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5. Zehn Millionen

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Was für eine Schnapsidee, dachte Landorff, als er die schwere Haustür aufdrückte und in den warmen Münchner Nachmittag hinaustrat. Das konnte nur jemandem wie Melissa einfallen.

„Fang einfach bei den Nachbarn von Winter an. Die Polizei wird noch in der Villa sein und eventuelle Spuren sichern. Aber das brauche ich dir ja nicht zu sagen, als alter Journalist“, hatte sie ihm noch auf den Weg mitgegeben, bevor sich auch schon der nächste Kunde gemeldet hatte.

„Biergarten?“, fragte sein innerer Schweinehund lauernd angesichts des Wetters.

Der weiß leuchtende Strafzettel unter dem Scheibenwischer seines alten Mercedes tat ein Übriges. Es war nicht sein Tag und würde es wohl auch nicht mehr werden. Als er einstieg und die Fenster öffnete, um die gestaute Hitze loszuwerden, fiel sein Blick auf die Garde von Einkaufstaschen auf der Rückbank.

Melissas Kleiderordnung.

Die hatte er fast schon wieder vergessen.

Vor Gregory Winters Villa parkten jede Menge Polizeifahrzeuge. Einige dezent grau, daneben silbern lackierte VW-Busse, wahrscheinlich die Spurensicherung, zwei Einsatzfahrzeuge und ein paar Privatwagen älteren Datums. Die gehören sicher keinen Anwohnern, dachte Landorff. Grünwald ist und war von jeher ein eigener Kosmos, in dem Geld nicht nur besessen, sondern auch gezeigt wurde. Dazu eigneten sich weder rostige VW-Passat noch zerknautschte Audi A80 mit einem halb abgelösten Sticker des Polizeisportvereins.

Er bog in die nächste Querstraße ein und suchte sich einen Parkplatz etwas abseits. Besser sein treuer, aber bereits etwas mitgenommener Stern parkte nicht direkt vor den Millionenvillen. Womöglich gab es hier Abschleppdienste, die um die nächste Ecke lauerten und blitzartig vierrädrigen Sperrmüll entsorgten …

Winters Haus wurde von zwei Villen flankiert, die zweifelsohne von Stararchitekten geplant worden waren. Während der eine auf modernen Historismus setzte, empfand der andere ein gestrandetes Ufo nach, das sich bei der unsanften Landung halb eingegraben hatte. Auf der Wiese davor schob ein älterer Mann einen Rasenmäher über die makellose Grünfläche.

Landorff schlenderte über die Straße und überlegte. Mähen Millionäre ihren Rasen selbst? Oder ist das Aufgabe des Hausmeisters? Der orange Pritschenwagen in der Einfahrt mit der Aufschrift „Peter Grünberger, Gartengestaltung und -pflege“ und einer Adresse in Garching beantwortete seine Frage.

„Herr Grünberger?“, rief er, lehnte sich an den blank geputzten Edelstahlzaun und hoffte, dass der Strom abgeschaltet war. Wenn nicht, würde er in wenigen Sekunden dem armen Winter ähnlicher schauen, als ihm lieb war. Er winkte dem Rasenpfleger zu, der nach kurzem Zögern den Mäher abstellte und zu ihm an den Zaun kam.

„Polizei?“, fragte er einsilbig, griff in die Tasche und begann sich eine Zigarette zu rollen.

„Presse. Ich versuche mehr über Gregory Winter herauszufinden, sonst wird die Meldung ein Einspalter und ich verdiene zu wenig.“

„Freier Journalist?“, lächelte Grünberger und leckte das Zigarettenpapier entlang. „Ist mein Sohn auch. Echter Hungerleider-Job.“

„Dann kennen Sie ja meine Probleme“, stimmte Landorff ihm zu. „Haben Sie schon gehört, was mit Winter passiert ist?“

Grünberger schüttelte den Kopf. „Muss was Ernstes sein, so viel Polizei sieht man hier selten auf einem Haufen.“ Er ließ sein Zippo aufschnappen und inhalierte den ersten Zug. „Mein einziges Laster“, meinte er entschuldigend.

„Jemand hat Winter an seine Heizung gefesselt, mit Benzin übergossen und angezündet“, stellte Landorff etwas drastisch fest und Grünberger verschluckte sich prompt am Rauch, hustete und krümmte sich.

„Im Ernst?“, fragte er schließlich mit weit aufgerissenen Augen. „Ach, du Scheiße! Wer macht den so was?“

„Das möchte ich auch wissen. Kennen Sie Winter?“

„Ich mähe den Rasen in der halben Straße“, meinte er, „harke das Laub und stutze die Hecken, pflege die Blumen und repariere die Zäune, wenn notwendig. Auch bei Gregory Winter. War erst letzte Woche da.“

„Haben Sie irgendetwas Ungewöhnliches bemerkt?“

Grünberger schüttelte den Kopf und zog nochmal tief an seiner Zigarette. „War alles so wie immer. Winter war ein feiner Kerl, nie unzufrieden oder lästig.“

„Haben Sie seine Frau noch gekannt?“, wollte Landorff wissen.

Wieder das entschiedene Kopfschütteln. „Die lag schon am Waldfriedhof Grünwald, als ich bei Winter anfing. Muss ihn ziemlich getroffen haben, hat lange gedauert, bis er drüber hinweg war. Wenn überhaupt … Ihr Bild mit schwarzer Schleife stand noch Jahre später auf dem Piano im Wohnzimmer.“

„Und die Tochter?“, warf sein Gesprächspartner den nächsten Stein ins Wasser.

„Ach, hören Sie mir doch mit der auf“, winkte er ab und verdrehte die Augen. „Die hat er nicht verdient. Winter, meine ich.“ Wieder ein tiefer Zug. „Die hätte ich schon längst an die Leine gelegt, und zwar an die kurze. Oder in ihr Zimmer eingesperrt und den Schlüssel weggeworfen.“

Das hatte der Gorilla gestern Abend auch gemacht, dachte Landorff, das mit der Leine. Aber nicht so, wie Grünberger sich das wohl vorstellte.

„Vater verwöhnt Tochter bis über beide Ohren und drückt auch noch beide Augen zu?“

„Kann man wohl sagen“, brummte der Gärtner und lehnte sich ebenfalls an den Zaun. „Hat aber nichts Gutes gebracht. Da liefen andauernd irgendwelche Grünschnäbel in der Villa herum, die auf sie und ihr Geld scharf waren. Die haben sich im Wochenrhythmus abgewechselt. Hab keinen ein zweites Mal gesehen. Außer vielleicht diesen Bodybuilder, den sie zuletzt hatte.“

„Kenne ich, war gestern auch auf der Party“, erzählte Landorff und blickte die Straße hinunter. Die ersten Polizisten in Zivil kletterten in ihre Autos und fuhren davon. „Hatte sie viel Geld?“

„Bekam wahrscheinlich doppelt so viel Taschengeld, wie ich im Monat verdiene“, meinte Grünberger bitter und seufzte leise. „Der Porsche in der Garage ist ihrer. Geschenk zum 18. Geburtstag. Von ihrem Vater, klar.“

„Jetzt ist sie auf jeden Fall noch viel reicher …“, gab Landorff zu bedenken und Grünberger nickte.

„Diesen Tod hat Winter nicht verdient“, meinte er schließlich nach einer Weile, „Nein, den hat er nicht verdient.“ Dann wies er auf den Rasenmäher, der verloren auf der Grünfläche stand. „Ich muss jetzt weitermachen.“

„Noch eins“, hielt Landorff ihn zurück. „Gab es irgendeine Frau im Leben Winters?“

Grünberger schaute über die Schulter zurück und runzelte die Stirn. „Jetzt, wo Sie fragen … Seltsam, ich habe Winter in all den Jahren nie in weiblicher Begleitung gesehen. Seine Mutter mal ausgenommen. Naja, vielleicht hat die kleine Schlampe alle vertrieben.“

„Wissen Sie, wo seine Mutter wohnt?“

„Irgendwo in der Innenstadt, in der Nähe der Maximilianstraße. Winter beschwerte sich immer, dass er nie einen Parkplatz fand, wenn er sie besuchte.“ Damit wandte Grünberger sich endgültig seinem Rasenmäher zu, der wenig später wieder loshustete, bevor seine rotierenden Messer unter regelmäßigem Kreischen erneut die Grashalme militärisch kurz trimmten.

Nach der achten Runde um den Block Maximilianstraße/Marstallstraße/Wurzerstraße wurde Landorff klar, warum Winter seine liebe Parkplatznot hatte, jedes Mal, wenn er seine Mutter besuchte.

Hier wurden Parkplätze vererbt.

Eine Baustelle trug das Ihre dazu bei, die Situation nicht gerade zu vereinfachen.

Entnervt gab er eine Runde später auf und steuerte die nächste Parkgarage an. Doch im letzten Augenblick erspähte er am Thomas-Wimmer-Ring überraschend einen freien Platz und parkte rasch ein. Keine Sekunde zu früh, denn ein dicker BMW rollte an ihm vorbei und der Fahrer zeigte ihm den Stinkefinger.

Mit dem Gedanken, den Parkplatz anschließend an den Höchstbietenden zu versteigern, machte sich Landorff auf den Weg zum Haus Wurzerstraße 16. Die unterschätzten alten Telefonbücher leisteten manchmal doch noch gute Dienste. Maria Winter besaß sogar noch einen Festnetzanschluss.

Old school, dachte Landorff und hatte ein schlechtes Gewissen, als er den Klingelknopf drückte. Aus dem Augenwinkel beobachtete er eine attraktive Brünette, die vor einem Sushi-Lokal die Speisekarte studierte. Landorff erinnerte sich, dass er von rohem Fisch und Klebreis schon beim Hinsehen Sodbrennen bekam, und widmete sich wieder der Türklingel.

Keine Reaktion. Er parkte seinen Daumen drauf.

Niemand meldet sich und er wusste nicht, ob er erleichtert sein sollte oder nicht. Versuchsweise wählte er den Klingelknopf unter dem von Maria Winter. Eine gewisse Else Westenburg meldete sich sofort durch die Gegensprechanlage.

„Ja?“

„Eilzustellung!“, log Landorff schamlos und eine Sekunde später summte der Türöffner. Aus den Augenwinkeln sah er die Brünette vor dem Sushi-Lokal, die mit einem Mal ganz aufmerksam zu ihm herüber blickte. Als er die Haustür aufstieß, startete sie mit klickenden Absätzen hektisch in seine Richtung.

Landorff beeilte sich absichtlich, schlüpfte durch die Tür und drückte diese von innen auch noch zu, während er spürte, wie sie sich von außen dagegen lehnte. Dann zog er fest am Griff, riss unvermittelt die Tür auf und die Brünette stolperte mit einem spitzen Schrei an ihm vorbei weiter in den Gang.

„Ich denke nicht, dass Sie hier wohnen“, schickte Landorff ihr sarkastisch hinterher. „Oder haben Sie ihren Schlüssel vergessen? Haben wir es deshalb so eilig?“

„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“, zischte sie wütend, nachdem sie sich gefangen hatte und sich gegen die Reihe der Briefkästen an der Wand lehnte. Sie massierte ihren Knöchel und warf Landorff einen mörderischen Blick zu. „Sind Sie von der Polizei?“

„Ebenso wenig wie Sie,“ gab er zurück. „Presse. Ich recherchiere den Tod von Gregory Winter.“

Die Brünette schwieg. Landorff ging an ihr vorbei und nahm die Treppen in Angriff.

„Wohin gehen Sie?“, tönte es von den Briefkästen hinter ihm her. „Maria Winter ist nicht zu Hause.“

„Mit Leuten zu reden ist mein Job“, rief er über die Schulter. „Außerdem habe ich einen legalen Parkplatz. Und den gedenke ich auszunutzen.“

„Sie können sich den Weg nach oben sparen. Die alte Frau Westenburg ist taub wie ein Fisch und hat mit Mutter Winter so gut wie keinen Kontakt.“

Landorff stockte und drehte sich um. Die High Heels klapperten über die Bodenfliesen im Gang. „Woher wissen Sie das?“

„Ich habe mich über die Gegensprechanlage mit ihr unterhalten, die halbe Straße hat zugehört“, meinte die Brünette und versuchte, an ihm vorbeizukommen.

„Warum wollten Sie dann ins Haus?“, fragte Landorff sie verwirrt.

„Weil es noch andere Parteien gibt und ich nicht alle Klingelknöpfe drücken wollte“, zischte sie ihm im Vorbeigehen zu.

„Was interessiert Sie eigentlich an Gregory Winters Tod? Ich verdiene mein Geld mit News, aber welchen Grund haben Sie, um hier herumzuschnüffeln?“

Sie blickte ihn von oben herab an. „Sind Sie jetzt bald am Ende mit Ihren Fragen? Ich habe zehn Millionen gute Gründe, glauben Sie mir.“

Damit stöckelte sie weiter die Treppen hinauf, während Landorff überlegte. Zehn Millionen Gründe? War das ernst gemeint oder einfach so dahingesagt?

Plötzlich hörte er, wie die Haustür sich öffnete und jemand in den Flur trat. Die ältere Frau, die etwas schwerfällig mit zwei schweren Einkaufstüten um die Ecke zur Treppe bog, hatte rot geweinte Augen und wirre Haare, die so gar nicht zu ihrem eleganten Äußeren passen wollten.

„Frau Winter? Kommen Sie, ich helfe Ihnen, die sind ja viel zu schwer“, meinte Landorff zuvorkommend und nahm ihr die beiden Tüten aus der Hand.

„Das ist sehr nett von Ihnen. Kennen wir uns?“, fragte sie leise und holte ein Taschentuch aus der Manteltasche, um sich die Nase zu putzen.

„Ich habe Ihren Sohn gekannt und bin gekommen, um zu kondolieren“, antwortete Landorff ausweichend. „Furchtbar, was passiert ist. Mein aufrichtiges Beileid.“ Sie begann wieder zu schluchzen.

„Ich bringe Ihre Tüten hinauf in die Wohnung und dann komme ich vorbei, wenn es Ihnen wieder besser geht“, schlug Landorff vor und Frau Winter sah ihn dankbar an. „Gehen Sie nur vor, Sie müssen ja auch aufschließen.“

Als die alte Dame an ihm vorbeiging, setzte die Brünette zu einer Begrüßung an, doch Frau Winter ging in ihrer Trauer unbeirrbar an ihr vorbei und würdigte sie keines Blicks.

„So geht das“, raunte Landorff ihr schadenfroh im Vorübergehen zu.

Zehn Minuten später hatte er Maria Winter seine Visitenkarte in die Hand gedrückt und war zum Kaffee am nächsten Tag eingeladen worden. Als Landorff auf die Straße trat und sich umblickte, konnte er die Brünette nirgends erblicken.

Zehn Millionen Gründe …

Der kurze Satz ließ ihn nicht los. Schuldete ihr Winter zehn Millionen Euro? Dann hatte sie Pech gehabt. Nun war er tot und die Schuld hinfällig. Außer sie hatte etwas mit dem Erbe zu tun …

Landorff grübelte vor sich hin und hätte fast das Klopfen an die Scheiben des Sushi-Lokals überhört. Die Brünette balancierte mit zwei Stäbchen grüne Häppchen in ihren Mund und winkte mit der Linken, er solle doch an ihren Tisch kommen.

„Ich hasse Sushi“, verkündete Landorff naserümpfend, als ihm der Geruch von rohem Fisch und gärendem Seetang entgegenschlug. Er ließ sich vorsichtig auf dem schmalen Sessel nieder. „Algenröllchen mit Quallenextrakt? Trotzdem guten Appetit. Was gibt’s noch?“

„Haben Sie mit Maria Winter gesprochen?“ Die braunen Augen fixierten ihn, während sie sich mit ihrer Hand die Locken zurückstrich.

„Habe ich, wir sehen uns morgen zu einem ausführlichen Kaffeeplausch“, nickte Landorff. „Die Polizei war bereits heute Mittag bei ihr und hat nicht wirklich Sympathiepunkte bei der alten Dame gesammelt. Naja, der Preisringer ist nicht jedermanns Sache.“

Die Brünette runzelte die Stirn und blickte Landorff verwirrt an.

„Der Leiter der Ermittlungen ist Kommissar Kroning und der kann bei jeder WWF-Veranstaltung allemal den Hauptkampf bestreiten“, machte ihr Landorff klar.

Ihr Blick wechselte von verwirrt zu fragend.

„WWF? World Wrestling Federation?“, stieß Landorff nach. „Schon mal gehört?“

„Nicht meine Art von Sport“, entgegnete sie. „Aber ich weiß, was Sie meinen. Ich habe Kroning auf der Straße getroffen, als er von Maria Winter kam. Ein Schrank von einem Mann …“

„Eher eine ganze Schrankwand“, nickte Landorff. „Sie sind also schon länger in der Gegend?“

„Oh, ich habe mich ein wenig umgehört“, meinte sie unverbindlich und schob sich das letzte Sushi-Röllchen in den Mund.

„Was machen Sie eigentlich, wenn Sie sich nicht umhören und in Rufweite alter Damen Sushi essen?“, erkundigte sich Landorff und lehnte sich vor. „Die Polizei ist an dem Fall dran, nicht nur weil Winter ein Mitglied der Münchner Schickeria war, sondern weil es sich nicht herumsprechen sollte, dass man in Bayerns Hauptstadt jemanden ungestraft an eine Heizung fesseln und anzünden kann. Kroning sieht nicht so aus, als würde er den ganzen Tag im Büro Däumchen drehen. Also – kommt Zeit, kommt bestimmt auch Aufklärung.“

„Oder auch nicht“, gab sie zurück. „Außerdem klingen Sie wie meine Mutter.“

„Ihre Version?“

„Weitaus differenzierter.“ Sie klopfte mit den Essstäbchen auf die Tischplatte. „Wussten Sie, dass Prolicks zwar eine Dienstleistungsfirma war, hinter der Fassade aber eine ganze Gruppe von Unternehmen damit beschäftigt war, unter anderem Drohnen zu entwickeln und zu verkaufen? Dass das Unternehmen Winter allein gehörte? Keine Investoren, kein Fundraising, alles selbst aufgebaut. Als er die Gruppe verkaufte, kassierte er alles und musste niemandem einen Cent zahlen.“

„Drohnen?“, wiederholte Landorff ungläubig. Seltsamerweise hatte Melissa nichts davon erwähnt.

„Für Abnehmer und Auftraggeber in der ganzen Welt“, nickte die Brünette. „Lieferdrohnen für Amazon, zivile Kameradrohnen für Hänschen Schmidt, Kampfdrohnen für diverse Einsatzkräfte und Armeeteile. Kleine Dinger, die Wände hinaufklettern können, tauchen wie ein Tintenfisch, krabbeln wie eine Ameise oder fliegen wie eine Libelle und dabei nie müde werden. Richtige kleine Schätzchen. Und wie man hört, hat es Winter mit den Waffenexportgesetzen diverser Länder nicht so genau genommen.“

Landorff pfiff leise durch die Zähne. Das verändert alles, dachte er und fragte sich, ob Winter nicht das Opfer eines professionellen Killers geworden war.

„Feuer hat einen Vorteil – es vernichtet fast alle Folterspuren restlos.“ Die Brünette zog einen 20-Euro-Schein aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. „Habe ich schon das Gerücht erwähnt, dass Winter eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, und zwar an dem Tag, an dem er seine Firma verkauft hat?“

Nach einem kurzen Augenblick der Verwirrung wurde Landorff auf einen Schlag einiges klar …

„Die Versicherungssumme betrug zehn Millionen?“, versuchte er einen Schuss ins Blaue.

„So sagt man, Mr. Pulitzer“, grinste die Brünette, stand auf und zog sich ihre Jacke an. „Und die Versicherung ist ganz und gar nicht scharf darauf, einen Scheck mit sieben Nullen an irgendeinen bisher noch unbekannten Erben auszustellen.“

„Lassen Sie mich raten, Mrs. Schnüffelnase, es gibt da noch ein paar kleingedruckte Absätze auf der Rückseite?“

Touché, und meine Auftraggeber bezahlen mich dafür, allen noch so kleinen Verdachtsmomenten nachzugehen. Und übrigens, es heißt Miss, Miss Schnüffelnase. Bis demnächst irgendwo!“

Mit einem majestätischen Winken stöckelte sie an Landorff vorbei und ließ ihn mit seinen dunklen Gedanken und dem Algengeruch allein.

Während er langsam zu seinem Mercedes zurückschlenderte, überlegte er, wem er als Nächstes auf die Nerven gehen könnte. Die Einladungsliste … die arbeitet die Polizei zwar auch ab, dachte er, aber mit etwas Glück fange ich beim richtigen Buchstaben an.

Doch was, wenn der Täter gar nicht auf der Liste steht? Er zog sein Smartphone aus der Tasche und wähle Melissas Nummer.

„Ich bin in einer Besprechung“, meldete sich die Agenturchefin kurz angebunden.

„Ich auch, mit dir nämlich“, gab Landorff ungerührt zurück. „Wer kann mir schnellstens eine Einladungsliste von der Party gestern besorgen?“

„Die kannst du am besten bei Zahlmann einsehen“, antwortete Melissa leise. „Als Caterer hat Gregory ihm die Liste wegen den Lebensmittelallergien übermittelt.“

„Musste jeder seine Allergie neben die Anmeldung schreiben?“, fragte Landorff ungläubig.

„Blödmann, natürlich nicht“, zischte sie. „Aber Zahlmann richtet alle großen Feste und Events in München aus und kennt seine Pappenheimer. Er weiß, wer keinen Fisch isst, wer Spargel mag oder Knoblauch aus dem Weg geht oder auf Eisalat allergisch ist.“

„Oder auf Kaviar und Rehrücken“, ergänzte Landorff mitfühlend.

„Auf die ist kein vernünftiger Mensch allergisch“, meinte Melissa abschließend und legte grußlos auf.

Das Tartarus-Projekt

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