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3. Neue Denkweisen und Entwicklungen im 11. Jahrhundert

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Zu den Rahmenbedingungen der Herrschaft Heinrichs IV. gehörten nicht nur die eingespielten Verfahren und die etablierten Konventionen im Kräftefeld von Königtum, Adel und Kirche, sondern auch die Entwicklung der neuen Ideen, die in seiner Regierungszeit maßgeblich dazu beitrugen, dass Kirche und Welt in Konflikt gerieten und in der Folge ihr Verhältnis grundsätzlich neu zu ordnen hatten. Man bezeichnet das 11. Jahrhundert gern als Zeitalter der Kirchenreform und akzentuiert damit die Tatsache, dass es kirchliche Kräfte waren, die für wesentliche Veränderungen in dieser Zeit sorgten. Diese Veränderungen sind hier nur insoweit zu diskutieren, als sie die Herrschaftsgrundlagen des salischen Königtums tangierten. Das aber war angesichts der angesprochenen engen Verflechtung der Kirche in Belange der weltlichen Herrschaft in mehrfacher Hinsicht der Fall. Nicht umsonst wird die Epoche auch Zeitalter des Investiturstreits genannt. Die Ergebnisse und Konsequenzen der Kirchenreform, zu denen nicht zuletzt der Streit um die Einsetzung der Bischöfe zählt, gehören daher in der Tat zu den die Epoche kennzeichnenden Vorgängen, und sie haben die Rahmenbedingungen der Königsherrschaft in verschiedener Hinsicht verändert.38

Zwar ist vor einiger Zeit noch zu Recht bemängelt worden, dass der Begriff „Kirchenreform des 11. Jahrhunderts“ alles andere als exakt definiert sei.39 Zentrale Anliegen dieser vielschichtigen Reformbemühungen werden aber sicher richtig mit den Begriffen Zölibat, Simonie und Investitur bezeichnet. Doch erweiterten und verdichteten sich die Reformforderungen zu dem grundsätzlichen Ziel der libertas ecclesiae, und zwar der Freiheit der Kirche vor allem vom Einfluss der Laien, wozu man auch den König zählte. Und damit waren die königlichen Herrschaftsgrundlagen in der Tat tangiert, die, wie angesprochen, zu einem Gutteil von den materiellen wie den personellen Ressourcen der kirchlichen Institutionen gebildet wurden, die ihrerseits allerdings wieder aus königlichen Schenkungen und Privilegien entstanden waren.

Mit diesen Reformbemühungen ging im 11. Jahrhundert eine innerkirchliche Hierarchisierung einher, durch die das Papsttum sich die Kompetenzen umfassender Zuständigkeit und Jurisdiktionsgewalt erst erkämpfte. Das bekamen zunächst nicht einmal die Herrscher, sondern in erster Linie die Bischöfe zu spüren, die seit der Mitte des 11. Jahrhunderts in neuartiger Weise nach Rom zitiert wurden, um sich vor dortigen Generalsynoden zu verantworten. Diejenigen, die dies verweigerten, verfielen der Exkommunikation.40

Es entbehrt nun nicht einer gewissen Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die Kräfte, die sich später gegen Heinrich IV. und seine Herrschaft wandten, von seinem Vater, Kaiser Heinrich III., gefördert beziehungsweise erst eigentlich in Rom installiert worden waren. Das sogenannte Reformpapsttum verdankte die Begründung seiner Existenz in Rom nämlich nicht zuletzt der Tatsache, dass Kaiser Heinrich III. im Jahre 1046 auf einer berühmten Synode in Sutri drei widerstreitende Päpste abgesetzt und einen vierten ins Amt gebracht hatte. Dieser eröffnete eine Reihe von deutschen Päpsten, die zuvor Reichsbischöfe gewesen waren und es teilweise auch blieben, nachdem sie den Stuhl Petri bestiegen hatten: Clemens II., Damasus II., Leo IX. und Viktor II. Mit diesem erfolgreichen Versuch, das Papsttum aus den Parteikämpfen der römischen Adelsgruppen zu lösen, indem der Kaiser Bischöfe aus dem Reichsgebiet mit seiner Autorität auf dem Stuhle Petri stützte, kamen aber auch die Ideen nach Rom und damit zu einer gesamtkirchlichen Wirksamkeit, die auf eine Reform zunächst einmal innerkirchlicher Missstände zielten. Während man früher angesichts der lothringischen Herkunft einiger Päpste wie ihrer gelehrten Begleiter einen überragenden Einfluss des cluniazensischen Mönchtums auf die Ausformung der Reformideen angenommen hat, ist man von diesen „hochgetürmte[n] Hypothesen“ inzwischen nachhaltig abgekommen und sieht keinen direkten Weg mehr von Cluny oder von Lothringen in den Investiturstreit.41 Geplant und bewusst vom Zaune gebrochen wurde dieser Kampf um die rechte Ordnung von Kirche und Welt allem Anschein nach wohl nicht.42

Sowohl die Forderungen nach Beachtung des Zölibats als auch diejenigen des Verzichts auf simonistische Praktiken, die zunächst das Zentrum der Reformforderungen bildeten, fanden denn auch die tatkräftige Unterstützung Heinrichs III., der sich nicht scheute zu beklagen, dass sein Vater Konrad II. sich der Sünde der Simonie schuldig gemacht hatte und der für seine Person gelobte, sich solcher Praktiken zu enthalten.43 Nun war Simonie in ihrer krassen Form, nämlich der Zahlung von Geld zur Erlangung geistlicher Ämter, gewiss ein Missstand, den nur wenige verteidigten, obgleich er natürlich vorkam. So hatte etwa Kaiser Heinrich II. bei Thietmar von Merseburg vor dessen Bischofserhebung anfragen lassen, ob er bereit sei, etwas von seinem großen Vermögen seiner zukünftigen Bischofskirche zukommen zu lassen, die überaus arm sei. Thietmar, der genau wusste, dass eine Zusage den Tatbestand der Simonie erfüllt hätte, stellte nach eigener Aussage nur in Aussicht, nach seiner Erhebung die Frage wohlwollend zu prüfen. Dies genügte, aber es fragt sich natürlich, ob Thietmar wirklich die Option hatte, nach seiner Bischofserhebung die Übertragung seines Vermögens an seine neue Kirche zu verweigern. Hier heiligte der Zweck wohl die Mittel, und da der Zweck, die arme Kirche materiell besser auszustatten, durchaus lobenswert war, war der Fall anders zu beurteilen als etwa eine Geldzahlung an den König für eine solche Promotion.44

Die radikalen Reformer entwickelten jedoch einen erheblich erweiterten Simoniebegriff, indem sie jede Art von Gegenleistung nach der Erlangung eines geistlichen Amtes als Tatbestand der Simonie deklarierten. In diesem Verständnis wäre etwa die Bereitschaft eines Bischofs, sich im Reichsdienst für den König zu engagieren, Simonie gewesen, da sie eine Gegenleistung für die Erlangung des Amtes darstellte. Diese Auffassung hat sich jedoch nicht durchgesetzt, denn auch im 11. Jahrhundert hat man schon sehr programmatisch formuliert und dann sehr viel pragmatischer gehandelt. Doch zeigen solche Überlegungen, in welche Richtung gedacht wurde und dass in der Tat die Verflechtung von geistlichen und weltlichen Aufgaben in das Visier der Reformer geraten war, auch wenn nicht jede ihrer theoretischen Überlegungen in die Praxis umgesetzt wurde. In jedem Fall aber war durch das Zusammenwirken von Kaiser Heinrich III. mit den Reformern die Praxis geächtet, für eine Bischofserhebung Zahlungen des Erhobenen entgegenzunehmen. Heinrich IV. und einige seiner Bischöfe haben hierdurch große Schwierigkeiten bekommen.

Vorrangig innerkirchliche Brisanz entwickelte dagegen der Kampf der Reformer für die Ehelosigkeit und Keuschheit der Priester. Nach einer Reformsynode Papst Leos IX. in Mainz, auf der wie schon häufig zuvor diese Forderungen mit allem Nachdruck erhoben worden waren, hört man ein vielleicht bezeichnendes Echo aus Hamburg, das dem Erzbischof Adalbert zugeschrieben wird: Er habe in Hamburg von den Beschlüssen der Synode berichtet, dass sich der Klerus gänzlich des Umgangs mit Frauen zu enthalten habe. Da das aber unmöglich sei, weil es Vollkommenheit voraussetze, solle man in Hamburg, nach Rat des Erzbischofs, wenigstens die Frauen aus dem unmittelbaren Umfeld der Domburg entfernen. Si non caste, tamen caute, habe der Erzbischof gesagt, ein Wortspiel nutzend, „wenn schon nicht keusch, dann doch wenigstens vorsichtig“.45 Nicht überall hat man so pragmatisch reagiert: In Mailand etwa übte die Volksbewegung der Pataria mit massiver päpstlicher Unterstützung erheblichen Druck auf die verheirateten oder im Konkubinat lebenden Priester aus und zwang sie, ihre Lebensweise zu ändern.46

Auf der zitierten Mainzer Synode war es auch zu Schwierigkeiten gekommen, die den Anspruch der Reformpäpste auf eine Suprematie-Stellung veranschaulichen. Während der Messfeier des Mainzer Erzbischofs hatte ein Mainzer Diakon die Lesung in einer Weise gesungen, die nicht dem römischen Ritus entsprach. Daraufhin hatte ihn Leo IX. ermahnt, was jedoch nichts genutzt hatte. Kurzerhand degradierte daher der Papst den Diakon und entsetzte ihn seiner geistlichen Weihen. Hierauf intervenierte der Mainzer Erzbischof auf seine Weise: Er unterbrach nämlich die Messfeier und setzte sie nicht fort, bis der Papst sich bequemte, den Diakon erneut zu weihen.47 Was hier als Prinzipienstrenge in Erscheinung tritt, war zugleich eine Auseinandersetzung um Befugnisse, ein Anspruch auf Entscheidungsgewalt von Seiten des Papstes, der die Stellung der Bischöfe selbst in ihren Diözesen beeinträchtigte. Der Mainzer verstand sich nach dieser Geschichte jedoch mit Erfolg zu wehren. Insgesamt hat die neuartige Praxis Papst Leos IX., durch die europäischen Reiche zu reisen und dort Synoden abzuhalten, nicht nur in Mainz für Irritationen gesorgt. Auch der französische König torpedierte eine von Leo für Reims angesagte Synode dadurch, dass er seine bischöflichen Vasallen zu einem Heereszug berief, woraufhin viele ihrer Vasallenpflicht nachkamen.48

Ein wichtiger Erfolg gelang dem Reformpapsttum im Jahre 1059, als unter Papst Nikolaus II. auf einer Lateransynode die Papstwahl in einer Weise geregelt wurde, die den Einfluss des Kaisers, wie er etwa 1046 in Sutri wirksam gewesen war, deutlich zurückdrängte. Die Wahl des Papstes sollten nach diesem Dekret in Zukunft in erster Linie (inprimis) die Kardinalbischöfe vornehmen; erst nach deren Übereinkunft (mox) sollten die Kardinalkleriker und dann (sicque) Klerus und Volk von Rom an der Wahl beteiligt werden. Dem Kaiser wurde bei der Wahl nur noch die Wahrung „seiner schuldigen Ehre und Reverenz“ zugestanden, was sich als ein Zustimmungsrecht auslegen lässt, das aktive Eingreifen in den Vorgang aber eigentlich ausschließt. Nicht zufällig hat es lange Kontroversen um das Verständnis des sogenannten „Königsparagraphen“ in diesem Dekret gegeben, und die ältere Forschungsmeinung, mit dem Dekret sei ein massiver Angriff der Reformer auf die Königsrechte in der Kirche begonnen worden, hat sich nicht aufrechterhalten lassen. Dass die Regelung der Papstwahl insgesamt jedoch einiges Aufsehen erregte und in ihrer Tendenz auch als gegen den Kaiser gerichtet empfunden wurde, vermag wohl die Tatsache zu verdeutlichen, dass im Jahre 1076, als sich der Streit zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. zuspitzte, eine Fälschung dieses Dekrets angefertigt wurde, mit der man die kaiserliche Mitsprache bei der Wahl wieder in den Vordergrund rückte.49

Es mag Zufall sein, dass Papst Nikolaus II. im gleichen Jahr 1059 noch in einer zweiten Hinsicht aktiv wurde, die man als Befreiung aus zu großer Abhängigkeit vom salischen Kaisertum deuten kann und die in der Zukunft reichlich Konsequenzen zeitigte. Er schloss nämlich im süditalienischen Melfi einen Vertrag mit den Normannenfürsten Richard von Capua und Robert Guiscard, der die zuvor von den Päpsten bekämpften Normannen zu Bundesgenossen machte. Die Normannenfürsten schworen dem Papst einen Lehnseid und übernahmen die Verpflichtungen eines päpstlichen Vasallen.50 Es ist interessant, in welchen rituellen Formen das neue Verhältnis der Normannenherzöge zu den Päpsten zum Ausdruck kam: Wir hören nämlich bei den Begegnungen der Partner nun davon, dass die Normannen die Päpste durch einen Fußkuss ehrten und ihnen den Strator-Dienst leisteten. Dies sind aber genau die rituellen Akte, die einige Zeit später auch in das Zeremoniell der Papst-Kaiser-Begegnungen aufgenommen wurden, wodurch im 12. Jahrhundert viel Streit entstand, da die Kaiser den Eindruck zu vermeiden suchen mussten, sie seien Lehnsleute des Papstes. Man kann also sagen, dass der normannische Fall modellbildend für das Verhältnis der Päpste zu den europäischen Herrschern geworden ist.51

Die Normannen versprachen interessanterweise im Vertrag von Melfi aber auch, in Zukunft für einen reibungslosen Ablauf der Papstwahl sorgen zu wollen, falls sie von der „besseren“ (sanior) Gruppe der Kardinäle darum gebeten würden. Im Zuge dieses Bündnisses erhielten sie von Nikolaus II. zudem die Herzogsstellung in Sizilien zugesichert, obgleich dieses Land erst noch von den Sarazenen zu erobern war. Bedenkt man die vorhergehenden massiven territorialen Streitigkeiten der Päpste mit der normannischen Reichsbildung in Süditalien, dann ist dieser Vertrag schon als bemerkenswerter Richtungswechsel der päpstlichen Politik zu bewerten, der auch von der Vormundschaftsregierung unter der Kaiserin Agnes sehr deutlich als unfreundlicher Akt gegenüber den salischen Interessen aufgefasst wurde.52 Immerhin hatte vor nicht allzu lang vergangener Zeit (1053) Papst Leo IX. noch eine Art Protokreuzzug gegen diese Normannen geführt, zu dem vor allem schwäbische Adlige und Krieger gekommen waren. Nach einer vernichtenden Niederlage des päpstlichen Heeres gegen die Normannen bei Civitate hatte der Papst die Gefallenen sogar zu Märtyrern erklären lassen.53 Damit dürfte klar sein, dass diese neue Bündniskonstellation, wenn sie sich denn bewährte, der Zusammenarbeit von Kaiser und Papst in verschiedener Hinsicht im Wege stand. Nicht zuletzt hatten die salischen Kaiser auch territoriale Interessen südlich Roms, die von dem neuen Bündnis tangiert waren.

Wie sehr Päpste dieses Reformzeitalters sich in Belange der Politik und der Welt einschalteten und ihre Forderungen nach der Freiheit der Kirche und des Papsttums nicht ausschließlich als Rückzug aus weltlichen Angelegenheiten verstanden, vermag auch die Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm zu verdeutlichen. Er hatte sich in der Frage der englischen Thronfolge und der Berechtigung seiner Ansprüche nämlich mit einer Gesandtschaft an Papst Alexander II. gewandt und die päpstliche Erlaubnis und sogar Ermutigung erhalten, gegen den eidbrüchigen Harold gewaltsam vorzugehen. Zu diesem Zweck hatte ihm der Papst eine geweihte Fahne gesandt, deren Schutz ihn alle Gefahren bestehen lassen würde.54 Wir beobachten also in der Mitte des 11. Jahrhunderts schon deutliche Anzeichen des Prozesses, der das Verhältnis der Kirche zum Krieg und zur Waffengewalt gravierend veränderte. Sicher nicht zu Unrecht hat man erst Gregor VII. den „kriegerischste[n] Papst“ genannt, der je auf dem Stuhle Petri saß und der die Krieger Europas zu einer militia St. Petri formen wollte, die von den Päpsten im Innern gegen Unbotmäßige und nach außen gegen Ungläubige einzusetzen sei.55 Doch sind schon vor der Zeit der großen Auseinandersetzung zwischen Kirche und Welt eindeutige Indizien zu notieren, dass gerade die Reformpäpste an Vasallen interessiert waren, die der Kirche mehr Möglichkeiten gaben als „nur“ ihre moralische Stimme zu erheben. Uns werden diese päpstlichen Vasallen in der Zeit Heinrichs IV. wieder begegnen.

Insgesamt tangierte also die Ideenwelt der Kirchenreform und des Reformpapsttums die Herrschaftsgrundlagen des salischen Königtums auf mehreren Gebieten. Zwar war es gewiss nicht unausweichlich und sicher abzusehen, dass es deshalb zu einer Konfrontation kommen musste. Doch schufen die Divergenzen zwischen den gängigen Herrschaftspraktiken des ottonisch-salischen „Systems“ und dem neuen kirchlichen und vor allem päpstlichen Selbstverständnis Konflikt potentiale, die nicht leicht zu handhaben waren, selbst wenn die Protagonisten behutsamer miteinander umgegangen wären, als dies dann Gregor VII. und Heinrich IV. taten. Die Dimension des tatsächlich ausgebrochenen Konflikts ist jedenfalls ein gutes Feld um auszuloten, in welchem Maße geschichtliches Geschehen durch strukturelle Gegebenheiten beziehungsweise durch individuelle Leistungen oder Fehlleistungen geprägt wird.

1 Ich beziehe mich damit auf die Kritik, die Michael Borgolte (Biographie ohne Subjekt, bes. S. 132f., 138f.) an meiner Biographie Ottos III. übte, weil er von einer Biographie eines mittelalterlichen Menschen anderes und mehr erwartet. Ich glaube jedoch nach wie vor nicht, dass die Erwartung einzulösen ist. Das Problem, wie man Individualität und Subjektivität eines mittelalterlichen Menschen fassen kann, bleibt jedoch in jedem Fall ein zentrales.

2 Diese Fixierung des Mittelalterbildes der Deutschen auf eine starke Zentralgewalt habe ich in mehreren Arbeiten herausgearbeitet, vgl. Althoff, Das Mittelalterbild der Deutschen vor und nach 1945, S. 731–749; ders., Die Deutschen und ihr mittelalterliches Reich, in: Puhle/Schneidmüller/Weinfurter, Heilig – Römisch – Deutsch, im Druck; ders., Das ottonische Reich als regnum Francorum?, S. 238–241. Die im Folgenden knapp skizzierte Sicht hatte nicht zuletzt die Konsequenz, dass man diesen Jahrhunderten der deutschen Kaiserzeit erheblich mehr Aufmerksamkeit widmete als den späteren Zeiten des vorgeblichen Zerfalls der Kaisermacht. Vgl. hierzu demnächst Schneidmüller, Konsens – Territorialisierung – Eigennutz, in: FMSt 39 (2005), im Druck. Diese einseitige Ausrichtung wurde in der deutschen Mediävistik erst in den letzten Jahrzehnten überwunden.

3 Wohl nicht zufällig publizierte man aber noch 1963 unter diesem Titel einen Band der „Wege der Forschung“ (Kämpf [Hrsg.], Canossa als Wende), in dem die älteren Arbeiten zu diesem Geschichtsbild vereinigt wurden.

4 Der Herausgeber Stefan Weinfurter (Die Salier und das Reich, S. 3) spricht in seiner Einleitung davon, dass der Investiturstreit nicht eigens thematisiert werde. Es werden aber auch die grundsätzlichen Auseinandersetzungen um die Herrschaft Heinrichs IV. nicht in einem eigenen Beitrag behandelt.

5 Die letzte Biographie Heinrichs von Robinson, Henry IV of Germany, steht noch ganz in der skizzierten Tradition der deutschen Mediävistik. Natürlich hat es aber auch Stimmen gegeben, die gegen diesen Strom ankämpften; vgl. z.B. Haller, Das altdeutsche Kaisertum, bes. S. 68–106, bes. 93, der Heinrich IV. in der ihm eigenen Entschiedenheit geradezu in Grund und Boden verdammte. Vorsichtiger, aber gleichfalls zurückhaltend fiel auch das Urteil von Schmeidler, Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im Investiturstreit, S. 370ff., aus.

6 Vgl. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, S. 650.

7 Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, 1909, S. 72.

8 Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, 7., neubearb. Aufl. 1937, S. 84.

9 Boshof, Heinrich IV., S. 119.

10 Boshof, Heinrich IV., S. 118.

11 Boshof, Heinrich IV., S. 120.

12 Vgl. Becher, Heinrich IV., S. 180.

13 Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 189. In der älteren Forschung hatte vornehmlich Johannes Haller wortmächtig kritische Töne gegenüber Heinrich IV. angeschlagen; vgl. oben Anm. 5 und in Auseinandersetzung mit A. Brackmann auch Haller, Der Weg nach Canossa, S. 118ff.

14 Tellenbach, Der Charakter Kaiser Heinrichs IV., S. 348f. mit Anm. 15.

15 Zu den Vorwürfen auf sexuellem Gebiet hat neuerdings Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, die Frage im Titel seines Beitrags entschieden verneint. Zum breiten Spektrum der Vorwürfe siehe unten Kap. VI.1. Vgl. hierzu demnächst auch die Beiträge zu einem Kolloquium des Konstanzer Arbeitskreises, das sich im Frühjahr 2006 speziell mit der Bewertung der Vorwürfe gegen Heinrich IV. befasst.

16 Diesen Aspekt betont zu Recht Suchan, Königsherrschaft im Streit, bes. S. 145ff., 178ff.

17 Siehe dazu zusammenfassend unten Kap. VI.1.2.

18 Vgl. hierzu allgemein Hannig, Consensus fidelium, bes. S. 3–41 mit einem Abriss der Forschungsgeschichte; jetzt Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft, bes. S. 54ff.

19 Vgl. hierzu Anton, Pseudo-Cyprian, S. 588–597; ders., Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit; De Jong, Sacrum palatium et ecclesia; Schieffer, Mediator cleri et plebis, bes. S. 346–350.

20 Siehe dazu Kallfelz, Das Standesethos des Adels, S. 54ff.; Fichtenau, Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts, S. 238; grundsätzlich Mertens/Zotz (Hrsg.), Karl Schmid, Geblüt – Herrschaft – Geschlechterbewußtsein, mit einer Einleitung der Herausgeber zur Forschungsentwicklung; Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 27–36.

21 Dies habe ich in einer Reihe von Aufsätzen zu zeigen versucht, die unter dem Titel „Spielregeln der Politik im Mittelalter“ versammelt wurden. Von der Einsicht, dass es Muster für das Verhalten von Königen, Adligen und kirchlichen Großen gab, auf denen deren Interaktion beruhte, leben auch die Argumentationen dieses Buches. Es sei daher gegen den gelegentlich erhobenen Vorwurf, ich hielte diese „Spielregeln“ für „irrefragable“ (so etwa Buc, The Dangers of Ritual, S. 256), betont, dass dies keineswegs der Fall ist. Natürlich wurden solche Spielregeln verletzt und gebrochen. Siehe dazu differenzierter Patzold, „… inter pagensium nostrorum gladios vivimus“, S. 59–63.

22 Vgl. dazu Althoff, Colloquium familiare, S. 159–162; Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft, bes. S. 71f., 76ff.

23 Vgl. zum Forschungsstand jetzt die Beiträge in Moraw (Hrsg.), Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter.

24 Vgl. dazu Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 60, 62 und unten Kap. VI.1.

25 Vgl. dazu Althoff, Die Macht der Rituale, bes. S. 22–26, 199–203.

26 Vgl. dazu Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, bes. S. 138–141.

27 Vgl. dazu Bornscheuer, Miseriae regum, S. 76–93. Demnächst dazu Althoff, Humiliatio – exaltatio; Witthöft, „… und swaz sich nidert, daz wirt wider gehœhet“.

28 Vgl. Bosl, Die Reichsministerialität, passim, bes. S. 608ff.; Schulz, Art. Ministerialität, Ministerialen, in: LexMA, Bd. 6, Sp. 636–639.

29 Vgl. dazu Schulz, „Denn sie lieben die Freiheit so sehr …“, bes. S. 79–84.

30 Zum „ottonisch-salischen Reichskirchensystem“ vgl. schon Santifaller, Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, S. 27–43 und vor allem die jüngsten Beiträge von Schieffer, Der geschichtliche Ort der ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik, passim; ders., Mediator cleri et plebis, passim; zur Beurteilung der ottonisch-salischen Staatlichkeit vgl. vor allem Keller, Ottonische Königsherrschaft und Althoff, Inszenierte Herrschaft, jeweils mit einer Reihe einschlägiger Arbeiten. Siehe dazu auch Goetz, Moderne Mediävistik, S. 181ff.; Hechberger, Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, S. 17, 129.

31 Vgl. schon Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, bes. S. 167.

32 Siehe dazu bereits Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahrhundert, bes. S. 36–39, 53–56; jetzt ders., Die Macht der Rituale, S. 30–37.

33 Vgl. allgemein zur Bischofswahl: Schmidt, Art. Wahl, kanonische, Sp. 1912f. in: LexMa, Bd. 8, Sp. 1912f.; Benson, The Bishop-Elect; Schieffer, Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots, S. 7–10.

34 Fleckenstein, Die Hofkapelle der deutschen Könige, S. 288–292; Finckenstein, Bischof und Reich, S. 65f.; Zielinski, Der Reichsepiskopat, S. 103–106.

35 Fleckenstein, Hofkapelle und Reichsepiskopat unter Heinrich IV., S. 120, 129.

36 Siehe dazu Hoffmann, Grafschaften in Bischofshand, S. 456, 462ff., 477–480.

37 Vgl. Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 66ff.; Minninger, Von Clermont zum Wormser Konkordat, S. 166–175.

38 Vgl. dazu Hartmann, Der Investiturstreit, bes. S. 9–14, 50–52; Laudage, Priesterbild und Reformpapsttum im 11. Jahrhundert, S. 251–266.

39 Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 133ff.

40 Laudage, Gregorianische Reform und Investiturstreit, S. 76–107 mit weiteren Hinweisen.

41 Fuhrmann, Das Reformpapsttum und die Rechtswissenschaft, S. 189–192, Zitat S. 189. Siehe auch Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 100f.

42 Siehe dazu Weinfurter, Ordnungskonfigurationen im Konflikt, S. 92–95.

43 Zum Bekenntnis Heinrichs III. vgl. Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 8, S. 31.

44 Vgl. dazu Thietmar, Chronicon, lib. 6, cap. 40, S. 322–325. Zum Umgang mit simonistischen Praktiken im 11. Jahrhundert allgemein Hartmann, Der Investiturstreit, S. 12, 18, 79f.; Laudage, Priesterbild und Reformpapsttum im 11. Jahrhundert, S. 145–156, 171–184, 220–224; ders., Gregorianische Reform und Investiturstreit, bes. S. 24–28, 34f.

45 Vgl. Adam von Bremen, Gesta, lib. 3, Schol. 76 (77), S. 173. Zu Erzbischof Adalberts Einfluss auf Heinrich IV. siehe zusammenfassend unten Kap. VI.4.

46 Vgl. dazu Keller, Pataria und Stadtverfassung, Stadtgemeinde und Reform, S. 338–343.

47 Vgl. dazu Steindorff, Jahrbücher, Bd. 2, S. 188f.; Frutolf, Chronica, a. 1053, S. 68.

48 Siehe dazu Steindorff, Jahrbücher, Bd. 2, S. 86f.; zu Leo IX. vgl. Goez, Gestalten des Hochmittelalters, S. 100–121.

49 Vgl. hierzu Jasper, Das Papstwahldekret von 1059, S. 88.

50 Vgl. Deér, Papsttum und Normannen, S. 30, 49f., 102.

51 Vgl. die Quellen bei Deér, Das Papsttum und die süditalienischen Normannenstaaten, S. 17f. Zum Zusammenhang mit dem Zeremoniell der Papst-Kaiser-Begegnungen siehe jetzt Althoff, Inszenierung verpflichtet, bes. S. 69–74, 79f.

52 Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 130; Krause, Papstwahldekret, S. 132f.

53 Siehe dazu Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 109.

54 Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 139f., 172; Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 161f.

55 Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 161 und 206–211.

Heinrich IV.

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