Читать книгу Das Universum der Hundehalter - Gabriele Bärtels - Страница 9
Der Hundeerzieher
ОглавлениеNeulich ist ausnahmsweise mein Liebster die Abendrunde gegangen, dafür hat er sonst nie Zeit. Im Park traf er ein Ehepaar, das ihn lobte, weil unser Hund so schön bei Fuß ging, als er ihn zu sich rief. Da ließ er ihn auch noch ¨Sitz¨ machen, dann ¨Platz¨ und schließlich ¨Männchen¨, und das Ehepaar rief: ¨Wie hübsch und wie gut erzogen!¨
Am Ende hat er ihnen aber doch gestanden, dass nicht er dem Hund das alles beigebracht hat.
Ich verschwieg meinem Liebsten, dass Sitz, Platz und Männchen lächerliche Kommandos sind, die selbst der minderbemittelteste Hund lernen kann, wenn sein Besitzer ein Fitzelchen Erziehungstechnik beherrscht.
Menschen ohne Hundeerfahrung kann man mit solchen Einlagen natürlich beeindrucken. Hundebesitzer jedoch siedeln diese Befehle nicht mal im Trainings-Einmaleins an, sondern noch darunter. Zum Einmaleins würde zum Beispiel gehören, dass der Hund unter allen Umständen zurückkommt, wenn man ihn ruft. Aber schon das ist ihm nicht en passant beizubiegen.
Der moderne Hundeerzieher, der ja Fernsehtrainern nacheifert, Welpenkurse besucht, Anleitungsbücher liest und sich mit Gleichgesinnten austauscht, weiß, wie viel Konsequenz, wie viele Tausend Wiederholungen, wie viel Genauigkeit im Übungsablauf nötig sind, bis der Hund anspruchsvollere Kommandos zuverlässig ausführt, ohne sich von jedem Würstchen ablenken zu lassen.
Das Problem ist nur: Das eigene Tier und die eigene Wirklichkeit unterscheiden sich von all den medialen Tipps und Ratschlägen immer irgendwie ein bisschen. Und man ist ja auch kein Übermensch: Keiner kann Tag für Tag im festen Hundeführer-Ton Befehle zur genau richtigen Sekunde aussprechen, dabei eine entschlossene Körperhaltung einnehmen, das Leckerli sofort zur Hand. In den Trainingsbüchern liest sich die Vorgehensweise leicht herunter, aber es erfordert doch erhebliches Engagement, bis ein neues Kunststück klappt. Mal gießt es in Strömen, mal ist man schlecht gelaunt, mal taucht ein anderer Hund auf und so weiter.
Ich kenne einen Jäger, dessen Hund sucht auf Befehl einen Schlüsselbund auf einer riesigen Wiese, und zwar so lange, bis er ihn gefunden hat. Von so etwas ist mein eigener weit entfernt. Er sucht zwar auch, jedoch lieber Kaninchenspuren. Und wenn er eine frische aufgespürt hat, ist er weg, da kann man rufen, was man will. Das ist sehr peinlich.
Ich stehe dann weithin sichtbar zwischen den Feldern, habe eine Leine in der Hand, aber keinen Hund dran. Von Ferne nähern sich andere Hundebesitzer, und ich tue, als betrachte ich ganz genau ein Gänseblümchen auf dem Weg, während ich aus dem Augenwinkel den Horizont nach meinem Viech absuche. Ich stelle jedes Rufen ein, doch die anderen Spaziergänger haben sowieso längst kapiert, dass ich einer dieser Loser bin, deren Hunde nicht das Geringste können.
Als sie grüßend an mir vorbeigehen, ihre Tiere alle bei Fuß, lächele ich schief. Bloß jetzt nichts sagen, damit sie nicht stehenbleiben und mich mit Ratschlägen überschütten. Ich weiß doch genau, dass ich eine Schleppleine kaufen soll. Allzu gern würde ich ihnen vorführen, dass mein Hund eine Rolle kann und prima am Fahrrad läuft, aber das wäre ja jetzt noch peinlicher.
Endlich sind sie weg. Nun erst kommt mein Rudelmitglied mit wehenden Ohren angewetzt. Ich bin bemüht, ihn nicht anzuknurren. ¨Landstreicher!¨ zische ich dennoch. Aber natürlich ist der Hund nicht schuld, sondern ich, das sagt doch jeder.
¨Da ist die Bindung nicht stark genug¨, klingelt mir der Kommentar eines Hundetrainers in den Ohren. Wer will denn sowas über sich reden hören?
Auch eine dämliche Situation: Der Hundebesitzer schleudert mit ganzer Kraft und lautem Ächzen einen Ball sagenhafte fünfzig Meter weit, ruft ¨Apport!¨, und sein Tier läuft drei lahme Schritte vor, um sich dann in irgendeiner Schnüffelei zu verlieren. Und am Ende trabt man unter den Blicken aller Spaziergänger selbst die Strecke, um den Ball dort irgendwo im hohen Gras zu suchen.
Man kann sich ja kein Schild umhängen, auf dem steht: ¨Den apportiert er sonst immer!¨
Politisch korrekt ist es nicht, dass derselbe Hundebesitzer, in diesem Fall also ich, innerlich triumphierend an Leuten vorbeigeht, die versuchen, ihren Schoßhund anzuleinen. Immer wenn sie sich bücken, hüpft ihre vierbeinige Schuhbürste einen halben Meter weg, bis genau außerhalb ihrer Reichweite. Eine gut gemeinte, zutiefst besserwisserische Trainingsempfehlung drängt meine Kehle hoch, aber ich schlucke sie eben noch herunter.
¨Da sieht man ja sofort, wer der Chef ist!¨ raune ich nur meinem Liebsten zu und gemeinsam fühlen wir uns total überlegen.
Doch das hält nicht lange an. Schon bald stellt sich wieder dieses nagende Gefühl ein, zu wenig zu trainieren, zu kurz spazieren zu gehen, und den Hund nicht vom Bellen am Zaun abhalten zu können. Ich wünschte mir ein Trainingsbuch, in dem steht, wann es denn mal gut ist.
Solange nehme ich mir heraus, mein Viech gelegentlich nicht zu bearbeiten, sondern wortlos hinter ihm über die Felder zu latschen, ihm ein unverdientes Leckerli in den Hals zu schieben, mit ihm und einem angeschleppten Hausschuh auch noch zu spielen und abends hemmungslos auf dem Sofa zu kuscheln.