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Change-Leadership: Erfolg und Scheitern

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Der dritte Forschungsstrang, der zu unserer aufblühenden Theorie der Veränderung beiträgt, konzentriert sich explizit auf die Beobachtung von Organisationen und den in ihnen arbeitenden Individuen bei ihren Versuchen, sich bewusst an einen veränderlichen Kontext anzupassen. Er bezieht sich dabei auch auf historische und aktuelle Studien über Leadership.

In einem frühen, grundlegenden Teil dieser Forschungen stellten wir fest, dass Transformationen scheiterten, wenn das Gefühl der Dringlichkeit für einen veränderten Umgang mit der beschleunigten Umwelt nicht stark genug war. Verschärft wurden die Probleme noch, wenn Leitung und Antrieb einer komplexen Change-Initiative in die Hände einer zu kleinen Gruppe von Personen mit nicht ausreichend breiten, relevanten Kenntnissen, mangelnden Verbindungen innerhalb der Organisation, zu geringer Führungsstärke und ohne starkes Dringlichkeitsgefühl gelegt wurden. Dies führte häufig zu einer ungenügend entwickelten strategischen Vision, die überdies nicht gut und häufig genug kommuniziert wurde.

Ohne die ausreichende Kommunikation eines sowohl rational begründeten als auch emotional mitreißenden Plädoyers für Veränderung war es beinahe unmöglich, die Leute so stark zu überzeugen, dass sie dazu motiviert oder gar mobilisiert wurden, sich für die Aktionen einzusetzen, die zur Durchführung und Aufrechterhaltung schwieriger Veränderungen erforderlich gewesen wären. Das Management wollte die Kontrolle nicht aus der Hand geben und stand daher breit angelegten Aktionen oft selbst im Weg. Kurzfristige Gewinne waren nicht so groß, dass sie der Initiative genug Glaubwürdigkeit und Schwung verschafft hätten, und selbst wenn Gewinne erreicht wurden, wurden sie nicht früh und häufig genug gefeiert, sodass jegliche eventuell bereits aufgebaute Dringlichkeit erneut ins Stottern geriet.

Sobald Erfolge sichtbar wurden, herrschte die Tendenz, den Sieg zu früh auszurufen und schon vor der Ziellinie aufzuhören. Zudem wurde die Zerbrechlichkeit der neu errungenen Veränderungen unterschätzt, sodass sich niemand die Zeit nahm, sie fest in den Systemen und Strukturen der Organisation zu institutionalisieren.

Unser Wissen über erfolgreiche Veränderung (und ihre häufigen Hindernisse) vertieft und erweitert sich laufend durch eine Reihe von Nachfolgestudien, die immer mehr Einzelheiten und Nuancen zutage fördern. Diese Studien beschäftigen sich mit den jüngsten Konsequenzen einer zunehmend komplexen, unvorhersehbaren und sich rasch wandelnden Welt.

Zusätzlich zu der erneuten Bestätigung der bekannten Gründe für Misserfolge, die weiter oben dargestellt sind, sehen wir noch, dass die erfolgreichsten Erneuerungsprojekte, die in großem Maßstab durchgeführt werden, bei einer klar formulierten, mitreißenden und emotional inspirierenden Chance ansetzen. In einer zunehmend komplexen Welt, in der wir täglich mit immer mehr Bedrohungen und möglichen Problemen bombardiert werden, wird es immer schwieriger, mithilfe einer »Burning Platform«, also so etwas wie einem Katastrophenszenario, nachhaltige Aktionen zu mobilisieren. Dieser Ansatz erzeugt Sorge, Wut, Schuldgefühle und Stress, die uns zwar oft aus unserer Selbstzufriedenheit reißen, die uns dafür aber auch sehr rasch auslaugen oder in einen erstarrten Survive-Panikzustand versetzen – wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

Untersuchungen von überlebensgroßen Führungspersönlichkeiten (wie Lincoln, Matsushita, Mandela) liefern uns viele Hinweise darauf, wie heute ein guter Umgang mit Veränderungen aussehen könnte. Die besten unter ihnen schufen ein weit verbreitetes Gefühl der Dringlichkeit rund um eine bestimmte Gelegenheit. Sie kommunizierten sie an die breite Masse und überzeugten die Menschen davon, dass ihr Einsatz wichtig war, um diese Chance ergreifen zu können. Strategisch und mit großer Leidenschaft eroberten sie die Herzen und den Verstand der Menschen. Durch unermüdliche positive Energie und die Ausmalung der attraktiven Chancen mobilisierten sie die Menge zu konzertierten Aktionen gegen die verschiedenen organisatorischen und menschlichen Hindernisse. Sie sorgten dafür, dass sich Gewinne schon früh und in großer Zahl einstellten und dass sie sofort hinausposaunt und gefeiert wurden. Damit hielten sie das Feuer der Begeisterung in Gang. Darüber hinaus achteten sie darauf, dass das Gefühl der Dringlichkeit und die Energie so lange aufrechterhalten blieben, bis die Arbeit an den Initiativen erfolgreich abgeschlossen war.

Es wird heute immer deutlicher, dass diese überlebensgroßen Führungspersönlichkeiten häufige Fallen klug umschifften und die Aktionen nicht nur hin und wieder oder gar nur einmal, sondern dauernd und immer wieder anstießen, oft über viele Jahre hinweg. Unsere jüngsten Forschungen zeigen, dass es genau das ist, was Organisationen in diesem neuen Zeitalter der Geschwindigkeit, Komplexität und Unsicherheit tun müssen. Sie müssen immer wieder die gleichen Aktionen anstoßen – und das nicht nur einmal alle zehn Jahre, sondern laufend und unablässig.

Das Nettoergebnis all dieser Aktivitäten ist oft äußerst erstaunlich und daher gelten diese Führungspersönlichkeiten als äußerst mitreißend, heldenhaft und charismatisch. Die Kausalität geht jedoch häufig in eine andere Richtung. Es ist weniger das Charisma, das Menschen dazu bringt, verblüffende Ergebnisse zu produzieren, sondern vielmehr das Verhalten, das den Thrive-Channel aktiviert (und das sich aus einer Kenntnis der menschlichen Natur, der modernen Organisation und der Change-Leadership speist). Dieses Verhalten führt dazu, dass die Menschen trotz aller Hindernisse hervorragende Resultate erreichen, und durch diese Leistung entsteht dann die Wahrnehmung von einem heroischen und charismatischen »Anführer«.

Dieser letzte Punkt ist deshalb so wichtig, weil er eine Erklärung dafür liefert, warum auch Organisationen ohne überlebensgroße Führungskräfte – mit anderen Worten also fast alle Organisationen – erstaunliche Resultate erzielen können. Sie können mithilfe von divers besetzten Teams einen sehr ähnlichen Prozess in Gang setzen, der immer mehr Leute mobilisiert, sodass diese dann große Veränderungen anführen.

Studien über erfolgreiches Leadership bei Erneuerungsprojekten zeigen, dass Teams breit angelegte Aktionen antreiben, indem sie sich nach bestimmten Leitlinien verhalten.

Erstens fühlen sie sich selbst, gemeinsam mit anderen, zwar für die Aufgaben verantwortlich, die erledigt werden müssen, aber sie wissen auch, dass zur Mobilisierung zahlreicher Menschen zu einer Reise in eine Hochgeschwindigkeits-Veränderung eine emotional positive, beinahe freiwillige Geisteshaltung des »Ich-will« notwendig ist. Zweitens gehen sie einerseits rational und analytisch vor, aber sie erobern andererseits auch die Herzen, sodass sie echte Überzeugung, echten Einsatz, energiegeladene Freiwilligkeit und die erwähnte Einstellung des positiven Wollens bewirken. Drittens sind sie sehr gute Manager. Sie entwickeln und fördern Exzellenz in den Bereichen der Planung, Organisation und Kontrolle, die für die moderne Organisation so zentral wichtig sind. Aber gleichzeitig ermutigen und unterstützen sie auch die Eigeninitiative vieler Menschen weit mehr und stärker, als es heute üblich ist, und verlassen sich nicht nur auf einige wenige Kollegen an der Spitze der Organisation. Viertens gehen sie bestimmte Veränderungsaufgaben mit kleinen, ausgewählten Gruppen an, verlassen sich aber dennoch auch hier sehr stark auf die Diversität der Menge: Die Gruppe muss insgesamt groß genug sein und so breit gefächerte Informationen und Kontakte haben, dass sie erkennt, welche Veränderungen gebraucht werden, und dass sie diese dann auch umsetzen kann – trotz der menschlichen Natur und trotz aller in der Organisation bestehenden Hindernisse.

Diese vier Punkte können zusammengenommen als Leitprinzipien für die Beschleunigung von Veränderungen in komplexen Organisationen gelten. Sie begünstigen und treiben einen schwungvollen Prozess an – und zwar durch eine Art von Führung, die die Menschen überzeugt und dazu bringt, sich für entsprechende Aktionen zu begeistern. So entsteht noch mehr Führung, die weitere organisationsbedingte und menschliche Hindernisse überwindet. Auf diese Weise werden Ergebnisse erzeugt, die immer weiter und immer mehr Chancen und Gelegenheiten eröffnen.

Abbildung 2.2: Grundsätze der Veränderung

Da sich eine Managementhierarchie diesem Prozess häufig entgegenstellt und weder Freiwilligkeit noch eine positive Einstellung des Wollens oder gar Führungswillens bei Beschäftigten auf allen Ebenen fördert, schaffen besonders erfolgreiche Veränderungsteams inzwischen ein zweites System, das die Veränderungsarbeit durchführt – ein System, das nicht auf formalen Hierarchien, sondern auf fließenden Netzwerken aufgebaut ist.

Das soll heißen, dass Change-Leadership-Teams neben der Hierarchie der modernen Unternehmen, die aus gutem Grund besteht, weil sie für Effizienz und Zuverlässigkeit sorgt, für die meisten großen Veränderungsaufgaben zusätzlich auf fließende Netzwerke von Personen setzen. Sie erschaffen das, was wir als »duales System« bezeichnen. Hierarchie und Kontrollen sind zentrale Mechanismen zur Umsetzung von Geschäftsplänen. Netzwerke und die Führung durch die vielfältige Menge bilden dagegen den Kern zum Antrieb strategischer Initiativen. Das duale System ist entscheidend wichtig für die gleichzeitige Verstärkung, Erhaltung und Einbettung der Geschäftsergebnisse und der neuen Arbeitsweisen zur Durchführung erfolgreicher Erneuerungsprojekte. Wir werden darauf später noch ausführlicher eingehen.

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