Читать книгу Spielball ferner Welten - Gerd Kramer - Страница 6

6. Kapitel

Оглавление

In den Folgetagen gab es vereinzelt Pressemeldungen über die Sichtung von Riesenspinnen. Fischer las alle Medienberichte und archivierte sie. Nicht in jedem Fall konnte er aus den Beiträgen ablesen, ob es sich tatsächlich um eines der Roboterexemplare handelte oder einfach nur um ein eingeschlepptes exotisches Tier. Berichte über Bananenspinnen in Supermärkten gab es schließlich zuhauf. Angriffe auf Menschen wurden nicht erwähnt. Allerdings konnte man sich nicht sicher sein, dass es nicht Fälle gab, bei denen man fälschlicherweise eine natürliche Todesursache angenommen hatte, wie es bei Stefan Herzog geschehen war.

Nach und nach mehrten sich in der Region Vorfälle mit verendeten Haustieren, bei denen man Wunden festgestellt und in deren Nähe man ungewöhnlich große Spinnen beobachtet hatte. Fischer war sich sicher, dass hier die Roboterspinnen am Werk waren, hatte allerdings keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Wieso griffen sie plötzlich Tiere an? In einem Fall handelte es sich um ein Kaninchen, das sicher keine Gefahr für sie dargestellt hatte.

Fischer wurde das Gefühl nicht los, dass es sich bei den Ereignissen nur um die Vorhut einer drohenden Katastrophe handelte. Er war zudem überzeugt, dass es so etwas wie einen gemeinsamen Plan gab, nach dem die künstlichen Kreaturen vorgingen. Er hatte aber keine Vorstellung davon, wie dieser aussah und von wem er stammte.

Wie jeden ersten Freitag im Monat traf sich der Verein zu einem Erfahrungsaustausch im Veranstaltungsraum eines Restaurants. Achtzehn der dreiundzwanzig Mitglieder waren anwesend. Fischer berichtete als Erster über sein Projekt. Er hätte sich denken können, dass seine Geschichte Stirnrunzeln und Kopfschütteln hervorrief. Obwohl Akte Z die Anlaufstelle für außergewöhnliche Vorkommnisse war, hätten die meisten Teilnehmer niemandem eine derartig haarsträubende Story abgenommen. Als Neuling hatte er besonders schlechte Karten. So mancher mochte ihn für einen Wichtigtuer halten, mit dem die Fantasie durchging. Aber als er den Film präsentierte, der die Versammlung der Spinnen zeigte, ging ein Raunen durch den Saal.

Fischer hatte sich bewusst mit Vermutungen über die Bedeutung der Beobachtungen zurückgehalten. Abgesehen davon, dass er mit der Erwähnung Außerirdischer seine Glaubwürdigkeit noch weiter in Frage gestellt hätte, wollte er die unbeeinflusste Meinung seiner Kollegen hören.

Fred Hartdorf meldete sich zu Wort. Er war ein hagerer Typ um die fünfzig, mit Pockennarben im Gesicht und rötlichen Kräuselhaaren.

„Nehmen wir an, dass es sich um eine Invasion von Spinnenmaschinen handelt und die Dinger sich selbst replizieren können. Dann ist hier eine Technik am Werk, die es nach meiner Kenntnis bisher nicht gegeben hat. Die Roboterforschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Vielleicht könnte man eine Maschine bauen, die sich ähnlich wie eine Spinne bewegt. Das Vorbild in der Natur hat einige Vorzüge. Es kann Hindernisse überwinden und sogar eine senkrechte Wand erklimmen. Versuchsroboter mit ähnlichen Fähigkeiten wurden bereits entwickelt. Aber eine Autoreplikation, also die Fähigkeit, Kopien von sich selbst zu erzeugen, halte ich für völlig ausgeschlossen. Wenn ich es richtig verstanden habe, hast du den Vorgang auch nicht selbst beobachtet.“

„Das ist richtig. Wir wussten nur, dass der Drucker sechs Exemplare ausgespuckt hat. Theoretisch könnten die restlichen an einem anderen Ort auf gleiche Weise entstanden sein. Allerdings müssten dann unzählige Geräte ähnlichen Typs in unmittelbarer Nachbarschaft in Betrieb sein, denn der Druckvorgang dauert mehrere Stunden. Ich denke, dass wir das ausschließen können.“

Dirk Förster, ein mittelgroßer Mann mit Stoppelfrisur und Hakennase, stand auf. „Es tut mir leid. Das Ganze ist meiner Meinung nach völlig absurd. Wenn jemand in der Lage ist, solche komplexen Maschinen zu entwerfen, dann wird er auch in der Lage sein, den passenden Drucker herzustellen. Dafür braucht er keine Dreimannklitsche. Und falls das Militär oder der Geheimdienst dahintersteckt, wären sie ganz sicher ohne Probleme an das Gerät herangekommen, auch wenn es nur ein Prototyp war. Irgendetwas stimmt an der Geschichte nicht. Das soll nicht heißen, dass ich dir nicht glaube, Markus.“

„Kannst du noch einmal den Film zeigen?“, fragte Hartdorf.

„Klar.“ Fischer tippte auf die Tastatur und startete das etwa zwei Minuten lange Video, das der Beamer auf die Leinwand warf.

Nachdem der Film zu Ende war, sagte Hartdorf: „Die Spinnen kommunizieren miteinander. Daran besteht kein Zweifel. Sie haben sich zu einer Art Parabolspiegel organisiert. Der Ausrichtung nach zu urteilen, sieht es fast so aus, als würden sie Daten aus dem Universum empfangen.“

„Oder dorthin senden“, ergänzte Fischer.

„Hm. Ja. An einen Exoplaneten?“ Hartdorf grinste.

Einige Mitglieder lachten.

„Schon sind wir wieder bei den Aliens angelangt“, sagte Förster. „Die müssen immer herhalten, wenn plausible Erklärungen fehlen. Früher war es die Religion, die die Lücken füllen musste.“

„Allerdings möchte ich daran erinnern, dass wir offen für alle möglichen Erklärungen sein wollen. Bis sie widerlegt sind, sollten wir sie nicht ausschließen. Genau das unterscheidet uns doch von etablierten Einrichtungen“, sagte Hartdorf.

Fischer war froh, dass der Physikerkollege die Außerirdischen ins Spiel gebracht hatte. So musste er das heikle Thema nicht anschneiden. Es war unter den Mitgliedern fast so verpönt wie religiöse Erklärungsversuche. Nicht, dass niemand daran glaubte, dass es im Universum Planeten gab, die Leben beherbergten. Schließlich ging man davon aus, dass alleine in der Milchstraße Milliarden Planeten in der bewohnbaren Zone um einen sonnenähnlichen Stern kreisten. Es lag also nahe, dass darunter auch welche mit intelligenten Spezies waren. Aber die Entfernungen waren nach einhelliger Meinung zu gewaltig, als dass diese einen Ausflug zur Erde unternehmen könnten. Der Fall Roswell und Ufo-Beobachtungen, die immer wieder in der Presse auftauchten, wurden von niemandem hier ernst genommen.

Hartdorf fuhr fort: „Vielleicht haben wir es mit einer geheimen Operation zu tun. Irgendwelche Tests des Militärs.“

„Hier bei uns? Dafür käme doch wohl eher ein abgelegenes Gelände in Frage“, sagte Förster.

„Es sei denn, man möchte die Reaktion der Menschen mit einbeziehen“, sagte Hartdorf.

„So etwas können wir wohl ausschließen“, warf Sven Berger, der Vereinsvorsitzende, ein. „Immerhin hat es Tote gegeben.“

„Ausschließen? Wirklich? Denkt an die französischen Kernwaffentests in den 1960er-Jahren. Damals hat man in Algerien Soldaten ohne Schutzkleidung bewusst der Strahlung ausgesetzt, um deren Kampffähigkeit nach einer Atomexplosion zu erforschen. Und in den Vereinigten Staaten haben Militär und Geheimdienste auch später noch Versuche an Soldaten vorgenommen, denen LSD verabreicht wurde.“

„Ich denke, heute haben wir andere Zeiten“, entgegnete Förster.

„Mag sein. Aber es muss eine Erklärung geben. Die Parabolanordnung hat etwas zu bedeuten, und natürlich auch die Tages- beziehungsweise Nachtzeit, zu der sie geformt wurde. Mit diesen Informationen können wir die Richtung feststellen, in die das Ding gezeigt hat.“

„Daran habe ich auch gedacht“, sagte Fischer, der sich nun nicht mehr mit den eigenen Spekulationen zurückhalten wollte. „Anhand der Aufnahme könnte man relativ genau die Richtung bestimmen, die angepeilt wurde. Was sich dort befindet, ein Satellit, ein Planet oder irgendetwas anderes, das mit den Spinnen kommunizierte, müsste sich herausfinden lassen. Zwar sind wir uns einig, dass keine Außerirdischen unter uns sind, aber zumindest physikalisch besteht die Möglichkeit, Informationen einer fremden Spezies zu empfangen oder ihr Daten zu senden. Das ganze SETI-Projekt basiert auf dieser Annahme.“

„Das erklärt aber noch nicht die Herkunft der Roboterspinnen“, sagte Berger.

„Nein, natürlich nicht. Vielleicht sollten wir diesen Aspekt zunächst einmal außen vor lassen. Ich traue mir zu, die Richtungsbestimmung durchzuführen. Haben wir die Möglichkeit, den Weltraum, sagen wir bis zu einer Entfernung von zwanzig Lichtjahren, nach einem Planeten abzusuchen?“

„Das ist sicher bereits geschehen. Ich denke, bei SETI liegen entsprechende Informationen vor. Es wird kein Problem sein, sie zu erhalten. Ich selbst habe Kontakt zu den Wissenschaftlern. In wenigen Tagen haben wir die Daten. Dann können wir die Theorie ausschließen. Na ja, oder bestätigen. Ich werde das in die Hand nehmen. Danke, Markus. Du hast gute Arbeit geleistet und die notwendige Fantasie für das Projekt gezeigt.“

Fischer wusste nicht, ob das ein Kompliment sein sollte. Das Wort „Fantasie“ störte ihn etwas. Aber letztendlich war es ihm egal, ob seine Theorie – oder besser Hypothese – belächelt wurde, solange ihn die Vereinsmitglieder unterstützten.

Den nächsten Vortrag hielten Fred Hartdorf und Michael Strauß über den Stand ihrer Forschungen zu den merkwürdigen tieffrequenten Geräuschen, die in verschiedenen Städten gemeldet worden waren. Lediglich in einem Fall konnte der Brummton messtechnisch nachgewiesen werden. Sogar die Ursache konnte ermittelt werden. Die Quelle war der Abgaskamin einer Müllverbrennungsanlage. In zwei weiteren Fällen litten die Betroffenen offensichtlich unter Ohrgeräuschen, da die Töne auch nach einem Ortswechsel nicht verschwunden waren. Aber es blieben einige ungeklärte akustische Phänomene, die es noch zu untersuchen galt. Unter anderem klagten über hundert Einwohner eines Dorfes in Oberbayern über einen lästigen Ton. Die Untersuchungen dazu wollten die beiden Vortragenden in nächster Zeit in Angriff nehmen.

Fred Hartdorf wies darauf hin, dass nichterklärbare Brummphänomene in der gesamten Welt verbreitet seien und international auch als „The Hum“ bezeichnet würden.

Fischer hörte sich zwei weitere Referate an, merkte aber, dass seine Gedanken mehr und mehr hin zu den Spinnenrobotern und fernen Planeten schweiften. Er war sich sicher, dass er einer ganz großen Sache auf der Spur war.

Obwohl es üblich war, dass die Mitglieder den Abend bei einem Bier und angeregten Diskussionen beschlossen, fuhr Fischer nach Ende des letzten Vortrags direkt in seine Wohnung, fütterte die Katze und setzte sich an seinen Schreibtisch, der in einer Ecke des geräumigen Wohnzimmers stand. Er recherchierte mit seinem Laptop im Internet, bis er das notwendige Wissen für seine Berechnungen besaß. Mit einer Bildbearbeitungssoftware gelang es ihm, aus den Videoaufnahmen den vermutlichen Abstrahlwinkel der Spinnenformation zu ermitteln. Die Umrechnung in die Himmelskoordinaten war keine große Sache. Seine Ergebnisse schickte er per E-Mail an Berger.

Gegen ein Uhr lag Fischer endlich im Bett, schlief jedoch erst Stunden später ein.

Spielball ferner Welten

Подняться наверх