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|25|3 AQUINATE

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Es ist aber nicht möglich, daß es ins Unendliche gehe bei den notwendigen Dingen, die eine Ursache ihrer Notwendigkeit haben, wie dies auch bei den Wirkursachen nicht möglich ist. Also ist es notwendig etwas anzunehmen, das an sich notwendig ist und die Ursache seiner Notwendigkeit nicht von anderswoher hat, sondern das vielmehr Ursache der Notwendigkeit für die anderen Dinge ist.

(Thomas von Aquin, Summe der Theologie, in Die Gottesbeweise, S. 57.Verfasst 1265–73)

Der heilige Thomas von Aquin (um 1225–1274) gehört ebenfalls zur ersten Garde der mittelalterlichen Philosophen. Nimmt man seinen Einfluss auf die katholische Kirche zum Maßstab, ist er zweifellos der bedeutendste von allen. Unter tatkräftiger Mithilfe seiner Anhänger, der Thomisten, wirkten seine Ideen tief in den Katholizismus hinein und bildeten schließlich dessen philosophischen Kern – und das bis heute. In Italien geboren, studierte Thomas in Neapel die altgriechische Philosophie des Aristoteles, wo er unter den Einfluss des wenige Jahre zuvor gegründeten Dominikanerordens geriet, in den er dann auch eintrat. Mit seiner Karriere ging es steil bergauf, und die Päpste wandten sich häufig Rat suchend an ihn. Seine Bedeutung zeigt sich daran, dass er 1323, kaum fünfzig Jahre nach seinem Tod, heiliggesprochen wurde.

Thomas sorgte mit seinem Werk dafür, dass sich der Schwerpunkt der christlichen Theologie von den Lehren des Augustinus (354–430 n. Chr.) zu denen des Aristoteles hin verlagerte. Aristoteles, der vor der Zeit Jesu Christi gelebt hatte (384–322 v. Chr.), galt unter den Christen des Mittelalters als Heide und seine Ansichten wurden nur akzeptiert, wenn sie sich mit der christlichen Orthodoxie vertrugen. Seine Schriften wurden deshalb eher selektiv gelesen.

Mittelalterliche Theologen wiesen beispielsweise Aristoteles’ Ansicht zurück, die Welt würde ewig bestehen, weil dies im Widerspruch zur |26|biblischen Darstellung der Schöpfung stand. Was die mittelalterlichen Philosophen an Aristoteles schließlich am meisten bewunderten, war die Kraft, die Logik und Denken bei ihm entfalteten. Sie erkannten, dass sich seine logischen Denkund Schlussverfahren grundsätzlich dafür eigneten, ihre eigene christliche Weltsicht weiterzuentwickeln und zu untermauern.

Thomas’ bekannteste Anwendung der aristotelischen Argumentationen und Prinzipien auf die christliche Theologie sind seine fünf Wege, die fünf Gottesbeweise, die in seinem wichtigsten Werk, der Summe der Theologie, enthalten sind. Interessanterweise befindet sich unter diesen Beweisen kein ontologischer, begriff Thomas doch als einer der Ersten, dass Anselms ontologisches Argument (siehe Zitat 2) nicht stichhaltig ist (siehe Zitat 17).Vielmehr sind drei der fünf Wege des Thomas kosmologischer Art, während das vierte Argument sich auf Vollkommenheitsgrade gründet und es sich bei dem fünften um das Schöpfungsargument handelt (siehe Zitat 28, Paley). Das kosmologische Argument ist in unserem Eingangszitat zusammengefasst, und um dieses soll es hier also gehen.

Eigentlich gibt es drei kosmologische Argumente bzw. drei Aspekte des im Wesentlichen gleichen Arguments: nämlich das Argument vom unbewegten oder ersten Beweger, das Argument vom unverursachten Verursacher oder von der ersten Ursache und das Argument von Kontingenz und Notwendigkeit. Diese Argumente oder Aspekte eines Arguments entsprechen Thomas’ erstem, zweitem und drittem Weg. In unserem Zitat am Anfang ist hauptsächlich der dritte Weg behandelt, dieser lässt sich jedoch am besten im Kontext der ersten beiden Wege verstehen.

Die Bewegung, auf die sich das Argument vom unbewegten Beweger bezieht, ist die Orts- oder Zustandsänderung. Physiker der Antike und des Mittelalters vertraten die Auffassung, dass das Universum eine Abfolge von Entitäten darstellt, welche die Verwirklichung ihrer Potenziale erfahren oder erfahren haben. Eis ist potenziell Wasser, doch dieses Potenzial muss durch etwas verwirklicht werden, das bereits Wärme hat, wie etwa Feuer. Alles, was im Universum bewegt und also verändert wird, muss |27|durch etwas anderes bewegt werden, das bereits in Wirklichkeit das ist, was das zu bewegende Ding lediglich seiner Möglichkeit nach, also potenziell, ist. Heißt das nun, dass alles, was Veränderung bewirkt, selbst wiederum auf Veränderung zurückgehen muss, und das bis ins Unendliche, in einem sogenannten infiniten Regress?

Thomas argumentiert, dass ein solches Zurückgehen der Veränderungen bis ins Unendliche eine Unmöglichkeit darstellt, da dieser Prozess die Veränderung als solche nicht hervorzurufen vermag. Wenn man sagt, dass Veränderung ad infinitum auf vorheriger Veränderung beruht, bleibt ungeklärt, warum es überhaupt Veränderung gibt. Darum muss es Thomas zufolge eine erste und oberste Quelle der Veränderung geben, einen Urgrund des Wandels, der keiner Veränderung unterliegt, einen unveränderlichen, unbewegten Urbeweger – mit einem Wort: Gott.

Das Argument vom unbewegten Beweger ist aber kein verkapptes Argument der ersten Ursache. Es besagt nicht, es habe in der Vergangenheit eine unbewegte, nicht angestoßene Bewegung gegeben, mit der das Universum seinen Anfang nahm, sondern vielmehr, dass Veränderung stets auf einen unbewegten Beweger angewiesen ist, der das Universum fortwährend bewegt, ohne selbst bewegt zu werden.

Das Argument vom unverursachten Verursacher oder von der ersten Ursache ist der bekannteste Aspekt des kosmologischen Arguments. Das Universum ist geprägt von Ursache-Wirkungs-Ketten: Das Auto kam ins Rutschen, weil die Straße nass war. Die Straße war nass, weil es geregnet hat. Geregnet hat es, weil … Jedes Geschehen hat eine Ursache, und häufig besteht die Erklärung einer Sache in der Angabe ihrer Ursache. In der Regel verfolgen wir die Ursache-Wirkungs-Ketten nur bis zu dem Punkt zurück, an dem wir ein Problem diagnostizieren oder Zusammenhänge erkennen und entsprechende Zuschreibungen vornehmen können. Ursache-Wirkungs-Ketten lassen sich jedoch noch viel weiter zurückverfolgen. Jede Wirkung geht auf eine Ursache zurück und jede Ursache hat selbst eine Ursache, und eine Sache kann unmöglich die Ursache ihrer selbst sein und sich selbst hervorbringen, |28|weil sie sich dafür selbst vorausgehen müsste, was unmöglich ist.

Doch können die das Universum kennzeichnenden Verkettungen von Ursache und Wirkung unendlich weit zurückreichen? Genauso, wie eine unendlich weit zurückreichende Reihe von Veränderungen die Veränderung als solche nicht erklären kann, so kann auch ein unendliches Zurückgehen, bei dem hinter jeder Ursache immer noch eine andere Ursache wirkt, die Verursachung an sich nicht erklären. Demnach muss es eine erste Ursache gegeben haben, die das Universum hervorgebracht hat und selbst nicht mehr auf eine andere Ursache zurückgeht, also eine unverursachte Ursache – mit einem Wort: Gott.

Kommen wir zu Thomas’ drittem Weg, dem Argument von Kontingenz und Notwendigkeit, über das unser Eingangszitat alles Wesentliche enthält. Der Ausdruck »kontingent« bedeutet »nicht notwendig«. Es trifft allem Anschein nach auf alles im Universum zu, dass es nicht da sein muss und dass es einmal nicht da war.Thomas fragt, wie es ein kontingentes Universum geben könne. Wenn es alles nicht geben muss und alles einmal nicht da war, dann war einmal nichts. Doch nichts kann unmöglich etwas hervorbringen. So sagt es auch Parmenides: »Von nichts kommt nichts« (siehe Zitat 29). Demnach muss es etwas geben, das nicht kontingent ist, etwas Notwendiges, welches das Universum kontingenter Dinge hervorgebracht hat. Es muss etwas geben, das es geben muss, damit es Dinge geben kann, die es nicht geben muss. Es kann unmöglich alles kontingent sein. Das notwendige Sein aber nennt man Gott.

In der modernen Philosophie gilt das kosmologische Argument als überholt. Die meisten ihrer Vertreter betrachten es als eine unbrauchbare Mischung aus verrufener Physik und unseriöser Metaphysik. Die Metaphysik verwendet dabei Begriffe, die rechtmäßig der empirischen Erfahrung zugehören, und versucht so unerlaubterweise, die Grenzen der empirischen Erfahrung und der Vernunft zu überschreiten, um auf das zu kommen, was jenseits des Physischen liegt. Diese Probleme des kosmologischen Arguments nehmen ihm zweifellos viel von seiner Plausibilität. |29|Sie reduzieren es auf eine Reihe fragwürdiger Hypothesen über den Ursprung des materiellen Universums, die längst nicht der Beweis für die Existenz Gottes sind, den manche Philosophen darin erkannt haben wollen.

Erstens mag es zwar ein notwendig Seiendes geben, das heißt aber nicht, dass es sich dabei um einen moralischen, personalen Gott handelt.Vielleicht sind es schlichtweg ewige mathematische Prinzipien, oder es ist reine Energie. Das kosmologische Argument selbst impliziert an keiner Stelle, dass es sich bei dem Notwendigen, Unverursachten und Unbewegten um ein empfindungsfähiges Wesen handeln muss.

Zweitens weist die moderne Physik die aristotelische Vorstellung von Potenzialität und Aktualität, die für das Argument vom ersten Beweger von zentraler Bedeutung ist, als unzutreffend zurück. Es ist nicht so, dass etwas Wirkliches nur durch etwas hervorgebracht werden kann, das dieses Wirkliche bereits ist, denn sonst würden zwei kalte Gegenstände, die man aneinander reibt, keine Wärme produzieren.

Drittens ist das Universum vielleicht gar nicht kontingent, wie es das Argument von Kontingenz und Notwendigkeit besagt. Nur weil die augenfälligeren Objekte kontingent sind – Papier, Pflanzen oder Planeten –, gilt das nicht automatisch auch für ihre Grundbausteine. Materie und Energie sind vielleicht notwendig und ewig, und das Universum ist möglicherweise eine unverursachte rohe Tatsache. Dieses unser Universum begann mit dem Urknall, und manche Physiker sind der Ansicht, dass »vor« dem Urknall nichts war. Andere halten es für möglich, dass eine Art vollkommener Gleichgewichtszustand existierte oder ein Vorgängeruniversum, das in einem Big Crunch kollabierte. So oder so ist in diesen Berechnungen kein Platz für ein empfindungsfähiges metaphysisches Wesen.

Viertens könnte es statt eines einzigen Anstoßes mehrere, voneinander unabhängige unverursachte Ursachen geben. Dieser Argumentation nach ist ein höchstes Wesen, also Gott, unmöglich, da zu einem höchsten Wesen zwingend gehört, dass es die erste unter allen anderen Ursachen ist.

|30|Fünftens könnte es sein, dass Gott das Universum zwar hervorgebracht hat, aber in dem Moment, in dem er es schuf, zu existieren aufhörte. Ein solcher Gott hätte den Namen »Gott« nicht verdient, weil ein vergänglicher Gott nichts ist, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann (siehe Zitat 2).

Diese Argumente bringen das kosmologische Argument ins Wanken; sein eigentliches Problem ist jedoch sein Vertrauen auf die Metaphysik. Gegen die Metaphysik lässt sich einwenden, dass sie Begriffe wie zum Beispiel »Verursachung« übernimmt, die zur sinnlichen Welterfahrung gehören und ausschließlich in diesem Kontext Sinn haben, und sie – freilich vergeblich – dazu zu benutzen versucht, unsere Erkenntnis über die Sinnenwelt hinaus auszudehnen. Immanuel Kant etwa erkennt in der Rede von einem als Ganzes verursachten Universum einen Missbrauch des Begriffs der Verursachung, indem er außerhalb seines passenden empirischen Kontextes verwendet wird. Das kosmologische Argument ist deshalb nicht falsch, aber es ist nichtssagend und unsinnig.Wenn Sie an weiterer Kritik an der Metaphysik interessiert sind, verweise ich Sie auf David Hume (Zitat 15).

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