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Schlechtwettergassi

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Wer davon träumt, sich einen Hund zuzulegen, der sieht sich mit ihm durch die Felder streifen - bei mildem Sonnenschein, während der Mohnblüte. Der Hund trippelt voraus, und man selbst atmet tief die herrliche Morgenluft ein.

Für die Dauer des ganzen Vierbeiner-Lebens hat man die Verpflichtung übernommen, dem Tier seinen artgerechten Auslauf zu gewähren. Doch das Jahr hat dreihundertfünfundsechzig Tage, und die Hälfte davon nennt man Winterhalbjahr, und der Hund muss ausnahmslos jeden Morgen raus - Minimum eine Stunde. Da kommen über ein Jahrzehnt einige Schlechtwetter-Spaziergänge zusammen.

An solchen zögert der Hund an der Tür, schnüffelt in die feuchtkalte Luft, will nicht hinaustreten. Doch der Hundebesitzer, der dasselbe fühlt, sagt trotzig entschlossen: ¨Hund, wir gehen!¨. Mit grimmigem Blick auf sein Haustier stellt er fest, dass er seinen inneren Schweinehund nie mehr überwinden muss.

Aber er hat ja noch Zeit, bevor die Verantwortung ihn unerbittlich über die Schwelle drängt: Erst müssen Jacke, Pulswärmer, Handschuhe, Stiefel, Schal, Mütze, Ohrenschützer angezogen, umgewickelt und übergestülpt werden. Das dauert. Schließlich sieht man aus wie ein Astronaut und bewegt sich auch so. Und wo ist schon wieder die Leine!

Ein typischer Morgen: Drei Grad über null, die Wolken hängen knapp über den Baumkronen, dadurch fährt ein schneidiger Wind, der Regen fällt schräg, die Wege sind schlammig, die Bäume kahl, die Wiesen braun, keine Hoffnung auf Sommer weit und breit. Dem Hund ist es jetzt egal, denn er hat eine interessante Spur gefunden.

Aber sein Besitzer: Dem sickert der Regen in den Kragen, und er sieht durch seine tropfenbesetzte Brille nichts, weil er keinen trockenen Fetzen mehr am Leib hat, mit dem er sie putzen könnte. Seine Stiefel quetschen sich tief in die Matsche, und das kostet bei jedem Schritt Kraft. Seine Finger sind so kalt, dass der Hund kein Leckerli bekommt, denn dafür müsste Herrchen ohne Handschuhe in die Seitentasche greifen.

Der Wind pfeift aus allen Richtungen. Nicht nur deswegen verzichten viele Hundebesitzer auf einen Schirm: Sie brauchen auch die Hände frei, um einen Ball zu werfen oder das Tier anzuleinen. Mit der Zeit haben sie bessere Lösungen gefunden: Eine unförmige Regenhose aus Plastik mit Gummizug, in der man zwar von außen nicht nass wird, aber von innen fürchterlich schwitzt. Einen Regenmantel für Reiter - wadenlang und an den Seiten ausgestellt, so dass man von weitem aussieht wie der weiße Clown aus dem Zirkus. Gummistiefel - aber nur gut gefederte, neoprengefütterte, teure, denn die billigen sind bei dieser Beanspruchung nach einer Woche undicht und wärmen sowieso nicht. Leider ziehen einem auch die teuren beim Laufen langsam von innen die Strümpfe aus, so dass man Selbige über die Hosenbeine ziehen muss, damit sie nicht rutschen. Fühlt sich unangenehm an, muss man halt vergessen.

Richtig schick - als Großstädter oder im Countrylook - sieht bei Schlechtwetter eigentlich kein Hundebesitzer aus. Sie haben alle schnell begriffen: Vor dem Spaziergang duschen oder schminken bringt gar nichts, und eine saubere Hose ist auch keine Option.

Während man in die Graupelschauerferne guckt, kämpft hinter dem nasskalten Stirnhaar die Pflicht mit der Gemütlichkeit: Man könnte ja an der nächsten Weggabelung abkürzen, schnell wieder zuhause sein, Hände und Füße zum Auftauen in den Backofen stecken. Aber der Hund braucht Bewegung, sonst hat man daheim ja auch keine Ruhe. Also weiter den holprigen Pfützenweg entlang, so wie gestern schon und wie morgen, denn das Tief über der Heimat soll sich die ganze Woche nicht rühren.

Dies ist die Zeit, da man keinerlei Probleme mit Hundehassern hat, denn die sitzen in ihrer beheizten Wohnung und sehen die Regentropfen an der Fensterscheibe gefrieren. Auch das Ordnungsamt rückt nicht aus, um die Leinenpflicht zu überprüfen.

Die Hundebesitzer bleiben unter sich: Vereinzelt erscheinen am Horizont ihre unförmigen Silhouetten. Sie rufen einander gegen den Sturm zu, was für tapfere Leute sie doch sind. Irgendwo haben sie gelesen, dass ihre Spezies um fünfzehn Prozent gesünder sein soll als der Bevölkerungsdurchschnitt. Für eine Minute fühlen sie sich phänomenal.

Ganz weit hinten sehen sie, wie der Himmel aufreißt. Aber die Sonne wird erst hervorkommen, wenn sie schon wieder die Haustür aufschließen. Knapp verpasst das gute Wetter!

Und während draußen der Himmel blau wird, hat der Hundebesitzer mit dem Heimkommen zu tun: Schlammstiefel, nasse Pulswärmer, nasse Handschuhe abstreifen, nasse Regenhose herunterziehen, nasse Jacke an die Heizung hängen, nassen Schal vom Hals wickeln, auf Zehenspitzen nach dem Hundehandtuch angeln, damit man nicht bestrumpft in seine eigenen Pfützen tritt, das Tier abrubbeln und dessen Pfoten säubern, bevor es sich schüttelt und der Dreck an alle Wände spritzt. Seine Tapsen vom Boden wischen, die eigenen Haare trocknen.

Der Hund ist längst auf das Sofa gehopst, schließt schon die Augen und schnauft tief durch.

Bis zum Nachmittag, wenn er wieder raus muss, und sich die Sonne längst verzogen hat. Aus dem Regen ist dann Schneetreiben geworden.

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