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Was gibt´s denn heute zu fressen?

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Deutsche wollen immer alles richtig machen. Besonders stolz sind sie, wenn sie große Mühe aufwenden müssen, um diesem Anspruch zu genügen. Deshalb steht ein Halter, der seinem Hund schnödes Trockenfutter in den Fressnapf schüttet, in der Kaste ganz unten. Und weil er das weiß, schweigt er, wenn andere Halter in die Runde fragen: ¨Was füttert Ihr eigentlich?¨

Im Rang ganz oben steht der Barfer, der seinen Hund möglichst so ernähren will wie ein Wolf in freier Wildbahn sich selbst. Er ignoriert, dass sich nicht nur die Ernährungsweise von Hunden evolutionär vom Urvater wegentwickelt hat.

Der gemeine Hundehalter ist dennoch vom Barfer beeindruckt, denn jener misstraut der Tierfutterindustrie grundsätzlich, und das ist ja schon mal politisch außerordentlich korrekt. Zweitens betreibt er mit der Ernährung seines Hundes erheblichen Aufwand: Kocht jeden Abend Kartoffeln und Möhren, zerkleinert sehniges Frischfleisch, fährt jeden zweiten Tag zum Schlachter. Der Barfer ist außerdem derjenige, die größten Reden schwingt. Er glaubt, er sei dazu berufen, alle anderen Hundehalter davon überzeugen, dass sie ihre Tiere mit Dosenfutter langsam, aber sicher vergiften.

Heutzutage wird ja vieles leicht für richtig gehalten, nur weil im Internet tausend Kopien derselben Behauptung herumschwirren. Zwischen Fakt und Meinung wird dabei nicht mehr unterschieden. Doch vieles bleibt ohne jeglichen Beweis, oder wird mit einem Link zu einer obskuren Studie versehen, deren Auftraggeber im Dunkeln bleibt.

Der weit überwiegende Anteil der Trocken- und Dosenfutterfütterer fühlen sich weniger berufen, andere Leute analog oder digital zu überzeugen. Deswegen liest man im Internet viel seltener, dass sich ihre Hunde bester Gesundheit erfreuen.

Erst recht nicht die angemessene Öffentlichkeit finden zahlreiche Fälle, in denen schon Welpen dramatische Fehlernährungssymptome aufweisen, weil deren Besitzer nach Gefühl und Gutdünken barften. Tierärzte sagen, sie hätten nie so viele solcher Fälle gesehen wie jetzt, da dies in Mode ist.

Trotzdem hat so ziemlich jeder Hundebesitzer, der kein Barfer ist, ein latent schlechtes Gewissen, dass er seinem tierischen Freund nicht das Beste in den Napf füllt, was er sich nur leisten kann. Von solchem Schuldbewusstsein wäre er augenblicklich frei, würden Internet- und Werbewelt nicht dauernd wie irre auf ihn einreden, das RICHTIGE zu tun.

Der Hype um gesundes Hundefutter verläuft parallel zum Hype um Biokost für Menschen, und der Mensch selbst macht da auch keinen Unterschied mehr. Als ich das erste Mal einen Tierfachhandel betrat und mich in den langen Gängen mit Hundefutter beinahe verirrte, meine ich sogar, mehrfach ¨glutenfrei¨, ¨laktosefrei¨ und „vegan“ auf Dosen und Tüten gelesen zu haben.

Noch vor fünfzig Jahren und von da zurück in die Jahrtausende verschlang der Hund die Reste dessen, was der Mensch übrig ließ, oder was beim Schlachten abfiel. Extra Hunde-Leckerli zu kaufen, kam niemanden in den Sinn. Erst in diesem Jahrtausend boomt die Branche der Hundekeks-Bäckereien. Manche nennen sich sogar Confiserie und verpacken ihre handgebackenen Produkte in Cellophan mit Schleifchen.

Es ist ein Phänomen, dass man heute so viel mehr über gesundes Fressen für Hunde zu wissen glaubt, und zugleich derart vielen bemitleidenswert fetten Vierbeinern begegnet. (Genau wie beim Menschen, nur dass man diesen höchstens „übergewichtig“ nennen darf.) Dass die tierischen Speckrollen aus erlesenen Confiserie-Kalorien bestehen mögen, adelt sie ja nicht.

Zurück zur Hundehauptmahlzeit. Ehrlich gesagt, angesichts der Auswahl im Tierfachhandel schwindelte mir. Die ganzen Aufschriften, Gütestempel, Vitaminangaben, fettgedruckten Vorteile und Fotos von grinsenden Hunden mit glänzendem Fell verschwammen zu einem farbigen Brei aus Buchstaben und Ausrufezeichen. Kalorienreduziert! Adult! Senior! Welpe! Besonders empfohlen für Jagdhunde! Möpse! Dackel! Allergiehunde!

Es schien mir schlicht unmöglich, nach einer Packung zu greifen und damit alle anderen Angebote abzuwählen, die um meine Kaufentscheidung buhlten. Wenn mein Hund nicht dringend etwas zu fressen gebraucht hätte, wäre ich einfach wieder nach Hause gegangen.

Also griff ich mit unsicheren Händen nach ein paar Dosen und versuchte, zu berechnen, wie viel mein Hund davon pro Tag wohl brauchen würde. Es kam die astronomische Summe von sechs Euro zusammen.

¨Damit könnte ich mir über die Lebenszeit eines Hundes fast ein Eigenheim zusammensparen¨, sprach ich zum Kassierer.

¨Das ist noch gar nichts¨, sagte der und schüttelte schon selbst fassungslos den Kopf, ¨wir haben auch Trockenfutter für sechzig Euro das Kilo!¨ Er steckte mir zwei Probetütchen zu, denn er musste Werbung für das Produkt machen.

(Glauben Sie es oder nicht, mein Hund hat diesen Goldstaub nicht gefressen.)

Ich habe dann bei Stiftung Warentest geguckt, welches Dosenfutter zuletzt Testsieger für ausgewogene Hundenahrung war, und siehe da, es kam von einem Discounter. Das kaufe ich seitdem.

Wenn unter uns Haltern die Rede auf Hundeernährung kommt, erzähle ich von meiner Vernunftentscheidung. Ist aber ein Barfer dabei, dann sage ich nichts.

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