Читать книгу Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel, Georg Engel - Страница 9

VI.

Оглавление

Ein wundervoller, heller Herbstmorgen war dem Regen- und Sturmtag von gestern gefolgt.

Als sich Gust nach dem Frühkaffee aus dem Fenster beugte, da sah er den schmalen Fluss vorbeischimmern, wie wenn auf dem blaugrünen Grund ungeheure Platten von Gold und Silber schaukelten. Und darüber hob sich ein Dunst, als ob das Metall noch glühend gewesen und jetzt in dem kühlen Gewässer abzische.

Mit grossen Schritten wunderte Gust dann in dem Giebelstübchen zwischen den altertümlichen Möbeln umher und konnte seiner Mutter, die an dem zweiten Fenster sass, damit beschäftigt, einen bunten Seidenschlips für ihn zu nähen, nicht genug von seinem Aufsatz, von Catilina und dem alten Rom erzählen.

Ach, dergleichen hörte die dicke Frau Kapitänin gar zu gern. Dabei liess sich so wunderschön träumen. Es war alles so grossartig, und nun noch dazu die wunderlichen Namen, die ihr Gust so prachtvoll und so geläufig aussprach, als ginge er täglich mit solchen Leuten um.

„Du, Gust,“ erkundigte sie sich nach einer Weile, während sie behaglich den bunten Schlips in die Sonne hielt. „Catilina, was hatte der Mann wohl für eine Stellung?“

Darauf lächelte Gust gutmütig und erwiderte, dass es dieser Römer beinahe bis zum Konsul gebracht hätte.

„Was? Konsul?“ wiederholte Frau Petersen erstaunt. Sie hätte dem Manne mit dem klingenden Namen eigentlich doch eine grössere Vornehmheit zugetraut. — Konsul? — Wenn er nicht mehr war?!

„Du,“ fuhr sie nach einer Gedankenpause fort, „ist das dasselbe wie hier Konsul Gaude, der die holländischen Matrosen immer aus der Suppenanstalt beköstigt?“

Das konnte nun Gust keineswegs zugeben. Wieder wandelte er umher, erzählte und beschrieb. Und als er seiner Zuhörerin den Tod seines Helden schilderte, des einzelnen, der auf dürrer Heide auf einem Leichenwall noch immer das Schwert geschwungen, ohne Hoffnung, aber unbesiegt von seinem Elend, und wie er dann hingesunken wäre auf seinen Schild, das bleiche, furchtbare Antlitz noch immer trotzig der römischen Sonne zugekehrt, da wischte sich Frau Petersen zwei grosse, runde Tränen aus den Augen und schluckte, man solle es nicht glauben, was es für hohe Männer auf der Welt gäbe.

Aber nie schön, wie tief ergreifend ihr Gust das auch vortragen konnte: „Du, Gust,“ bewunderte sie endlich aufatmend und sah stolz auf ihren Einzigen, „das solltest du einmal aufschreiben. Ganz gross, damit es auch andere lesen können.“

Gust wurde gepackt und unterbrach seinen Triumphzug: „Ja,“ warf er mit scheinbarer Gleichgültigkeit hin: „Du hast ganz recht, Mutter, daraus will ich einmal ein Drama machen.“

Heimlich und still wurde es darauf wieder in dem kleinen Zimmer.

An den Fenstern raschelte der Wind und flüsterte Gust zu, dass er nun bald ein grosser Mann sein würde, und auf dem Fussboden zitterten die Sonnenkringel wie goldene Blumen, die aus dem weissen Streusand emporblühen wollten.

Da warf Frau Miete von ihrem Sitz aus einen Blick auf den grünen Fensterspiegel, „den Spion“, wie sie ihn nannte, und meldete interessiert:

„Sieh, da kommt Toni Stark.“

„Wer?“

„Toni.“

Gust fuhr zusammen.

Und wenn Frau Miete nicht gerade noch weitere Zwiesprache mit dem Spion gepflogen hätte, sie müsste bemerkt haben, wie über das Antlitz ihres Jungen Geisterblässe fuhr, verscheucht von siedender Glut.

„Ich will fortgehen,“ stiess er endlich hervor, bemüht, seinen Schauer zu verbergen.

„Fort? Warum denn?“

„Ich — ich habe Feindschaft mit Toni.“ Und er wusste kaum, dass er dabei im tiefsten Grunde die Wahrheit sprach.

„Feindschaft?“ verwunderte sich nun seine Mutter überrascht, indem sie ihre blauen Augen hell und doch voll mütterlicher Ahnung gegen ihn aufschlug. „Du?“

Diesen Blick jedoch vermochte der Bedrängte nicht mehr zu ertragen. In stürmischer Verwirrung griff er nach Mantel und Hut, und überstürzte sich mit zusammenhangloser Entschuldigung:

„Mutter, das kann ich dir nicht erklären — selbst dir nicht. — Rede auch nicht mit Toni darüber. Sie verrät dir nichts. Inzwischen will ich zu Kräplins ’rausfahren. An den Bodden nach Wedena. Wir müssen die Stunden besprechen. Du weisst ja.“

Da begann Frau Miete geheimnisvoll zu lächeln, als verstünde sie alles, nickte ihm zu und sagte behutsam:

„Und wenn sie dich draussen zum Mittagbrot einladen sollten, dann bleibe bei ihnen. — Hörst du?“

„Ja, ja, dann bleib’ ich — adieu Mutter.“

„Adieu Gust —“

Auf geheimem Pfad, der hinter dem Hause zur Landungsbrücke des kleinen Dampfers führte, sprang Gust davon. Allein, wie sehr er sich auch zwischen die Stämme des Promenadenweges duckte, die heranschreitende Toni mit ihren hellen Augen erspähte ihn doch.

Erschreckt wurzelte sie fest, hart am Bollwerk, dann warf sie die Lippen auf und ballte die Fäuste. „Solch dummer Bengel,“ schimpfte sie in sich hinein, als sie ihren Beschützer mit einem kräftigen Anlauf auf das kleine Dampfboot springen sah, „da läuft er wieder. Hat Angst vor mir, die Memme. O, du, wenn ich dich hätte, wie wollte ich dich — —“

Blitzenden Auges hob sie die Hand zum Schlage, während sie trotzig kehrt machte. Und nur ein einziges Mal glitt ein beistimmendes Lächeln um ihren Mund. Das war in dem Moment, als der alte Jimm Kükeweih, der rauchend auf dem Bollwerk hockte, dem Flüchtling mit seiner fürchterlich dröhnenden Stimme nachbrüllte:

„Kiek — kiek — Gust — will Professer werden — hollt em up — hollt em up2) — Gust, Hanswust.“

Gust schritt durch Wedena.

Das kleine ehemalige Klosterdorf liegt ganz in struppige Gärten eingebettet. Es hat eigentlich nur eine einzige Strasse, und die Häuschen rechts und links sehen kahl und müde aus. Als sehnten sie sich nach Ruhe. Oder als fühlten sie sich altersschwach und wunderten sich nur, dass sie noch immer daständen und nicht ebenfalls längst dem grausen Fluch des Versinkens und Vergessens anheim gefallen wären, in dem das stattliche Kloster dort drüben im Eichenhain vor Hunderten von Jahren längst verschwunden war.

Nur ein paar rote Ruinen dämmern noch herüber und im Sonnenschein schütteln sie ihre verwitterten Häupter, und durch die langen Gänge seufzt klagend die Frage: „Wann? — Wann?“

Wann wird endlich der Pflug mit eisernem Zahne sie hinwegbeissen? Wann wird hier wieder neues Leben blühen, Halmfrucht und Kohl?

Aber das wusste keiner, Gust wusste es auch nicht, denn in der landwirtschaftlichen Schule, die sich hier angesiedelt hatte, und auch in dem nahen Dominium regte sich nicht viel — überall dieselbe dumpfe Stille, als hätten die toten Mönche die Gegend mit Verwünschung belegt.

Immer bedrückter und beklommener fühlte sich Gust, als er dies unveränderliche Schweigen durchmass. Er schaute auf die Äste der Kirschbäume, die noch im Laub standen.

Kein Vogel sang.

Begierig blickte er durch die Zäune der kleinen Kathen. Allein nur ein paar alte Mütterchen sassen in der Sonne und wärmten sich.

Schweigen — Schweigen.

Plötzlich ergriff Gust eine heftige Sehnsucht nach Martha.

Sie allein, — das empfand er ganz deutlich, wenn sie jetzt daher käme, sie allein könnte diese brütende Stille hinwegscheuchen — eine Handbewegung von ihr, und aus den Kirschbäumen würde es zwitschern, die alten Mütterchen vor den Häusern würden mit den Köpfen nicken und Jugenderinnerungen austauschen — und er? — er würde —

„Nummer 12.“

Er stockte. Hier befand sich Marthas Haus.

Hinter der Biegung der Strasse lag es, hatte vor sich nur die holprige Chaussee sowie den unermesslichen Hain. Drüben hoben sich die Eichenwipfel starr in die blaue Luft, und in dem Hause regte sich nichts.

Er durchmass den kleinen Vorgarten. Dunkle Schatten lagen hier. Die breiten Kastanien bildeten fast ein Dach. Dann stieg er drei Steinstufen in die Höhe. Die Glastür war nur angelehnt. Ungehindert gelangte er in ein Wohnzimmer. Alte blaugraue Gobelinmöbel standen hier herum, die Wände waren bis zur Hälfte mit einer Ledertapete ausgeschlagen, sonst waltete auch hier ein Halbdunkel, jene ungemütliche grüne Dämmerung.

Beklemmt blieb der Eindringling einen Moment stehen, um verstohlen um sich zu spähen. Konnte sich nicht jeden Moment das scharf geschnittene Haupt des alten Kräplin aus einem dieser Sessel aufrichten, um mit ätzender Stimme zu fragen:

„Nun? Woher, junges Deutschland? Wohin?“

Aber die blaugrüne Stube lag weiter in ihrer dämmernden Lautlosigkeit.

Auf Zehen schritt Gust fürbass.

Noch ein paar kleinere Räume, sehr einfach mit Holzmöbeln besetzt, dann eine rotgepflasterte Diele, eine schwere, ungefüge Tür, und er befand sich wieder auf ein paar Steinstufen, die auf den Hofraum hinaus leiteten.

Kaum aber knarrten die ächzenden Türangeln, da wurde wirklich die gefürchtete Stimme laut:

„He — wer ist da? — Ah, Sie sind’s, junger Herr Petersen. Wollen Sie bereits Stunden geben? Kommen Sie doch, bitte, herunter.“

In einer Ecke des Hofes, dicht neben den Holzplanken, die ihn begrenzten, war ein grosses tiefes Loch gegraben. Und auf dem ausgeworfenen Erdhaufen, da stand Marthas Vater in einer alten, grauen, zottigen Jacke, eine schwarze Brille zum Schutz gegen die Sonne vor den Augen, während sein junger Verwandter, Malte von Zingst, zu seinen Füssen auf einem Brett kniete und eben im Begriff stand, eine Massleine in den Brunnen herunter zu lassen.

Befangen trat Gust näher und zog den Hut.

„Guten Tag, Herr Kapitän.“

„Tag,“ wünschte der alte Kräplin, verzog den Mund zu einem süsssauren Lachen und winkte geschäftig mit seinem gelben Meterstab. „Steigen Sie gefälligst hier herauf — so —. Wofür halten Sie das Ding, Herr Professor? — Na?“

„Das?“ entgegnete Gust, der sich schüchtern über die Öffnung gebeugt hatte. „Das? — Das dürfte wohl ein Brunnen werden.“

„Dürfte? — Da haben Sie wieder recht,“ tadelte der Grauzottige gallig —. „Angelegt ist das Ding ganz regulär, und unter den Meeresspiegel sind wir gleichfalls schon längst hinaus. Und doch läuft kein Tropfen Wasser hinein.“ — Er fuchtelte mit seinem gelben Stab: „Sehen Sie sich einmal um. Haben Sie eine Ahnung, woran das liegt? —“

Gust blickte rund herum, auf die schwarze Brille, auf die Massleine, und schliesslich in die blaue Luft, um endlich kleinlaut zu gestehen, dass er den Grund der Erscheinung nicht recht zu erklären vermöchte.

Dies schien Marthas Vater jedoch sehr zu erfreuen.

„Aha,“ räusperte er sich befriedigt. „Kann es nicht erklären. Na, und du, Malte?“

Der Kniende erhob sich und klopfte sich die Kleider ab:

„Das ist doch nicht schwer, Onkel,“ entgegnete er dann ruhig; „das liegt an der breiten Tonschicht, die nichts durchlässt.“

„Was du sagst?“ verwunderte sich der Alte und nahm die Brille ab, um seinen praktischen Verwandten beifällig zu mustern. „Na, und weshalb glauben Sie wohl,“ fuhr er wieder zu Gust herum, „habe ich den Brunnen nun gerade an dieser schlechten Stelle angelegt? Nur, weil ich ein Esel bin? Ein Schafskopf? Ein altes Dromedar? Wie?“

Gust versank allmählich immer tiefer in die weiche Erde. Deutlich und kränkend empfand er obendrein die geringe Meinung, die der alte Kapitän von seinen praktischen Kenntnissen hegen musste. Deshalb stotterte er zwischen Verlegenheit und Unmut, dass er sich mit der Wissenschaft des Tiefbaues bis jetzt noch nicht genauer beschäftigt habe.

„Wissenschaft des Tiefbaues?“

Auch dieser Ausdruck ergötzte den alten Querkopf augenscheinlich ganz ungemein.

„Sehr gut,“ grunzte er vergnügt. „Man sieht doch gleich den gelehrten Mann. Na, und du, Freund Malte?“

„O, lass das doch, Onkel,“ versetzte der Angeredete jetzt leichthin, als wolle er sich vor seinem Mitschüler nicht brüsten; „auf dem Lande beobachtet man ja dergleichen öfter. Du hast wohl einfach an der Tonschicht einen natürlichen Filter zu finden geglaubt, um klares Wasser zu erzielen. Was ist da weiter dabei?“

„Kuck.“

Damit schlug der Kapitänleutnant dem Junker schallend auf die Schulter.

„Bravo, ich sag’s ja, dem Herrn Landrat ist nicht beizukommen. Na, dafür darfst du auch weiter messen, mein Junge. Wahrhaftig, es müsste doch rein mit dem Deuwel zugehen, wenn wir beide nicht ’rauskriegen sollten, warum das verfluchte Wasser nicht laufen will. Was? Na, und Sie, mein lieber Doktor,“ wandte er sich wieder mit zweifelhafter Freundlichkeit an Gust, „Sie wird unsere Beschäftigung vermutlich nicht weiter interessieren? Wie, oder doch? —“ setzte er stachlich hinzu.

Als Gust jedoch schwieg, zog er eine alte Hornpfeife hervor und drückte sie seinem Besuch ohne weitere Umstände in die Hand. „Hier, lieber Professor, nehmen Sie. Nehmen Sie. Meine Tochter Martha geht drüben im Hain spazieren. Hört auf das Rauschen der Eichen. Und so was! Sie wissen ja. Brauchen bloss in dies Ding zu blasen, dann kommt sie ganz sicher. Und nun gehen Sie man — ohne weiteres — ja, ja, schon gut — und um zwei Uhr haben wir dann das Vergnügen zu Tisch. Nicht wahr? Aber keine Minute später. Das mag ich nicht leiden.“

Damit packte er Malte am Arm und zog ihn wieder an die Grube, es dem Ankömmling überlassend, über seine Zeit zu verfügen, wie er Lust habe.

Mit einer raschen, eckigen Verbeugung zog sich Gust auch wirklich zurück, tappte durch das schweigende Haus und befand sich bald im Hain.

Ah, hier war es weit und gewaltig. Ein Rauschen ging durch die Eichenstämme, von der See war ein Wind aufgefahren, der sprang jetzt wie ein grosser Vogel in den Kronen herum, zauste sie und liess Blätter herabfallen.

Überall rieselte es von falbem Laub.

Auf den weiten Rasenplätzen wirbelte es durcheinander und fuhr im Reigen um die grünborkigen, schimmligen Stämme. Mitten in der grünen Pracht aber hatte die Sonne tausend goldgelbe Lichter auf den Boden gestellt. Die waren lebendig geworden und liefen gleich Fackelträgern mit wehenden Flämmchen in dem grossen Reigen mit.

Immer im Kreise.

Von weither, aus unsichtbarer Ferne, schrie der Kuckuck, und neben Gust, von Ast zu Ast zog ein Schwarzdrosselpärchen.

Aber der Wanderer beachtete sie nicht. Hallenden Schrittes lief er den braunen Waldpfad entlang, mit verzogener Stirn, die Fäuste in den Taschen geballt. Und in seinen Gedanken stürmte es, genau so wie dort oben in den bewegten Wipfeln.

Dieser alte Kräplin. Und der nüchterne Malte. Zwei Menschen, die so selbstgefällig am Erdboden klebten, gleich Schnecken, die nur kriechen konnten, und die nun jeden verlachten, der ein Vogel sein wollte. Aber er würde es diesem Herrn Kapitänleutnant schon beweisen. Für den Moment zwar hatte er sich von dem gefürchteten Manne imponieren lassen, aber heute mittag wollte er es ihm heimzahlen. Wetter, wie würde er ihn dann abführen, wie würde er — — —

„Kuckuck,“ schrie der unsichtbare Philosoph, der die Jahre des Lebens zählt, dazwischen: „Kuckuck.“

Gust hielt an und lauschte.

Im selben Augenblick taten sich seine Augen auf für den grünen Saal, in dem er wandelte, er vernahm das Weithinhallende seiner Tritte und erblickte verwundert, wie an den Stämmen in breiten Streifen smaragdsprühendes Feuer herunterschoss.

„Kuckuck,“ spottete der Philosoph, der die Jahre des Lebens zählt, mit seiner dunklen Stimme.

Gust hielt an und lauschte: „Wie lange werde ich noch leben?“ fragte er halblaut vor sich hin, während er unwillkürlich den Zeigefinger zum Zählen erhob.

Ehrbar antwortete der Prophet:

Eins — zwei — drei — sieben — zehnmal.

„Nun, weiter?“ flüsterte Gust, unsicher in die Höhe blickend.

Jedoch der Unsichtbare schwieg. Er wusste nichts mehr. Sein Lied war zu Ende.

„Zehn Jahre nur?“ murmelte Gust erblassend und sah scheu in die leeren, grünen Hallen hinunter. Wenn das wirklich möglich wäre! — Also mit achtundzwanzig schon? — Ein gerade Erblühter?

In den Eichenwipfeln über ihm raunte etwas. Dem Einsamen fuhr es durch den Sinn, dass die Ahnen aus diesem Rauschen ihre Schicksalssprüche empfangen hätten. Kalt und frostig fasste es ihn an und lief ihm rieselnd über den Rücken.

„Nein, nein, nur nicht so früh aufhören, vergehen.“

Grenzenlose, schüttelnde Furcht hatte er bis jetzt stets vor dem Ende, vor dem starren Gebot des Weichens empfunden. Aber hier — in den weiten, leeren Hallen, da überfiel ihn treibende Angst, da graute ihm, da wollte er sich an irgend etwas anklammern, an irgend etwas, was es auch sei. An irgend etwas ausser ihm.

Leise stöhnte er vor sich hin:

„Lieber Gott — nicht doch — nicht doch.“

Und er ahnte nicht einmal, was, noch zu wem er spräche.

Nur leben, nur leben —

Da fühlte er plötzlich, dass er etwas Festes in seiner Hand herumdrehe.

War das nicht die Hornpfeife?

Ach, Gottlob, Gottlob, da war es ja, das Wunderinstrument, in das er nur hinein zu hauchen brauchte, um das Schönste, das Reinste auf der ganzen Welt an sich zu locken; nein, jetzt musste sie erscheinen, sie durfte nicht fernbleiben, sie, die zu seinem Leben gewiss in geheimer Beziehung stand, sie musste — musste — hielt er doch in seiner Hand die Pfeife des grossen Pan, welche Steine zum Leben erwecken und den Frühling ins Land rufen konnte.

Begierig führte er sie an den Mund.

Jetzt pfiff er.

Und das Herz wollte ihm zerspringen vor Sehnsucht.

Der Reiter auf dem Regenbogen

Подняться наверх