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6. Evangelisierung über die Medien

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Ich wurde im Zeitalter der Elektrotechnik geboren, in dem man Lichtwellen nutzt, um das Wort zu verkünden. Das Radio ist wie das Alte Testament, denn man hört das Wort, ohne es zu sehen. Das Fernsehen ist wie das Neue Testament, denn das Wort wird sichtbar, es wird Fleisch und wohnt unter uns. Die erste Radioansprache hielt ich beim Radiosender New York City am Tag der Inbetriebnahme des Senders. Ich trat auch in der ersten religiösen Fernsehsendung in New York auf, als es in der ganzen Stadt erst wenige Fernsehgeräte gab. Die zwei Dutzend oder etwas mehr Kerzen, die auf dem Studioaltar unter den hellen Jupiterlampen aufgestellt waren, schmolzen in der Hitze.

1928 begann ich mit der Arbeit beim Radio. Damals wurde ich von den Paulusbrüdern von New York gebeten, mehrere Predigten in der Kirche zu halten, die von dem damals sehr beliebten Radiosender WLWL aufgenommen und gesendet wurden. Die riesige Kirche war bis auf die letzten Plätze besetzt. Für den Altarraum wurden noch Kissen ausgegeben und an den Seitenaltären zusätzliche Stühle aufgestellt. Eingeladen hatte mich Pfarrer Riley, der in den ersten Minuten herauskam, um mir zuzuhören, dann jedoch wieder zurückging und zu einigen seiner Mitbrüder sagte: »Ich habe keine Ahnung, warum ich diesen Mann je eingeladen habe.« Pfarrer Lyons, der in Rom mein Beichtvater gewesen war und bei der Einladung wahrscheinlich eine Rolle gespielt hatte, bat Pfarrer Riley, noch einmal hinauszugehen und noch etwas länger zuzuhören. Das führte dann dazu, dass diese Kanzel und diese Sendung über viele Jahre hinweg mein Wirkungsbereich waren.

Nachdem ich bereits seit Kurzem als Professor an die Universität berufen worden war und diese Radiosendungen gestaltet hatte, wählten die Bischöfe der USA mich als den Ersten, der in überregionalen Radiosendungen auftreten sollte – eine Möglichkeit, die ihnen die Nationale Radiogesellschaft eröffnet hatte. Damals gab es so viele Prediger und Priester, die sich um eine Sendezeit im Radio bewarben, dass CBS und NBC beschlossen, diese Anfragen zu kontrollieren, indem sie lediglich den repräsentativen Institutionen der Katholiken, Protestanten und Juden zugestanden, geeignete Sprecher zu auszuwählen. Es gab nicht nur Verwirrung aufgrund der Anfragen, sondern häufig kam es auch vor, dass diejenigen, die im Radio zu Wort kamen, die Gelegenheit nutzten, um ihre »Feinde« oder die Opposition niederzumachen. Eine gewisse Kontrolle im Hinblick auf Anstand und Nächstenliebe war unbedingt erforderlich.

Ich begann mit meiner ersten landesweiten Radiosendung an einem Sonntagabend in New York während der Hauptsendezeit, und zwar zur selben Zeit, zu der »Amos ’n’ Andy« an den Wochentagen auftraten. Kurz nach der Sendung »Katholische Stunde« stand der unvergessliche Fred Allen auf dem Programm. Ich wählte als Thema eine allgemeinverständliche Darstellung der christlichen Lehre über die Existenz Gottes, die Gottheit Jesu Christi, die Kirche und das religiöse Leben. Die vehementeste Kritik kam von der katholischen Presse in Milwaukee und Oklahoma City. Beide drängten darauf, dass ich aus dem Programm genommen und durch zwei Männer ersetzt werden sollte, die Amos und Andy imitieren und wie sie über Religion diskutieren sollten. Die Tendenz, das nachzuahmen, was bei den Leuten ankam, war in all den Jahren charakteristisch für einige Kirchenmänner.



Während früher Ausstrahlungen der Sendung »Die katholische Stunde«, 1930er-Jahre (Fulton J. Sheen Archiv).

Aufgrund der vielen Jahre, in denen ich ununterbrochen im überregionalen Radio Sendungen gestaltet hatte, erweiterte sich mein Gesichtskreis, als das kommerzielle Fernsehen 1951 auf die Idee kam, einen Priester ins Programm zu nehmen. Nachdem ich zu dieser Zeit bereits viele Jahre lang im ganzen Land Vorträge gehalten hatte, befand ich mich eigentlich nicht mehr in dem Stadium, in dem ich mich noch auf Experimente einlassen wollte. Die Frage war: Konnte ein Geistlicher im Fernsehen in einer kommerziell gesponserten Sendung auftreten? Im ganzen Land wurde unter Radio- und Fernsehredakteuren eine Umfrage gestartet. Alle – außer Boston – reagierten zustimmend. Die Kirche und ihre Bischöfe hatten mit der Einladung nichts zu tun, ebenso wenig mit der finanziellen Förderung. Eines der Probleme war das Honorar. Für mich war es eigentlich kein Problem, denn ich war entschlossen, keinesfalls Geld für meine Auftritte anzunehmen. Da ich damals mein Leben ganz der kirchlichen Missionsarbeit in Afrika, Asien und anderen Teilen der Welt verschrieben hatte, schloss das von mir geleitete Büro des Missionswerkes, des »Päpstlichen Werkes der Glaubensverbreitung« den Vertrag ab und benutzte mich lediglich als seinen Sprecher. Ich erinnere mich, dass das Honorar für einen Abend 26 000 Dollar betrug. Im Laufe der Jahre belief sich, auch dank spontaner Spenden, der Ertrag für die Missionsarbeit auf mehrere Millionen Dollar, von denen jeder Cent in einer der Not leidenden Regionen der Welt landete, um dort Krankenhäuser und Schulen zu bauen und die weitere Verbreitung des Wortes Gottes zu ermöglichen. Wir hielten einen Rekord an Postsendungen, die jeden Tag in unserem Büro eingingen, der sich über Jahre hinweg im Durchschnitt zwischen 15 000 und 25 000 Briefen pro Tag bewegte.

Gelegentlich bat ich meine Hörer, mir ein 10-Cent-Stück für die Armen der Welt zu schicken. Von da an wurden wir mit Briefen überschwemmt, an die eine Münze geklebt war. Einige sandten sogar ihren alten Goldschmuck. Studenten verkauften ihre High School- oder College-Ringe und gaben den Gegenwert an die Mission. In einer Fernsehsendung erwähnte ich, dass ich gerne Schokoladenkekse aß. In der Woche darauf konnten wir kaum die Tür zum Büro öffnen, die durch Schachteln mit Schokoladekeksen blockiert war. Wir öffneten einen gelben Umschlag und herausfielen 10 000 Dollar in bar. Auf einem Zettel war mit Bleistift gekritzelt: »Ich brauche das nicht mehr. Gott hat mir gesagt, ich soll es den Armen geben.« In einem anderen Brief wurde ich darum gebeten, die beigelegten 3 000 Dollar an eine Versicherungsgesellschaft weiterzugeben, als Reuegeld – was erledigt wurde. Es entstanden endlos viele Zeichnungen von mir und zahllose Fotos von Kindern, die so angezogen waren wie ich, wenn ich meine Fernsehauftritte hatte. Ein blindes Paar in Minneapolis kaufte sich ein Fernsehgerät der Firma Admiral, um seine Dankbarkeit unserem Sponsor gegenüber – Admiral – zum Ausdruck zu bringen. Eine Frau in New Jersey berichtete, ihre Katze säße während meiner Sendungen immer vor dem Fernsehgerät und schaue mir zu. (Es gäbe weniger Klagen über Nachbarskatzen, wenn man ihnen allen angewöhnen könnte fernzusehen!) Eine ältere Frau in Iowa zog sonntagabends für die Sendung immer ihr schönstes Kleid an, als ob sie in die Kirche ginge. Ein mittlerweile berühmter Schauspieler fragte mich, ob er meinen Namen lebenslang benutzen dürfe – Martin Sheen. In zahllosen Haushalten wurden die Kinder angewiesen, still zu sein, während ich im Fernsehen auf Sendung war. Ich bin überrascht, dass die jüngere Generation deshalb nicht mit einem Hass auf meinen Namen aufgewachsen ist. Viele Personen, die ich im Zusammenhang mit meiner Fernseharbeit traf, waren so überrascht, mir zu begegnen, dass sie häufig sagten, dass ich ihr ganzes Leben lang eine Inspiration für sie gewesen sei oder dass sie große Verehrer von mir seien.

Sogar das Weiße Haus gehörte zu meinem Publikum. Auf dem Weg zu meinem Büro im »Päpstlichen Werk der Glaubensverbreitung« sah ich eines Nachmittags Präsident Eisenhower in einer Autokolonne die Park Avenue in New York hinunterfahren. Wenige Tage später erhielt ich folgenden Brief:

Lieber Bischof Sheen:

Gestern Abend wurde ich beim Alfred-Smith-Dinner darüber informiert, dass Sie, als ich auf den Straßen von New York unterwegs war, an einer Straßenecke angehalten und mich gegrüßt haben. Ich habe Sie nicht gesehen, aber ich versichere Ihnen, dass ich mich von Ihrer freundlichen Aufmerksamkeit sehr geschmeichelt fühle.

Ich hätte die Gelegenheit gerne genutzt, um mich – wenn auch nur kurz – mit Ihnen zu unterhalten.

Mit persönlichen Grüßen, herzlichst, Dwight D. Eisenhower

Ich beantwortete den Brief folgendermaßen:

Mein lieber Präsident Eisenhower:

Wenn der Präsident in Amerika auf der Straße an einem Freund vorbeikommt und es unabsichtlich versäumt, ihn zu grüßen, dann schreibt er einen persönlichen Grußbrief. Das ist Demokratie!

Wenn in Russland der Diktator an einem Freund vorbeikommt, ohne ihn zu grüßen, dann bedeutet das, dass dessen Liquidierung unmittelbar bevorsteht. Das ist Kommunismus! Offen gestanden, Mr Präsident – ich bin froh, dass Sie mich nicht gesehen haben! Der Gruß hätte eine Sekunde gedauert, Ihr Brief wird mich ein Leben lang begleiten.

Gott sei mit Ihnen!

Es erreichten mich auch viele Bitten und Anfragen. Eine, an die ich mich erinnere, kam von einem jüdischen Jungen in Pittsburgh, dem von seinen Eltern gesagt wurde, er sei noch nicht alt genug, um eine Kippa zu tragen. Er wandte ein: »Bischof Sheen trägt doch eine, warum dann ich nicht?« Heimlich schrieb er mir einen Brief und bat mich um meinen Pileolus, und ich sandte ihn ihm. Später erschien in den Zeitungen von Pittsburgh ein Bild von ihm mit seiner bischöflichen Kopfbedeckung. Ein Mädchen aus Minnesota schrieb und erzählte mir, ihr Pferd sei gestorben und sie habe seither nicht aufgehört zu weinen. Die Familie war zu arm, um ihr ein neues Pferd zu kaufen. Und sie bekam ihr Pferd.

Für unsere Fernsehsendung gab es nie irgendwelche Proben, was dem Produzenten viel Geld ersparte. Zum Teil lag das daran, dass ich nie mit Notizen arbeitete. Das Time Magazine sandte einmal eigens einen Journalisten ins Aufnahmestudio, der herausbekommen sollte, mit welchem Trick ich Woche um Woche arbeitete und Fernsehauftritte bewältigte, ohne dass ich einen Teleprompter oder Spickzettel benutzte. Das Einzige, was ich an Requisiten benötigte, war eine Tafel. Sie war mit einem Drehgelenk versehen, sodass sie umgedreht werden konnte, wenn eine Seite vollgeschrieben war. So erzeugte ich die Vorstellung, dass ein »Engel« – das war einer der Bühnenhelfer – die eine Seite der Tafel abwaschen würde, während ich mich aus der Reichweite der Kamera begab. Wenn die Tafel sauber war, benutzte ich sie unter Umständen ein weiteres Mal, doch ihre Sauberkeit wurde immer dem Engel zugeschrieben, der zu einer nationalen Berühmtheit wurde.

Als Lehrer schrieb ich manchmal Wörter auf, die ich erklären wollte, oder zeichnete einfache Bilder. Für Grafik jeder Art habe ich überhaupt kein Talent. Tatsächlich war ich darin so ungeschickt, dass einer der Verantwortlichen der Kunstakademie von New York mir ein Stipendium anbot, um zeichnen zu lernen und somit die menschliche Rasse in Zukunft nicht mehr zu blamieren. Die Sache hatte allerdings einen großen Vorteil: Sie brachte das Publikum in die Lage, sich dem Redner überlegen zu fühlen, denn die Zuschauer konnten zeichnen und ich konnte es nicht.

Ich trat im Fernsehen als Bischof in schwarzer Soutane und mit einem violetten Umhang (Ferraiolo) auf. Einmal hielt ich einen Vortrag in Longmeadow, Massachusetts. Der Vortragssaal lag im zweiten Stock. Einige Jungen auf der anderen Straßenseite sahen mich an jenem warmem Abend auf der Bühne und sie riefen »Superman«.

Eine Angewohnheit, die ich schon im Kindergarten gehabt hatte, war, dass ich immer »JMJ« oben auf die Tafel schrieb. Dies mache ich auch bei jedem Bogen Papier, bevor ich ihn beschreibe – und ich hoffe, dass dies auch eines Tages auf meinem Grabstein eingeprägt sein wird. Als Antwort auf viele Anfragen identifizierte mich das Publikum dann irgendwann über die Worte Jesus, Maria und Josef.

Es gab zahlreiche Lokale, die immer meine Sendung eingestellt hatten, die zur gleichen Zeit wie die Sendung von Milton Berle ausgestrahlt wurde. Das lag teilweise an den vielen Taxifahrern, die sich meine Fernsehsendung gern ansahen und während dieser halben Stunde eine Pause einlegten. Ein Taxifahrer fragte mich einmal: »Haben Sie ein Buch geschrieben?« Ich bejahte. Er sagte: »Wenn ich nicht schon ein Buch hätte, würde ich Ihres kaufen.«

Das Urteil der Zuschauer veränderte sich je nachdem, wie ich auf ihrem Fernsehbildschirm erschien. Als ich einmal als Mitwirkender bei einer Bischofsweihe in Brooklyn zusammen mit einer Reihe anderer Bischöfe in die Kathedrale hineinging, hörte ich eine Frau auf dem Gehweg rufen: »Im Fernsehen sehen Sie aber wirklich besser aus!«

Auf der Bühne hatte ich immer eine große Uhr vor mir, wenn ich sprach. Damit konnte ich meine Zeiteinteilung organisieren. Die Aufnahmezeit meiner Sendung betrug ohne Pause 27 Minuten und 20 Sekunden. Der Trick, rechtzeitig zum Ende zu kommen, ohne zu hetzen und ohne abgeschaltet zu werden, besteht darin, sich für den Abschluss eine präzise Zeit vorzunehmen. Wenn der Abschluss zwei oder drei Minuten dauern sollte, dann beendete ich das Thema, das ich gerade behandelte, früher und begann mit dem Abschluss. Somit gab es nie ein hastiges Abschalten.

Ich bereitete mich ungefähr dreißig Stunden lang auf jede Fernsehsendung vor, was bedeutete, dass ich mit dem Material eine Stunde oder länger hätte sprechen können. Es ist wie beim Atmen: Außerhalb des Körpers ist immer mehr Sauerstoff, als man in der Lunge aufnehmen kann, und ebenso sollte das Wissen, das man zu einem bestimmten Thema hat, immer wesentlich umfangreicher sein als das, was man von sich gibt. Wenn ich den einen oder anderen Punkt vergaß, den ich beabsichtigt hatte zu erwähnen, dann konnte ich dies immer mit etwas aus den gesammelten Informationen ersetzen.

Einen oder zwei Tage vor der Ausstrahlung »probte« ich, wieweit ich mir den Umfang des Themas zu eigen gemacht hatte, indem ich den Vortrag auf Italienisch einem befreundeten italienischen Professor vortrug, außerdem auf Französisch einem Mitarbeiter, der fließend Französisch sprach. Das tat ich nicht, weil ich diese Sprachen besonders gut beherrschte, sondern weil ich gezwungen war, die Begriffe in einer anderen Sprache zu formulieren, und ich wusste, dass mir das helfen würde, geistige Klarheit über das Thema zu erhalten.

Eines Tages begleitete ich eine junge Dame, die Französisch sprach, zu einer Handelsorganisation, von der wir hofften, dass sie die Filme vertreiben würde, die wir von den Missionseinsätzen herstellten. Der Leiter der Organisation war ein französischer Jude und deshalb freute er sich, mit meiner Begleiterin Französisch sprechen zu können. Er fragte sie: »Sehen Sie Bischof Sheen jeden Tag?« – »Ja.« – »Reden Sie mit ihm?« – »Ja.« – »Redet er mit Ihnen?« – »Ja.« – »Hat er Sie gebeten, mich aufzusuchen?« – »Ja.« Dann äußerte er ein Kompliment von höchst fragwürdigem theologischen Gehalt, doch es war wirklich als Kompliment gedacht: »Meine Güte, er ist ein zweiter Jesus!«



Luftwaffenstützpunkt Westover, Massachusetts, Juni 1950 (United States Air Force).

Es dürfte interessant sein, daran zu erinnern, wie sich nach Meinung eines Mannes, der über fünfzig Jahre Erfahrung mit den Medien hat, die Stimmungslage im Land wandelte. Als ich mit den landesweiten Radiosendungen begann, war die Grundstimmung im Land christlich.

Deshalb war die Sendung »Katholische Stunde« mit der Darstellung der christlichen Lehre durchaus populär. Allerdings provozierte sie bei einigen Fanatikern eine heftige Reaktion – einfach nur, weil es sich um den katholischen Glauben handelte. Ein Mann aus Pennsylvania schrieb mir in einem Brief, dass sich zwölf Bücher in seinem Besitz befänden, die bewiesen, dass der Papst der Antichrist sei. Er sei bereit, sie mir zuzusenden, aber ich spreche weiterhin vom »Heiligen Vater« und »Stellvertreter Christi«. – »Ich hatte erwartet, dass Sie sich zum Papst äußern. Was Sie allerdings über den Heiligen Vater und den Stellvertreter Christi sagten, hat mir ziemlich gut gefallen.« Damals gab es nicht viele Briefe, die man als Hassbriefe hätte bezeichnen müssen oder deren Schreiber an einer neurotischen Störung litten.

Als ich mit den landesweit ausgestrahlten Fernsehsendungen auf kommerzieller Basis begann, war ein anderes Vorgehen notwendig. Ich sprach nicht mehr im Namen der Kirche und unter der Trägerschaft ihrer Bischöfe. Die neue Methode musste ökumenischer sein, da die Sendung Katholiken, Protestanten, Juden und alle Menschen guten Willens ansprechen sollte. Es ging nicht mehr um eine unmittelbare Vorstellung der christlichen Lehre, sondern eher um einen vernünftigen Zugang zu dieser Lehre. Es musste ein Thema sein, das dem Publikum vertraut war. Deshalb bewegten sich die Themen in all den Jahren, in denen die Fernsehsendungen aufgenommen und ausgestrahlt wurden, vom Kommunismus über Kunst, Wissenschaft, Humor, Luftfahrt bis hin zum Thema Krieg und so weiter. Ich begann mit etwas, das sowohl den Zuschauern wie auch mir bekannt war, und schritt dann allmählich vom Bekannten zum Unbekannten oder zur Moral und der christlichen Philosophie fort. Es war dieselbe Methode, die unser Herr anwandte, als er eine Prostituierte beim Brunnen traf. Welche Gemeinsamkeit gab es zwischen der göttlichen Reinheit und dieser Frau, die fünf Männer gehabt hatte und jetzt mit einem Mann zusammenlebte, der nicht ihr Ehemann war? Der einzige gemeinsame Nenner war, dass beide gerne das kalte Wasser haben wollten. Davon ausgehend leitete er zum Thema des Wassers des ewigen Lebens über.

Dieselbe Methode wandte der heilige Paulus in Athen an, als der einzige gemeinsame Nenner, den er finden konnte zwischen sich selbst und den Menschen, die entlang der Straßen zur Akropolis ihre Götter aufgestellt hatten, eine Inschrift an einer dieser Statuen war: »Dem unbekannten Gott«. Davon ausgehend entwickelte er die Auffassung des wahren Gottes. Und so versuchte auch ich, das enorm große amerikanische Fernsehpublikum zu erreichen. Und es funktionierte.

In der Zeit meiner Fernsehsendungen stellte ich einen Rückgang an Briefen fest, die von Fanatikern stammten. Allerdings nahm die Anzahl der Schreiben von Menschen zu, die man als neurotisch bezeichnen könnte. Man fragt sich, ob Dr. Alexis Carrel tatsächlich recht hatte, als er sagte: »Es leiden mehr Menschen an Nervenkrankheiten oder nervösen Störungen als an allen anderen Krankheiten zusammengenommen.« Abgesehen von diesem Detail war die Zunahme an Wohlwollen im Land wirklich sehr bemerkenswert. Im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil bekam ich die meisten Briefe von Juden, die zweitgrößte Anzahl von Protestanten, die drittgrößte von Katholiken. Ich fühlte mich belohnt, wenn ich auch nur einen Menschen etwas näher zu Gott bringen konnte. Es wäre interessant gewesen, die Hunderttausende von Briefen aufzubewahren, die Menschen in der Prüfung ihres Gewissens und mit ihrer Sehnsucht nach dem Göttlichen geschrieben hatten und die unser Büro erreichten, doch ich hatte das Gefühl, dass ich es den Absendern schuldig war, ihre Briefe zu vernichten.

Ich beantwortete selbst so viele Briefe, wie es mir möglich war.

So viele Menschen schrieben mir und brachten ihr Interesse an der Kirche und ihre Suche nach dem Geschenk des Glaubens zum Ausdruck, sodass ich begann, in großen Schulsälen und Hallen Glaubensunterweisungen zu geben, so etwa in St. Patrick’s in Washington und in St. Stephen’s, ebenfalls in Washington, außerdem an der Cathedral High School in New York City. Personen, die sich nach Literatur über die Kirche erkundigten, bekamen Bücher und Broschüren zugesandt.

Im Rückblick kann ich sagen, dass ich zwei Herangehensweisen hatte: die eine war die direkte in der Radio-, die andere die indirekte in der Fernsehsendung. Die direkte Methode war die Darstellung der christlichen Lehre in einfacher, klarer Sprache. Im Fernsehen stützte ich mich stärker auf die Gnade Gottes und weniger auf mich selbst. Wenn es in der ausgestrahlten Sendung um das Thema Fliegen ging, dann konnte es vorkommen, dass ich am Ende über Engel sprach. Nie gab es Versuche, die in Richtung Proselytismus16 gingen. Die Zuschauer sollten selbst entscheiden, ob ich für etwas einstand, das sie als Vervollständigung für ihr Leben brauchten. Die Erleuchtung der Seelen ging mehr vom Geist aus, weniger von Sheen.

Ein Beispiel dafür war eine Sendung über den Tod Stalins. Ungefähr zehn Tage, bevor Stalin starb, sprach ich über seinen Tod, als würde er tatsächlich eintreten. Ich erhielt Telefonanrufe von Zeitungen fast aller Bundesstaaten der USA, die sich erkundigten, welche Insiderinformationen mir vorlägen. Ich sagte ihnen, dass das Einzige, das ich wüsste, die Tatsache sei, dass er sterblich sei und die letzte Sündenstrafe, die der Tod ist, zu erbringen habe. Und es war einfach sein Schicksal, dass die Sendung und sein Hinscheiden zeitlich zusammentrafen. Ein weiteres Beispiel für diese zweite Vorgehensweise ist die Begegnung mit einer Frau, die mir nach einem Vortrag in einer Stadt im Westen erzählte, dass sie konvertiert sei, nachdem sie eine meiner Fernsehsendungen angesehen hatte. Es interessierte mich natürlich sehr, welche Sendung konkret sie so stark beeinflusst hatte. Zu meiner Überraschung sagte sie, es sei diejenige über Stalin gewesen. Es gab in dieser Sendung absolut nichts, was einen Menschen hätte in die Kirche locken können. Gott benutzte die Sendung einfach als Werkzeug. »Paulus pflanzt, Apollos wässert, Gott aber schenkt das Wachstum.«

Kürzlich erzählte mir ein junger Priester während einer Unterhaltung: »Ich habe in den sechs Jahren meines Priestertums schon zweiundsiebzig Menschen bekehrt, sodass sie konvertierten.« Ich antwortete: »Ich rate Ihnen, damit aufzuhören, sie zu zählen, sonst kommen Sie womöglich auf die Idee, Sie hätten sie bekehrt und nicht Gott.«

Eine dritte Art, auf ein Publikum im Zeitalter der Medien zuzugehen, liegt in der Zukunft. Es wird nicht immer die direkte Vorgehensweise und auch nicht die von mir angewandte indirekte sein. Man könnte sie vielmehr die anthropologische nennen. Ich verwende dieses Wort nicht im Sinne der Wissenschaft vom Ursprung des Menschen. Ich beziehe mich lediglich auf die Wurzel des Wortes – eine Erforschung des Menschen. Die Darstellung von Religion verlief bisher prinzipiell von Gott zum Menschen, aber nun wird sie vom Menschen zu Gott verlaufen. Sie wird nicht mit der Ordnung des Universums beginnen, die auf die Existenz eines Schöpfers des Alls schließen lässt, sondern von der Unordnung im Menschen selbst ausgehen. Sie wird sich sämtlicher Erkenntnisse unseres Zeitalters der Psychologie bedienen und sie als Sprungbrett für die Darstellung der göttlicher Wahrheiten benutzen.

Wir Bischöfe beschlossen kürzlich bei einem unserer Treffen, die Menschen um 10 Millionen Dollar für religiöse Kommunikation in Radio und Fernsehen zu bitten. Der Vorsitzende der Bischöfe bat mich, einen Text von ungefähr fünf oder sechs Minuten auf Band zu sprechen, der dann in jeder katholischen Gemeinde Amerikas abgespielt werden sollte, um die Menschen zum Spenden zu veranlassen. Schließlich war ich bereit, die Sammlung anzukündigen, nicht jedoch, die Menschen um Geld zu bitten, weil wir, die Bischöfe, noch nicht beschlossen hatten, wie das Geld dann angelegt werden sollte. Ich konnte die Gläubigen guten Gewissens darum bitten, Geld für Krankenhäuser, Schulen und Kirchen in Afrika und Asien zu spenden, aber zehn Millionen Dollar von ihnen zu erbitten, ohne ein Programm zu haben, wie dieses Geld ausgegeben werden sollte, erschien mir unklug.

Einmal abgesehen davon, welchen Schaden Fernsehen und Radio in anderen Bereichen anrichten, so sind sie für die Religion sehr nützlich. In jeder Periode des kirchlichen Lebens in Amerika gab es immer ein Publikum, das mindestens so aufgeschlossen war wie die Zuschauer und Zuhörer, an denen ich mich erfreuen konnte, wenn nicht sogar stärker. Ich wünschte mir häufig, dass ich noch jünger wäre und die dritte von mir erwähnte Herangehensweise anwenden könnte, nämlich vom Unglück im Herzen der Menschen auszugehen. Menschen, die man ansprechen kann, gibt es immer: Die Gelegenheiten sind allgegenwärtig. Man muss gequälte Seelen wie Petrus, Skeptiker wie Thomas und Mystiker wie Johannes ergreifen und sie dazu bewegen, in Tränen auszubrechen, in die Knie zu sinken oder am heiligen Herzen Jesu auszuruhen.

Häufig werde ich gefragt, wie ich Predigten vorbereite. Ich kann lediglich von meinen eigenen Erfahrungen nach einem langen Leben als Prediger sprechen.

All meine Predigten werden vor dem Allerheiligsten vorbereitet. So wie man sich am besten und nachhaltigsten in der Sonne entspannt, so wird die homiletische Kreativität am besten von der Eucharistie genährt. Die brillantesten Ideen kommen aus der persönlichen Begegnung mit Gott. Der Heilige Geist, der für die Inkarnation entscheidend war, sorgt auch für die beste Atmosphäre, um den Geist zu erleuchten. Papst Johannes Paul II. hat immer ein kleines Pult oder einen Schreibblock dabei, wenn er sich in der Gegenwart des Allerheiligsten aufhält. Ich habe es mein Leben lang genauso gehalten – ich bin sicher, aus denselben Gründen wie er, denn ein Liebender arbeitet grundsätzlich besser, wenn der Geliebte bei ihm ist.

Wenn der allgemeine Plan für die Predigt ausgearbeitet ist, trage ich meine Gedanken unserem Herrn vor, oder ich meditiere zumindest darüber, wobei ich die Ideen fast flüstere. Es ist erstaunlich, wie schnell man den Wert der geplanten Predigt erkennt. Deshalb sprechen die Franzosen vom esprit de l’escalier – das bedeutet die Besinnung darauf, was man in einer Unterhaltung am zurückliegenden Abend hätte sagen sollen. Im Allgemeinen gibt es für jede Vorlesung oder jede Predigt drei unterschiedliche Abläufe: was geschrieben steht, was vorgetragen wird und was man gern gesagt hätte. Deshalb ist das »Halten der Predigt vor dem Herrn im Allerheiligsten« für mich die beste Art, nicht nur die Schwächen, sondern auch die Entwicklungsmöglichkeiten einer Predigt zu entdecken.

Nachdem das Material zusammengetragen und die Punkte ausformuliert sind, schließe ich entweder eine Meditation oder eine ruhige Wiedergabe an, ohne mich dabei auf meine Notizen zu stützen. Das Material einer Predigt besteht nicht komplett aus dem, was vom Papier ins Gehirn wandert, sondern aus der Wiedergabe dessen, was von einem kreativen Geist ausgeht und über die Lippen kommt. Ich habe viele Komödianten gefragt, welchen sie für ihren besten Witz hielten, und die Antwort lautete immer: »Derjenige, den ich am häufigsten erzählt habe.«



Sheen freute sich, im Fernsehstudio von DuMont »hinter den Kulissen« zu sein, Mai 1952 (Fulton J. Sheen Archiv).

Ich bin überzeugt, dass die Predigt- und Vortragstätigkeit ohne intensives Studieren und Lesen unmöglich ist. Das ist wohl eine der Schwächen auf heutigen Kanzeln und Rednerpulten: die Vernachlässigung einer fortgesetzten Weiterbildung. Bücher sind großartige Freunde. Immer wenn man sie zur Hand nimmt, haben sie etwas Wertvolles mitzuteilen. Sie klagen nie, zu beschäftigt zu sein, und sind ganz nach Belieben bereit, den Geist mit Nahrung zu versorgen. Wenn man die Bücherregale mancher Priester ansieht, kann man fast das Jahrzehnt oder das Jahr bestimmen, in dem sie geweiht wurden: Einige haben Tanquerey und Wapelhorst in ihrem Bestand, die jüngeren besitzen Bücher über die revolutionären 60er-Jahre, aber es gibt auch jene, die seit Jahrzehnten kein ernst zu nehmendes Buch mehr gekauft haben. Wenn der intellektuelle Vorrat leer ist, wird es schwierig, eine gute Predigt vorzubereiten. Je höher das Gebäude ist, desto mehr Material muss dafür verarbeitet werden. Wenn man ernsthafte Studien betreibt, muss man sich nie Sorgen darüber machen, dass das Material ausgeht.

Nachdem ich ungefähr sechs Jahre lang an der Katholischen Universität von Amerika als Professor tätig gewesen bin, gleichzeitig im überregionalen Radio Sendungen aufgenommen und viele Vorträge im ganzen Land gehalten hatte, bat mich ein sehr guter Freund, der ebenfalls als Professor tätig war – er wurde später als Vertreter des Vatikans Erzbischof in einem anderen Land –, die Radio- und Vortragstätigkeit einzustellen. Folgendes Argument brachte er vor:

»Bei der Geschwindigkeit, mit der du unterwegs bist, gibt es nur eine begrenzte Menge Material, das du verwenden kannst, und dieses wird bald ausgeschöpft sein, und dann wird es keine Einflussmöglichkeiten für dich mehr geben. Ich rate dir daher, dich auf die Lehrtätigkeit an der Universität zu beschränken und diese Aktivitäten außerhalb des Lehrbetriebs aufzugeben.« Ich stellte ihm dieselbe Frage, die der Herr den Pharisäern und Schriftgelehrten gestellt hatte: »Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt?« Er antwortete: »Du hast recht. Jemand anders hat mir aufgetragen, dir das zu sagen.« Wir wussten beide, um wen es sich handelte. Wir blieben Freunde bis zu seinem Tod.

Meine Lektüre umfasst Literatur, Wissenschaften, Philosophie und Politik – mit einem Wort alles, was für einen Priester nützlich sein könnte, wenn er unterrichtet oder eine Rede hält oder was als Diskussionsstoff bei Gesprächen mit anderen eingesetzt werden kann. Romane lese ich nie. Als ich am College war, hatte ich große Probleme, sämtliche im Lehrplan vorgeschriebenen Romane zu lesen. Buchbesprechungen von Romanen lese ich jedoch durchaus, ebenso Studien zur Gegenwartsliteratur, die die Trends zusammenfassen. Als ich Jo Mielziner, den berühmten Theaterkünstler, im Glauben unterwies, klingelte ich an einem bestimmten Nachmittag an seiner Haustür und er sagte mir, Humphrey Bogart sei gerade eingetroffen. Jo sagte zu Bogart, ich sei wegen der Unterweisung im Glauben gekommen und er könne, wenn er wolle, mit dabei sein und zuhören. Wenn nicht, könne er auch in ein anderes Zimmer gehen. Bogart sagte: »Warum sollte ich einem Priester zuhören. Ich weiß mehr über die katholische Kirche als jeder Priester.« Ich gab vor, diese Unterhaltung nicht gehört zu haben, aber als ich dann mit einigen anderen den Raum betrat, wurde dort über das Thema Romane diskutiert. Ich gestand, dass ich keinen der Romane, von denen die Rede war, gelesen hatte. »Ob ich das von meinem Vater geerbt habe, weiß ich nicht«, sagte ich, »denn auch er konnte keine Romane lesen.« Humphrey Bogart, der sich gerade mit seinem umfangreichen Wissen über die katholische Kirche gebrüstet hatte, fragte: »War Ihr Vater auch Priester?«

Das wichtigste aller Fachgebiete, das studiert werden muss, ist die Heilige Schrift, und das bedeutet nicht nur, dass man sie liest, sondern es umfasst auch das Studium von Kommentaren. Für praktische Zwecke und für den ausgelasteten Priester fand ich keinen Kommentar so nützlich wie The Daily Study Bible von William Barclay, die in fünfzehn kleinen Bänden erschienen ist. Ich habe festgestellt, dass protestantische Kommentare ebenfalls besonders interessant sind, weil die Protestanten mehr Zeit mit der Bibel verbringen als die meisten von uns. Im Allgemeinen fand ich, dass Arthur W. Pinks dreibändiges Werk Exposition of the Gospel of St. John in spiritueller Hinsicht eines der besten ist.

Da ich auf ein so langes Leben zurückblicke, kann ich mehrere Stileinflüsse feststellen. Den größten Einfluss als Schriftsteller übte G. K. Chesterton aus, der nie ein überflüssiges Wort benutzte, den Wert des Paradoxons als Stilmittel erkannte und Banalitäten vermied. Später kamen die Texte von C. S. Lewis hinzu, der neben Chesterton und Belloc einer der führenden Verteidiger des Christentums in der heutigen Welt wurde. Der Stil von Lewis ist konkret, nüchtern, voller Beispiele, Analogien und Gleichnisse und immer interessant. Auch Malcolm Muggeridge wurde für mich zu einer Inspiration. Er ist immer spritzig, brillant, explosiv und humorvoll. Und ich darf die Poesie nicht vergessen, speziell den Band The Oxford Book of Mystical Verse – und daraus besonders die Gedichte von G. A. Studdert Kennedy und vor allem von Francis Thompson. Über die Jahre hinweg habe ich einen Ordner mit Lieblingsgedichten gefüllt, von denen ich viele auswendig gelernt habe.

16 Missionierung bzw. Abwerbung Gläubiger anderer Konfessionen (Anm. d. V.).

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