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6. Der Insider

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Die Firma Julius Zahlmann & Sohn lag inmitten eines Industriegürtels im Norden Münchens verkehrsgünstig zwischen Autobahnen und Bundesstraßen. Von der Idylle einer bayrischen Landmetzgerei war schon lange nichts mehr übrig geblieben. Selbst das voll verflieste Fabrikverkaufslokal verbreitete mit Edelstahl und Neonröhren den anheimelnden Charme einer Pathologie. Daran konnten auch die beiden Verkäuferinnen im Dirndl nichts ändern, die zwischen Wurstschneidemaschinen und modernem Kassensystem hin und her flitzten. Es schien, als kämen viele Münchner vor die Tore der Stadt, um hier ihr Fleisch zu kaufen und ihren Schinken- und Wurstbedarf bei Zahlmann zu decken.

Es war kurz vor sechs und das Dutzend großer Kühl-Lkw, das auf dem Parkplatz neben der riesigen Halle parkte, war wohl von den Lieferfahrten schon wieder zurückgekehrt. Auch das Fabrikverkaufslokal würde in wenigen Minuten seine Pforten schließen, wie eine kleine Tafel mit den Öffnungszeiten verriet.

„Ist Herr Zahlmann noch da?“, erkundigte sich Landorff bei einer der Verkäuferinnen, die in die Kasse tippte.

„Is da Chef no daaaa?“, rief die daraufhin ihrer Kollegin zu. Die nickte und packte einen Ring Bratwurst ein. „Gehen S’ einfach da durch“, meinte sie und deutete auf den Hinterausgang. „Über den Hof, dann in den ersten Stock, nach links und dann ist es die vierte … nein, warten Sie, die fünfte Tür? Egal, sind eh alle angeschrieben.“

Also machte sich Landorff auf den Weg in die Innereien des Zahlmann’schen Imperiums. Alles wirkte aufgeräumt, selbst der Hof schien frisch gewaschen. Es roch nach Desinfektionsmittel und Sauberkeit. Viele Türen standen offen und im Licht der Neonlampen wuselten überall Mitglieder einer Putzkolonne, die offenbar dem Schmutz den Krieg erklärt hatten und fest entschlossen waren, diesen auch zu gewinnen.

Landorff blickte die Fassade des modernen Bürogebäudes hinter den Hallen hinauf, das überaus elegant wirkte und gar nicht nach den 70ern oder Metzgermeister Krause in Wuppertal aussah.

Eher nach einer Niederlassung von Samsung oder Sony.

Viel getöntes Glas, dezenter, matter Granit, gebürsteter Edelstahl und moderne Bilder in allen Gängen. Dazwischen Fotos von prominenten Kunden mit dem Firmenchef. Le tout Munich war vertreten, aber auch Künstler und „Zuagraste“, die ihre Events oder Konzerte bei Zahlmann bekochen ließen und anschließend glücklich und satt in die Kamera lächelten. Darunter selbstverständlich auch Heino im Ledermantel …

Wahrscheinlich war die Achse Melissa – Wayne wieder mal aktiv gewesen, dachte Landorff, bewunderte das Foto, auf dem Heino mit Zahlmann um die Wette strahlemannte, und klopfte schließlich an eine Tür, auf der nüchtern J. Zahlmann neben einer großen 10 aus Messing stand.

„Bitte?“, ertönte eine weibliche Stimme durch die Tür und Landorff stand vier Schritte später vor einem völlig überfüllten Schreibtisch. Dahinter saß eine weitere Dirndlträgerin, die ihn über ihre Brillen hinweg eher strafend als fragend ansah. „Tut mir leid, aber wir schließen gleich“, meinte sie geschäftig und wies auf die futuristische Wanduhr.

„Ich hätte nur gern kurz Herrn Zahlmann gesprochen und ich verspreche Ihnen, ich halte ihn nicht lange auf.“

„Herr Zahlmann wird in wenigen Minuten zu einer Besprechung außer Haus fahren, Herr …?“ Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen neugierig an.

„Ähm … de Gilles, Michel de Gilles aus Frankreich“, improvisierte Landorff frech. „Ich bin Buchautor und Journalist und war gestern auf der Party von Gregory Winter.“ Er zwinkerte ihr charmant-vertraulich zu, wie es Franzosen bekanntlich immer machten. „Und habe dieses ex-zel-len-te Buffet genossen. Jetzt wollte ich mich erkundigen, ob ich denn für meine nächste Party ebenfalls mit einer dieser Köstlichkeiten rechnen könnte?“

Sie lächelte beglückt und verständnisvoll. „Monsieur de Gilles, wie schön, Sie sprechen aber ein ausgezeichnetes Deutsch! Warten Sie bitte einen kleinen Augenblick, ich schaue, ob Herr Zahlmann noch kurz Zeit hat.“

Hat er sicher, dachte Landorff. Vielleicht hatte Melissa ja recht. Die Franzosenmasche zog. Er sollte sich schnellstens einen passenden Akzent antrainieren.

„Monsieur de Gilles, wie schön, dass Sie sich hier heraus bemüht haben!“ Julius Zahlmann, seine Hand weit ausgestreckt, sah irgendwie bedrückt aus, als er Landorff begrüßte und in sein Büro bat. „Ich habe gehört, Sie waren gestern auf der großen Party von Gregory Winter?“

„Ja, war ich und ich nehme an, Sie haben auch bereits erfahren, was geschehen ist.“ Landorff versank geradezu im ledernen Besuchersofa, dessen Geruch bei ihm Erinnerungen an Voltigieren und Pferdestriegeln in Kindheitstagen weckte.

Zahlmann nickte betrübt. „Die Polizei war bereits vor Stunden da und hat mich befragt. Aber wir haben nur das Buffet geliefert und meine Angestellten sind danach wieder gegangen. Zu viel Arbeit, Sie wissen ja, und Gregory, ich meine Herr Winter, wollte keinen Koch am Buffet. Was allerdings mit ihm passiert ist … furchtbar!“

Landorff wartete nur darauf, dass er sagte: „Zum Glück war das Buffet bereits bezahlt.“

„Die Polizei, dieser Kroning, war auch schon bei mir und meiner Agentin“, erzählte er ihm. „Die arbeiten die Gästeliste ab, von Z nach A.“

Zahlmann nickte geistesabwesend. „Hätten Sie eventuell noch eine Kopie für mich?“, erkundigte sich Landorff wie nebenbei. „Ich habe so viele bekannte Gesichter gesehen, konnte sie aber nicht zuordnen. Sie verstehen, als Franzose …“

„Aber selbstverständlich, ich habe sowieso zwei Kopien machen lassen und eine habe ich bereits diesem Kommissar mitgegeben.“ Zahlmann kramte auf seinem Schreibtisch. Landorff wurde klar, woher Kroning so rasch eine Gästeliste hatte. Der Profiringer war sofort zu Zahlmann gegangen, weil der das Buffet ausgerichtet hatte. Nicht dumm, dachte Landorff, man durfte Kroning nicht unterschätzen.

Die Liste, die ihm der Seniorchef kurz darauf in die Hand drückte, umfasste drei Schreibmaschinenseiten. „Ich brauche sie nicht mehr, Sie können sie gern behalten.“ Er fuhr sich nervös durch die Haare und schaute immer wieder aufs Telefon.

„Ihren Sohn habe ich gestern auch auf der Party gesehen oder habe ich mich getäuscht?“

„Ja, er war auch da und ich mache mir ein wenig Sorgen, wenn ich ehrlich bin“, gab Zahlmann zu und ließ sich auf das Sofa neben Landorff fallen. „Kevin ist sonst nicht so …“

Der Junior heißt Kevin! Landorff grinste innerlich. Shaneya und Kevin würden es nicht immer leicht haben, dachte er schadenfroh. Und Kevin Zahlmann war auch nicht besser als Michael Landorff, wenn es um das Cover ging.

„Nicht so … wie meinen Sie das?“

„Nun, er ist verlässlich und meldet sich, wenn er nicht nach Hause kommt“, erklärte Zahlmann leise.

„Das heißt, er ist nach der Party nicht mehr aufgetaucht? Haben Sie es auf seinem Handy versucht?“

„Ist ausgeschaltet, ich lande immer wieder auf der Mailbox.“ Der Seniorchef trommelte mit den Fingern nervös auf die Lehne des Sofas.

„Haben Sie das Kommissar Kroning erzählt?“

„Ich habe ihm nur gesagt, dass mein Sohn unterwegs ist und sich bei ihm melden wird.“

„Verstehe“, murmelte Landorff und war für einen Moment versucht, Vater Zahlmann darüber zu informieren, dass sein Sohn gestern mit drei halb nackten Grazien aus einem von Winters Badezimmern gestolpert war und seine Hose nicht finden konnte. Dann wäre der Traum vom Aufarbeiten seiner Postings in Form eines Buchs rasch ausgeträumt. Weil Papa Zahlmann wahrscheinlich schnellstens den Geldhahn zudrehen würde und der Filius Hausarrest in der Weißwurstproduktion mit anschließender Sicherheitsverwahrung in der Buletten-Dreherei ausfassen würde. Man kannte sich im großen Dorf München schon immer und Skandale waren nicht gut fürs Geschäft. Schon gar nicht in den oberen Kreisen der potenziellen Kundschaft.

„Könnte er bei einem Freund gestrandet sein?“, gab Landorff stattdessen zu bedenken. „Es gab gestern jede Menge Alkohol und so ein Absturz …“

„Ich habe bei den beiden, die infrage kommen könnten, schon nachgefragt. Nichts. Er war bei keinem von ihnen.“ Zahlmann Senior klang bedrückt und sah immer wieder nervös auf die Uhr.

„Meine französischen Leser interessiert der Mordfall Winter sicherlich brennend, deshalb werde ich dranbleiben“, versprach Landorff ihm. „Was immer ich herausfinde, ich werde mich melden und es Sie wissen lassen. Und was das Buffet betrifft – mein nächstes wird sicher eines von Zahlmann. Ganz bestimmt.“

Zahlmann lächelte geschmeichelt, aber etwas zerstreut und schaute erneut demonstrativ auf die Uhr. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, Monsieur de Gilles, ich habe noch einen Termin. Melden Sie sich?“

„Sobald ich etwas Handfestes erfahren habe“, versicherte ihm Landorff und verabschiedete sich.

Auf dem Weg zum Ausgang fiel ihm im Gang ein Foto auf, das so ganz anders als alle anderen hier war. Das gerahmte Schwarz-Weiß-Bild zeigte einen Mann in einem altmodischen Tropenanzug, mit einer Schaufel in der Hand, der konzentriert in die Ferne blickte. Kurz geschnittenes hellblondes Haar, drahtig, eine Falkennase zwischen zwei stechenden Augen, kantiges Kinn. Zu seinen Füßen stand eine dunkle Kiste, auf der eine Karte lag, mit Steinen beschwert. Im Hintergrund waren Bauten zu sehen, die ein wenig an Pagoden oder exotische Wohnhäuser erinnerten.

Landorff blickte sich um, aber es war niemand zu sehen, der seine Fragen beantworten konnte. Die Türen der nebenliegenden Büros waren bereits verschlossen. So nahm er sein Handy und machte zwei Aufnahmen von dem Foto.

Dann machte er sich auf den Weg nach Hause.

Mit einem kleinen Umweg …

Der Abend war warm und die Biergärten überfüllt. So war auch im Augustiner Biergarten der Insel Mühle nicht einmal mit engen Beziehungen zum Wirt ein freier Tisch zu bekommen. Also setze sich Landorff zu einem Ehepaar, das in eine hitzige Diskussion vertieft war und sein „Ist da noch ein Platz frei?“ mit einer zustimmenden Handbewegung wie nebenbei abhandelte.

Während er auf sein Essen wartete, schaute er sich erneut das Bild an, das er im Treppenhaus Zahlmanns fotografiert hatte. Nach einigem Zoomen und Verschieben fielen Landorff einige Besonderheiten der Aufnahme auf, die wohl aus den 1930er- oder 1940er-Jahren stammen musste. Eine seltsame Zahnung am Rand, tiefe Kratzer an der Oberfläche und ein fehlendes Eck rechts oben. Außerdem war sie bereits einmal in der Mitte gefaltet und danach wieder glatt gestrichen worden. Am linken unteren Rand waren die dünnen Pinselstriche einer Retusche zu erkennen.

Warum hatte Zahlmann ausgerechnet dieses Foto zwischen all die anderen Prominenten gehängt? Würde der Mann in Tropenanzug heute noch leben, dann wäre er zu alt und zahnlos, um sich noch durch eines von Zahlmanns Buffets zu essen, überlegte Landorff. Ein Foto seines Vaters auf irgendeiner Expedition? Der helle Tropenanzug war sicherlich keine Uniform. Aber warum hätte Zahlmann dann nicht nur ein übliches Porträt des Vorfahren an die Wand gehängt? Aufgenommen von einem Star-Fotografen seiner Zeit? Geschniegelt und gestriegelt, mit blütenweißem Hemd und Konfirmationsanzug?

Irgendetwas war seltsam an dem Foto, dachte Landorff. Doch da kam die Kellnerin und es gab Wichtigeres zu tun: Der Schweinsbraten war angekommen.

Das Foto konnte warten.

Fast zwei Stunden später sperrte Landorff seine Wohnungstür auf und freute sich aufs Bett. Nur das Blinken seines Anrufbeantworters hielt ihn noch auf und so drückte er den unvermeidlichen Knopf. Der erste Anruf in der Liste war von seinem früheren Agenten, der ihm erklärte, warum sich niemand für sein geplantes nächstes Buch erwärmen konnte. Gleichzeitig verabschiedete er sich auf einen ausgedehnten Urlaub in die Champagne. Für einen Moment erwog Landorff, ihn zurückzurufen und ihm alles Schlechte zu wünschen. Der zweite Anruf war seltsam. Niemand sprach, nur Hintergrundgeräusche waren zu hören. Es klang wie eine Menschenmenge in einer Bahnhofshalle, allerdings waren keinerlei Durchsagen zu hören. Dann atmete jemand tief ein und wieder aus und damit endete der Anruf. Ein Pieps verriet Landorff, dass es keine weiteren aufgezeichneten Gespräche gab.

Landorffs Festnetzanschluss stand natürlich im Telefonbuch, damit ihn auch all jene erreichen konnten, die seine gut gehütete Handynummer nicht hatten. Der Anrufbeantworter war eigentlich ein Relikt, dachte er und begann sich das Hemd aufzuknöpfen, aber es wäre zumindest kreativ, Name und Zweck des Anrufs zu hinterlassen, ärgerte er sich. Sonst konnte man sich den Anruf ganz sparen.

Nach einem kleinen Schluck Talisker ging er endgültig ins Bett. Morgen war auch noch ein Tag und er sollte dringend jemanden finden, der sich mit alten Fotos auskannte. Am besten den Archivar einer Fotosammlung oder eines Museums.

Darüber schlief er ein.

Das Klingeln des Telefons riss ihn unsanft aus dem Schlaf und holte ihn aus den Tiefen eines wirren Traums, in dem Männer mit Tropenanzügen Nashörner jagten, die anschließend bei Meister Zahlmann in der Wursttheke landeten.

Völlig verschlafen stolperte Landorff in den Nebenraum.

„Wenn der Idiot, der mitten in der Nacht anruft, jetzt auflegt oder es gar mein verblödeter Ex-Agent ist, der sich ein letztes Mal vom Flughafen meldet, um mir seinen Abflug nach Reims mitzuteilen, dann laufe ich Amok“, murmelte er im Halbschlaf.

Doch das Telefon dachte gar nicht daran, mit dem durchdringenden Geklingel aufzuhören.

„Ja? Wer immer Sie sind, haben Sie den Verstand verloren? Wissen Sie, wie spät es ist?“

Auf der anderen Seite blieb es ruhig.

Nur diese Menschenmenge war mit einem Mal wieder da, im Hintergrund, dieser konstante Lärmpegel. Eine große Halle? Ein Bahnhof? Ein Flughafen? Die Abfertigungshalle in einem Hafen? Könnte auch ein Endlosband sein, das jemand in einem Raum laufen lässt, um seinen Aufenthaltsort zu verschleiern …

„Hallo?“ Landorff versuchte erst gar nicht, seinen Ärger zu verbergen. „Was soll der Blödsinn? Wenn Sie mich schon aus dem Bett holen, dann haben Sie wenigstens etwas zu sagen.“

Immer noch nichts. Im Hintergrund rief jemand nach einem Jungen namens Daniel und ein metallisches Quietschen war zu hören.

„Wissen Sie, was? Gute Nacht!“ Kurz entschlossen legte Landorff auf und schüttelte den Kopf. Die Irren da draußen wurden immer mehr, aber warum landeten sie immer öfter bei ihm?

Auf dem Weg zurück ins Bett stoppte ihn das Telefon erneut.

„Och komm, das ist nicht mehr witzig“, brummte er vor sich hin und warf seinem Bett, das im gelben Licht der Nachttischlampe so anheimelnd, warm und kuschelig aussah, einen sehnsüchtigen Blick zu.

Dann ging er doch zurück und hob erneut ab.

„Haben Sie vergessen, mir noch etwas zu sagen?“, meinte er sarkastisch und hörte wieder die vertrauten Hintergrundgeräusche. „Jetzt muss Ihr Zug doch bald abfahren. Hoffentlich … dann lassen Sie mich endlich schlafen.“

„Sie wissen nicht, worauf Sie sich da eingelassen haben“, meinte eine unbewegte, tiefe Stimme, die dem sonoren Bass von Henry Kissinger Konkurrenz machte.

„Doch, ich weiß, das mit Melissa als neuer Agentin geht mir auch etwas gegen den Strich“, forderte ihn Landorff heraus. „Ich möchte nicht als literarischer Heino enden, den Griffel in der geballten Faust, und auf einer Bühne gemeinsam mit Charlotte Roche aus meinen Büchern lesen.“

„Sie wissen genau, was ich meine“, fuhr der Anrufer unbeirrt fort. „Sie waren gestern auf der Party.“

„Sie auch?“

„Das tut nichts zur Sache. Dieser Kommissar, wie heißt er schnell? Ach ja, Kroning … dieser Kommissar ist auf der falschen Spur, wenn er die Gästeliste abarbeitet. Das kann er gern machen, aber es wird ihn nicht weiterbringen …“

„Woher wissen Sie das?“, stieß Landorff nach.

„Weil ich dabei war“, meinte sein Gesprächspartner kurz angebunden.

Landorff war etwas verwirrt. „Dabei? Wobei?“

„Als sie Winter angezündet haben“, gab der Anrufer ungerührt zurück, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. „Drei Mann im Morgengrauen, vermummt, ganz in Schwarz. Winter sah nicht mehr gut aus zu diesem Zeitpunkt. Sie müssen ihn gefoltert haben. Dann haben sie eines seiner Augen mitgenommen …“

Landorff fiel nichts mehr ein. Die Bilder holten ihn ein und es wurde ihm kalt.

„Waren Sie im Haus?“, fragte er schließlich und seine Gedanken rasten. „Ich nehme an, im Morgengrauen war die Party schon gelaufen und die letzten Gäste gegangen.“

„Nein, ich war nicht im Haus, ich habe zugesehen …“, brummte die Stimme und ließ offen, wie und von wo aus.

„Warum haben Sie das nicht Kroning gesagt? Sie scheinen ihn ja zu kennen?“

„Meine Sache“, erwiderte der Anrufer kurz angebunden. „Sie sind doch Journalist und Sie haben einen guten Ruf, wie man mir versichert hat. Bleiben Sie dran an der Geschichte, glauben Sie mir, sie ist es wert. Allerdings werden Sie dann nicht mehr oft zu Hause sein …“ War das ein trockenes Lachen oder hatte er sich verschluckt? „Also sollten Sie mir Ihre Handy-Nummer geben, damit wir Kontakt halten können.“

„Warum verraten Sie mir nicht Ihre?“, drehte Landorff den Spieß um.

Diesmal lachte der Anrufer tatsächlich. Eine Lautsprecherdurchsage ertönte im Hintergrund, aber Landorff konnte kein Wort verstehen.

„Also gut“, räumte er ein und diktierte sie ihm. „Wäre nett, wenn es keine Nachtanrufe werden“, setzte er hinzu, doch die Leitung war bereits tot.

Landorff überlegte bis zum Einschlafen, ob er nicht gerade einen großen Fehler begangen hatte.

Das Tartarus-Projekt

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