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Cat and Fiddle

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Es gibt härtere Anstiege im Nordwesten von England. Holme Moss ist ein echtes Brett. Es gibt auch spektakulärere: Den Winnats Pass vergisst du nicht so schnell, und die Straße durchs Goyt Valley entlang der beiden Stauseen ist wunderschön. Es gibt längere: Fahr den Snake Pass quer über die Peaks und er steckt dir lange in den Knochen. Fahr in den Lake District und den Whinlatter und den Honister und den Hardknott hinauf und du hast es schwer und lang und schön, alles in einem.

Aber der Cat and Fiddle ragt heraus, wegen seiner Lage und wegen dem, was er mit dir anstellt. Wenn du auf dem Rad in der Gegend unterwegs bist – von Manchester, Buxton oder Stoke aus –, stellt der raue Asphalt eine echte Prüfung dar. Es ist eine richtige Straße, die von der Westseite der Peaks in Macclesfield bis nach oben führt und von dort hinab in die Kalktäler und Granitplateaus, und du siehst dort ebenso viele Motorräder und Lieferwagen wie Fahrräder. Der Anstieg bedeutet elf Kilometer Kurven und Plackerei und, wenn du Glück mit dem Wetter hast, auch tolle Aussichten, und er bringt dich von einer Welt in eine andere: von urbanen Straßen und Supermärkten hinauf in eine öde Landschaft aus Wind und Regen und Grasbüscheln, die schmatzen, wenn du dich zum Ausruhen draufsetzen willst.

Kurz gesagt: Der Cat and Fiddle ist wie Arsenal in der Spätphase von Arsène Wengers Amtszeit. In keiner Kategorie herausragend, aber immer unter den ersten vier. Normalerweise kein echter Prüfstein für die Besten, aber manchmal kann er sie ein bisschen ärgern. Du magst ihn irgendwie, weißt aber um seine Schwächen.

Als ich von Südwales nach Manchester zog, um unter Rod Ellingworth für die Akademie des britischen Radsportverbands zu fahren, war der Cat and Fiddle unser Standardanstieg, eher noch als der berühmte Brickworks ab Pott Shrigley. Er war der am leichtesten zu erreichende Berg von Manchesters südlichen Vororten aus, bot genug Höhenmeter und ansteigende Kilometer, um unsere Trainingseinheiten durchzuziehen, und dazu noch eine Prise Abenteuer. Wir fuhren immer von der Macclesfield-Seite aus hoch und kehrten kein einziges Mal im Pub am Gipfel ein, der dem Anstieg seinen Namen gibt, was im Nachhinein ein Jammer ist. Ich bin so viele Male daran vorbeigekommen, dass ein Absacker längst überfällig ist. Er wirkt auf mich immer wie der einsamste Pub der Welt. Es gibt im Umkreis von mehreren Meilen keinerlei Behausung. Du schaust nicht um neun Uhr abends auf die Uhr und sagst dir, ich gehe mal auf einen Sprung ins Cat and Fiddle und trinke ein Gläschen – es sei denn, du zeltest da oben auf der Heide.

Du kannst dich vor dem Wetter nicht verstecken, wenn es dich an diesem Anstieg erwischt. An einem klaren Tag kannst du bis nach Manchester im Nordwesten sehen, siehst die Bögen der weißen Radioteleskope des Jodrell-Bank-Observatoriums, die sich aus der Ebene von Cheshire erheben. Das Problem ist, dass es nur wenige klare Tage gibt. Auf dem Cat and Fiddle kann es ziemlich stürmisch werden.

Die nackten Zahlen werden ihm nicht ganz gerecht. Eine durchschnittliche Steigung von knapp über 3 %, aber mit Abschnitten bis zu 8 %, außerdem heftige 6 % auf den ersten beiden Kilometern hinter der Stadt. Es ist ein strammer, ansehnlicher Anstieg. Nimmst du zu viel Tempo heraus, werden die Laster, die hinauftuckern, dir gehörig eins hupen, denn wenn sie den Schwung verlieren, brauchen sie eine Ewigkeit, um wieder in die Gänge zu kommen. Es gibt Abschnittskontrollen, damit die Motorräder es nicht zu bunt treiben, außerdem ein Schild, das vor Tieffliegern warnt, wobei man sich natürlich jedes Mal unweigerlich fragt, ob sie nicht ein bisschen sehr tief unterwegs sind, wenn man Menschen auf zwei und vier Rädern vor ihnen warnen muss.

Unser Training am Cat and Fiddle war auf Wettkämpfe auf der Bahn ausgerichtet. Eine Fahrposition, wie man sie eher auf dem Zeitfahrrad einnimmt, mit nach vorn gedrehter Hüfte. 20 Sekunden Vollgas, 40 Sekunden Erholung. Richtig kurz und richtig intensiv. Oder längere Belastungen mit größeren Übersetzungen, wobei mir aber stets geraten wurde, die Kette hinten lieber ein Ritzel nach links als nach rechts wandern zu lassen. Von Natur aus mochte ich es, dicke Gänge zu treten. Für die Bahn ist das eher nicht geeignet. Du baust Kraft auf, büßt aber ein wenig Schnelligkeit ein.

Der Cat and Fiddle war der erste Ort, wo ich vernünftig strukturiertes Training absolvierte – von den erwähnten 20/40-Einheiten über Intervalle in Zone 3 bis hin zu durchgängigen Belastungen an der Schwelle von unten im Tal bis oben zum Gipfel. An diesem Anstieg war es, dass wir lernten oder zumindest anfingen zu lernen, wie man Belastungen einschätzt: wann man mit unvermindertem Druck auf dem Pedal voll durchzog, wann man sich etwas erholte. Vorher trainierte ich einfach so, wie es jeder Junior tat, getreu dem Motto: Fahr so viel Rad, wie es geht. Wechselnde Intensitäten? Ach was, einfach richtig reintreten, bis der Anstieg zu Ende ist. Am Cat and Fiddle lernten wir unser Handwerk.

Aber es waren nicht diese Belastungen und Intervalle, die am meisten wehtaten. Heftig war vor allem das, was der Cat and Fiddle sonst noch mit sich bringen konnte. Eines Tages im Winter fing es an zu schneien, als Ian Stannard und ich gerade um den Kreisverkehr am Tesco in Macclesfield fuhren. Anderthalb Kilometer weiter hatte der Schnee bereits begonnen, sich auf unseren Armen und Rücken zu sammeln. Weitere anderthalb Kilometer danach hatten wir ihn in den Augen. Fünf Minuten später konnten wir die Straße nicht mehr erkennen.

Jeder wusste, was der andere dachte: Wenn es hier schon so schlimm ist, wie soll es dann erst da oben sein? Sollen wir umkehren? Hätten wir nicht längst umkehren sollen?

Natürlich wollte keiner von uns beiden den Gedanken aussprechen. Keiner wollte der Erste sein, der einknickt. Also machten wir weiter, kämpften uns durch das, was sich inzwischen zu einem veritablen Schneesturm ausgewachsen hatte, den ganzen Weg bis zum Pub am Gipfel. Und dann schauten wir uns an und schluckten. Wenn es den Weg hinauf schon so schlimm war, wie wäre es dann erst auf der Abfahrt, bei 80 Kilometern in der Stunde?

Wir fuhren nach Buxton hinab, eher auf dem Oberrohr als auf dem Sattel sitzend, ein Fuß ausgeklickt, damit wir ihn immer mal wieder auf die vereiste Straße setzen konnten, um zumindest etwas mehr Stabilität zu gewinnen. Die Frage war, warum wir weiter nach Buxton fuhren statt nach Hause. Es war weiter weg. Das Wetter wurde noch schlimmer, wenn das denn überhaupt möglich war. Mit jeder eisig kalten Minute bereuten wir unsere Entscheidung mehr.

Aber ich habe Schlimmeres erlebt. Ein oder zwei Jahre später absolvierte ich den Cat and Fiddle bei angenehmen äußeren, aber zunehmend problematischen inneren Bedingungen. Was in Manchester als flaues Gefühl begonnen und sich bis Macclesfield zu regelrechten Krämpfen entwickelt hatte, wurde bis zum Gipfel zu einem überlebenswichtigen Bedürfnis, alles herauszulassen.

Der Pub war geschlossen und ich weiß auch nicht, was die Betreiber davon gehalten hätten, wenn sich ein Mann in hautengen Klamotten und mit klackernden Cleats ohne etwas zu bestellen den Weg durch die Gästeschar gerempelt hätte und schnurstracks in die Herrentoilette gerannt wäre. Die Landschaft um mich herum bot sehr wenig Deckung, abgesehen von den bereits erwähnten knöchelhohen Büscheln nassen Grases.

Es sind keine stolzen Momente, die Nachwehen solcher Episoden. Sie bringen Erleichterung, aber keinen Stolz. Du schaust dich um und hoffst nur, nicht ein paar Meter entfernt ein paar erschrockene Wanderer zu erblicken, die sich eines – bis vor einige Sekunden noch – erbaulichen Marsches durch die Hügel erfreut haben. Du hoffst, dass nicht ein neugieriger Hund mit hängender Zunge seiner Nase folgt. Du ziehst die Radhose wieder hoch und betest, dass du es nach Hause schaffst, bevor neues Unheil droht.

Er konnte echt in jeder Hinsicht eine Strafe sein, der Cat and Fiddle. Ich erinnere mich an den Abend des Champions-League-Finals von 2005, ein absoluter Klassiker zwischen dem FC Liverpool und dem AC Mailand, und außerdem mein Geburtstag. Als junger Radsportler gehst du nicht viel aus, aber dies schien mir ein gleich doppelt guter Grund zu sein, mal loszuziehen. Ein Grund, den doch bestimmt jeder Trainer akzeptieren würde. Mein Mitbewohner Matt Brammeier willigte ein, mit mir in den Pub zu gehen. Meine anderen Mitbewohner, Ed Clancy und ein gewisser Mark Cavendish, kniffen und gingen früh ins Bett.

Ich war nicht davon ausgegangen, dass es so spät werden würde. Das Spiel ging in die Verlängerung und ins Elfmeterschießen. Auf dem Heimweg nahmen wir noch einen kleinen Imbiss bei Subway. Trotzdem wäre alles okay gewesen, wenn der beste Sprinter seiner Generation nicht so eine Petze gewesen wäre und uns bei Rod und Dave Brailsford angeschwärzt hätte.

Der Anschiss am nächsten Morgen hatte es in sich. Ich wurde für das Five Valleys gestrichen, auf das ich mich so sehr gefreut hatte, und stattdessen auf den Cat and Fiddle geschickt. Noch dazu zusammen mit Steve Cummings und Bradley Wiggins, die soeben vom Giro heimgekehrt waren und dementsprechend die Art von Kletterform mitbrachten, in der du einen britischen Hügel als Horsd’œuvre verspeist.

Wir waren an jenem Tag nicht langsam unterwegs und es war auch keine kurze Ausfahrt. Längst auf der letzten Rille fahrend, vergeudete ich das Bisschen überschüssigen Atem, das ich noch hatte, um Brad zu fragen, wie es denn so war, eine richtige Grand Tour zu bestreiten. Und die ganze Zeit schwor ich mir unentwegt zwei Dinge: Den Cat and Fiddle würde ich nie wieder unterschätzen, und Cav würde ich diese Sache mein Lebtag nicht verzeihen.

Radsportberge und wie ich sie sah

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