Читать книгу DU lässt mich nicht im Regen stehen - Gabriele Kox - Страница 13

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Ich war völlig neben der Spur, als ich nach dem Abend mit Christian aufgewühlt die Haustür aufschloss. Mein Schädel brummte, und ich machte den Geruch des Desinfektionsmittels für das Pochen hinter den Schläfen verantwortlich.

„Alina“, rief ich halb laut in die Stille, denn ich freute mich darauf, mich ihr mitzuteilen, so wie wir es immer taten, wenn sich etwas Neues ereignet hatte. Aufgewühlt von der Begegnung mit Christian konnte ich es nicht erwarten, meiner Freundin von dem Verlauf des restlichen Abends zu erzählen.

Meine Rufe nach ihr wurden jedoch von der Nacht verschluckt und blieben unbeantwortet. Ich stand in der Diele und tastete im Dunkeln nach dem Lichtschalter. Es war mucksmäuschenstill. Alina schien gar nicht zu Hause zu sein. Ich sah auf die Uhr. Sehr ungewöhnlich, dass sie zu dieser späten Stunde, es war schon weit nach Mitternacht, noch nicht da war.

Wo ist sie nur abgeblieben? Und wenn ihr etwas zugestoßen ist, sorgte ich mich nachdenklich. Der Umstand, dass ich vor ihr zu Hause war, obwohl sie viel früher das Lokal verlassen hatte, machte mich nervös und unruhig.

Bevor ich achtlos meine Jacke über die Stuhllehne warf, erinnerte ich mich daran, dass Christian mir etwas in die Tasche gesteckt hatte und kramte danach. Wie süß, dachte ich mit einem warmen Gefühl an ihn. Ein nettes Souvenir.

Auf dem Weg nach oben hatte ich die Praline aus der exklusiven Silberfolie gewickelt und langsam im Mund zerschmelzen lassen. Irritiert über die Folie genoss ich den Geschmack von Pistazien, Marzipan und Nougat, der einzigartig war.

Im Bad angekommen wusste ich, dass ich wohl mit einer Aspirin nicht auskommen würde, um die Nacht zu überstehen und morgen früh ohne den stechenden Schmerz aufzustehen.

Müde ging ich in mein Schlafzimmer und legte mich auf mein Bett.

Obwohl ich am Abend nicht übermäßig viel Alkohol getrunken hatte, fühlte ich mich wie in einem Rausch, für den ich insgeheim nicht unbedingt nur das Desinfektionsmittel verantwortlich machte, sondern viel mehr Christian. In meiner Phantasie ging ich alle Möglichkeiten durch, wie es mit ihm wohl weitergehen könnte und war überrascht, wie lange es doch her war, dass mich ein Mann auf diese Weise beschäftigt hatte. Seit langem verspürte ich körperliche Begierde, und ich wusste, dass ich mich sofort von ihm flachlegen lassen würde, sollte er den ersten Schritt wagen.

Eine Autotür wurde fest zugeschlagen. Schnell sprang ich aus dem Bett und schaute erwartungsvoll aus dem Fenster. Es waren leider nur die Nachbarn, von Alina immer noch keine Spur. Ich war unruhig, legte mich wieder hin, ließ aber das Licht brennen und starrte an die Decke. Bei jedem Geräusch schoss ich im Bett hoch, und mein Herz klopfte so sehr, dass ich mich fragte, ob mich ein Pochen an der Tür geweckt haben könnte, denn ein Geräusch kam tatsächlich aus der unteren Etage. Es waren Alinas halsbrecherische Absätze, die bei jedem Schritt klackerten. Beruhigt über die Rückkehr meiner Freundin fiel ich endlich in einen tiefen Schlaf.

Als ich am nächsten Morgen nach der Altstadttour – es war schon hell in meinem Zimmer - mit rasenden Kopfschmerzen aufwachte, fragte ich mich, wie hundeelend ich mich erst fühlen würde, hätte ich gestern Abend nicht noch zwei Aspirin eingeworfen. Mir war schwindelig. Mit unsicherem Gang suchte ich das Bad auf, stellte den Wasserhahn von rot auf blau und drehte ihn voll auf. Das eiskalte Wasser ließ ich solange über meine Handgelenke laufen, bis mein Kreislauf in Schwung kam. Danach fühlte ich mich direkt besser und tippelte hinunter in die Gemeinschaftsküche.

Nicht nur die Kopfschmerzen waren eine Qual, auch mein Magen probte mit einem Mal einen Aufstand. Im Kühlschrank suchte ich nach etwas Essbarem, um meinen flauen Magen zu beruhigen. Beim Öffnen der Tür erzeugte die Kühlschrankbeleuchtung einen Lichtkegel, so dass ich einen Schatten erkennen konnte. Meine Mitbewohnerin saß am Esstisch in der Küche, ganz still, es brannte kein Licht.

„Morgen“, sagte ich angeschlagen.

„Morgen? Es ist fünfzehn Uhr. Bist du etwa gerade erst aufgestanden?“

„Wie du siehst. Und du? Warum ist es hier so düster?“, fragte ich leise.

Alina stand auf und drückte auf den Lichtschalter. „Was ist denn gestern in dich gefahren und wo hast du überhaupt gesteckt?“

Meine Freundin gab zunächst keine Antwort. Sie musste lachen und verdrehte die Augen. „Ich habe noch einen Umweg über ein paar Kneipen nach Hause genommen. Emma, du siehst hundsmiserabel aus“, amüsierte sie sich.

„Und was zum Teufel, findest du daran so lächerlich?“, fuhr ich sie an.

„Eigentlich gar nichts. Nur …, es ist halt ungewöhnlich, dich so verkatert zu sehen“, stellte sie schadenfroh fest.

Sie brachte mir eine braune, heiße Plörre, die meine Lebensgeister wecken sollte.

Ich konnte keinen Kaffee trinken und löste stattdessen ein weiteres Aspirin in Wasser auf.

Nachdem die Wirkung der Tablette endlich eingesetzt hatte, schaute ich meine Freundin nachdenklich an. Dann sprach ich ohne Punkt und Komma über den Abend mit Christian und über die Gefühle, die förmlich Besitz von mir ergriffen hatten. Eigentlich wollte ich lediglich Alinas Rat, der mir viel bedeutete.

Sie hörte mir aufmerksam zu, schien aber sehr skeptisch zu sein, denn sie schaute mich tiefgründig an.

„Emma?“

„Ja, Alina?“

„Das Ganze hört sich nach sehr starken Gefühlen an. Du hast dich doch nicht ernsthaft in diesen Kerl verliebt?“

„Und wenn doch?“

„Der taugt nichts.“

„Ach, sag bloß! Du musst es ja wissen!“, sagte ich gereizt.

Alina schüttelte nur mit dem Kopf.

„Es ist nicht so …“

Ich ließ sie nicht ausreden.

„Was? “, hakte ich nach.

„Nichts.“

„Los, sag schon, warum reagierst du auf Christian so gereizt? Kennst du ihn etwa? Ist er dir schon mal über den Weg gelaufen?“

„Quatsch.“

Ruckartig hielt ich für einen Augenblick inne, denn bei dieser Antwort war ich mir nicht sicher, ob sie die Wahrheit gesagt hatte.

„Du … du wirst mich doch nicht im Stich lassen und unsere Wohngemeinschaft aufgeben?“

„Wieso sollte ich das tun?“

„Ich meine, wenn du in ihm deinen Traumprinzen siehst?“

„Alina! Hast du gestern auf deiner Kneipentour irgendwelche Drogen genommen? Glaubst du allen Ernstes ich würde unsere tolle Wohngemeinschaft für einen Mann aufgeben, den ich gerade erst kennengelernt habe?“

„War auch nur so ein Gedanke. Schließlich hast du dich die halbe Nacht mit ihm herumgetrieben.“

Nicht nur durch ihren abfälligen Tonfall, sondern auch bei dem Wort „herumgetrieben“ löste sie eine Abwehrhaltung bei mir aus. „Wir haben uns nicht herumgetrieben!“

„So fängt es immer an oder glaubst du, ich bin von gestern? Und wenn ich ehrlich sein soll, werde ich es auf keinen Fall zulassen, dass dieser Typ unsere WG entzweit“, keifte sie mich an. „Er ist wirklich keine Gefahr“, versuchte ich sie zu besänftigen.

Ich schaute meine Freundin an und fragte sie in einem neckenden Ton:

„Kann es sein, dass du eifersüchtig bist?“

„Nein. Doch nicht auf so einen großkotzigen Möchtegern!“

Alina runzelte die Stirn.

„Darüber hinaus halte ich ihn für einen Gauner, einen Parasiten“, schimpfte sie aufgebracht. Sie war laut geworden, als hätte ich mit meiner Eifersuchtstheorie den Nagel auf den Kopf getroffen.

„Schrei doch nicht so! Können wir uns nicht wie zivilisierte Menschen unterhalten?“

„Du kannst mich mal kreuzweise“, fauchte Alina mit einem wutverzerrten Gesicht, ziemlich beunruhigend.

Ihre Reaktion konnte ich nicht verstehen, zumal sie Christian lediglich nur ganz kurz an diesem Freitagabend begegnet war.

Oder doch nicht? Warum tickt sie denn so aus?

Ich betrachtete die in Falten gelegte Stirn meiner Freundin, die schnellen Schrittes den Raum verließ. Keine Minute später nach ihrem Ausraster nahm ich einen lauten Knall wahr und begriff, dass sie das Haus verlassen hatte. Sie hatte die Tür so heftig hinter sich zu geschmissen, dass das Bild im Treppenhaus zu Boden fiel und das Glas in tausend Einzelteile zerbrach. Wie vor den Kopf geschlagen saß ich einfach nur da und verstand gar nichts mehr. Normalerweise hätte ich ihre anmaßenden Worte nicht einfach so im Raum stehen lassen.

Aber es war in diesem Augenblick nichts normal.

Seit dieser Meinungsverschiedenheit herrschte schlechte Stimmung zwischen Alina und mir. Nicht, dass das noch niemals vorgekommen war, denn immerhin kannten wir uns schon fünf Jahre. Aber …. ich spürte, dass unsere Freundschaft durch die Begegnung mit Christian einen Knacks bekommen hatte.

Ich wurde nachdenklich, denn die Abwehrhaltung meiner Freundin war neu für mich. Sie hatte zu keinem Zeitpunkt unseres Zusammenlebens jemals so ein Verhalten an den Tag gelegt.

Und wieder hatte sie mich alleine zurückgelassen.

DU lässt mich nicht im Regen stehen

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