SIMON(zur Schwester) Das klingt eher so, als wäre er nicht ganz zufrieden mit seinem beruflichen Werdegang. Zumindest höre ich das so raus. Ich weiß nicht, vielleicht höre ich es auch hinein. Was meinen Sie, wenn er jetzt den idealen Chef hätte, wäre er dann im Moment mit seinem beruflichen Werdegang zufrieden?

SCHWESTER(an den Bruder gerichtet) Na ja, vor dieser Leberzirrhosengeschichte hast du sicher andere Träume gehabt als dieses Finanzdienstdingens. Ich weiß gar nicht genau, wie das heißt. Deine Träume waren andere!

ERNSTSicher, ich hab Auslandspraktikum gemacht. Ich wollte eigentlich ins Ausland. Ich war voll mobil, was damals unheimlich gefragt war! Und dann ist halt die Lebergeschichte gekommen …

FRITZ SIMONWie kam die? Aus heiterem Himmel oder wie?

ERNSTNa ja, nicht ganz. So Alkohol und solche Dinge … von einer Reise hab ich mir irgend etwas mitgebracht, was erst nicht erkannt worden ist. Und dann bin ich viel zu spät zum Arzt gegangen, und dann hab ich mich auch wieder nicht vernünftig verhalten.

An dieser Stelle wird deutlich, wie schnell man sich durch die berichteten – ja zweifellos wichtigen – Geschehnisse in der Vergangenheit von der Klärung des Ziels abbringen läßt. Es ist aber nicht weiter problematisch, ein paar Schleifen zu drehen, Hauptsache man kommt wieder zu der ursprünglichen Frage zurück. Da mag es von Nutzen sein, eine Art Checkliste im Hinterkopf zu haben, was man alles während einer ersten Sitzung erfragen möchte (sie findet sich am Ende des Buches).

FRITZ SIMONVielleicht kommen wir darauf noch einmal zurück, aber ich würde gern erst einmal bei dieser Zielvorstellung bleiben, wo es eigentlich hingehen könnte oder sollte, weil das ja auch für mich Konsequenzen hat. Ich muß ja einschätzen: Kann ich überhaupt von Nutzen beim Erreichen solcher Ziele sein. Also: Sie würden dann im Alltag den Chef nicht so wichtig nehmen, auf Deutsch gesagt.

Der Patient mag ja ohne Therapieziel auskommen, der Therapeut braucht es. Andernfalls kann er nicht überprüfen, ob er sinnvoll arbeitet oder nicht.

ERNSTUnd dies nicht nur einmal!

FRITZ SIMONHätte das Auswirkungen auf das Familienleben zu Hause?

ERNST(zur Mutter) Ich glaube, momentan ist es nicht so schlimm, oder?

FRITZ SIMONNa ja, das ist ja so schön bei diesen Gedankenexperimenten: Man kann an allen möglichen Schrauben drehen, irgend etwas verändern und die Maximalvorstellung angucken. Wenn das Wünschen helfen würde – was es manchmal tut, nebenbei gesagt! –, (zur Mutter) was wär’s, aus Ihrer Sicht? Wenn eine gute Fee käme und alle Probleme beseitigen würde, wie sähe dann Ihr Leben aus, das Leben Ihres Sohnes, das Familienleben?

Gedankenexperimente sind eines der nützlichsten Instrumente menschlichen Denkens. Sie sind ökonomisch sinnvoll (d. h., sie kosten wenig), laden ein zu kreativem Denken, geben der Phantasie eine Chance und aktivieren den Möglichkeitssinn.

MUTTERAls Mutter muß ich sagen, daß ich ihn eigentlich am besten von allen kenne. Er war ein sehr strebsamer junger Mann, der mit sehr viel Optimismus und Strebsamkeit im Studium war, bis diese Sache mit der Zirrhose kam.

Eine gute Antwort, wenn auch wiederum nicht auf die Frage des Therapeuten. Also: eine neue Schleife. Hier zeigt sich, daß sich beim Versuch, die Merkmale einer zukünftigen Lösung zu erfahren, viel über die Vergangenheit und Gegenwart erfahren läßt. Das ist nicht so erstaunlich, da die Lösung meist am besten durch den Unterschied zu dem als problematisch erlebten Zustand definiert werden kann.

FRITZ SIMONWann war das?

MUTTERDas war ja dann (wendet sich zum Sohn) im wievielten Semester?

ERNSTIm achten!

MUTTERIm achten Semester.

FRITZ SIMON(zum Sohn) Wie alt waren Sie da?

ERNSTDa war ich 26 Jahre alt.

MUTTERDann kam die Transplantation und die letzten zwei Semester nach der Transplantation, und eigentlich war es dann ein Rückschritt. Er hat den Mut verloren, er hat den Lebenswillen verloren, und er hat gedacht, es geht auch so. Dann war er fertig mit dem Studium, und dann kamen die Bewerbungsschreiben. Die Antworten waren alle negativ. Er war immerhin organtransplantiert, und in der öffentlichen Wirtschaft gab’s da keine Möglichkeit. Ja, zurück zur guten Fee. Ich würde ihn mir so wünschen, wie er gewesen ist: als erfolgreichen, netten, strebsamen Menschen. Optimistischer vor allen Dingen. Das ist das Ausschlaggebende; er müßte mehr Selbstvertrauen kriegen, mehr mit Optimismus in die Zukunft schauen; daß er wirklich die passiven Dinge auf der Seite liegen läßt und die positiven Seiten mehr schätzen würde.

Die Mutter hat offensichtlich in der Familie die Rolle derjenigen übernommen, die stets an allem die positive Seite sieht. Das dürfte für sie in ihrem Leben eine nützliche Überlebensstrategie gewesen sein. Bezogen auf die anderen Familienmitglieder kann dies eine Vorbildfunktion haben, es kann aber auch zu einer Rollenaufteilung kommen, bei der ein oder mehrere andere Familienmitglieder auf die andere Seite der Ambivalenz gehen (fast alles hat schließlich – mindestens – zwei Seiten) und eine pessimistische Sichtweise vertreten. Die Balance zwischen Optimismus und Pessimismus ist dann innerhalb der Familie durch unterschiedliche Protagonisten gesichert.

FRITZ SIMONIch würde mir das gern genauer vorstellen können, wie das dann weiterginge. Also nehmen wir einmal an, heute Nacht kommt die gute Fee und gibt ihm eine große Injektion Optimismus, Strebsamkeit, Erfolg! Wie würde es dann weitergehen?

MUTTEREs ist so … ich weiß nicht, ob das in Ordnung ist, wenn ich jetzt dieses Thema anspreche … Er leidet unter Prüfungsangst. Und diese Prüfungsangst oder Streßsituationen, die meint er dann mit einem Schluck aus der Flasche bewältigen zu müssen. Ich würde mir dann als gute Fee wünschen, daß er überhaupt keine Lust mehr, kein Verlangen mehr auf so etwas hätte. Daß er sagt: „Alkohol brauche ich nicht! Es geht auch so! Ich bin, wer ich bin. Ich kann das! Ich komme ohne aus!“ Und es würde seiner Gesundheit gut tun. Es würde ihn nicht immer wieder zurückwerfen. Mit der transplantierten Leber, ein Schluck Alkohol oder zwei oder drei verschlechtert die Laborwerte. Und dann ist der positive Weg wieder unterbrochen. Es geht ab in die Klinik. Es ist immer ein gewisser Rückschritt.

FRITZ SIMONDas klingt so, als wenn Sie da schon Erfahrungen haben mit „Einen Schluck nehmen“ … Kann man das so sagen?

MUTTER(zum Sohn) Ja, kann ich doch so sagen?

(Sohn zuckt die Achseln)

FRITZ SIMONEs ist Ihrer Mutter jetzt etwas unangenehm. Soll sie darüber reden oder nicht?

In Familiensitzungen werden häufig Themen angesprochen, die im Alltag aus gegenseitiger Rücksichtnahme oder zur Vermeidung von Konflikten eher tabuisiert sind. Als Therapeut läuft man immer Gefahr, solche Tabus entweder zu stabilisieren, indem man sich an sie hält und manche Themen ausklammert, oder aber Geheimnisse zu „knacken“, was immer einen Hauch von Gewalttätigkeit gegenüber der Familie hat. Beide scheinen keine guten therapeutischen Strategien zu sein, da sie im allgemeinen die familiären Muster eher bestätigen. Wer Geheimnisse knackt, wird als Eindringling erlebt und früher oder später ausgegrenzt, wer in Tabus einsteigt, bestätigt die familiären Kommunikationsregeln. Daher sollte die Familie stets die Verantwortung dafür behalten, was besprochen und worüber geschwiegen wird. Aus diesem Grund wird hier der Sohn um Erlaubnis gefragt, das „unheimliche“ Thema anzusprechen.

ERNSTIch kenne das ja schon.

FRITZ SIMONSie sind ja dabei, wenn sie trinken!

MUTTEREben!

FRITZ SIMONAber Sie haben ein bißchen Sorge.

MUTTERIch sehe das als eine psychische Sache. Ich kann erkennen, daß dies eine Sucht ist. Ja, ich will sagen: Sucht. Es ist nicht Alkoholismus in dem Sinn, daß man Bier und Schnaps und alles in sich reintrinkt, aber es ist Sucht in Streßsituationen, um da eine Hilfe zu finden. Und ich nehme das als eine psychische Sache, als Krankheit, und versuche von meiner Seite, ihm hier weiterzuhelfen. Und das mache ich in Gesprächen, mit dem Wunsch, daß er offen zu mir ist, sich mir öffnet und mit mir darüber spricht. Und das ist in der Vergangenheit eben weniger gewesen!

FRITZ SIMON(zum Sohn) Wer in der Familie sieht das denn so, daß Sie die Entscheidung haben, ob Sie etwas trinken oder nicht, und wer denkt, das ist, was weiß ich, irgendwie eine höhere Macht, eine psychische oder sonstige Krankheit? Was schätzen Sie?

ERNSTIch schätze, höchstens mein kleiner Bruder …

FRITZ SIMONWas denkt der? Daß es eine Sucht ist? … Ihre Entscheidung ist?

ERNSTWas heißt Sucht? Er sagt, das ist Blödsinn. Und ich hör das auch so oft! Du bist doch intelligent. Du bist doch der einzige in der Familie mit Abitur. Das höre ich auch immer von den Ärzten: „Das haben Sie doch gar nicht nötig!“ Aber, gerade in diesen Situationen. Das war vorher nie! Ich habe das Abitur gemacht mit zwei Tagen Vorbereitung, weil ich einfach vorher gut gelernt hab. Ich habe mich intensiv darauf vorbereitet, bin ohne Angst reingegangen. Das war überhaupt kein Thema. Aber ich vermute halt auch, daß die Medikamente, die ich jetzt nehmen muß, sehr dazu beigetragen haben.

FRITZ SIMONDa würde ich gern noch einmal nachhaken. Ich weiß nicht, ob das der wichtigste Punkt ist. Aber es ist ja offenbar wichtig, diese Prüfungsgeschichte, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Denken Sie, es ist der wichtigste Punkt, oder gibt es noch andere wichtige?

MUTTERNein, ich meine, das würde alle Probleme dann lösen, wenn dieser Punkt erreicht wird, daß er keine Prüfungsangst mehr hat, daß er die Streßsituation nicht mit einem Glas Sekt überbrücken muß, daß er sagen kann: „Ich kann das, und damit gehe ich in die Prüfung und fertig“.

FRITZ SIMONNa ja, ich frag, weil wir ja nur eine begrenzte Zeit haben und wohl oder übel eine Auswahl treffen müssen. Deswegen würde ich gerne wissen, wenn wir nur ein Thema hätten, was wir hier behandeln, wär es dieses? Wäre das auch aus Ihrer Sicht (zum Sohn) das Wichtigste?

ERNSTJa!

SCHWESTERJa!


Das unmittelbare Ziel der Therapie soll also der Verlust der Prüfungsangst sein. Auch wenn jetzt viel Zeit darauf verwendet wurde, ist solch eine Festlegung nicht als verbindlich zu betrachten. In dieser Phase des Interviews zeigt sich ein Phänomen, das in fast jeder Therapie zu beobachten ist. Die Beteiligten nehmen irgendwelche Verhaltensweisen wahr (das Schluck-aus-der-Flasche-Nehmen), bewerten sie als „problematisch“, suchen nach einer Erklärung (Prüfungsangst) und versuchen dann, eine Lösung dafür zu finden. Würde man solch eine Isolation des Symptoms akzeptieren, läge es nahe, ein Trainingsprogramm für Prüfungsangst anzubieten. Das kann in vielen Fällen auch sinnvoll sein. Hier hören wir jedoch, daß Ernst früher nie Probleme mit Prüfungen hatte; insofern sind Erklärungen, die nahelegen, er hätte irgendein Lerndefizit, nicht sehr plausibel. Vielmehr muß erklärt werden, wie er seine Fähigkeit, locker und selbstbewußt in Prüfungen zu gehen, wieder verloren hat. Und der Verdacht liegt natürlich nahe, daß die schwere Krankheit, die Lebertransplantation und die nachfolgenden Schwierigkeiten, eine Stelle in seinem erlernten Beruf zu finden, das Selbstbild von Ernst massiv beeinträchtigt haben. Auch stellt sich die Frage, wie sich erklären läßt, daß er offenbar schon vor der Lebererkrankung verstärkt zum Alkohol gegriffen hat.

Das hier benannte Ziel („keine Prüfungsangst etc.“) ist also eher als ein Symptom für eine veränderte Gesamtsituation zu verstehen. Es wäre – technisch betrachtet – sicher sinnvoll gewesen, das Verhalten ohne Prüfungsangst noch konkreter abzufragen. Denn derartige negative Zielformulierungen sind aus praktisch-therapeutischer Sicht immer ungünstig. Wenn ein Verhalten eine Zeitlang nicht mehr gezeigt wird, so kann man nie sicher sein, ob es nicht am nächsten Tag wieder auftritt. Das ist eine Schwierigkeit, die sich zum einen bei allen Symptomen zeigt, die als Ausdruck einer „Sucht“ interpretiert werden, und zum anderen bei abweichendem Verhalten. Es gibt in diesen Fällen kein positiv definiertes Merkmal der Unterscheidung für den Therapieerfolg.


Abb. 3: Veränderungsrichtung bei negativ definiertem Therapieziel

Ein Vergleich mag diese Schwierigkeit illustrieren: Wenn jemand Klavier spielt und dies von seiner Umgebung oder auch ihm selbst als „Problem“ gesehen wird, so ist die Tatsache, daß er im Moment nicht musiziert, kein Beweis dafür, daß er nicht im nächsten Moment wieder in die Tasten greift. Wird der Erfolg hingegen positiv definiert, wird die Fähigkeit, den Flohwalzer auf dem Klavier zu spielen, als Merkmal der Unterscheidung für den Therapieerfolg bewertet, so ist das erstmalige und womöglich sogar einmalige Spielen dieses großen Stückes der europäischen Musikgeschichte der Beleg dafür, daß das Ziel erreicht wurde.

Die therapeutische Schwierigkeit ist, daß solche negativen Zieldefinitionen unendlich viele Optionen und Freiheitsgrade eröffnen. Wenn man nicht weiß, wo man hin will, kann man auch nicht feststellen, ob man angekommen ist. Aber manchmal ist ja bekanntlich der Weg das Ziel … Das gilt allerdings im allgemeinen nicht für Kurztherapeuten.

(Fortsetzung des Transkripts des Interviews mit Familie Bastian in Kapitel 4)

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