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Child in Time

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Mir ist kalt. Im kurzen Leiberl und einer um den Bauch viel zu engen Jeanshose sitze ich auf meiner morschen Sonnenbank vor dem Haus und versuche die letzten Sonnenstrahlen zu genießen. Ein anstrengender Arbeitstag liegt hinter mir, eine volle Flasche Uhudler steht vor mir. Ich ziehe den Korkverschluss heraus und schenke mir ein Glas ein. Ich nippe daran, dann gleich nochmal. Der beerige Geschmack des Uhudlers wiegt mich zurück in die 1990er Jahre. Die Zeit meiner Jugend.

Wie in einem Zeitraffer verschwinden alle Sorgen, die Menschen wie mich seit Jahrzehnten begleiten. Schulden, mein schlecht bezahlter Job als Nachtwächter und die Midlifecrisis-bedingten Panikattacken sind auf einmal wie von Geisterhand verschwunden.

Ich denke zurück an jene Sommertage, in denen ich im Alter von 15 Jahren meine ersten Erfahrungen mit Alkohol machte. Der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Ich erinnere mich, wie wenn es gestern gewesen wäre. Es war ein Sonntagnachmittag im Juni 1995, als ich meinem Vater eine Flasche Uhudler aus dem Kühlschrank stibitzte. Ich wollte den Nachmittag mit Freunden im Hans-Schnopfhagen-Park, schräg gegenüber der Kirche, die nötige Würze zu verleihen.

Bewaffnet mit einem batteriebetriebenen Kassettenradio saßen ich und ein junger Mann mit dem Spitznamen "Metal Martin"auf einer morschen Parkbank. „Child in Time“, das wohl schrägste Lied der Band Deep Purple lief in Dauerschleife als wir den Wein des Vaters becherten. Es waren Momente des puren, absoluten Glücks die sich an diesem Nachmittag in meine Erinnerung brannten. Ein Gefühl, das ich schon damals nur selten verspürte. Schon immer gehörte ich zu den Außenseitern, die das traditionelle Dorfleben angeblich mit Füßen traten. Ich und meine Freunde waren so was wie die Vorläufer der sogenannten Dorfpunks, die sich kaum um Konventionen scherten.

So war das vor 25 Jahren. Jetzt ist vieles anders. Aus den einstigen Rebellen sind wir zu Spießern geworden. Wir schufen uns eine scheinbar perfekte Welt zwischen Gartenzäunen, perfekt gemähten Rasen und Thujenhecken. Das Schnitzerl am Sonntag, der tägliche Wahnsinn in den Sozialen Medien, die chronische Überforderung zwischen Karriere und Familie sowie der nostalgisch-verklärte Blick auf eine gemeinsame Vergangenheit prägen unseren Alltag. Wir rechnen Preise in die längst vergangene Schilling-Währung um und ärgern uns über die Bonzen aus Brüssel, die angeblich Schuld an unserem Niedergang sind. Depressionen, Burnouts und die allgegenwärtige Überforderung machten uns zu Karikaturen unserer selbst.

So ist es jetzt. Ich will meine Lage ändern, mich aufraffen und endlich in die Gänge kommen. Als ich so in meinen revolutionären Plänen dahinschweife, fällt mir was ein. Da! Neben mir steht ja ein Glas Uhudler. Ich trinke einen kräftigen Schluck und atme getrost durch. Prost! Das Gefühl der Erschöpfung erfasst mich wieder. Die Revolution startet morgen, heute trinke ich noch einen. Den habe ich mir verdient. Wie an den meisten anderen Tagen :-)

Der Fastfood-Troll

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