Читать книгу Ein Traummann zum Dessert - Gabriele Ketterl - Страница 7

3.

Оглавление

„Signora?!“

Wenn sie jetzt noch anfing Stimmen zu hören, wurde es langsam wirklich kritisch.

„Hey, Signora! Brauchen Sie Hilfe?“

Gut, solange die Stimmen solche Fragen stellten, könnte sie sich eventuell mit dem Phänomen arrangieren. Suchend blickte sie sich um. Allerdings sah sie nichts bis auf drei an Betonpollern festgezurrte Boote. Aber irgendjemand rief doch hier?

„Hier, Signora. Auf dem Boot links von Ihnen.“

Erneut blickte sie suchend die Reihe entlang.

„Das andere Links, Signora.“ Die Stimme klang ebenso amüsiert wie knurrig, eine seltsame Mischung.

Endlich erkannte sie im Halbdunkel die Umrisse einer menschlichen Gestalt auf dem links von ihr festgemachten Boot. Eine recht große Gestalt.

So froh Sophia war, auf ein menschliches Wesen zu treffen, so unsicher war sie auch, ob sie das gut finden sollte. Dem Mann waren ihre Überlegungen offensichtlich egal, dann er lief schnell und geschickt über das Deck des beeindruckenden Holzbootes und sprang mit einem sehr eleganten Satz an Land. Als er sich vor ihr aufrichtete, war sie sich kurzfristig sogar sehr sicher, dass sie das alles nicht gut fand. Er war gewiss einen Meter neunzig groß, wenn nicht noch mehr, sein Gesicht wurde zu einem Teil von langen, schwarzen Haaren verdeckt und an den muskulösen Armen erkannte sie diverse Tätowierungen. Als ob das nicht genügen würde, baumelte an seinem Ohr ein umgedrehtes Kreuz. Komplett in schwarz gekleidet, Tattoos, ein ausgesprochen dunkler Typ … Selbst wenn er nicht gleich einer Teufelsanbetersekte angehören musste, aber mal im Ernst, hätte es denn nicht ein harmlos-sympathischer Kerl á la Käpt’n Iglo sein können?

Als er jetzt mit beiden Händen die langen Haare nach hinten schob, revidierte sie ihre Meinung geringfügig. Der Satansjünger hatte ein ausnehmend hübsches Gesicht, sehr ernst, aber verdammt hübsch.

„Äh, hallo, ja, Hilfe bräuchte ich tatsächlich. Ich habe die letzte Fähre zum Markusplatz verpasst.“

„Um fünf Uhr in der Früh geht die erste.“

Charmantes Kerlchen. „Danke, das weiß ich auch. Ich suche eine Möglichkeit, doch noch rüberzukommen.“

„Sagen Sie das doch gleich.“ Sieh einer an, da konnte der Bengel doch tatsächlich lächeln, auch wenn dieses Lächeln vor Zynismus troff. „Wenn Sie sich noch ein paar Minuten gedulden, könnte ich Sie mitnehmen.“

Sophia musste sich, müde und übernächtigt wie sie war, ziemlich zusammenreißen. „Trifft sich doch gut. Ich habe tatsächlich gerade nichts Wichtiges vor.“ Sie musterte den Mann unauffällig, so glaubte sie zumindest. Wollte sie sich ihm überhaupt anvertrauen? Wobei ihre Möglichkeiten recht überschaubar waren und er derzeit wohl die eindeutig beste Option darstellte.

Er schüttelte mit nachsichtiger Miene den Kopf. „Also, Signora, so richtig viel Vertrauen haben Sie aber nicht in mich, oder?“

„Ganz normaler, weiblicher Überlebenstrieb.“ Sie warf ihm einen giftigen Blick zu, was ihn zu einem weiteren schiefen Lächeln nötigte.

„Aha, nun ja. Wenn ich mich so umsehe, dann ist die Auswahl an Anwärtern zum Retter in strahlender Rüstung wohl recht eingeschränkt, nicht wahr?“ Seine Miene wurde ein wenig entspannter und er seufzte leise. „Frauen und ihre Vorurteile. Keine Angst, ich bin vollkommen harmlos. Ich mach jetzt mein Deck schnell fertig, dann legen wir ab, und ich bring Sie rüber, in Ordnung?“

Sie nickte ein wenig kleinlaut. „In Ordnung, tut mir leid, ich wollte Sie nicht kränken.“

„Haben Sie nicht, ich komm damit ganz gut klar.“

Sie beobachtete ihn dabei, wie er mittels eines kleinen Eimers und eines Schrubbers das Heck des Bootes säuberte, das Putzwasser ins Meer kippte, alles flink aufräumte und wieder zu ihr kam.

„Geben Sie schon her, Sie brechen ja unter der Tasche fast zusammen.“ Er nahm ihr die Reisetasche ab, verfrachtete diese und ihren Koffer auf das Schiff und streckte ihr dann eine Hand entgegen, um ihr an Bord zu helfen.

Gerade noch rechtzeitig kam ihr in den Sinn, nach dem Preis für die Überfahrt zu fragen.

Er musterte sie mit ausdrucksloser Miene. „Wie wäre es mit zweihundert Euro?“

Ihre Gesichtszüge entgleisten ihr wohl dermaßen, dass er lauthals lachen musste. „Mein Gott, Frau, ich muss doch sowieso zurück. Dafür verlange ich nichts von Ihnen. Was wäre ich denn für ein Mann, wenn ich Ihre Notlage ausnutzen würde.“

„Öhm, vielen Dank, das hatte ich aber so nicht geplant. Ich möchte schon etwas bezahlen.“ Der Typ war ganz schön vielschichtig. Zynisch, schlagfertig, geschickt, kräftig, gutaussehend, ein wenig unheimlich im Erscheinungsbild und offenbar wohl Kavalier.

„Vergessen Sie das gleich wieder. Bitte setzen Sie sich hin. Sie sehen müde aus, ich möchte nicht, dass Sie mir umkippen.“

Nun war sie sprachlos. Gehorsam setzte sie sich auf eine der Bänke an der Seite des Bootes und hielt sich an der Reling fest. „Gut so?“

„Perfekt. Gut festhalten. Wir legen ab. Ach, nur damit Sie wissen, wer Sie jetzt gleich entführen wird, ich heiße Romano.“

„Wirklich beruhigend war das jetzt nicht, das ist Ihnen klar, oder?“ Sie bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick.

„Wie jetzt? Kennen Sie denn die vielen Geschichten über italienische Gentleman-Ganoven nicht? Ich muss schon sagen.“

Sie hüstelte leise. „Ihnen ist aber schon bewusst, dass die ein wenig anders ausgesehen haben?“

Er verzog nur spöttisch die Lippen. „Aber sicher. Anzug, Krawatte und Kurzhaarschnitt. Und Sie glauben ernsthaft, dass sich das geändert hat?“

Es war gar nicht so leicht, ihm zu folgen. „Wie meinen Sie das?“

„Na, so wie ich es sage. Auch heute haben die schlimmsten Kriminellen teure Anzüge und hängen sich edle Krawatten um den Hals. Sie wissen schon, dass die Dinger die Blutzufuhr zum Gehirn abschneiden und so das Denken einschränken?“

Wer hatte hier jetzt Vorurteile? „Ach nein, soviel zu meinen Vorurteilen, was?“

Er würdigte sie noch immer keines Blickes. „Das sind keine Vorurteile, das sind Fakten, Frau.“

„Wenn Sie meinen. Ich heiße übrigens Sophia, damit Sie sich das Frau sparen können.“

Da war es wieder, das schiefe Grinsen. „Warum, Sie sind doch eine Frau, oder, Sophia?“

„Und Sie sind ganz schön unverschämt.“ Verärgert blickte sie auf die Lagune hinaus und schwieg.

Romano war das wohl nur recht, denn er konzentrierte sich darauf, das Boot geschickt durch die ankernden Schiffe zu lenken. Langsam wurde ihre Müdigkeit zu einem Problem. Ihr drohten die Augen zuzufallen und da sie ungern von der Bank rutschen wollte, drehte sie sich etwas um und legte beide Unterarme auf dem Holz der Reling ab. Sie stützte ihr Kinn darauf und versuchte, sich auf die Fahrt zu konzentrieren.

Sie waren mittlerweile ein ganzes Stück vom Hafen entfernt und langsam schälten sich am Horizont die Umrisse Venedigs aus dem Dunkel der Nacht. Sogar in ihrem Zustand kam sie nicht umhin, diesen erhabenen Anblick gebührend zu bestaunen. Trotzdem fiel es ihr zunehmend schwer, die Augen offen zu halten. Als sich eine Coladose in ihr Blickfeld schob, war sie mit ihren Gedanken so weit weg, dass sie zuerst gar nicht verstand, was los war.

„Na kommen Sie, Sophia, ich will Sie weder betäuben und ausrauben noch Sie sonst irgendwie unter Drogen setzen. Ehrlich, ich will nur, dass Sie wach bleiben. Wobei Sie natürlich auch auf dem Boot schlafen können. Ich habe genug Platz.“

Das könnte ihm so passen. „Vielen Dank, das ist wirklich nett, also das mit der Cola.“

„Sag ich doch, ich bin ein durch und durch netter Mensch. Dumme Frage, wohin müssen Sie eigentlich genau?“

Sophia konnte seine Augen nicht wirklich erkennen, dazu war es zu finster, doch sie hätte schwören können, dass es darin spöttisch blitzte. Sie nannte ihm, wenn auch leicht widerstrebend, Saskias Anschrift. Was, wenn der finstere Kerl sie ausspionierte?

Der aber nickte nur leicht und konzentrierte sich wieder auf die Route. Ein gutes Stück vor dem Markusplatz bog Romano in einen der zahllosen Kanäle ein und sie verlor komplett den Überblick.

„Wo sind wir hier?“

„Unterwegs zu meinem Unterschlupf.“

„Und im Ernst?“

„Auf dem Rio de San Girolamo, es dauert nicht mehr lange, bis wir in San Lorenzo sind. Halten Sie durch.“ Täuschte sie sich, oder klang er tatsächlich besorgt?

„Keine Bange, ich kipp nicht um, den Gefallen tu ich Ihnen nicht.“ Überzeugend klang das nicht einmal in ihren Ohren.

„Mmh, das werden wir ja sehen.“

Das verzweigte Netz der Kanäle verwirrte und faszinierte Sophia gleichzeitig. Obwohl sie wirklich todmüde war, schaffte sie es, die Augen offen zu halten. Nicht mit einer überfüllten Fähre, sondern mit einem wirklich hübschen Boot durch das nächtliche Venedig zu fahren, war ein durchaus schönes Erlebnis. Schade, dass sie nicht fitter war, das hätte sie gerne mehr genossen.

Ihr Blick huschte zu ihrem schweigsamen Fährmann.

„Romano, ist das Ihr Boot?“

„Nein, Diebesgut. Natürlich gehört es mir. Warum fragen Sie?“ Nun klang er schon wieder so verärgert.

„Weil ich fragen wollte, ob Sie das hier beruflich machen, also, ob Sie Touristen durch Venedig fahren.“

„Tagsüber, ja. Abends eigentlich nicht mehr. Heute war eine Ausnahme, weil das Danieli mir ein kleines Vermögen dafür bezahlt hat, einen Stammgast zu später Stunde zu fahren. Nochmal, warum wollen Sie das wissen?“ Er klang regelrecht bedrohlich.

„Himmel, was habe ich denn nun schon wieder Falsches gesagt? Ich wollte doch nur fragen, ob Sie mich einmal – gegen Bezahlung – nachts hier herumfahren könnten. Also dann, wenn ich nicht halb im Delirium bin.“

Prompt entspannten sich seine Züge. „Das lässt sich sicher einmal einrichten.“

„Danke.“ Sophia zog es vor zu schweigen, offensichtlich traf sie entweder zielsicher den falschen Ton oder dieser Romano war verdammt empfindlich.

Etwa zehn Minuten später bog er langsam in einen sehr schmalen Kanal ein und hielt nach ein paar Metern an einem kleinen Steg.

„Da wären wir.“ Er deutete nach vorne und tatsächlich erkannte sie die Häuserzeile, an deren Ende Saskia und Maurizio wohnten.

„Oh, wir sind ja fast am Haus. Vielen Dank, das ist wirklich nett.“ Sie erhob sich ein wenig ungelenk und streckte erst einmal ihre Arme und Beine.

„Ich bin sogar noch netter“, grummelte ihr Fahrer. „Los, raus mit Ihnen.“

In der Annahme, dass er schnellstmöglich wieder losfahren wollte, sah sie sich hektisch um. „Darf ich zuerst mein Gepäck an Land bringen?“

Sie sah, wie er sichtlich genervt die Augen verdrehte. „Nein, das behalt ich als Bezahlung. Nun klettern Sie schon raus, ich bringe Ihnen Ihr Gepäck.“

Prima, das nächste Fettnäpfchen.

„Okay, danke schön. Ich stehe wirklich ungefähr einen halben Meter neben mir. Tut mir leid, wenn ich komisch reagiere.“ Kleinlaut musterte sie Romanos ernste Züge.

Der aber schüttelte nur den Kopf. „Schon gut, kein Thema. Und jetzt raus hier, ich helfe beim Gepäck, ich muss nur schnell das Boot richtig festzurren, sonst kann ich nachher eine Runde schwimmen gehen.“

Er half ihr, von Bord zu kommen, stellte Koffer und Tasche neben sie, vertäute das Boot und richtete sich wieder auf. „So, fertig. Wie war gleich wieder die Nummer?“

Schon etwas vertrauensvoller nannte sie ihm die Hausnummer und während er mit ihrem Gepäck zielsicher auf das richtige Haus zusteuerte, stolperte sie im Halbschlaf hinter ihm her.

„Da wären wir. Kann ich Sie alleine lassen, Sophia, oder brechen Sie mir zusammen, ehe Sie über die Schwelle sind?“ Schon wieder dieses freche Grinsen.

„Danke, Romano, aber ich glaub, das schaffe ich gerade noch.“ Sie hielt ihm die Hand hin und blickte zu ihm auf. „Im Ernst, Sie haben mir wirklich sehr geholfen und ich möchte mich gerne erkenntlich zeigen. Abgesehen davon, wie kann ich Sie denn erreichen wegen der Rundfahrt?“

„Ich weiß ja jetzt, wo Sie wohnen. Wie lange sind Sie denn in der Stadt?“

Nun war sie etwas verwirrt. „Ähm, keine Ahnung, womöglich schon etwas länger.“

„Sehr gut. Dann melde ich mich bei Ihnen wegen der Bootstour. Und jetzt ab ins Bett.“ Im Weggehen drehte er sich noch einmal zu ihr um. „Sie sind sich wirklich sicher, dass Sie es bis dorthin alleine schaffen?“

„Aber sowas von sicher.“ Das Lächeln konnte sie sich einfach nicht verkneifen, er war schon ziemlich unverfroren, aber bei solch schönen Augen …

So schnell wie möglich riss sie sich wieder zusammen. Drehte sie denn jetzt total durch? Ehe sie nun noch anfing, wirklich mit dem Kerl zu flirten, musste sie dringend ihre müde-verworrenen Gedankengänge wieder auf Spur bringen. „Gute Nacht, Romano.“

„Gute Nacht, Sophia.“ Er verschwand so schnell, dass sie es in ihrem Zustand kaum mehr registrierte.

Ein Traummann zum Dessert

Подняться наверх