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Szene 4
ОглавлениеDER PRÄZEPTOR (allein). Der Alte ist verärgert, das Kind begehrt gegen alles auf, und ich weiß nicht mehr ein noch aus. Der alte Jules ist rachsüchtig, und für die Mächtigen ist Rache so leicht zu haben! Dabei ist er so verschroben und so unvorhersehbar, dass er mir womöglich mit einem Schlag als Ehre anrechnet, was ihm jetzt als Schuld erscheint. Vor allem aber ist er ein Mann von Geist, und er urteilt mit dem Verstand; er wird begreifen, dass die ganze Schuld bei ihm liegt und dass sein bizarres Unterfangen nur zu bizarren Ergebnissen führen konnte. Doch welch rasende Tarantel hat heute nur die Zunge meines Zöglings gestochen? So habe ich ihn noch nie erlebt. Es wäre vergeblich, Vorhersagen für dieses merkwürdige Geschöpf treffen zu wollen: Seine Zukunft ist so schwer zu fassen wie seine geistige Veranlagung … Konnte ich mir da weisere Zauberkraft anmaßen als die Natur und das göttliche Werk in einem menschlichen Gehirn zerstören? Vielleicht hätte ich es gekonnt, mit Lug und Trug; doch dieses Kind hat es selbst gesagt, ich war zu sehr Ehrenmann, um meinen schwierigen Auftrag würdig zu erfüllen. Ich konnte ihm den wahren moralischen Wert der Dinge nicht vorenthalten, und was seine Urteilskraft verfälschen sollte, hat nur dazu gedient, sie in die richtige Richtung zu lenken …
(Er horcht auf Worte aus dem Nebenraum.)
Sie erheben die Stimmen … Die Stimme des Alten ist schroff und hart, die des Kindes zittert vor Zorn … Wie denn! Er wagt es, dem zu trotzen, dem noch niemand ungestraft getrotzt hat! Mein Gott, gib, dass er sich nicht den Hass dieses unerbittlichen Manns zuzieht!
(Er horcht wieder.)
Der Alte droht, das Kind widerspricht … Dieses Kind ist edel und offenherzig; ja, eine schöne Seele, und ich hätte sie verderben und in den Schmutz ziehen sollen, denn dieses Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit wird zur Folter werden in der unmöglichen Situation, in die er geworfen wird. Ach, Ehrgeiz, Marter der Fürsten, welch schändlichen Rat gibst du ihnen, und welchen Trost kannst du ihnen andererseits schenken! … Ja, Ehrgeiz und Eitelkeit können in Gabriels Seele die Oberhand gewinnen und ihn gegen die Verzweiflung wappnen …
(Er horcht.)
Der Fürst spricht mit Nachdruck … Er kommt hierher … Soll ich mich seinem Zorn stellen? … Ja, um Gabriel davor zu schützen … Gebe Gott, dass er mich alleine trifft … Das Donnerwetter scheint sich zu legen; nunmehr spricht Gabriel mit großer Sicherheit … Gabriel! Welch absonderliches, unglückliches Geschöpf, so einzigartig auf der Welt! … Mein Werk, das heißt, mein Stolz und meine Reue! … und meine Qual! Gott, du allein weißt, welche Marter ich seit zwei Jahren leide … Wahnwitziger Alter! Du hast dein Herz nie für etwas anderes schlagen hören als für das leere Hirngespinst des falschen Ruhms, du hast nicht geahnt, dass ich leiden könnte! Gott, du hast mir große Kraft gegeben, ich danke dir, dass meine Prüfung beendet ist. Wirst du mich dafür strafen, dass ich sie angenommen habe? Nein! Denn ein anderer an meiner Stelle hätte sie vielleicht schändlich ausgenutzt … und ich habe zumindest das Geschöpf so gut geschützt, wie ich konnte, wenn ich es schon nicht retten konnte.