Читать книгу DU lässt mich nicht im Regen stehen - Gabriele Kox - Страница 11

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An diesem Samstagmorgen weckte mich ein undefinierbares Geräusch. Ein Blick auf dem Wecker: Es war erst fünf Minuten nach acht. Mein Tag begann kurz nach acht ohne eine Tasse Kaffee und ich war schlecht gelaunt.

Ganz langsam stieg ich aus dem Bett. Insgeheim fragte ich mich, was mich wohl geweckt haben könnte.

Wie schön es hier ist, so still und friedlich, dachte ich, als ich die schneebedeckten Spitzen der Winterpflanzen in unserem Garten durch das Fenster betrachtete, bevor ich mit nur einem leichten Hausanzug bekleidet, barfuß die kalte Steintreppe hinunterging. Schläfrig kam ich dem Geräusch immer näher und bemerkte, dass in der Küche Licht brannte. Meine Mitbewohnerin saß am Tisch und versuchte, den Zucker in ihrer Tasse durch heftiges Rühren aufzulösen. Sie machte ein überraschtes Gesicht.

„Guten Morgen Emma. Warum bist du denn schon so früh auf den Beinen?“

„Morgen Alina. Frag doch nicht so blöd. Du solltest zukünftig einen Plastiklöffel benutzen. Das Zusammentreffen von Tasse und Metall-Löffel hat mich auf eine unsanfte Weise aus dem Bett getrieben“, maulte ich gereizt. Kling, kling, kling …

Alina versuchte erst gar nicht, sich zu entschuldigen, stattdessen rührte sie noch heftiger in ihrer Tasse, um mich zu foppen und machte unentwegt Faxen. Sie verzog dabei unnatürlich das Gesicht, sodass wir über ihre Grimassen herzhaft lachen mussten. Meine Müdigkeit und die anfänglich schlechte Laune waren wie weggeblasen, oder besser gesagt, einfach weggelacht.

Alina im schwarzen Kleid und nett zurechtgemacht sah feierlich aus. Ihr rotes Haar war sorgfältig frisiert, ihre Füße steckten in halsbrecherisch hohen schwarzen Pumps, ihre Beine in hauchfeinen schwarzen Seidenstrümpfen und High Heels. Ach herrje! Und dass um diese Uhrzeit! Was hatte das zu bedeuten?

„Willst du weg?“

Alina schüttelte den Kopf.

„Nein?“

„Nein, will ich nicht. Lust auf ein gemeinsames Frühstück?“

„Sicher, ich gehe nur noch schnell nach oben und ziehe mir etwas Anderes an, um mich deinem Style anzupassen“, sagte ich lächelnd und zwinkerte ihr zu.

Alina wartete bereits aufgeregt auf mich.

„Komm,“ sagte sie aufgekratzt.

Ich folgte dem Geräusch ihrer klackenden Absätze.

Erst auf dem Weg ins Esszimmer, als ich den Geruch von frischen Brötchen wahrnahm, bemerkte ich, dass meine Freundin den Frühstückstisch bereits einladend gedeckt hatte. Gekochte Eier, Lachs und eine mit Geschick angerichtete Käseplatte verzierten den Tisch. Auf meinem Platz stand eine Vase mit einem riesigen bunten Blumenstrauß. Außerdem entdeckte ich an der Vase angelehnt einen weißen Briefumschlag, auf dem die Buchstaben „D-A-N-K-E“ zu lesen waren. Mein Blick wanderte automatisch zu dem an der Wand hängenden Kalender. Natürlich! Fast hätte ich es vergessen! Es war Monatsanfang, und ich erinnerte mich augenblicklich an die Unterhaltung in der Sauna, dass ihre Abschlüsse im Folgemonat berücksichtigt werden würden.

Gerührt über das toll zubereitete Frühstück entnahm ich dem Kuvert das Geld und die mit sechs Zeilen beschriebene Karte, auf der geschrieben stand:

Hallo, meine Freundin Emma,

es ist so schön, mit dir unter einem Dach zu wohnen, nicht alleine zu sein und zu wissen, dass du immer für mich da bist und du mir mal wieder aus der Patsche geholfen hast. Für immer - deine Freundin Alina.


Die Ungewissheit über den Ausgang der bevorstehenden Gerichtsverhandlung plagte mich nicht nur tagsüber. In den schlaflosen Nächten beobachtete ich die Zeiger der Uhr, die sich einfach nicht fortbewegen wollten, obwohl ich ein leises Ticken wahrnehmen konnte. Ich hätte nie gedacht, dass der menschliche Körper so lange mit weniger als drei Stunden Schlaf pro Nacht auskommen könnte. Völlig fertig und angeschlagen flüchtete ich oftmals zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett. Die zunehmenden Existenzängste drangen aus meinem Unterbewusstsein an die Oberfläche. Sie ließen mich einfach nicht los.

„Na, Emma, lässt dein Arbeitgeber dich mal wieder nicht zur Ruhe kommen? Zumindest siehst du so aus, als hättest du gar nicht geschlafen“, stellte Alina fest, als wir uns in der Küche begegneten. Überrascht über ihre Einschätzung war ich nicht, denn sie selbst in der Vergangenheit von Existenzängsten geprägt, konnte nachempfinden, wie es war, wenn das Leben nicht wie geplant verlief.

Ganz ehrlich! Es gab in der Tat nichts Besseres, als mit der besten Freundin unter einem Dach zu leben und sich gegenseitig zu stützen. Ich hatte Alina geholfen, als sie in finanziellen Nöten war, und im Gegenzug war sie für mich einfach da, wenn ich seelische Unterstützung brauchte und sie mich oft aus dem dunklen Loch holte, in das ich zwischendurch zu fallen drohte.

Sie war es, die mir in dieser schweren Zeit den nötigen Halt gab und meinen Kampfgeist weckte, mich nicht mit meiner Situation abzufinden und im Selbstmitleid zu zerfließen. Alina war es, die mir in dieser turbulenten Zeit eine große Stütze war, als ich mich gegen die Machtspiele einer Kollegin wehren musste und mit einer Kündigungsschutzklage auf die krankheitsbedingte Kündigung meines Arbeitgebers reagieren musste.

Seit Jahren war ich einem sehr schlechten Arbeitsklima ausgesetzt. Eine Kollegin versuchte, mich systematisch fertig zu machen und schikanierte mich, wo sie nur konnte. Ich hielt ihrer ständigen Bosheit so lange stand, bis sich erste Symptome wie Appetit- und Schlaflosigkeit einstellten.

Um weiteren seelischen Gefährdungen vorzubeugen, bat ich meinen Vorgesetzten um eine Versetzung. Leider wurden meine unzähligen Bitten, auch unter Einschaltung höherer Instanzen, einfach ignoriert. Ich war eine gemobbte Angestellte im öffentlichen Dienst. Viel Hoffnung auf eine Versetzung ohne juristischen Beistand hatte ich nicht und konnte mich deshalb nur noch mit einer Beschwerde vor Gericht zur Wehr setzen. Als wäre das nicht belastend genug gewesen, erkrankte ich zeitgleich über einen längeren Zeitraum, denn das feindselige Arbeitsklima sorgte für Konzentrationsprobleme, Herzrhythmus- und Schlafstörungen. Ich war oftmals niedergeschlagen und gereizt. Die damit verbundene reduzierte Motivation führte dazu, dass mir Fehler unterliefen.

Die Folgen der seelischen Belastung gewannen nun auch die Oberhand über meinen Körper. Ich war am Ende, physisch wie psychisch, und dass über viele Monate.

Später fand ich zufällig für meine Freundin eine originelle Dankeskarte im Schreibwarenladen um die Ecke, als ich das Lieblingsobst für sie besorgen wollte. Zu Hause angekommen, setzte ich mich direkt an den Tisch, beschrieb rasch die Karte und stellte als Dankeschön, für ihr Verständnis und ihr offenes Ohr, eine Schüssel mit ihren exotischen Lieblingsfrüchten, wie Kaki, Litschi, Maracuja und Drachenfrucht auf den Tisch. Angelehnt daran einen weißen Briefumschlag, auf dem die Buchstaben „D-A-N-K-E“ zu lesen waren. Auf die Karte hatte ich ihr folgende Zeilen geschrieben:

Hallo, meine Freundin Alina,

es ist so schön, mit dir unter einem Dach zu wohnen, nicht alleine zu sein und zu wissen, dass du immer für mich da bist und mir den nötigen Halt gibst.

Für immer - deine Freundin Emma.


Ich war aufgewühlt. Die ganze Nacht hatte ich mir vor Aufregung um die Ohren geschlagen und war schließlich um fünf Uhr aufgestanden, weil ich es im Bett einfach nicht mehr ausgehalten hatte. Draußen war es noch düster, und mir blieben mehr als sechs Stunden Zeit bis zum Arbeitsgerichtstermin. Ich hatte mir einen großen Pott Kaffee gekocht und ein Brötchen aufgebacken, aber ich hatte kaum einen Bissen heruntergebracht. Zu Vieles war mir im Kopf herumgegangen. Irgendwann dämmerte draußen der Tag.

Den Prozess vor dem Arbeitsgericht hatte ich gewonnen.

Nachdem das Gericht auf Unwirksamkeit der Kündigung entschieden hatte, ging mein Arbeitgeber in Berufung und kündigte mir parallel dazu noch einmal. Nachdem er aber auch diese Verfahren verloren hatte, schaffte ich es, endlich meine Versetzung zu erwirken.

Bei Arbeitsantritt hatte ich zunächst ein bedrückendes Gefühl, denn es war auf jeder Linie ein Neuanfang, und ich wusste nicht, wer oder was mich in dem neuen Bereich erwartete.

War ich der zukünftigen Aufgabe überhaupt gewachsen? Wer und wie war mein neuer Vorgesetzter? Wie verhielten sich die neuen Kollegen? Musste ich auch hier mit emotionalen Angriffen rechnen und mich erneut beschimpfen oder beleidigen lassen?

Ich kannte niemanden in der neuen Abteilung, aber alle kannten mich, sogar mit Namen, denn nach über 35 Jahren Betriebszugehörigkeit stand ich zum ersten Mal im Mittelpunkt und war in aller Munde, weil ich meinem Arbeitgeber die Stirn geboten hatte.

Lasse ich die Zeit Revue passieren, kann ich sehr stolz auf mich sein, dass ich trotz der vielen Anfeindungen in der Vergangenheit nicht aufgegeben hatte, denn im Grunde hätte ich kein besseres Betriebsklima, als das was in meiner jetzigen Abteilung herrscht, antreffen können. Mein Chef hat Verständnis für die Probleme seiner Mitarbeiter und motiviert sie durch Lob und Anerkennung, nicht durch Druck, wie ich es zuvor erfahren musste. Untereinander herrscht Offenheit, und ich habe bis heute nicht das Gefühl, dass hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird.

DU lässt mich nicht im Regen stehen

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