Читать книгу Radsportberge und wie ich sie sah - Geraint Thomas - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеBerge sind etwas Besonderes. Fährst du Rad, möchtest du Berge hinauffahren. Sei es im Rennen, sei es im Training, aber immer, um oben anzukommen – um dir zu beweisen, dass du es kannst, dass du es mit dem Asphalt und den Elementen aufnehmen und sie alle bezwingen kannst.
Deshalb klettern wir mit dem Rad ewig lange Anstiege hinauf. Wegen der Herausforderung, wegen der Befriedigung. Wegen der großartigen Aussichten, wegen der Geschichten, die wir hinterher zu erzählen haben. Wegen der Chance, die Erfahrungen unserer Helden am eigenen Leib nachzuvollziehen und vielleicht selbst das eine oder andere Epos zu schreiben.
Die Berge sind es, wo die meisten großen Radrennen gewonnen oder verloren werden. Dort ist es, wo die Atmosphäre am besten ist, wo die Fans umsonst zuschauen können und mehr von den Fahrern zu sehen bekommen als irgendwo sonst. Die Berge sind es, wo die Tour de France und der Giro d’Italia entschieden werden, wo Rennfahrer sich einen Namen machen und Männer und Frauen an der Herausforderung zerbrechen können. Denn sie können auch grausam und furchteinflößend sein, diese Anstiege. Es kann sich wie ein Ding der Unmöglichkeit anfühlen, sie jemals hinaufzukommen, und es kann einem wie purer Wahnsinn erscheinen, sie hinabzurasen. Am Berg kannst du eine so intensive Hitze erleben, dass du dir literweise Wasser über den Kopf kippst. Du kannst in so heftigen Hagel und Schnee geraten, dass dir jegliches Gefühl in Fingern und Füßen abhandenkommt. Du siehst Täler unter dir und Gipfel über dir. Du spürst den Wind und siehst die Abgründe und fühlst dich lebendiger als irgendwo sonst auf dem Rad.
Doch alles, was die Radsportberge schwer macht, macht sie auch so reizvoll. Je schwerer sie sind, desto länger bleiben die Erinnerungen. Und desto größer sind auch die Namen, an die man sich erinnert: Anquetil, Merckx, Induráin. Am Berg kannst du dich nicht verstecken, und die Wahrheiten, die er zutage fördert, sind unausweichlich. Ein großer Anstieg lässt dir keine Möglichkeit, dich irgendwie durchzumogeln: Du musst es packen, du musst es bringen. Es geht nur um dich und die Straße und was du im Herzen und in den Beinen hast. Berge im Radsport bedeuten Schmerz und Magie. Sie bestrafen dich, aber sie geben dir auch viel zurück.
Du kannst Fußball über alles lieben, und doch wirst du wahrscheinlich niemals die Chance bekommen, in Wembley ein Tor zu schießen. Du kannst Rugby lieben und wirst wohl nie die Möglichkeit erhalten, im Principality Stadium über die Torlinie zu hechten. Du kannst dein Leben lang Tennis schauen, kannst aber nur davon träumen, jemals auf dem Center-Court in Wimbledon einen Volley über das Netz zu schmettern. Im Radsport aber kannst du genau die gleichen Anstiege fahren wie die größten Legenden des Sports. Du kannst durchmachen, was sie durchgemacht haben. Du kannst Alpe d’Huez und den Koppenberg hinauffahren und alle möglichen anderen berühmten und weniger berühmten Radsportberge dazwischen.
Und das hier ist also mein Buch über sie. Wie ich sie hinaufkomme, was sie mit uns im Profi-Peloton anstellen. Wie auch du sie hinaufkommst, wo die Attacken erfolgen, wo die Gefahren lauern. Was wir essen und trinken, welche mentalen und körperlichen Nöte wir durchleben. Die tollen Tage, die ich erleben durfte, die schrecklichen, die mir ebenfalls nicht erspart geblieben sind. Die geheimen Daten, die geheimen Namen, der Grund, warum sie uns noch lange begleiten, wenn wir längst wieder im Flachen unterwegs sind und sich die Aufregung gelegt hat.
Die Berge, um die es in diesem Buch geht, sind eine sehr persönliche Auswahl. Es sind die Anstiege, die mir als Kind, als ehrgeiziger Junior und als erfolgreicher Profi etwas bedeutet haben. Sie sind über die ganze Welt verstreut, und die Bandbreite reicht von kleinen Klumpen Lehm bis hin zu riesigen, brutalen Monstern. Aber sie alle sind besonders und sie alle sind magisch. Und sie alle sind da draußen: Es kostet nichts, sie zu fahren, und sie warten nur darauf, dass auch du dich an ihnen versuchst.
Genieße und leide und genieße noch ein bisschen mehr. Meine Berge sind deine Berge. Lass uns klettern.