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Der Leckerli-Automat

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Leckerli, was ist das eigentlich für ein blödes Wort? Es klingt, als käme es aus der Schweiz, denn die hängen ja gern ein - li an alles Putzige. Es ist ein genauso blöder Ausdruck wie Herrchen und Frauchen, doch so lange sich nichts anderes durchsetzt, muss man sich dieser Niedlichkeitsformen bedienen, selbst wenn es einen graust. Häppchen, Belohnung - das trifft es eben nicht, ist allenfalls die Kombination aus beidem. Vielleicht Futterlob? Aber das klingt auch nicht wirklich toll.

Also das Leckerli. Ich habe in meiner linken Tasche immer welche. Sie stecken in einer Butterbrottüte, und wahrscheinlich absolvierte ich mit meinem Hund unwissentlich eine Art Clickertraining, denn sie spitzt sofort die Ohren und wedelt erfreut mit dem Schwanz, wenn sie das Knistern der Tüte hört.

Ja, genau, ich bin eine aus der Fraktion Leckerli-Geber, und werde von den Kein-Leckerli-Verfechtern scheel angesehen. Es ist halt mein erster Hund, und als ich ihr die Grundkommandos beibrachte, traute ich mich nicht, auf die Anziehungskraft eines Würstchenstückes zu verzichten, und behielt das später aus Bequemlichkeit bei.

Davon wird abgeraten. Ist aber einfacher. Hat nur seinen Preis: Neben allem, was man sonst noch auf einen Spaziergang mitnehmen muss, darf die Leckerlitüte nicht fehlen. Wenn ich sie mal vergessen habe, gerate ich leicht in Panik, obwohl das völlig unnötig ist. Es geht nämlich auch ohne, wie jeder schnell merken wird, der bis dato nie einen „Netto“-Spaziergang versucht hat.

Offenbar will ich es mir jedoch nicht abgewöhnen, Häppchen zu verteilen. Deswegen sind die linken Taschen aller Jacken, die ich besitze, voller Brösel und klebriger Brocken. Manchmal muss ich die Tüte als Kacktüte verwenden, und dann fliegt das Zeug eben lose herum. Diese Leckerlis sind auch mitverantwortlich dafür, dass ich im Sommer mit dem Hund nicht einfach losstiefeln kann, wie Gott mich schuf, sondern mindestens eine Gürteltasche brauche.

Die Kein-Leckerli-Geber haben zudem dieses Problem nicht: für Abwechslung zu sorgen. Meine Wenigkeit und die beiden Freunde, mit denen ich regelmäßig zum Hundespiel verabredet bin, liegen da in einem Wettstreit. Mal habe ich Käsewürfel dabei, dann Fischchen, oder eben nur schnödes Trockenfutter.

Winkt dann aber einer der anderen Hundebesitzer mit Wildschwein-Trockenfleisch aus dem Dörrautomaten, dann wendet sich die Meute unserer drei Hunde überhaupt nicht an mich, sondern umstellt den mit dem attraktiveren Angebot. Ja, auch mein eigener bester Freund dreht mir dann kalt den Rücken zu.

Ich toppte das dann mit rohen Pferdefleischhappen, und schon auf dem Weg zum Spielplatz wich mir mein Viech nicht mehr von der Seite. Auch die Hunde meiner Freunde ließen diese sogleich links liegen und interessierten sich ausschließlich für mich.

Es soll nicht sein, aber es ist trotzdem schön, wenn einen drei Hundeköpfe umschlängeln, die von unten hochgucken, so freundlich sie es nur irgend fertigbringen. Man kann sich einbilden, man werde ganz doll geliebt, jedenfalls so lange, bis die blutigen Brocken, die einem die Hände verschmieren, in ihren Rachen verschwunden sind. In den Augen der Hunde bin ich mit Sicherheit vor allem ein wandelnder Leckerli-Automat, der gegen Einwurf eines treuen Blickes eins rauswirft.

Es ist erstaunlich, in wie vielen Geschäften Kassierer und Kassiererinnen stehen, die unter dem Tresen Gläser mit Leckerli horten. Ein Bau- und ein Getränkemarkt ist dabei und sogar eine Apotheke. Auf dem Parkplatz davor hüpft mein Hund stets extrem begeistert aus dem Auto und wird schon ins Geschäft gelassen, bevor ich dort ankomme. Und dann steht sie auf zwei Beinen, es gibt ein großes Hallo, die Apothekerkollegen lachen alle, auch der griesgrämige Rentner vor dem Tresen. Es sind schöne Momente für alle Beteiligten.

Mein Hund erwartet inzwischen von jedem Menschen an einer Kasse Leckerli, und ist verwirrt, falls einer nichts hat. Ganz schlimm für beide Seiten, wenn sich die Verkäuferin zum vorfreudigen Hund herunterbeugt, um ihm zu sagen: ¨Du, Du, Du, alles alle. Hat ein anderer Wauwi weggefressen.¨ Und mein Tier wedelt und wedelt, weil es hofft, hinter der freundlichen Ansprache kommt noch was, und am Ende sind beide enttäuscht.

Meine unwissenschaftliche Feldforschung ergibt, dass unter Hundehaltern die Menge der Leckerli-Geber wesentlich größer sein muss als die der Nicht-Leckerli-Geber. Woher kommt sonst auch diese nahezu abartige Vielfalt in den Regalen der Zoogeschäfte?

Ist es ein Urinstinkt, Tiere füttern zu wollen? Es treibt einen ja auch bei Pferden, Kühen und Tauben dazu. Nur die Maßlosigkeit ist eine echte Gefahr, wie man an zahlreichen übergewichtigen Groß- und Kleinhunden sieht, deren Halter jegliche Bewegung durch Leckerli-Weitwurf ersetzt haben.

¨Er will es ja!¨ verteidigen sich diese Leute in entschiedener Verneinung der Kette von Ursache und Wirkung.

Hat eigentlich schon mal eine Hundezeitschrift einen Welcher-Leckerli-Typ-sind-Sie? –Psychotest gemacht? Wenn nicht, dann glaube ich, wäre es eine gute Idee.

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