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Matriarchat versus Patriarchat
ОглавлениеDas Matriarchat (Frauenherrschaft) als Gegenentwurf zum Patriarchat im Sinne eines feministisch geprägten Ideals macht keinen Sinn und hat auch kein historisches Vorbild.
Was wir kennen sind matrilineale soziale Strukturen. Das betrifft ca. 20 % der mittlerweile 1300 erfassten Ethnien, und die sagen noch nichts über bestehende Machtverhältnisse aus.
Im Feminismus gibt es die Tendenz, dass im Matriarchat eine friedlichere und menschlichere Gesellschaft entstehen würde. Dabei wird unterstellt, dass die gesamte Machtstruktur von Frauen bewirtschaftet wird. Ausser in der Legende von den Amazonen (die offensichtlich nicht friedlich waren) ist mir kein entsprechendes Beispiel bekannt.
Hingegen gibt es historisch wie in der Gegenwart etliche martrilineare Gesellschaften, in denen Frauen eine herausragend bestimmende und gestaltende Rolle wahrnehmen.
Matrilineare Gesellschaften gibt es seit Jahrtausenden. Angelika Lohwasser schreibt in ihrem Buch „Die Darstellung der königlichen Frauen von Kusch“:
Im Vergleich zu den Kulturen der Alten Welt, auch im Vergleich zu Ägypten, hatten die königlichen Frauen im Reich von Kusch eine bedeutende Stellung inne, sodass sie in der meroitischen Periode (ca. 275 v.Chr. – 330 n.Chr.) sogar als regierende Herrscherinnen den Thron besteigen konnten. Doch auch schon in der davorliegenden napatanischen Periode (8.Jh.v.Chr. - ca.275 v.Chr.) wurden solche Frauen in verschiedenen Zusammenhängen dargestellt und in Texten erwähnt. Grundsätzlich sind sie als Begleiterinnen des Königs in Kulthandlungen, aber auch als selbständige Akteurinnen vor Göttern zu finden. Als regierende Herrscherinnen treten sie wie ihre männlichen Amtsgenossen auf, jedoch werden sie ikonographisch deutlich als Frauen gekennzeichnet.
Leider können Schrift und Zeichen noch nicht genügend verstanden werden, aber nach allem Anschein handelt es sich um eine matrilineare Kultur.
Es ist naheliegend, dass Frauen als Gebärende und Behütende, alles zerstörende und tötende ablehnen. Das Schlachtfeld als Feld der Ehre ist eine männliche Perversion. Der Krieg aus Macht und Habgier ist ebenfalls männlich besetzt. Der Krieg als Sicherung des eigenen Territoriums wird durchaus auch von Frauen geführt, und religiös motivierte Kriege betreffen beide Geschlechter.
Interessant sind die matrilinealen Gesellschaften bei denen die Frauen auch die wirtschaftlichen Mittel beherrschen. Dort bleibt nicht nur die Namensgebung, Erziehungsgewalt und Sippenzugehörigkeit in der mütterlichen Linie, sondern auch das Eigentum wie Häuser, Grund- und Wasserrechte, Vieh und alle anderen Vermögenswerte. Damit ist die existenzielle Sicherheit der Frau und ihrer Nachkommen gewährleistet. So können Frauen in landwirtschaftsorientierten Gesellschaften ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen, was sich in patriarchalischen Gesellschaften als schwierig erweist, zumal die Frauen, selbst wenn man ihnen Eigenständigkeit zugestehen würde, diese erst erlernen müssten.
Interessant sind die Erfahrungen des Grameen-Bank Gründers Professor Yunus in Bangladesch.
Das System funktioniert so: Die Kreditnehmer, (heute über 90% Frauen) wurden zuerst von ihm beraten. Herr Yunus schildert, wie sich in einem Dorf die Menschen um ihn versammelten. Er stellte Fragen über ihre Lebensbedingungen und erfuhr, dass die Männer für das Geld zuständig waren und die Frauen mit dem, was sie bekamen, gleichgültig wie wenig es war, die Familie ernähren mussten. Er staunte über die grosse Kreativität, mit der die Frauen das immer wieder meisterten. Er sagte ihnen das und fragte, ob sie nicht daran interessiert seien, selbst Geld zu verdienen. Eine Frau sagte, sie könne nichts, was Geld wert wäre. Ihre Aufgabe sei es für die Familie zu sorgen. Er fragte in die Runde, was diese Frau denn besser könne als alle anderen, denn jeder Mensch könne etwas besonders gut. „Sie backt die besten Plätzchen im Dorf, ihr Gebäck ist wunderbar“ sagten die anderen Frauen. „Wenn ich Ihnen jetzt das Geld für die Zutaten gäbe, könnten Sie das Gebäck herstellen, was andere begeistert und auf dem Markt verkaufen.“ „Ich kenne mich mit Geld nicht aus, das ist Männersache.“
Bangladesch hat keine monotheistische Religion, aber eine patriarchalische Gesellschaft, in der Frauen zur Unmündigkeit erzogen werden.
Trotzdem waren die Bemühungen von Herrn Yunus erfolgreich. Die Frauen investierten, um etwas zu produzieren, und zahlten das geliehene Kapital in aller Regel pünktlich zurück. Aber wo Frauen und Kinder sind, gibt es auch Ehemänner. So musste sich die Bank immer wieder mit den missbräuchlichen Eingriffen der Ehemänner befassen.
Die meisten matrilinearen Gesellschaften räumen dem Mann keine übergeordnete Macht ein, aber dadurch ist er nicht ohne Einfluss im sozialen Miteinander. Die Rolschaftlichen Regeln unterschiedlich. Ich stelle drei Beispiele vor:
1 die Khasi oder Ki Khasi (die von einer Frau geborenen), ein indigenes Volk im Nordosten Indiens:Wie schon erwähnt sind Abstammung, Familienname und Erbfolge von der Mutter hergeleitet. Die Frauen besitzen Grund und Boden.Die Männer gehören zur Grossfamilie der Mutter und haben von ihr den Familiennamen und die Clanzugehörigkeit. Sie sind Teil der Solidargemeinschaft und müssen zum Unterhalt beitragen. Nach der Heirat zieht der Ehemann zu seiner Frau, in das Haus der Schwiegermutter. Die Kinder werden vor allem von den Brüdern der Mutter betreut und beschützt.
2 Die Irokesen (nordamerikanische Indianer)Bei den Irokesen kommt noch hinzu, dass jeder Clan von einer Frau geführt wurde, der ein von den Frauen gewählter Häuptling zur Seite stand. Aber nicht nur der Häuptling, alle wichtigen Personen, ob Frauen oder Männer wurden von Frauen gewählt. Ohne die Einwilligung der Frauen konnte kein Krieg geführt werden und Mütter konnten ihren Söhnen die Teilnahme an einem Kriegszug verbieten.
3 Die Mosuo leben zwischen den Provinzen Yunnan und Sichuan im Südwesten Chinas.Die Mosou haben ausser den typischen matrilinearen Strukturen eine ungewöhnliche Kultur der sexuellen Beziehungen. Die Mosuo kennen keine Ehe; sie halten eine solche Bindung für unnatürlich und sehen sie als eine Gefahr für die Familie.Praktiziert wird eine Besuchsehe. Die Männer besuchen ihre Geliebte bei Nacht und kehren morgens in den Haushalt ihrer Mutter zurück. Wenn die Frau den Kontakt abbrechen möchte, hängt sie ein entsprechendes Zeichen aussen an ihre Tür, und der Mann wird von da an nicht mehr anklopfen.Männer wie Frauen können mehrere sexuelle Beziehungen parallel haben, was aber äusserst selten geschieht. Die meisten Beziehungen sind langfristig und oft lebenslang. Zudem ist es für die Mutter beschämend, wenn sie den Namen des Vaters ihres Kindes nicht nennen kann, nicht hingegen für die Kinder.
In einigen Gebieten der Erde gibt es die Polyandrie, indem sich mehrere Männer eine Frau teilen. Ursachen können Frauenmangel sein wie im Tsum-Tal in Nepal, oder begrenzte Ernährungsgrundlagen. Im letzteren Fall wird die Geburtenrate dadurch limitiert, dass der Frau nur eine begrenzte Anzahl von Geburten möglich ist. In den meisten Fällen sind es mehrere Brüder, die sich eine Frau teilen.
Das sich ein und unterordnen des Mannes in ein matrilineares System, das gewählt und bestimmt sein in der intimen Beziehung, das Teilen von Ehepartnerinnen geschieht selbstverständlich, ohne jedes Drama.
Ich erwähne das, weil dadurch klar wird, dass beides, Eifersucht und Besitzverteidigung sowie das Teilen und Unterordnen offensichtlich keine unüberwindbare naturgegebene Verhalten sind, sondern durch kulturelle Prägung beeinflusst werden können.
Wir sind also durchaus zu einer liberalen Geschlechterbeziehung fähig und keineswegs durch genetische Dispositionen zum Geschlechterkampf verurteilt.