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III. Die Unregelmäßigkeit des Geldumlaufes und ihre Wirkungen.

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Die in der Beschaffenheit unseres Geldes begründete Unmöglichkeit einer wirklich zweckmäßigen Verwaltung desselben bewirkt es, dass der Geldumlauf kein gesicherter und regelmäßiger, sondern allerlei unberechenbaren Zufällen unterworfen ist. Hängt doch die Goldproduktion, d. h. ob viel oder wenig Geldstoff (Gold) gefunden wird, tatsächlich vom reinen Zufall ab und somit auch die überhaupt vorhandene Menge des umlaufenden Bargeldes, was natürlich für die ganze Wirtschaftslage von entscheidendem Einfluss ist.

Aber wie einerseits der Stoff, aus dem das Geld hergestellt ist (also das Gold) die Volkswirtschaft dem Zufall überliefert, so wird sie andererseits durch die Beschaffenheit unserer herkömmlichen Geldverfassung der persönlichen Willkür der jeweiligen Geldinhaber preisgegeben. Die Zufälligkeiten der Goldproduktion und die Willkür des Geldumlaufes (wozu noch die Währungspolitik der Staaten kommen kann) bewirken eben jene unheilvollen und zugleich unberechenbaren Verschiebungen, deren üble wirtschaftliche Folgen in ihrer Gesamtheit den größten und wichtigsten Teil der sogenannten „sozialen Frage“ ausmachen.

Die jährliche Goldproduktion stieg z. B. von 169869 Kilogramm, die im Jahre 1800 gewonnen wurden, im Jahre 1911/12 auf 703411 kg — also auf das Vierfache! Da wir nun das freie Prägerecht für das Gold haben, d. h. da die Reichsbank jedes ihr angebotene Quantum Gold mit 2790 Mark bezahlt und die deutschen Münzprägestätten jedes beliebige Quantum Gold in deutsche Reichsmünzen umprägen müssen, so findet naturgemäß durch eine derartige Steigerung der Goldproduktion auch eine riesige Vermehrung der umlaufenden Goldmünzen statt. Bedenkt man weiter, dass die Notenbanken auf je 100 Mark in Gold 300 Mark in Banknoten ausgeben können, dass sich auch erfahrungsgemäß die auf dem Bargelde basierenden Geldsurrogate (Wechsel und Schecks) zusammen mit dem Bargelde vermehren, so wird man leicht einsehen, dass eine derartige rein zufällige ungeheure Vermehrung des Geldumlaufes und der sonstigen Tausch- und Zahlmittel auch eine bestimmte Wirkung auf die gesamte Volkswirtschaft ausüben muss. Wir haben diese Wirkung in einer bis zum heutigen Tage ununterbrochen andauernden Hochkonjunktur und der mit dieser Hand in Hand gehenden unerhörten Teuerungsperiode, d. h. einer Periode von Preissteigerungen, kennengelernt. Aber derselbe Zufall, der uns seit nunmehr etwa 20 Jahren ununterbrochen in die Höhe hob, kann uns morgen in den Abgrund werfen.5 Und selbst, wenn uns dieser Zufall (die Goldfunde und die Vermehrung der Zahlmittel) dauernd günstig bleiben würde, so sind wir doch keine Stunde vor der Willkür sicher, der wir durch die Beschaffenheit des Geldes preisgegeben sind, die es bewirkt, dass es lediglich vom Willen oder von den Interessen der jeweiligen Geldinhaber (Großkaufleute, Kapitalisten, Banken usw.) abhängt, ob das einmal in Umlauf gebrachte Geld auch weiterhin zirkuliert und sich der Volkswirtschaft zur Verfügung stellt oder nicht. Die sich oft über viele Länder der Erde erstreckenden wirtschaftlichen Krisen bieten uns ja ein lehrreiches Beispiel für die Folgen, die eine Einschränkung des Geldumlaufes hat. Das eine dürfte doch ohne Weiteres klar sein, dass jede Unregelmäßigkeit im Geldumlaufe sich auch unmittelbar auf die Volkswirtschaft, auf Handel und Gewerbe überträgt, und sich in den Preisbewegungen und in Börsendifferenzen, nach oben oder unten, ausdrückt.

Abgesehen von den rein volkswirtschaftlichen Wirkungen, zeitigen die unberechenbaren Unregelmäßigkeiten im Geldumlauf und die damit zusammenhängenden Preisschwankungen auch fortwährend sehr gefährliche Verschiebungen zwischen Mein und Dein, zwischen Soll und Haben, zwischen Gläubigern und Schuldnern in privatwirtschaftlicher Beziehung. Alle geschäftlichen Abschlüsse und Vereinbarungen, alle Schuldverschreibungen, Lohnverträge, Pensionen, Gehaltssätze usw. lauten auf ganz bestimmte nominelle6 Geldbeträge; ihr materieller Inhalt ist aber mangels einer wirklichen Währung in keiner Weise gewährleistet, denn dazu wäre vor allem nötig, dass im Durchschnitt alle Preise und somit die „Kaufkraft“ der betreffenden nominellen Geldsummen „währen“, d. h. fest bleiben. Nur dann hätten wir eine wirkliche Währung. Bei Preissteigerungen, die in den letzten Jahrzehnten (vor dem Kriege) bereits durchschnittlich 25 Prozent betrugen und während des Krieges weit — sehr weit — darüber hinausgingen, verschiebt sich naturgemäß auch der materielle Inhalt aller Abmachungen, die auf einen festen Geldbetrag lauten. Die Preissteigerung der Ware bedeutet doch nichts anderes als ein Sinken der Kaufkraft resp. eine sogenannte „Entwertung“ des Geldes. In diesem Falle sind die Gläubiger, d. h. alle diejenigen, welche irgendeine Geldforderung haben, einfach durch die Währung um 25 Prozent (oder entsprechend mehr) ihrer Forderung betrogen, während der Schuldner in gleichem Maße im Vorteil ist. Ein verschuldeter Bauer, der bisher 1000 Zentner Kartoffeln verkaufen musste, um seinen Verpflichtungen gegen seine Gläubiger nachzukommen, braucht bei einer Preissteigerung von 25 Prozent nur noch 800 Zentner zu opfern, um dieselbe Summe bezahlen zu können. Tritt der Gläubiger nun aber seinerseits als Käufer auf, so muss er die Erfahrung machen, dass z. B. 2000 M., die er erhält, nicht mehr ausreichen, um dieselben Waren, die er vor der Preissteigerung damit erstehen konnte, zu kaufen, sondern dass er noch 500 Mark dazu legen muss. Stellt sich dagegen ein allgemeiner Preisrückgang ein, wie z. B. nach Einführung der Goldwährung in den siebziger Jahren, so ist wiederum der Gläubiger im Vorteil und der Schuldner (hier also der Bauer) im Nachteil. Sinkt z. B. der Weizenpreis von 240 Mark per Tonne auf 160 Mark, so ist doch ganz klar, dass nun der Schuldner einen entsprechend größeren Teil seiner gesamten Ernte opfern muss, um seinen nominellen Geldverpflichtungen nachzukommen. Die sogenannte „Not der Landwirtschaft“ wurde s. Zt. von den Agrariern ganz mit Recht auf die Goldwährung zurückgeführt. Ebenso verhält es sich, wie gesagt, mit allen sonstigen Abmachungen, Forderungen, Pacht- und Lohnverträgen usw. Der Beamte z. B., dessen Gehalt ebenfalls, und zwar immer auf längere Zeit im Voraus, auf einen nominellen Geldbetrag festgesetzt ist, erleidet in Zeiten allgemeiner Preissteigerung ebenfalls einen entsprechenden Nachteil, d. h., er wird durch die verminderte Kaufkraft seines Gehaltes einfach um einen manchmal recht erheblichen Teil desselben geprellt, obwohl ihm die Behörden die nominelle Summe auf Heller und Pfennig auszahlen.

Aber auch die Lohnverhältnisse aller übrigen Berufsgruppen hinken stets nur allmählich und mühsam hinter den meist sprunghaft eintretenden Preissteigerungen her. Und bis dann schließlich ein annähernder Ausgleich erzielt ist, kippt die „Konjunktur“ des betreffenden Berufszweiges inzwischen womöglich in ihr Gegenteil um.

Je größer die Preisschwankungen (nach oben oder unten) um so gefährlicher sind die Wirkungen. Der wirtschaftliche Ruin von Tausenden ist oft lediglich auf die hier angedeuteten Mängel der Währung zurückzuführen. Es kann vorkommen — und wir befinden uns, infolge des Krieges und seiner finanziellen Begleitumstände, bereits auf dem besten Wege dazu — dass sich auf diese Weise die bisherigen Schuldner allmählich in Gläubiger verwandeln und umgekehrt, die bisherigen Gläubiger zu Schuldnern werden.

Mit all diesen Unzuträglichkeiten erschöpfen sich jedoch die verhängnisvollen Nebenwirkungen unseres Geldwesens nicht. Wie ich weiterhin noch nachweisen werde, sind nicht nur die vorübergehenden Wirtschaftskrisen mit ihrem Gefolge von Arbeitslosigkeit, Elend, Verzweiflung und Verbrechen in erster Linie auf die Mängel des überlieferten Geldwesens zurückzuführen, sondern ebenso auch die Dauer-Erscheinung der Massenarmut und das in allen Kulturländern vorhandene sogenannte „Proletariat“. Ich will auf diese Frage hier noch nicht näher eingehen; alles, was ich bisher anführte, soll nur darauf hindeuten, dass hier, beim Geldwesen, welches gleichsam das „Zentral-Nervensystem der Volkswirtschaft“ darstellt, etwas nicht in Ordnung ist. Dies ist aber angesichts der ungeheuren Macht und Bedeutung des Geldwesens umso gefährlicher, als wir alle persönlich dieser Macht unterstehen und letzten Endes mit unserer ganzen Existenz von ihr abhängig sind.

Um z. B. einmal eine Kraftprobe der Macht des Geldes zu erbringen, brauchen unsere Großbanken nur 2 bis 3 Monate hindurch alle fälligen Wechsel einzukassieren und die Diskontierung neuer Wechsel zu verweigern. Bei einem jährlichen Wechselumlauf von 35 — 40 Milliarden und einem Gesamtbestande von etwa 8 Milliarden an Bargeld ist leicht auszurechnen, dass dies der Einziehung alles überhaupt im ganzen Lande vorhandenen Bargeldes gleichkäme und den völligen wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes unbedingt herbeiführen müsste. Unseren Großbanken fehlte bisher vielleicht der Mut oder auch der Wille zu solchen Kraftproben, bei denen ihnen wohl auch die Reichsbank hindernd in den Weg treten würde. Dagegen möchte ich daran erinnern, dass z. B. der amerikanische Milliardär Morgan im Jahre 1907 ein derartiges für ihn sehr einträgliches Experiment sich geleistet hat, dessen Wirkungen wir ja bis hierher verspürt haben, sodass sogar unsere Reichsbank infolge großer Goldsendungen nach Amerika nur mit Not und Mühe die gesetzliche Dritteldeckung ihrer Banknoten aufrecht erhalten konnte.

Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft

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