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»Das Mädchen ist allerliebst« Der frühe Tod von Goethes Enkelin in Wien
ОглавлениеSie war sein Augenstern, Goethe liebte die kleine Alma über alles. In seinen letzten Lebensjahren holte er seine Enkelin oft zu sich und ließ sie in seinem Arbeitszimmer spielen, um ihren Reifeprozess zu beobachten, während er mit dem Abschluss seines Lebenswerks beschäftigt war. Was für ein Glück, dass der Dichterfürst den Tod des Kindes nicht erleben musste. Alma von Goethe starb, noch nicht 17 Jahre alt, am 29. September 1844 in Wien. Von ihrem Leben, ihren letzten Tagen in Österreich und ihrem Tod ist bisher wenig bekannt – Briefe und Zeitzeugenberichte liefern biografische Fundstücke.
August von Goethe, 1789–1830, Goethes Sohn
Goethe und seine Frau Christiane hatten fünf Kinder, von denen nur der erstgeborene Sohn das Erwachsenenalter erreichte. Dieser, August von Goethe, brachte es nach dem Studium der Rechtswissenschaften zum Geheimen Kammerherrn im Hofstaat des Großherzogs Karl August von Sachsen-Weimar, litt aber zeitlebens unter der Übermacht seines Vaters. August von Goethe und seine Frau Ottilie geb. von Pogwisch machten den Dichter zum dreifachen Großvater: nach den Söhnen Walther und Wolfgang erblickte am 29. Oktober 1827 Alma in Weimar das Licht der Welt.
Alma von Goethe, 1827–1844, Goethes Enkelin
Der den absoluten Mittelpunkt der Familie bildende und alles bestimmende »Opa« war es auch, der entschied, welchen Vornamen das Kind bekommen sollte. Als er seine Enkelin in der Wiege sah und sich liebevoll über sie beugte, erklärte Goethe kategorisch: »Alma soll sie heißen!« Der Wunsch des Patriarchen war Befehl, und selbstverständlich fand dann auch die Taufe des Kindes in Goethes Salon am Weimarer Frauenplan statt, wobei sich »die geladenen Herren in Hofuniform einfanden, um während der Taufhandlung Hut und Degen abzulegen«. Die Taufe, bei der Alma noch drei weitere Vornamen – Sedina, Henriette und Cornelia – erhielt, nahm der evangelische Generalsuperintendent vor.
Ottilie von Goethe, 1796–1872, Goethes Schwiegertochter
Die Ehe ihrer Eltern war denkbar schlecht. Während der unter dem väterlichen Genie leidende August dem Alkohol zusprach und viele Abende in zwielichtigen Weimarer Kaschemmen zubrachte, litt die ehrgeizige Ottilie – immer den berühmten Schwiegervater vor Augen – unter der Bedeutungslosigkeit ihres Mannes. Ständig mit neuen Liebschaften beschäftigt, hatte sie ihr ausgeprägt erotisches Temperament zweifellos von ihrer Mutter Henriette geb. Gräfin Henckel von Donnersmarck geerbt, die sich in jungen Jahren schon von ihrem Mann getrennt hatte. Henriette weihte ihre Tochter, damals ziemlich ungewöhnlich, frühzeitig in ihre zahlreichen Affären ein und wurde ihr dabei ganz offensichtlich zum Vorbild.
»Alma soll sie heißen«: Johann Wolfgang von Goethe und seine Enkelin
Ottilie von Goethe wird als kleine, graziöse Person mit leuchtenden Augen beschrieben, die eine starke Anziehung auf Männer ausübte und diese auch leidlich zu nützen wusste.
Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832, Dichter
Da sie zudem anmutig und scharfsinnig war, wurde die Schwiegertochter auch vom alten Goethe verehrt, in dessen Haus sie mit Ehemann und Tochter lebte. Ottilie kam oft aus ihrer Mansardenwohnung in den Wohntrakt des Dichters, den sie liebevoll »Vater« nannte, um sich mit ihm in geistvollen Gesprächen auszutauschen. Goethe schätzte Esprit und Schlagfertigkeit der quirligen jungen Frau, der er schnell sein Herz schenkte. Eine Mischung aus Salondame und ausgelassener Boheme, nahm sie bald auch die Stellung der ersten Dame im Haus des seit 1816 verwitweten Dichters und Universalgelehrten ein und versuchte mit Klugheit und Takt alles Unangenehme von ihm fernzuhalten. Bisweilen zerstreute sie den vergötterten Schwiegervater mit Musik und Gesang und holte sich auch als Vorleserin seine Sympathien.
Alma war erst drei Jahre alt, als sie ihren Vater verlor. Der vierzigjährige August von Goethe unternahm eine Italienreise, die ihn – einmal mehr, um sich vom überragenden Vater zu emanzipieren – nach Mailand, Venedig, Mantua, Florenz, Neapel und Rom führte. Er starb am 27. Oktober 1830 in der Ewigen Stadt an den Pocken.
»Mit dem Großvater im besten und liebevollen Vernehmen«
Witwe, Söhne und Tochter verblieben nach Augusts Tod in Goethes Haus, und bald gesellte sich auch Ottilies jüngere Schwester Ulrike zu ihnen. Wie sehr er seine Schwiegertochter schätzte, bewies der Dichter, als er sie jetzt sogar zur Ausarbeitung des »Faust, Zweiter Teil«, heranzog. Niemand stand dem alten Goethe so nahe wie Ottilie mit ihrer kleinen Tochter Alma, der der über Achtzigjährige diese Tagebucheintragung widmete: »Das Mädchen ist allerliebst, und als ein ächt geborenes Frauenzimmerchen schon jetzt inkalkulabel. Mit dem Großvater im besten und liebevollen Vernehmen, aber doch, als wenn es nichts wäre, ihre Herkömmlichkeiten verfolgend. Anmutig, indem sie bei entscheidendem Willen, sich ablenken und beschwichtigen lässt. Übrigens keinen Augenblick ruhig. Lärmig, aber leidlich, und mit einigem Scherz gar bald in Ordnung und Zucht gebracht.«
Ottilie von Goethe darf nie wieder heiraten
Als Goethe am 22. März 1832 in seinem Weimarer Haus starb, war es Ottilie, die ihm die Hand hielt und an die er seine letzten Worte richtete (ob sie tatsächlich, wie oft zitiert, »Mehr Licht!« lauteten, ist nicht erwiesen). Nach seinem Tod musste die mittellose Schwiegertochter dem Testament des vermögenden Dichters entnehmen, dass sie sein Erbe nur unter der Bedingung antreten durfte, fortan ledig zu bleiben. Die mannstolle Ottilie war von dem Gedanken, nie wieder heiraten zu dürfen, geschockt.
Alma hatte problematische Eltern: August und Ottilie von Goethe
Ein Offizier, der sich gleich wieder aus dem Staub macht
Über einen Mangel an Männerbekanntschaften hatte sie sich freilich auch weiterhin nicht zu beklagen, sie verliebte sich ständig, geradezu zwanghaft, oft auch gleichzeitig in mehrere, meist viel jüngere Männer, was dazu führte, dass sie – wahlweise mit oder ohne Alma – viel unterwegs war, wobei Wien das von ihr bevorzugte Ziel war. Keine ihrer vielen Beziehungen hielt lange, und so verliebte sie sich 1834 in einen englischen Offizier namens Captain Story, der sich allerdings gleich wieder aus dem Staub machte, nicht ohne sie geschwängert zu haben. Eine Katastrophe in der damaligen Zeit für eine dreifache Mutter und Witwe, noch dazu eine adelige und – als ob das alles nicht schon schlimm genug gewesen wäre – eine, die den Namen Goethe trug!
Franz Romeo Seligmann, 1808–1892, Arzt und Medizinhistoriker
Die nunmehr fast vierzigjährige Nymphomanin Ottilie von Goethe flüchtete, um die Schwangerschaft zu verbergen, nach Wien, wo sie im Hotel Zum Römischen Kaiser, das damals an der Freyung lag, Quartier nahm. Im selben Haus ordinierte der Arzt Romeo Seligmann, der sie am 15. Februar 1835 nicht nur von einer Tochter entband – sondern gleich auch Ottilies neuer Liebhaber wurde. Dr. Seligmann war um zwölf Jahre jünger als sie und hatte noch eine steile Karriere als Arzt und Ordinarius an der Universität Wien vor sich, berühmt wurde er aber, weil er im Jahr 1888, bei der Umbettung der sterblichen Überreste Ludwig van Beethovens auf dem Wiener Zentralfriedhof, widerrechtlich mehrere Schädelknochen an sich nahm, die viel später zur Erforschung der Taubheit des Musikgenies beitragen sollten.
Ottilies uneheliche Tochter hieß Anna Sybille, den Namen Goethe konnte sie ihr nicht geben, also verballhornte sie ihren Mädchennamen Pogwisch zu Poywisch und gab sie bei Pflegeeltern in Kost und Quartier. Romeo Seligmann versprach, sich um das Kind zu kümmern, aber Anna Sybille verstarb nach nur einem Jahr.
Ottilie kümmert sich wenig um ihre Kinder
In Weimar wurde Ottilie nach mehrmonatiger Abwesenheit von ihren drei ehelichen Kindern sehnsüchtig erwartet. Töchterchen Alma und die Söhne Walther und Wolfgang wurden derweil von Tante Ulrike, von ihrer Großmutter und von privaten Hauslehrern betreut, ihre Mutter bekamen sie auch nach deren Rückkehr nur selten zu Gesicht.
Im Künstlerkreis um Franz Grillparzer
Ottilie zog es weiterhin in die Ferne, ab Februar 1840 blieb sie mit Alma eineinhalb Jahre in Wien, nahm am gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Donaumetropole teil, geriet durch Romeo Seligmann in den Kreis um die Dichter Franz Grillparzer, Eduard von Bauernfeld, Ernst von Feuchtersleben und den einstigen Schubert-Freund Franz von Schober. Vor allem faszinierte sie die Leichtlebigkeit der Stadt, in der sie stets hoffte, neue Eroberungen zu machen. Glücklich ist Goethes Schwiegertochter mit ihren rasch wechselnden Begleitern nie geworden. »Mit einem wilden, angeborenen Freiheitstrieb«, schrieb sie einer Freundin, »war ich doch immer vollkommen Sklavin, wo ich liebte.«
»Die großen, strahlend braunen Goethe-Augen«
Alma hatte trotz ihrer nicht unkomplizierten Kindheit ein sonniges Naturell, sie war eine begabte Schülerin, sprachlich gewandt, nahm teils in Weimar, teils in Wien Mal- und Zeichenunterricht, tanzte und spielte Klavier. Nach ihrer Konfirmation durch einen protestantischen Pfarrer in Wien hatte sie bei ihrer Rückkehr nach Weimar die Reife erlangt, an den Fürstenhof geladen zu werden. Anlässlich eines glänzenden Hofballs, bei dem der Erbgroßherzog Karl Alexander und seine Cousine Prinzessin Sophie der Niederlande ihre Vermählung feierten, forderte sie der hochgeborene Bräutigam zum Tanz zur Melodie des populären Sternenwalzers auf – und das war wohl der gesellschaftliche Höhepunkt in Alma von Goethes kurzem Leben. Die Ballgäste waren von ihrem offenen Wesen angetan und priesen »ihr frisches Lachen, ihre energischen Bewegungen und die großen, strahlend braunen Goethe-Augen«, wie man sie auch an ihrem Großvater so geschätzt hatte.
Alma schloss sich in Weimar einem Wohltätigkeitsverein an, in dem junge Damen Gewänder für notleidende und kranke Kinder nähten. Weimar war auch der Ort, den sie als ihr Zuhause sah. Mit der ihr zunehmend peinlich werdenden, liebestollen Mutter auf Reisen zu gehen, gefiel ihr weit weniger, auch weil sie in Weimar einen großen Freundeskreis hatte, dem nun schon zwei Verehrer angehörten. Hugo von Schmeling hieß der eine, seines Zeichens Fähnrich des Gardebataillons zu Potsdam, der andere war ein Herr von Boynburg, »ein sehr hübscher Mensch, welcher eine süperbe Figur hatte und prächtig tanzte«.
»Über Deinen Brief konnte ich wohl nur außer mir sein«
Alma hatte den innigen Wunsch, nach Beendigung ihrer Schulstudien die Stelle einer Hofdame im Hause Sachsen-Weimar anzutreten, was ihre Mutter brüsk ablehnte, weil sie vermutete, dass dies nur ein Vorwand ihrer Tochter wäre, sich von ihr loszusagen. »Liebe gute Mutter«, antwortete Alma, »über Deinen Brief konnte ich wohl nur außer mir sein, ich habe so geweint, dass ich nicht Zeichenstunden nehmen konnte. Ich hätte nicht gedacht, dass Du so an meiner Liebe zweifeln kannst … es ist töricht von mir gewesen, den Wunsch Hoffräulein zu werden, zu haben.« Nur ihrem Bruder Walther gestand sie in einem anderen Schreiben, dass sie ihren Traum noch nicht ausgeträumt hätte: »Es umarmt Dich Deine sehr gern Hoffräulein werden möchtende Schwester Alma.«
Ottilie behandelt Alma, als wäre sie ihr Eigentum
Ottilie von Goethe behandelte Alma mit zunehmendem Alter und abnehmender Anzahl ihrer Liebhaber, als wäre sie ihr Eigentum, und wenn ihr danach war, musste das Töchterchen mit ihr reisen. Wie unerfreulich das sein konnte, erfuhr Alma im Sommer 1842, als sie in einem Landgasthof abstiegen, von dem aus Ottilie ihrem Sohn Walther brieflich von einem »Reiseabenteuer« berichtete. »Drei englische Gentlemen« hätten sich vor ihrer Zimmertür laut miteinander unterhalten, worauf sie »ohne Schuh und Strümpfe« die Tür geöffnet und eine »kleine Flirtation« mit den Herren begonnen hätte, um – wie sie kokett hinzufügte – »nicht aus der Übung zu kommen«. Ottilie bedauerte, nicht auch noch am Abend in der Gaststube mit den Engländern geflirtet zu haben, aber sie hätte eingesehen, dass dies »für eine Lady unschicklich« gewesen wäre.
Alle drei Goethe-Enkel lehnen das lasterhafte Leben ihrer Mutter ab
Die krankhaften Protzereien mit irrealen Romanzen im Beisein seiner 15-jährigen Schwester versetzten den 24-jährigen Walther in Wut. »Ich finde Deine Abenteuerlust«, schrieb er an seine Mutter, »nicht sehr günstig für Alma und wollte, Du bliebst immer als Lady oben in Deiner Stube; überhaupt sehe ich für Alma die größten Gefahren, da Du viel zu sehr mit Dir beschäftigt bist, um sie immer zu hüten.«
Alle drei Goethe-Enkel lehnten das lasterhafte Leben ihrer Mutter ab, bei Walther schlugen sich die erotischen Eskapaden auch aufs Gemüt, und er hatte sein Leben lang Angst davor, mit der weiblichen Sexualität in Berührung zu kommen.
Almas letzte Reise führt nach Wien
Im Sommer 1844 treibt es Ottilie einmal mehr nach Wien, und Alma muss wieder mit dabei sein, so wollte es ihr unbarmherziges Schicksal. »Ich freue mich ungeheuer auf Weimar«, schreibt sie aus Wien voller Heimweh an ihre Großmutter, »ach, wie viele Bälle wird es im Winter dort geben«.
Sie musste, ohne es zu wollen, mit ihrer Mutter nach Wien reisen: Alma von Goethe in ihrem letzten Lebensjahr
Niemand ahnt, dass dies ihr letzter Auftritt sein würde
Doch es gibt keinen Winter mehr. Von der Mutter alleingelassen, baut sich Alma in Wien ihren eigenen Freundeskreis auf. Als der berühmte Botaniker und Goethe-Verehrer Stephan Endlicher, Direktor des Botanischen Gartens der Universität Wien, von Almas Anwesenheit erfährt, gibt er ihr zu Ehren am 27. September 1844 ein Gartenfest mit Tanz, das als Huldigung für die prominente Enkelin gedacht ist. Schüchtern und fast hilflos nimmt Alma, in einem rosafarbenen Moirékleid glänzend, den Applaus und die Verbeugungen der Gäste entgegen und zeigt sich glücklich über den freundlichen Empfang. Keiner der Anwesenden ahnt, dass dies ihr letzter Auftritt sein sollte.
Strahlend vergnügt kommt Alma heim zu ihrer Mutter, beginnt aber bald darauf über Kopfschmerzen zu klagen. Nach einer unruhigen Nacht stellen sich Symptome einer ernsten Erkrankung ein. Das Mädchen liegt den ganzen Tag über auf dem Sofa, Ottilie weicht nicht von ihrer Seite und liest aus einem Buch vor. Am Abend richtet sich Alma plötzlich auf, schlingt die Arme um den Hals ihrer Mutter und ruft: »Mein Mütterchen, Mamachen!« Als sie am nächsten Morgen erwacht, geht hohes Fieber mit einer Bewusstseinstrübung einher. Die befreundeten Ärzte Romeo Seligmann und Ernst von Feuchtersleben – letzterer auch Lyriker und ein Bewunderer Goethes – werden gerufen und stellen eine Typhuserkrankung fest. Verschmutztes Trinkwasser hat in Wien zu einer Epidemie, die viele Todesopfer fordert, geführt.
Der Tod ereilt Alma auf der Mölker Bastei Nr. 87
Alma stirbt noch am selben Tag, dem 29. September 1844, einen Monat vor ihrem siebzehnten Geburtstag, in der von ihrer Mutter gemieteten Wohnung an der Mölker Bastei Nr. 87.
Die Enkelin des Dichters wurde zwei Tage nach ihrem Tod auf dem Ortsfriedhof Währing – dem heutigen Schubertpark – beigesetzt. Mehr als vierzig Jahre später, inzwischen ist auch ihre Mutter schon verstorben, wurden Almas Gebeine auf Initiative der Familie Henckel von Donnersmarck nach Weimar überführt, wo sie zu Füßen des geliebten und verehrten Großvaters ruhen.
Ein Wiener Brunnen erinnert an Goethes Enkelin
Alma hatte bei ihrem letzten Wien-Besuch aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Lebensfreude und ihres einnehmenden Wesens in kurzer Zeit Aufsehen erregt. Der Münchner Bildhauer Ludwig Schwanthaler arbeitete in diesen Tagen am Standbild der Austria, die Österreich personifizieren und den von ihm entworfenen Austriabrunnen krönen sollte. Kurz vor ihrem Tod war Alma ihm für diese Figur Modell gestanden. Der Brunnen befindet sich heute auf der Wiener Freyung.
Grillparzers Nachruf auf Alma von Goethe
Franz Grillparzer, der Goethe einst in Weimer besucht und zu Ottilies Wiener Freundeskreis gezählt hatte, schrieb, tief getroffen vom Tod der Mädchens, das Gedicht »Alma von Goethe«, in dem er den verewigten Dichterfürsten persönlich anspricht:
Das hast du nicht gedacht, Gewaltger du,
Als du noch weiltest in der Menschheit Schlacken,
Dass einst dein Enkelkind frühzeitge Ruh
Soll finden in dem »Lande der Phäaken« …
Sie fühlte wohl den Wink der fernen Hand,
Die Sehnsucht nach dem Land der reinen Lilien,
Und ging dahin, so stamm- als wahlverwandt,
Verwaisend und verdoppelnd die Ottilien.
Du aber schaust mit ernstem Blick herab,
Wo sie der Grund, Beethoven nah, verschlungen,
Und sprichst kopfschüttelnd ob dem frühen Grab:
»Das war dir an der Wiege nicht gesungen!«
Alma als »letzter Sonnenstrahl« im Hause Goethe
Ottilie von Goethe dankte Grillparzer noch 1860, als ihre Tochter 33 Jahre alt geworden wäre, für diese Zeilen: »Sie haben mir durch Ihre Freundlichkeit gegen Alma, als sie noch mein Dasein schmückte, eine große Freude bereitet, doch was war es in dem Vergleich mit dem Gefühle der Dankbarkeit, das mein ganzes Herz ergriff, als Sie ihrem Gedenken unvergängliche Zeilen widmeten.« Der Schmerz um den Tod des Kindes hat die Familie nie verlassen, auch Almas Bruder Wolfgang schreibt viele Jahre später an Goethes letzten Sekretär Johann Christian Schuchardt: »Alma war der letzte Sonnenstrahl gewesen, der in das von Staub und Spinnweben umschleierte Dasein der Brüder hineinleuchtete.«