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5. Nordstraßenteam
Оглавление„Killerweihnachtsmann schlug zu!“„Santa Kill in Düsseldorf!“Julius Norden stachen die Schlagzeilen auf dem Drehregal sofort ins Auge. Da hatte die Presse die richtigen Reizwörter gefunden. Er kaufte im Kiosk alle Gazetten zum Thema, dann wanderte er mit Columbo weiter die Nordstraße entlang. Noch war es ruhig auf der beliebten Einkaufsmeile. Sie passierten einige Geschäfte, in den meisten Schaufenstern glitzerte Weihnachtsdekoration. Julius bog ab, artig trottete der Labrador neben ihm durch einen Torbogen auf einen Hinterhof. Auf dem kopfsteingepflasterten Gelände war der Schnee zu einem grauen Matsch zertreten. Julius musterte die Autos, die unter einem Holzdach standen, neben seinem schwarzen Jeep Cherokee parkten zwei weitere Wagen. Nick Carstens und Oliver Jacoby mussten schon in der Detektei sein, dem hellen flachen Gebäude, das sich zwischen efeuberankter Mauer und hohen Häusern duckte. Julius schloss die schwere graue Stahltüre auf und winkte in die winzige Überwachungskamera. In der Küche sah er einen Blondschopf hantieren und roch aromatischen Kaffeeduft. „Hallo Nick!“, grüßte Julius und ging zielstrebig in sein Büro. Dort ließ er sich in seinen Chefsessel plumpsen. Columbo rollte sich unter dem Schreibtisch zusammen. Bald gab der Labrador leise Schnarchtöne von sich. Julius begann die aufreißerischen Artikel zu studieren. Sie übertrumpften sich in Mutmaßungen. Ein Witzbold hatte zur Beschreibung des Mörders pietätlos die Karikatur eines hämisch grinsenden Weihnachtsmannes eingebaut. Nick Carstens trat ein, mit der Kaffeekanne in der Hand. Sein Gesicht war ernst. „Olli ist oben und geht gerade unser Arsenal durch, er checkt die Kameras und Minispione. Hast du mit Dieter Schwenk gesprochen?“ Julius nickte. „Es passt unserem Hauptkommissar gar nicht, dass wir ihm auf die Füße treten. Ich bot ihm gegenseitigen Informationsaustausch an.“ Nick füllte einen Becher mit Kaffee und reichte ihn Julius. „Haben Dieters Leute schon Anhaltspunkte?“ Julius trank einen Schluck, dann sagte er: „Die Mordkommission hat alle PCs aus der Hamilton Villa mitgenommen und die Akten aus seinem Büro durchforstet. Sie haben die umliegende Gegend abgesucht, die Anwohner befragt, aber niemand hat auf einen Weihnachtsmann geachtet, da die im Moment zu Hauf herum rennen. Der Mörder kann sehr weit geradelt sein, um sich dann irgendwo unbeobachtet in einen harmlosen Passanten zu verwandeln. Ein Klapprad ist schnell in einer Tasche verstaut und im Kofferraum versteckt.“ Nick kratzte sich das Kinn. „Und ab da unauffällige Kleidung, vielleicht dicke Mütze, Schal und weg im Auto. Zu allem Elend regnete es stundenlang. Und am Tatort selber?“ Julius kniff die Augen zusammen. „Der Weihnachtsmann ist auf Asphalt geradelt. Als er abstieg, ging er anscheinend nur auf dem steinernen Weg zur Hamilton Villa, nicht im Gras oder auf Erde, wo er Tritte hinterlassen könnte. Nichts war zu finden. Und wenn Spuren da gewesen wären, der Regen hat alles mit sich gerissen und in die Kanalisation gespült. Und jetzt der Schneematsch. Da helfen auch keine Spürhunde.“ „Ja, der Mann hatte ein verdammtes Glück.“ „Bisher“, sagte Julius. „Übrigens, Olli darf nicht zuviel wissen.“ Oliver Jacoby, der Jüngste in ihrer Runde, war nach vier Jahren Bundeswehr als Volontär in ihrem Team gelandet. Da er Bettinas Sohn war, einer guten Bekannten von Julius, genoss er bei ihm Welpenschutz. Aber nicht bei Nick, der gehässig grinste. „Verstehe, der Kleine verquatscht sich sonst bei den Hamiltons.“ Julius deutete auf den Artikel. „Der Mörder hat die Villa nicht betreten, sondern sein abscheuliches Werk vor der Haustür erledigt, laut Zeugen. Angeblich zufällige Passanten. Es sind aber Nachbarn, ein ältliches Ehepaar. Dieter Schwenk wollte die beiden aus der Schusslinie der Presse haben. Auch die Hamiltons wissen nicht, wer die Zeugen sind. Und das muss so bleiben.“ Nick drehte die Zeitung zu sich und las: „Der Mörder vermied jede überflüssige Aktion, wie ein Auftragskiller. War der Täter an der richtigen Adresse, war der Multimillionär T.J. Hamilton gemeint, oder galt das Attentat seiner Familie?“ Nick fuhr sich empört durch seine blonden Locken. „Frechheit, was die Presse munkelt. Dumme, gefährliche Mutmaßungen. Kein Wunder, dass sich die Hamiltons gruseln und uns engagieren.“ Julius sinnierte. „Nach Leonore Hamiltons Aussage wurde nichts gestohlen. Tresor, Unterlagen und Gemälde sind unversehrt. Ihr teurer Schmuck und ihre Pelze waren nicht mal angerührt.“ Die beiden hörten Schritte auf dem Hof. Miriam Marschalla stapfte in einen dicken Mantel eingemummt auf die Detektei zu. Julius holte tief Luft. „Weiß Miriam es schon?“, flüsterte Nick. „Ich ähm ...“, murmelte Julius. Miriam platzte freudestrahlend ins Büro. Sie zupfte sich ihre Lederhandschuhe von den Fingern. „Julius, ich dachte du bist fertig. Stattdessen sitzt ihr hier gemütlich rum und quatscht. Unser Urlaub hat angefangen. Jetzt aber auf zu unseren Weihnachtseinkäufen! Erst machen wir die Schadowstraße unsicher, dann flanieren wir über die Kö und später legen wir im Carsch-Haus nach.“ Julius und Nicks Blicke kreuzten sich bedenklich. Miriam warf einen Blick auf die Schlagzeile. „Santa Kill! Das ist Dieters Job. Aber abschalten ist für dich ja ein Fremdwort.“ Nick deutete auf ein Foto von Hamilton Senior. „Wer könnte ein Motiv haben? Der Typ war doch okay.“ Miriam rieb sich die Hände. „Wie schön, dass wir damit nichts zu schaffen haben. Wir haben Urlaub!“ Julius schielte schuldbewusst zu Miriam. Sie legte ihren Kopf schief und fixierte ihn abschätzend. Julius kannte das. Irgendwie musste er gut aus der Nummer raus, ohne dass sie ihm das Gesicht zerkratzte. „Miriam“, begann Julius tapsig. „Ich fürchte, wir müssen unser Shopping verschieben.“ Miriam zog eine Grimasse. „Bis wann?“ „Bis Hamiltons Mörder gefasst ist.“ Miriam schnaufte. „Schafft dein Cousin Dieter von der Mordkommission das noch vor Weihnachten?“ Julius grinste unbeholfen. „Wir haben einen neuen Auftrag. Du kannst deinen Urlaub natürlich machen. Aber ich muss etliches erledigen und später Columbo zu meinem Bruder Rick nach Hubbelrath bringen.“ „Warum?“, fragte Miriam. „Weil Leonore Hamilton eine Hundehaarallergie hat.“ „Die Hamiltons?!” Miriam schlug sich entsetzt mit der Hand vor die Stirn.
Julius hörte Miriam poltern, erst in der Küche, da schlugen Töpfe aneinander, klirrte Geschirr und dann in ihrem Büro. Ihr Garderobenständer musste umgefallen sein, ein Stuhl, eventuell der Schreibtisch?
Nick zuckte zusammen. „Hoffentlich lässt Miriam die Fensterscheiben ganz. Um die Weihnachtszeit sind Glaser schwer aufzutreiben.“
Oliver Jacoby stapfte ahnungslos die Treppe hinunter in den Flur. „Teambesprechung, Miriam! Neuer Auftrag. Bist du auch dabei?“
„Verdammte Bande!“, schrillte ihre Stimme durch die Detektei.
„Oh, dicke Luft!“, konterte Olli auf ihre Flüche.
Er schob sich schnell in Julius’ Büro, nahm einen Stuhl und setzte sich rittlings darauf. Mit den Fingern trommelte er einen Takt auf der Lehne. „Spuckt es aus, wo geht’s hin?“
Bevor jemand antworten konnte, platzte Miriam herein und ließ die Tür gegen die Wand knallen. „Okay, Chef, ich verschiebe meinen Urlaub. Und ich gebe dir exakt eine Woche. Wenn wir dann nicht unsere Weihnachtseinkäufe erledigen können, wird es teuer für dich!“
„Glaubst du die Leute kaufen die Shops vor deiner Nase leer?“, fragte Nick belustigt.
„Eine Woche“, knirschte Miriam. „Und erzählt unserem Kleinen endlich, worauf er sich einlässt.“
„Die Hamiltons“, sagte Nick schlicht. „Aber diesmal keine Werksspionage in ihrem Betrieb.“
Olli blickte Nick ungläubig an. „Echt? Wow, ein Riesending. Der Killerweihnachtsmann wartet auf uns!“
Julius winkte mit einer Handbewegung ab. „Nicht so vorschnell. Die Hamiltons wollen Personenschutz. Tag und Nacht!“
Olli blies sich eine dunkle Locke aus der Stirn. „Sonst nichts?“
„Das ist reichlich“, sagte Julius. „Wir werden uns abwechseln, auch Leute aus Harrys Detektei anheuern.“
Harry war ein Onkel von Julius, in dessen Detektei er vor Jahren ein Volontariat absolviert hatte. Harry verfügte über fast dreißig Leute und konnte durch seine Kontakte auch mehr auftreiben.
Julius blickte auf sein Team. „Ab morgen wohnen wir im Gästehaus zusammen mit den Hamiltons und passen auf sie auf. Das Haupthaus, die Villa, ist fest im Griff der Kripo. Damit haben wir nichts zu tun. Und Harrys Jungens observieren von der Straße aus. Wenn die Hamiltons in ihre Firma fahren, oder zum Notar, werden wir uns absprechen, wer mit wem fährt.“
„Aber ich begleite Frau Hamilton auf die Kö zum shoppen“, beharrte Miriam. „Und zum Friseur und zur Kosmetikerin.“
„Und was ist mit dem Killermörder?“, fragte Olli.
„Falls er auftaucht,“ Nick blies demonstrativ gegen seinen erhobenen Zeigefinger, „legen wir ihn um.“
Olli hieb begeistert seine Faust auf die Stuhllehne. „Also diesmal mit Wummen.“
„Zur Vorsicht, ja!“, sagte Julius ernst. „Aber merkt euch eins. Wir dürfen der Mordkommission nicht ins Handwerk pfuschen.“
Nick lachte laut. „Sonst ist der Kommissar Dieter gaaaanz böse.“
Miriam verzog spöttisch ihre Lippen. „Ihr werdet zumindest versuchen, euch nicht in ihre Ermittlungen einzumischen.“
Nick grinste sarkastisch. „Und wie üblich, wird es uns kaum gelingen.“
Julius blickte von einem zum anderen. „Die Hamiltons sind unsere Auftraggeber. Und sie bestimmen, was wir zu tun und zu lassen haben.“
„Wenn ich mich an ihren letzten Auftrag erinnere“, warf Nick grübelnd ein, „war die Familie untereinander recht zerstritten. Wer von denen ist jetzt unser Boss?“
„Wie immer“, sagte Julius. „Alle!“
Columbo bemerkte die Aufbruchstimmung, und sah sich irritiert um. Aber dann erhob er sich und drehte schwanzwedelnd ein paar Runden um den Schreibtisch.
Olli grätschte sich von seinem Stuhl. „Wer übernimmt die erste Schicht im Gästehaus bei den Hamiltons?“
Julius griff nach seiner Lederjacke. „Miriam und ich.“
„Da braucht ihr beiden ja nur ein Bett“, witzelte Olli.
Miriam fixierte Julius scharf. „Das muss ich mir aber schwer überlegen. Chef, du hast mich um meinen Urlaub gebracht. Du schläfst besser auf dem Boden.“
Julius seufzte. „Ich ahne schon, das wird ein heikler Fall!“