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Oswald Oberngruber

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Die Wintersonne stand tief am Himmel. Nur eine dünne, seeförmige Schleierwolke bedeckte den blauen Himmel, an einem der kältesten Wintertage in diesem Jahr. Schnee, Kälte und Eis bildeten so was wie ein Winterwonderland. Mitten in der Prärie am Straßenrand stamd ein Wagen. Oswald Oberngruber öffnete die Käfigtüre seines mobilen Taubenkobels, eingebaut im Kofferraum. Mit einem lauten Flattern stiegen 20 Brieftauben auf. Sie übertönten mit ihren Flügelschlägen sogar das Geräusch der Kreissäge, die der Lindorfer Lois etwa 200 Meter entfernt auf seinem Bauernhof in Bad Hansberg bediente. Oberngruber sah den Tieren nach, atmete einen tiefen Zug Luft ein und hielt dann seinen Atem an. In verkrampfter Haltung - so als würde er die Zeit stoppen wollen stand er mitten in der Botanik und sah zu seinen Tauben in die Luft. Für die meisten Menschen gelten Tauben als Ratten der Lüfte - nicht aber für Oswald Oberngruber. Er war prämierter Hobbyzüchter, gewann auf den verschiedenen Wettbewerben laufend Preise und galt als Vizepräsident des Kleintierzüchtervereins B127 als wortgewandter Zeitgenosse. Auch beruflich war Oswald Oberngruber so was wie ein gemachter Mann. Mit seinen 56 Jahren war er stellvertretender Abteilungsleiter der Bundesländerversicherung im Bereich „Großschadensfälle“. Er hatte eine Ehefrau und zwei Kinder, die beide an der Uni Linz studierten.

Mit einem lauten Pfauser atmete Oberngruber aus. Er ging noch einmal rund um seinen Wagen und klappte dann den Kofferraumdeckel zu. Dann setzte er sich vorne auf den Fahrersitz. Oberngruber schaltete die Zündung ein und drehte das Radio auf. Am Regionalsender spielten sie Schlager. „Hosentürlreiber“, wie Oberngruber in der Disco immer zu sagen pflegte. Er nahm sein Handy aus der Hosentasche und drückte nochmals auf die Whatsapp-Nachricht, die vor etwa drei Stunden in seinem Posteingang klingelte. Er las sie nochmals durch und schluckte geräuschvoll hinunter. Oberngruber fühlte sich, wie wenn er einen dicken Kloß im Hals hatte. Er war sprachlos, niedergeschlagen, depressiv. Angst und Selbsthass zerfraßen in diesem Moment seine Gedanken. Nachzudenken war unmöglich. Nur die wegfliegenden Tauben ließen an diesem Sonntagnachmittag für einen kurzen Moment seine Mundwinkel nach oben gehen. Oswald Oberngruber stand knietief in der Scheisse. Hormontrieb, Alkoholkonsum und männlicher Leichtsinn hatten in dorthin gebracht, wo er nun war.

Angefangen hat alles mit dem blöden Gerede vom Lois gestern in der Discothek Almrausch, die unter Männern in Oberngrubers Alter hinlänglich als „Hausfrauenstrich“ bekannt war. Der Grund für diesen doch eher schlüpfrigen Beinamen für dieses Tanzcafè war mehr als nur banal. Ausschlaggebend dafür war die Tatsache, dass der Geschäftsführer des Almrausch` sich auf Gäste im sogenannten Best-Ager-Alter spezialisiert hatte. Schlagermusik und erdiges Skihüttenambiente traf hier auf plakativen Brachialpatriotismus. Die Barhocker und Sitzbänke waren mit einem rot-weiß-roten Stoff überzogen und das Getränkesortiment huldigten Flair und Temperament rühriger Alpenrepublikaner in diesem Alter. Das Bier wurde in Seiterlflaschen ausgeschenkt. Spritzer, Cola Rum und das mittlerweile fast von der Ausrottung durch Energydrink-Mixgetränke berdrohte Rüscherl feierten hier fröhliche Urstände. Auch die typische Anglizimenschleuder am DJ-Pult war im Almrausch ein No-Go. Hier stand DJ Wolfgang, ein erdiger Altersgenosse mit schadhaftem Gebiss und übergroßer Bierwampe an den Reglern. Sein Spitzname XXL kam wahrscheinlich davon, dass das einzig dünne an DJ Wolfgangs Körper sein Kopfhaar war, das er vermutlich seit den 1970ern mit einer Dauerwelle in Szene setzte. Eine bis in den Hinterkopf reichende Furchenglatze (Geheimratsecken) zersägte dieses Bild wallender Haarpracht mit den Jahren. Die Dauerwelle war wohl ein modisches Überbleibsel seiner Sturm-und-Drang-Zeit. Dass DJ Wolfgang damit wie ein Italo-Barde dieser Dekade aussah, ist vielleicht auch der Grund gewesen, warum ihn der Almrausch-Geschäftsführer vor mehr als acht Jahren engagierte und ihn als auflegende Cashcow gehaltstechnisch auf Rosen bettete. DJ Wolfgang dankte es ihm mit dem Auflegen sogenannter Befruchtungswalzer, die gerade zu späterer Stunde zu vermehrter Hormon- und Personenfrequenz auf der Tanzfläche sorgten. Und: Weil gerade die Frauen reiferen Alters auf diese Art von Musik ansprangen, ist auch der Hauptgrund warum das Tanzcafé Almrausch „Hausfrauenstrich“ genannt wurde. Ein Faktum, das auch verheiratete Männer wie dem Lois oder eben Oberngruber in dieses Tanzcafè gehen ließ. „Aus den Boxen nur Schlager, aus dem Zapfhahn nur Bier was ist billig - All das macht die Frauen willig“, lautete ihr Motivationsspruch - auch gestern Abend. Dass aber trotz der von DJ Wolfgang routiniert eingesetzten Hosentürlreiber die im Almrausch anwesenden Damen nicht auf Lois` und Oberngrubers eingesetzten Charme ansprangen, hatte eine fatale Wirkung. Die Blicke in die fremden Dekolletees machten Oberngruber geil. Der Alkohol tat seine Wirkung und ein schnelles Abenteuer wäre für ihn der Gipfel der Gefühle gewesen.

Weil die frauentechnische Disco-Ausbeute statistisch gegen Null ging, zückte Oberngruber, als er zu Hause ankam, heimlich sein Smartphone und surfte auf eine Erotik-Chat-Seite. Die Kontaktaufnahme mit „Latexlady 69“ war dann auch gleich vielversprechend. Die Annäherungsversuche mit anfänglichem Dirty-Talk gipfelten schließlich im Austausch von Nacktfotos. Ein Moment, in dem Oberngruber endlich mal Spontaneität zeigte und seinen leicht angereiften Adoniskörper mit einem Penis-Selfie in Szene setzte. Ohne Foto-Filter, ganz pur und standhaft. Mit diesen Worten ließ er das in seiner sexuellen Erregung fabrizierte Nacktbild an die von „Latexlady 69“ übermittelte Handynmmer durch das Internet wandern. Das Herz schlug bei dieser cybersexuellen Entjungferung bis zu seinem Hals und die pulsierenden Schläge schnitten ihm die Atemluft ab. Dem Höhepunkt folgten Angst und Ungewissheit, wohin er sein Nacktfoto schickte. Als er als Antwort auf sein Whatsapp drei Bilder einer haarigen Vagina erhielt, dachte Oberngruber dass diese schnelle Nummer doch glücklich endete. Oberngruber masturbierte noch schnell und legte sich dann mit einem befriedigten Grinser ins Ehebett. Seine Ehefrau Hilde schlief bereits tief und fest. Sie bemerkt wie immer nichts, dachte Oberngruber noch kurz vor seinem wegnippeln. Doch es kam anders.

Exakt um 9.30 Uhr, kurz nachdem er aus seinem alkoholbedingten Schlafzimmerkoma erwachte, klingelte sein Smartphone. Whatsapp eingetroffen. Oberngruber rülpste kurz, richtete sich in seinem Bett auf und starrte auf das Display. Zuerst dachte er noch an eine erotische Liebesnachricht, als er die Absendernummer las. Dann aber verfärbte sich sein Teint kreidebleich. Die Müdigkeit in den Knochen war wie weggefegt und der sonntägliche Kater wich einer unbändigen Schrecksekunde, die das Blut in seinen Adern gefrieren ließ. Oberngrubers Morgenlatte fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Sie implodierte und das so entstandene Vakuum in seiner Bauchgegend stimulierte einen unkontollierbaren Brechreiz.

„Wenn du bis Mittwoch nicht 20.000 Euro auf meine Konto überwiesen hast, werde ich dein Foto mit kurzem Pimmel auf Youporn veröffentlichen, dazu einen Link auf deine Facebookprofil setzen. Ich habe volle Kontrolle über dein Gerät und weiß, wo du herumsurfst. Nun, ich glaube das ist ein fairer Preis für unser kleines Geheimnis. Wenn ich das Geld nicht bis Mittwoch habe, sende ich das Foto an alle deine Mailkontakte. Opfa. Perverse Sau!“

Oberngruber atmete kurz aus und ein. Dann schaltete er sein Handy aus und versteckte das Mobiltelefon in seinem Nachtkästchen. Er dachte an die fünf Phasen der Krise, über die er vorgestern in einem Magazin las. Er war mitten in Phase Eins - der Verdrängung. Mühsam wuchtete er seinen Körper aus dem Ehebett, zog sich sein Ruderleiberl an und streifte sich schnell eine Trainingshose aus Ballonseide über seine Beine. Er mochte diese Hosen in seiner Freizeit. Der Gummizug schmiegte sich angenehm über seine Problemzonen an Hüften und Wampe und die weite Passform ergoss sich wie ein weicher Stoff-Fluss über seine haarigen, im Verhältnis zum Bauch, dünnen Beine. Er versuchte den angebrochenen Sonntag so zu leben, als hätte es dieses Whatsapp nie gegeben. Nach einem schnellen Frühstück verschwand er, ohne mit Frau und Kinder zu reden, bei der Haustüre hinaus. Er stieg in sein Auto und fuhr zum rituellen Frühschoppen beim Kirchenwirt am Bad Hansberger Ortsplatz. Aber auch am Stammtisch wollte und wollte sich das ansonsten so wohlige Sonntagsfeeling nicht einstellen. Auch nach dem zweiten Reparaturseiterl konnte Oberngruber nur schwer über die Herrenwitze lachen, die an Tagen wie diesen für das schlüpfrige Flair sorgten. Keine Chance. Auch die Erzählungen von Freund Lois, der vor versammelter Stammtischrunde den gestrigen Abend Revue passieren ließ und dabei log, dass sich die Balken bogen, sorgten für keinerlei Regung in Oberngrubers Gesicht.

„Was ist Ossi? Hat dich deine Alte hinausgeschmissen“, wollte Lois von ihm hören. „Du schaust drein wie ein Autobus.“

Oberngruber war zum Weinen zumute. Er wurde erpresst - von einer Frau. Latexlady 69 hatte ihn, den großen Frauenhelden und Vorzeigemacho an den Eiern. Oberngruber zahlte und machte sich auf den Weg. Zuhause angekommen lud er seine Tauben ins Auto und kutschierte mit ihnen auf und davon.

Das hätte er sich nie gedacht, dass er Opfer eines perfiden, niederträchtigen und sexuell anrüchigen Cybermobbings wurde. Oswald Oberngruber, Vizeabteilungsleiter der Bundesländerversicherung, Chef der Kleintierzüchter und honoriges Mitglied des Kameradschaftsbundes und Pfarrgemeinderates. Er, der Saubermann von Bad Hansberg, die moralische Säule der Gesellschaft und Ehrenmitglied der Gebetsliga für christliche Werte steckte bis zum Hals im Sündenpfuhl?

„Ein Wahnsinn. Wenn das herauskommt bin ich erledigt“, dachte er sich. Oberngrubers Kunden bei der Versicherung, der Gemeinderat, die Freunde, die Ehefrau, die Kinder. Alle! Alle werden sein Schwanz-Porträt in ihren Mail-Posteingängen zu sehen bekommen. Es gab nur einen Ausweg. Er musste mit eigenen Kräften wieder aus dieser Krise herauskommen.

Aber wie? Obernguber konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er saß einfach im Auto und machte einen erschöpften Eindruck - sechs Stunden nach der Drohung von „Latexlady 69“. Die schweißnasse Hose klebte am lederbezogenen Fahrersitz seines Autos. Oberngruber drehte am Sendersuchlauf seines Autoradios weiter und lauschte gedankenverloren irgendwelchen deutschsprachigen Hiphoppern, die irgendwas von Ehre, Brüsten und Swag ins Mikro röhrten. Dem Versicherungsfachmann wurde in diesen Momenten klar. Er war am Arsch.

Plötzlich überkam es ihm: Oberngruber raufte sein schütteres Haar und stieß einen ins Mark fahrenden Schrei aus. Er trommelte mit beiden Fäusten auf das Armaturenbrett und brach zusammen. Seine Augen füllten sich mit Tränen und er begann immer lauter zu wimmern.

Die zweite Krisenphase erfasste ihn. Wut und Zorn ließen Oberngrubers Körper beben. Die Erschöpfung trat nach wenigen Minuten ein. Oberngruber schluchzte. Er war verzweifelt, müde und wusste nicht mehr, was er machen sollte.

Plötzlich läutete sein Handy. Es war Hilde, seine Ehefrau. Damit diese keinen Verdacht schöpfte, riss er sich wieder zusammen und nahm das Gespräch an.

„Hallo Liebling.“

„Ossi. Wo bist? Die Jause steht am Tisch. Wenn du heute nicht wieder auf der Soff schlafen willst, bist du in zehn Minuten da, gell!“

„Ja sicher, Liebling. Ich muss nur noch schnell …“

„… ich kann es mir denken. Das Bier austrinken. Ossi! Ich verlange, dass du sofort …“

„Jaja, Liebling. Du weißt doch ganz genau, dass ich mit den Tauben …“

„Lass mich in Ruhe mit deinen scheiß Viechern. In zehn Minuten bist du da. Ende!“

„Liebling, ich …“

Aufgelegt. Oberngrubers Kopf verfärbte sich dunkelrot. Als ihn der Zorn wieder packte und er das Handy wegschmeißen wollte, kam ihm die Idee. Er tippte mit seinen Klofingern am Smartphone herum und wählte die Nummer von „Latexlady 69“.

Vielleicht kann ich ja was heraushandeln, dachte er sich. Schlimmer als jetzt kann es nun nicht mehr werden. Als er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, wusste er: Phase drei, die Verhandlung, hat begonnen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sich nach dem Freizeichen eine männliche Stimme meldete.

„Herr Oberngruber. Ich warte seit sechs Stunden auf ihren Anruf“, klang diese in einem ungarischen Akzent in sein Ohr. Die Stimm-Melodik und die Betonungen erinnerten Oberngruber dabei an die nervende Stimme eines osteuropäischen Premierministers, den er vor kurzem in den Radionachrichten hörte. Wie so viele seiner Berufskollegen schimpfte er über eine angebliche Flut geflüchteter Menschen, die eine angebliche Hochkultur in den Abgrund führten. Opium fürs Volk und für diese Art von Opium war Oberngruber an diesem Tag nicht empfänglich. Er hatte - gelinde gesagt - ganz andere Sorgen.

„Spreche ich mit Latexlady 69“, stammelte er mit verhaltener Stimme.

„Bingo, Opfa! Was ist mit meinem Geld. Hast du schon überwiesen, was?“

„Darüber möchte ich mit ihnen sprechen.“

„Hä! Du willst mit mir verhandeln, Wurm?“

„Verhandeln? Ich möchte nur fragen, ob wir …“

Oberngrubers zittrige Stimme versagte nun ganz.

„Du weißt. Ich habe das Foto. Wenn Geld nicht bis Mittwoch auf meine Konto ist, dann geht Schwanz-Foto viral. Du bist perverse Dreckschwein, verstehst!“

„Ich wollte doch nur fragen, ob …“

„Nein!“ Die Stimme dieses ungarischen Mannweibes wurde lauter und zunehmend harscher.

„Nur dass du weißt: Fut-Foto von mir war keine Muschi. Ich habe mit Computer eine Foto-Montage gemacht. Haare von depperten Amerikaner und Lippen von großen Baumeister aus Wien. Mann mit Frauen mit Tiernamen. Hahaha! Du Wichser.“

„Latexlady 69“ legte auf.

Oberngruber starrte aufs Handy und wusste nicht mehr weiter. Die Nachricht, dass er auf eine Foto-Montage mit der auffälligsten Haarlocke der internationalen Politik wichste, verstörte ihn noch mehr als die Männerstimme am Telefon. Er biss sich auf die Lippen und begann laut zu lachen. Ein ausländischer Sex-Hacker hatte Oswald Oberngruber, den Vizeabteilungsleiter der Bundesländer an den Eiern. Wenn er ihm das geforderte Geld nicht bis Mittwoch überwiesen hatte, steht seine kleine „Lust-Sünde“ im Internet. Ein Fakt, der nicht nur seine Ehefrau Hilde berühren würde. Alle seine Freunde, seine Kunden und seine Vorgesetzen würden dieses stümperhaft mit dem Handy fabrizierte Nacktfoto inklusive steifem Glied zu sehen zu bekommen. Oberngruber schüttelte den Kopf. Nur einen Moment später wanderte seine Hand zum Handschuhfach. Er zieht eine flache Schachtel heraus und öffnete sie. Das was hier wie ein Pistolenhalfter aussah, war gottseidank keiner. Nein. Oberngruber war noch nicht so weit, sich das Hirn wegzublasen. Er zog eine kleine Vodkaflasche aus dieser Verpackung heraus und nahm einen kräftigen Schluck. Kurz darauf zog sich ein wohliges Gefühl durch seine Adern. Einen kurzen Moment lang waren Angst und Verzweiflung gewichen. Es dauerte nicht lange, dann waren die beklemmenden Gefühle wieder da. Ein Erpresser hatte Oberngruber an den Eiern. Um Hilfe zu bitten wäre zu riskant. Die Hilde würde ihm die Hölle heiß machen. Sein Leben - wie er es bisher kannte - wäre vorbei. Er wäre tot, lebendig begraben im eigenen Körper. Die Depression, die vierte Phase der Krise erfasste ihn.

Oswald Oberngruber musste zum ersten Mal im Leben ein Mann sein und die Sache selbst in die Hand nehmen. Nur er hätte es in der Macht, diesen Wahnsinn zu beenden. Ja. Gestern ist er schwach geworden. Seine nächtliche Geilheit trieb ihn in die Arme dieser Internet-Sex-Hacker. Das war Tatsache und so zu akzeptieren - da führte kein Weg vorbei. Nur er konnte sich - wie Münchhausen mit seinem eigenen Zopf - aus dieser Krise selbst befreien. Aber wie? Oswald Oberngruber spürte, wie die Hoffnung zurückkehrte. Als er dann auf einmal einen Werbepostwurf der örtlichen Tankstelle liegen sah, wusste er was zu tun ist. Ein Überfall wäre die Lösung. Da konnte er dann auch diesem penetranten Lindorfer Lois endlich eines auswischen. Der Lindorfer startete am Montag wieder seinen Dienst als Kassier. Heute hatte er ihn beim Frühschoppen so anlaufen lassen. Blamiert bis auf die Knochen saß Oswald Oberngruber bei seinem Bier. Aber: Rache ist süß, mein Freund.

Er erinnerte sich. Am Stammtisch erzählte der Lois. „Morgen kommt der Geldtransport. Da sind dann die Millionen bei uns.“ Dann nickte Oberngruber zufrieden, drehte den Zündschlüssel um und knatterte mit seinem Skoda Kombi auf der Straße direkt nach Hause. Schnell versorgte er noch seine Tauben.

Nachdem Oswald Oberngruber zu Abend gegessen hatte und seine Frau wieder ins Reich der Träume abgeglitten war, begann er mit den Vorbereitungen. Er holte seine Glock-Pistole aus dem Waffenschrank und befüllte sie mit Patronen. Die Faschingsmaske mit dem Konterfei eines ehemaligen US-Präsidenten mit auffallend blonder Haarlocke nahm er ebenfalls aus dem Schrank. Dass sich Oswald Oberngruber dahinter versteckt würde wohl keiner ahnen. Ist das letzte Gschnas im Pfarrheim doch schon Ewigkeiten her. Dass der Lindorfer Lois an diesem Abend nicht dabei war, spielte ihm zusätzlich in die Karten. Fest entschlossen, am nächsten Morgen den Coup zu landen und dann diesem Hacker dieses Geld zu überweisen, legte sich Oberngruber ins Bett. Alles sollte gut werden, sein Überfall sollte ihn retten.

Es kam ganz anders. Drei Tage später war dann in der Alpenländischen Rundschau folgender Artikel zu lesen.

Dümmster Räuber des Jahrhunderts gefasst - Spuren im Schnee führten zu Sex-Opfer

Bad Hansberg (hc). Eine dicke Schneedecke kann für die Polizei bei der Tätersuche durchaus nützlich sein. Besonders dann, wenn der Räuber der Planung seines Coups derart stümperhaft vorgeht. Um den Überfall auf die Tankstelle in Bad Hansberg zu klären, mussten die Beamten nur ein paar hundert Meter den verräterischen Spuren im Schnee folgen, um den Tatverdächtigen Oswald O. in seinem Wohnhaus dingfest zu machen. Seine Freude über das erbeutete Bargeld dauerten nur wenige Minuten. Als Motiv für seine Tat gab O. an, von einem Sex-Hacker erpresst worden zu sein. „Ich musste ihm 20.000 Euro überweisen, sonst hätte er ein Nacktfoto von mir veröffentlicht und all meinen Kunden und Privatkontakten per Mail zugeschickt. Ich war verzweifelt“, sagte O. bei seiner Einvernahme den Beamten.

Diese staunen nicht schlecht, als ihnen O. gleich auch die Bankdaten des angeblichen Sex-Hackers preisgab. Dank dieser Informationen konnte die heimische Polizei gleich auch den aus Ungarn stammenden Victor P. ausforschen und per Interpol festnehmen. „Wenn O. mit dieser Information gleich zur Polizei gegangen wäre, hätten wir sofort gehandelt. Sein Überfall war komplett unnötig“, sagt Hermann S., der zuständige Staatsanwalt. Dumm gelaufen: O. erwartet nun eine saftige Haftstrafe und ein zusätzliches Zivilverfahren. Tankstellen-Kassier Alois L. zeigte ihn auch wegen gefährlicher Drohung an. „Mit dieser Faschingsmaske hat er mich fast zu Tode erschreckt.“

Der Fastfood-Troll

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