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Großvater Alfred

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Eine Gruppe wartender Menschen stand sehr früh an diesem Sonntagmorgen an der Haltestelle für den Postbus am Schillerplatz in Oggersheim. Die Kinder und Erwachsenen trugen feste Schuhe und zum Wandern geeignete Kleidung und, was besonders auffiel, fast jeder, ob alt oder jung, hielt einen Wanderstock in der Hand, welcher mehr oder weniger umfangreich mit aufgenagelten blechernen Abzeichen, manche sogar in emaillierter Ausführung, bestückt war. Es waren Trophäen von erwanderten Orten im Pfälzerwald, denn hier standen etwa dreißig erwachsene Mitglieder des Pfälzer Waldvereins, Ortsgruppe Oggersheim, mit Kindern und Jugendlichen, zusammen etwa fünfzig Personen.

Der gelbe Postbus kam jetzt in Sicht. Großvater Alfred sagte nun zu Paul: „Sieh zu, dass du für deine Großmutter und mich ein paar schöne Plätze im Bus reservierst.“ Paul drängte sogleich nach vorne, mitten in die ebenfalls vordrängende Kinderschar, die vermutlich dieselbe Aufgabe hatte, hinein. Der Busfahrer hupte, trotz Sonntagsstille im Ort, aus Sorge, er könne eines der herandrängenden Kleinen verletzen, bog langsam in die Haltebucht ein und hielt an. Kaum hatte sich die Bustür geöffnet, ergoss sich die Kinderschar ins Innere wie ein vorher aufgestautes Gewässer nach Entfernung des Dammes. Paul war von der Meute mitgerissen worden und fand in der Mitte des Busses noch zwei freie Plätze, die er belegte, indem er den zum Gang liegenden Platz einnahm und seinen Stock auf den Fensterplatz legte. Danach folgten die Erwachsenen, welche mit ihren Blicken die Platzhalter suchten und, durch Winken und Rufen aufmerksam gemacht, auf ihre reservierten Plätze zusteuerten. Großvater Alfred und Großmutter Maria waren mit ihren Plätzen zufrieden und schickten Paul nach hinten zu den anderen, wie sie sich ausdrückten. Die Jugend saß hinten im Bus. So war es Brauch, wie Paul von einem der Kinder erfuhr. Er war zum ersten Mal dabei und kannte niemanden hier. Seine Geschwister Eva und Gerhard waren längst schon einmal oder mehrmals von den Großeltern mitgenommen worden, nur er, Paul, nicht. Warum? Wie er später erfuhr, war sein jüngerer Bruder Gerhard, der zuallererst dabei war, den Wünschen des Großvaters nur widerwillig oder gar nicht gefolgt. Zudem hatte er wohl nicht zur Geselligkeit beigetragen, sondern nur laufend nach Essen und Trinken verlangt. Die ältere Schwester Eva, die auch schon mitgenommen wurde, hatte jedoch, da sie fast stets das Wochenende bei ihrer Tante Marga verbrachte, gar keine Zeit, obwohl gerade Großvater Alfred wegen des kleinen niedlichen, blonden Mädchens viel Aufmerksamkeit unter den Mitwanderern erhalten hatte und sie deshalb gerne bevorzugt mitgenommen hätte. Nun also war der stille Paul dabei, sozusagen als Notnagel! Er hatte die erste Probe bestanden, denn er konnte von hinten aus beobachten, dass der Großvater, auf dem Gangplatz sitzend, in reger Konversation mit einem Nachbarn vertieft war. Dies liebte der alte Mann, der sehr viel von gepflegter Unterhaltung und Gedankenaustausch hielt.

Die Tour am heutigen Sonntag sollte von der zurückzulegenden Strecke nicht allzu anspruchsvoll sein. Andere Wanderungen hatten jedoch auch schon mal acht oder neun Stunden betragen. Die Wanderungen waren stets so organisiert, dass eine ausgiebige Zwischenrast nach etwa der Hälfte der Strecke, sowie eine noch ausgiebigere Schlusseinkehr vorgesehen waren. Zur Vorreservierung in Hütten und Gaststätten für die große Gruppe war am Wochenende davor einer, in der Regel aus zwei Vereinsmitgliedern bestehender, Vortrupp unterwegs, der auch die Strecke klarmachte. Der gelbe Bus war noch keine halbe Stunde unterwegs, als er Bad Dürkheim erreichte und mitten im Ort auf dem Stadtplatz anhielt. Alles stieg nun aus, richtete die Kleidung und Hüte zurecht und bewegte sich langsam durch die Gassen des Ortes in Richtung der Limburg, auf die ein Wegweiser hinwies. Der grüne Hut von Großvater Alfred zierten mehrere Abzeichen des Pfälzerwaldvereins, die sich in Details ein wenig voneinander unterschieden. Paul, der neben dem Großvater Schritt hielt, erkundigte sich danach und erhielt einen längeren Vortrag über die Länge der Mitgliedschaft und der damit verbundenen Ehrenabzeichen.

Großvater Alfred war bereits lange vor dem Krieg Mitglied im Pfälzerwaldverein aus zweierlei Gründen geworden. Zunächst war er, der im Schwarzwald in der Nähe von Waldshut, der Stadt an der Schweizer Grenze, geboren wurde, von der Pfalz begeistert und bezeichnete sie als die Toskana Deutschlands und zum anderen, war er, der eine Praxis für Naturheilkunde in Oggersheim betrieb, an Kontakten mit Personen interessiert, die er während der Waldspaziergänge als zukünftige Patienten zu gewinnen suchte. Dieser, nunmehr etwas über sechzigjährige Mann mit dem Schnäuzer, äußerlich dem berühmten Chirurgen Sauerbruch zum Verwechseln ähnlich sehend, hatte bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Als zweitjüngster Sohn eines Schreinereibesitzers hatte er nach der Lehre als Schreiner nur die Möglichkeit den Heimatort zu verlassen. Er versuchte es in verschiedenen Berufen, wie beispielsweise im Badischen als Gerichtvollzieher in Karlsruhe oder als Straßenbahnführer in Mannheim. Als junger Mann hatte er sich im ersten Weltkrieg freiwillig zur Marine gemeldet, jedoch diese, wegen nicht ausreichender Schulbildung, nach Kriegsende nur mit einem niedrigen Dienstgrad verlassen. Allerdings hatte er sich eine verbesserte Aussprache angeeignet; er sprach nun ein fast perfektes Hochdeutsch ohne Anlehnung an sein ursprüngliches Alemannisch. Er versuchte mit einem Partner zusammen sich in die Naturheilkunde einzuarbeiten. Hier erschienen sich ihnen aussichtsreiche berufliche Perspektiven zu eröffnen, zumal Alfred, der schrecklichen Weltkriegserfahrung zufolge, sich dem katholischen Glauben und der Natur in besonderer Weise geöffnet hatte. Dabei waren ihm Schriften der Hildegard von Bingen in die Hände gefallen, die ja bekanntlich in der katholischen Kirche als Heilige verehrt wird. Diese Frau, die im zwölften Jahrhundert im Kloster Rupertsberg bei Bingen am Rhein, lebte, hatte sowohl auf den Gebieten der Theologie, der Biologie und der Medizin, wie auch der Musik, Erstaunliches geleistet und schriftlich hinterlassen. Wenn auch Alfred zu der Lehrmeinung in der katholischen Kirche tendierte, dass Frauen aus eigener Kraft und Gedankenstärke nicht zu theologischen Erkenntnissen in der Lage seien, so war er doch von ihren Abhandlungen über Pflanzen und Krankheiten fasziniert. Das Buch über Ursachen und Heilungen (Causae et Curae), welches über die Entstehung und Behandlung von verschiedenen Krankheiten, sowie das Buch über Beschaffenheit und Heilkraft der verschiedenen Kreaturen und Pflanzen (Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum), die beide zu den Standardwerken der Naturheilkunde zählen, hatte er zwar nicht im Original, jedoch einiges über den Inhalt der Bücher, gelesen. Was ihm einzuleuchten schien, war die grundlegende Beschreibung der menschlichen Lebenskräfte in der Einheit von Seele, Leib und Sinnen, die in ständiger Wechselwirkung stehen und aufeinander einwirken würden. Und was ihm sehr gut gefiel, waren die Empfehlungen Hildegards von Bingen hinsichtlich einer religiösen Lebensführung, der Beachtung göttlicher Naturgesetze und das Wissen um die heilsamen Kräfte der Pflanzen.

Mit seinem Partner zusammen besuchte er nunmehr fleißig Veranstaltungen des Deutschen Heilpraktikerbundes, um die Zulassung zum Heilpraktiker zu erlangen. Was ihm dabei als besondere Mahnung eines Dozenten in Erinnerung blieb, war dessen Zitat des römischen Politikers und Philosophen Seneca: Ein Teil der Heilung ist noch immer, geheilt werden zu wollen und damit verbunden die Aufforderung, in diesem Sinne, auch auf das mentale Verhalten des Patienten einzuwirken. Was Alfred aber öfter schmerzlich bewusst wurde, war der Mangel an medizinischen Kenntnissen, der nur durch ein Medizinstudium zu beheben war. Daher beschloss er, auch ohne Studienberechtigung, an entsprechenden Vorlesungen in Heidelberg teilzunehmen, in vollem Bewusstsein an deren Illegalität und der besonderen Schwierigkeiten des Zugangs zu den Vorlesungsräumen. Sein Partner wollte da nicht mitmachen und blieb lieber zu Hause.

Alfred hatte gerade die altehrwürdige Heidelberger Universität verlassen, wo er sich die Vorlesung zur Allgemeinen Anatomie, das heißt speziell zum Bewegungsapparat und der Eingeweidelehre, wie erwähnt, ohne Studienberechtigung, heimlich angehört hatte und war auf dem Weg in Richtung Neckarufer, als er auf dem Promenadenweg einer sehr schönen Frau begegnete, die ihm im Vorübergehen scheinbar anzulächeln schien. Das war der Moment, der in ihm den Gedanken auslöste, dass er mit seinen sechsundzwanzig Jahren vielleicht bald heiraten sollte, möglichst eine gute Partie, um seine finanzielle Misere zu beheben. Nur was hatte er anzubieten? Er hatte außer seinem Aussehen, seinen guten Manieren und seiner geschliffenen Aussprache wenig sonst vorzuweisen: Kein geregeltes Einkommen, keinen Titel, ja noch nicht einmal tanzen konnte er! Ach was, sagte er zu sich, nur keine Bescheidenheit, so was kommt bei Frauen nicht an. Am nächsten Kiosk erstand er die Mittwochausgabe der Rhein Neckar Zeitung , in welcher stets an diesem Wochentag eine umfangreiche Beilage mit Heiratsanzeigen enthalten war, stieg in die Straßenbahn nach Mannheim ein, setzte sich in eine Ecke und schlug die Zeitung auf. Sein Blick fiel nach einigem Suchen auf eine Anzeige, die seine Aufmerksamkeit fesselte. Da stand: „Junge, gut aussehende Kriegerwitwe, achtundzwanzig Jahre, vermögend, sucht gebildeten katholischen Partner zwecks Eheanbahnung.“ Das Wort vermögend gefiel ihm sehr gut; dass die Kriegerwitwe zwei Jahre älter war als er selbst, etwas weniger. Er schrieb dennoch an die in der Zeitung angegebene Chiffre: „Als junger, vielseitig interessierter, angehender Mediziner, habe ich Ihr Inserat in der Rhein Neckar Zeitung gelesen und würde mich sehr über ein Treffen mit Ihnen freuen. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und katholisch. Mit vorzüglicher Hochachtung Alfred Jasper.“ Die Kriegerwitwe erhielt zahlreiche Zuschriften mit mehr oder weniger schwülstigen oder angeberischen Texten, weshalb ihr das kurze Schreiben von Alfred Jasper auffiel und sie ihm zurück schrieb. Man traf sich in einem Cafe´ am Wasserturm in Mannheim. Alfred fand ihr rassiges Aussehen sowie die Vermögensverhältnisse, eine größere Geldsumme auf der Bank, verführerisch, während sie sein sicheres Auftreten und seine rhetorischen Fähigkeiten bewunderte. Man war sich schnell einig, möglichst schnell zu heiraten.

Doch stellte sich beim Bestellen des Aufgebotes heraus, dass Maria Förster, so hieß die Kriegerwitwe, bei ihrem Alter geschwindelt hatte; anstatt zwei war sie tatsächlich fünf Jahre älter als Alfred. Alfred wiederum gestand ihr nach dem Standesamt, dass sein Medizinstudium lediglich ein Selbststudium der Naturheilkunde und der Homöopathie und seine gelegentlichen Vorlesungsbesuche illegal seien, da er mangels Abitur gar keine Studienberechtigung besitze. Der eigentliche Tiefschlag aber traf Alfred bei dem von Maria direkt nach der kirchlichen Trauung gemachten Geständnis, sie habe einen fünfjährigen Sohn von ihrem im Krieg gefallenen ersten Ehemann sowie über die Wahrheit des Geldbetrages auf der Bank. Letzterer sei das Mündelgeld für diesen Sohn namens Emil und eigentlich für dessen Unterhalt und Ausbildung gedacht. Alfred sah sich schwer getäuscht und schwor insgeheim, da er katholisch und damit die Ehe untrennbar war, ihr alles Zug um Zug zukünftig heimzuzahlen. Schon in der Hochzeitsnacht verlangte er die Herausgabe des Mündelgeldes zum Zwecke der von ihm zu bestimmenden Verwendung. Ferner wolle er weitgehend von der Erziehung des Stiefsohnes entbunden werden, da er seine Pläne hinsichtlich der Einrichtung einer Praxis für Naturheilkunde ungestört weiter verfolgen müsse. Maria war mit allem einverstanden und Söhnchen Emil, der bisher die meiste Zeit bei Marias Eltern in der Pfalz verbracht hatte, kam nun zurück; zuerst in die Mannheimer Wohnung und später in das mit dem Mündelgeld gekaufte Haus in Ludwigshafen Oggersheim, welches zuvor einem Mann gehörte, der im Anbau des Hauses eine Steinmetzwerkstatt betrieb.

Wie bereits berichtet, tat sich Alfred mit Herbert, einem Kriegskameraden, der wie er, Heilpraktiker werden wollte, zusammen. Gemeinsam entwickelten sie eine Reihe verschiedener Rezepturen aus Heilkräutern, die sie Kräuterkomplex nannten. Als sie ihre Ausbildung in Naturheilkunde erfolgreich beendet hatten und in den Deutschen Heilpraktikerbund eingetreten waren, trennten sich ihre Wege. Zu dieser Zeit war Alfred bereits Hausbesitzer und begann sich in Oggersheim eine Praxis einzurichten. Er nahm Kontakt zu einem Philippsburger Pharmazieunternehmen auf, welches in seinem Auftrag die Kräuterrezepturen umsetzte und sie in Tablettenform als Jaspers Kräuterkomplex in runden Pappröhrchen lieferte. Nur das Naturmittelchen gegen Herzbeschwerden wurde als Flüssigkeit in einem Fläschchen geliefert. Neben diesen Naturprodukten wendete Alfred hauptsächlich die Augeniris-Diagnose, sowie Bestrahlung und Massage, in seiner Praxis an. Zusammen mit seiner überzeugenden Redeweise, dem weißen Arztkittel und seinem Sauerbruch-Aussehen gewann er schnell Patienten aus nah und fern. Die Mund zu Mund Propaganda half dabei vortrefflich.

Das Haus in der Dürkheimerstraße, eigentlich eine Doppelhaushälfte, sah von der Straße, relativ klein, von der Seite her gesehen jedoch recht stattlich aus. Diesen Eindruck erzeugte die Bauweise eines vorne tief herabreichenden Daches und einer seitlich hohen Fassade. Neben dem Haus, rechter Hand gelegen, befand sich ein großer Garten mit Obstbäumen. Den Eingang vorne zierten zwei leicht bauchige Holzsäulen vor einem offenen kleinen Vorraum mit Geländer. Den idyllischen Eindruck vervollkommnete eine im Frühjahr herrlich blühende Glyzinie, welche an Hauswand und Säulen nach oben rankte. Nach Betreten des Erdgeschoßes betrat man gleich rechts das Behandlungszimmer, geradeaus das Wartezimmer und durch beide Räume gleichermaßen erreichbar, den Bestrahlungsraum. Links vom Eingang befandt sich eine Toilette sowie die Treppe nach oben zu den Privaträumen. Diese bestanden aus dem vorderen Zimmer des Stiefsohns Emil, dem dahinter liegenden Schlafzimmer von Maria und Alfred und geradeaus, aus der Wohnküche, von welcher es weiter nach hinten auf eine schmale Terrasse ging, die den Anbau überdachte. Das Wartezimmer war eigentlich das selten benutzte Wohnzimmer, das mit einem Standspiegel, einem Spieltischchen zum Aufklappen, Polsterstühlen und einem Klavier ausgestattet war und damit einen gutbürgerlichen, ja gehobenen Eindruck machte. Wie gesagt, wurde der Wohnraum nur selten, höchstens an Feiertagen, genutzt; meist saß die Familie in der Wohnküche.

Eine Besonderheit und, für damalige Verhältnisse eine Errungenschaft, bestand in einer Luftheizung, in welcher im Kachelofen des Bestrahlungszimmers erhitzte Luft in die Nachbarräume und nach oben in das Schlafzimmer sowie in das Zimmer des Sohnes gelangte, ohne Ventilator, einfach durch den Auftrieb der heißen Luft. Dieses Heizungssystem war das unfreiwillige Haus-Telefon, denn über den Luftkanal hindurch, verstand man fast jedes Wort, welches unten im Behandlungszimmer gesprochen wurde, wenn man nur dicht genug an der geöffneten Luftklappe im Schlafzimmer das Ohr anlegte. Pauls Großmutter Maria machte davon reichlich Gebrauch und erhob oft unberechtigte Vorwürfe gegenüber dem Großvater, insbesondere was gewisse Geräusche betraf, die bei der Massage entstanden, und von ihr missgedeutet wurden. Hier lag eine der Ursachen für die ständigen Streitereien, vor denen Stiefsohn Emil in eine Bäckerlehre mit Unterkunft flüchtete, sobald er vierzehn geworden war.

Im zweiten Weltkrieg wurde der Heilpraktiker wieder zur Marine für den Sanitätsdienst eingezogen, überlebte die Kriegsereignisse weitgehend durch Stationierung auf der Insel Sylt und kehrte in den ersten Nachkriegstagen mit dem Dienstgrad Feldwebel nach Oggersheim zurück, um hier gleich wieder seine Praxis zu eröffnen. Sein streng katholischer Glaube und seine humanistische, konservative Haltung, verbunden mit den Erlebnissen in zwei Weltkriegen, bewogen ihn, die Ortsgruppe der Christlich demokratischen Partei mit Gleichgesinnten in Oggersheim zu gründen. Jedoch als er in der damals heftig diskutierten Frage der Wiederbewaffnung auf einer Parteiveranstaltung äußerte: Ein demokratischer Staat kann nicht ohne Armee existieren, darauf aufs schärfste angegriffen wurde und sich die Worte gefallen lassen musste: Der Herr Feldwebel will wohl General werden, zog er sich aus der Politik zurück, ohne auf seine Parteimitgliedschaft zu verzichten. Die Praxistätigkeit wurde wesentlich erschwert, als er nach Kriegsende als Hausbesitzer Wohnraum für die ausgebombte Bevölkerung freimachen sollte und er sich für seine Schwiegertochter Anna mit ihren drei Kindern entschied, die noch in Maikammer an der Weinstraße in einem einzigen Raum des überbelegten ehemals jüdischen Weingutes hausten. Das Sprechzimmer wurde nun deren Wohnzimmer und das ehemalige Zimmer des Stiefsohns und in Kriegsgefangenschaft befindlichen Ehemanns von Mutter Anna wurde das Schlafzimmer für vier Personen. Das Sprechzimmer von Großvater Alfred war jetzt der ehemalige Bestrahlungsraum.

Der Lehrling

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