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Kapitel 5: Die Mutmaschine

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So hatte sich der kleine Peter Baaks eine Mutmaschine erfunden. Er wusste in diesem Augenblick, dass er durch sie die Kraft bekommen würde, sich in jedem Augenblick seines Lebens zurechtzufinden, ja neu zu erfinden. Er würde sich ein Selbst aus dem Staub der Dinge erschaffen, ein Selbst, das all dem gewachsen sein würde. Als Erster würde er anklopfen, als Erster würde er eintreten. Das hatte er sich selbst bereits beigebracht. Weiter würde er sich selbst ein Haupt aufsetzen und groß denken und durch diese Selbstbehauptung Aufmerksamkeit erzeugen und alle würden begeistert sein von ihm und seiner charmanten Selbstbehauptung. Mit seiner Mutmaschine würde er sich auch das Gefühl erfinden, mittendrin zu sein, von allen geachtet, bewundert. Er würde im Varieté des Lebens auftreten und die kleinen Komplikationen seines erfundenen Selbst in Unterhaltung verwandeln. Nicht im Käfig der zoologischen Gärten, wo sich die meisten aufhalten, ohne Tänze, ohne die Farbspiele unter den Röcken der Poesie. Auf der Bühne seines Varietés würde er schreien, wenn dem Außergewöhnlichen wieder und wieder die Handschellen angelegt würden und das Mittelmaß zum Maß aller Dinge ausgerufen würde. Aus geistigen Einbahnstraßen würde Baaks Durchfahrtstraßen bauen, und sein Kopf würde ein Vulkan sein, mit dem er seine brennende Sehnsucht gegen eine abgelebte, verkrustete Welt spuckte. Oder sollte er sich später in seinem Leben als Schriftstehler versuchen, den ererbten und weiterentwickelten Wahnsinn seines Lebens abschreiben und ihn als Literatur zwischen zwei Buchdeckel quetschen? Würden die Menschen ihn lieben, wenn er mit seinem Stift den Nebel ihrer Spiegel abkratzen würde! Nein, sie würden ihn nicht lieben. Niemand will etwas mit einem verzweifelten Menschen zu tun haben, schon gar nicht mit einem verzweifelten Dichter. Nein, seine Mutmaschine wird es nicht zulassen, dass er ein verzweifelter Mensch wird. Sie wird ihm immer wieder helfen, sich ein neues Immunsystem zu schaffen, damit er die Schlachten der lauen Temperaturen inner- und außerhalb seines Körpers gewinnen würde.

Baaks öffnete die Tür zu seinem Abteil. Er lief hinaus auf den Gang in der Hoffnung, den Jungen zu sehen, aber er konnte ihn nicht mehr sehen. Stattdessen stand der Schaffner da. Er fragte Baaks, ob er einen Wunsch hätte. Zuerst verneinte Baaks, doch dann verspürte er Appetit. Der Schaffner zeigte ihm den Weg zum Speisewagen, und obwohl Baaks jede Ansammlung von Menschen zuwider war, entschied er sich, den Speisewagen aufzusuchen.

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