Читать книгу Wenn die Träume laufen lernen 1: IBIZA - Gabriele Ketterl - Страница 10

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Lupe steckte ihren Kopf durch die Eingangstür. »Ihr Lieben, ich bereite schon mal alles für diejenigen vor, die heute im Laufe des Tages kommen. Sind immerhin schon wieder zweiunddreißig. Seht zu, dass ihr noch ein wenig Schlaf bekommt. Bis später.« Die Tür klackte ins Schloss und auf dem Vorplatz herrschte, bis auf das Gezwitscher zahlreicher Vögel, wieder absolute Ruhe.

Carlos wandte sich uns mit zufriedenem Lächeln zu. »Na, amigos, was ist? Kaffee, Kippe, Sonnenaufgang, oder?«

Wir sahen uns nur kurz an und antworteten mit einhelligem Nicken. Roberta hakte sich bei mir unter, Carlos und Fernando gingen voraus, und so verließen wir eiligen Schrittes das Clubgelände und strebten dem kleinen Fischerhafen von Santa Eulalia entgegen. Um diese Zeit befanden sich die Fischer entweder bereits auf dem Meer oder waren soeben dabei abzulegen.

Und dann war da noch die kleine, urige Bar unseres Freundes Tikko, die täglich von vier Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags geöffnet war. Wie immer wurden wir freundlich begrüßt. Die derben Witze, die unweigerlich folgten, waren liebevoll auszulegen und Roberta und ich waren nicht um eine Antwort verlegen.

»Cara, Mädel, wenn du nicht endlich den Schönling da ranlässt, dann muss ich denken, dass du doch lieber mich wählen würdest, einen ganzen Mann.«

Ich drehte mich langsam um und musterte Pablo, der grinsend mit den Fingern durch seinen Vollbart pflügte, mit sorgenvoller Miene.

»Pablo, im Ernst jetzt? Deine Frau, vier Kinder und dann auch noch ich? Glaub mir, das schaffst du nie im Leben.« Ich klopfte ihm auf den imposanten Bauch, über dem sich die Fischerhose spannte. »Aber für den Fall, dass ich mich eines Tages umentscheiden sollte, lass ich es dich sofort wissen, in Ordnung?«

Pablo lachte und tätschelte mir mit seiner riesigen Pranke gutmütig die Schulter. »Pass auf dich auf, Mädel, du bist doch unser Sonnenschein.«

Ich fühlte, wie ich am Arm ergriffen und sachte mit fortgezogen wurde.

»Keine Angst, Pablo. Das mit dem Aufpassen übernehm dann mal ich.« Carlos schob mich zu der weißgetünchten Mauer, auf der wir oft saßen, und half mir hinauf. Er musterte mich besorgt. »Alles klar bei dir?«

»Aber sicher, ich bin nur müde. Was soll denn nicht in Ordnung sein? Du weißt doch, wenn ich vor Sonnenaufgang aufstehen muss, bin ich zu nichts zu gebrauchen.«

Er zuckte die Schultern. »Dann sorgen wir dafür, dass du wach wirst, ich hol mal Kaffee.« Mit Fernando im Schlepptau verschwand er in der Bodega.

Ich ließ meinen Blick über die Bucht gleiten, sah die Boote mit ihren am Bug befestigten Laternen draußen auf dem Meer. Wie große Glühwürmchen schaukelten sie auf den sanften Wellen, während sich über ihnen der Mond anschickte, sich zur Ruhe zu begeben. Vereinzelt hörte man die Fischer singen und einige klangen ausnehmend schön.

Die Mauer war in zwei Etagen gebaut, sodass man wie auf einer Bank gemütlich sitzen konnte. Tagsüber war es hier trotz einiger Sonnenschirme fast zu heiß, um diese Zeit aber war es sehr angenehm und die Stimmung der ausklingenden Nacht unvergleichlich. Auch wenn ich das frühe Aufstehen hasste, das hier versöhnte mich immer wieder mit den Umständen. Carlos und Fernando kamen auf uns zu, jeder zwei volle Gläser Café con leche in Händen.

Während Fernando Roberta versorgte, setzte Carlos sich vorsichtig hinter mich und streckte seine langen Beine links und rechts von mir aus.

»Mit zwei Päckchen Süßstoff. Und umgerührt ist auch schon.« Er drückte mir das Glas in die Hand, das er wie immer mit einer Papierserviette umwickelt hatte, damit ich mich nicht verbrannte.

Ich nippte an dem heißen, süßen Kaffee. »Perfekt, vielen Dank.«

Behutsam stellte ich das Glas neben uns ab, schmiegte mich an Carlos‹ warmen Oberkörper, verrenkte mich ein wenig und zog ein Päckchen Marlboro Lights aus meiner Hosentasche. Ich konnte gar nicht so schnell nach meinem Feuerzeug greifen, wie auch schon eine Flamme neben meinem Gesicht aufloderte. Ich hielt meine Zigarette an die Flamme und beobachtete wie so oft das Kunststück, bei dem Carlos seine Corona zuerst aus der Packung und dann so in die Höhe schnippte, dass sie einen Doppelsalto in der Luft beschrieb und exakt zwischen seinen leicht geöffneten Lippen landete.

Ich hasste ihn dafür!

Viel zu oft habe ich, zur allgemeinen Erheiterung, dieses Kunststück nachzumachen versucht – mit zweifelhaftem Erfolg. Die Kippe landete überall, in meinen Haaren, in meinem Ausschnitt, im Ausschnitt meines Gegenübers, in Silvies Crema Catalán und einmal um ein Haar in meinem rechten Nasenloch. Danach hatte ich es nie wieder versucht. Ich griff nach meinem Glas und kuschelte mich fester an ihn, spürte, wie sein Arm mich umfasste und an sich drückte.

Seine tiefe, leise Stimme unterbrach kurz darauf die Stille. »Hey, Nando, ein gut gemeinter Rat, da ich dich letzte Nacht mit der schwarzgefärbten Schönheit gesehen habe: Sei da ein wenig vorsichtig.«

Fernando seufzte herzerweichend. »Was soll ich denn tun? Das ist mein unglaubliches Charisma, sie steht eben auf mich. Gib doch zu, dass sie dir auch aufgefallen ist.«

Carlos lachte lautlos in sich hinein. »Ja, schon, aber um ehrlich zu sein, war der Blick auf sie meist durch ihren stiernackigen Begleiter verdeckt, der die nicht zu verachtenden Ausmaße eines Profiwrestlers besitzt.«

»Ja, Himmel, wie soll ich mich denn wehren, wenn sie mich halb anspringt? Zur Seite gehen?«

Carlos nickte. »Das wäre wirklich die beste Lösung. Du kannst nicht behaupten, dass das Angebot in Sachen Frauen in irgendeiner Form zu klein wäre, oder? Noch mal, pass auf. Der Kerl macht dich alle, wenn er etwas mitbekommt. Schon klar, dass er nicht der Hellste ist, aber selbst der Typ hat sowas wie Instinkt, wenn’s um seine Frau geht. Lass die Finger von ihr, wenn dir dein Gesicht im Urzustand lieb ist.«

Fernando drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, der zwischen uns stand. »Du hast leicht reden. Kann ich was dafür, dass ich andauernd Problemfälle anziehe?«

Ich musste mich nun leider doch einmischen. »Tja, Großer, Gleich und Gleich gesellt sich eben gerne.«

Fernando beugte sich blitzschnell zu uns und zwickte mich in den Arm.

»Hier gibt’s kein tja, junge Frau. Was hältst du denn von der Idee, mich endlich zu erhören und mir somit all diese Probleme vom Hals zu schaffen, na?«

Ich wandte Fernando mein Gesicht zu und lächelte ihn vielsagend an. »Ich dachte, damit sind wir durch? Also noch mal: Träum weiter!«

Der schöne Canario ließ seinen Blick aus unverschämt blauen Augen über mich gleiten und grinste frech zurück. »Dich krieg ich noch.«

»Das werde ich zu verhindern wissen.« Carlos‹ Stimme hatte nun einen drohenden Unterton.

»Okay, schon gut. Ich gebe mich geschlagen … für den Augenblick.« Mit einem Lächeln auf den Lippen lehnte Fernando sich zurück und begann gedankenverloren, sich eine von Robertas dunklen Locken um den Finger zu wickeln.

Carlos trank den letzten Schluck Kaffee, stellte sein Glas weg, zündete sich eine neue Corona an und legte die Arme wieder um mich. Schweigend sahen wir hinaus aufs Meer.

Zusammen schweigen, das war nicht einfach, das musste man können. Schweigen, ohne das seltsame Gefühl, unbedingt etwas sagen zu müssen. Carlos und ich hatten es von der ersten Minute an beherrscht.

Wenn die Träume laufen lernen 1: IBIZA

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