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Kapitel 4.

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Frau Brüggemann passte ihn an der Pforte ab und verwies ihn sogleich in die Pathologie. Frau Rother hatte bis spät in den Abend ihr Bestes gegeben und gleich heute fortgesetzt. Sie konnte schon einen ersten vorläufigen Bericht abliefern.

»Der Tod muss am Montag, den neunzehnten, in der Frühe eingetreten sein. Genauer mag ich mich nicht festlegen. Wissen Sie, Herr Berendtsen, in dieser Situation kann man den Zeitpunkt nur noch anhand der Larvenstadien von Maden und anderen Viechern feststellen, weil …« Weiter kam sie nicht.

»So genau will ich das gar nicht wissen. Mir wird gleich wieder schlecht, wenn ich daran denke, wie er auf dem Ansitz lag. Lassen Sie es gut sein, Frau Rother.« Einige Gummibärchen wanderten aus der Tasche Richtung Mund.

»Die Nachbarn haben einen Schuss gehört, aber niemand hat auf die Uhr geschaut, weil dort immer wieder morgens in der Früh geschossen wird. Nach den Aussagen dieser Anwohner war es nicht vor sechs Uhr, als die ersten beim Frühstück saßen. Einer sprach von sieben Uhr fünfzehn, weil er sich auf den Weg zur Arbeit machen wollte und gerade dabei war, die Zahlenkombination für sein Garagentor einzugeben. Ihm war aufgefallen, dass es nur ein einziger Schuss war. ›Blattschuss‹, hat er gedacht. Sonst fallen oft zwei Schüsse. Der Tathergang war folgendermaßen: Die Kugel ist direkt in den Oberkörper eingedrungen, hat Brustbein und Wirbelsäule zerschmettert, ist zwischen den Schulterblättern wieder ausgetreten und im Dach des Ansitzes gefunden worden. Er muss also leicht nach vorne gebeugt oben an der Treppe gestanden haben, wie die erste Einschätzung schon vermuten ließ. Er war sofort tot. Das Kaliber ist eine 7x64, die aus einer Jagdwaffe abgefeuert worden ist. Um welche Tatwaffe es sich handelt, kann ich nicht sagen. Diese Patrone kann aus fast allen Gewehren abgefeuert werden. Ich mache mich mal schlau«, versprach Frau Rother.

»Irgendetwas Auffälliges?« Berendtsen warf sich vorsichtshalber mehrere Bärchen ein.

»Es ist selbstverständlich sehr schwer, an diesem Körper noch etwas festzustellen. Ein paar kleine Schrammen … bei einem Jäger nichts Ungewöhnliches. Eine alte Blinddarmnarbe. Gefrühstückt hatte er nicht. Eine Thermoskanne mit Kaffee hatte er bei sich, aber die war noch ganz voll. Sie steht bei Schmidt. Ja – und dieses hier sind ehemalige blaue Flecken. Sie sind höchstens einen Tag vor seinem Ableben entstanden. Wenn ich eine Vermutung aussprechen soll … Er wurde geschlagen oder gestoßen. Jedenfalls ist er auf den Rücken gefallen und hat sich den Kopf gestoßen. Soll ich ihn umdrehen?«

Berendtsen hielt das nicht für nötig. Ihm war überhaupt nicht nach einer intensiven Beschau. Er war froh, als er sich auf den Weg zu seinem Freund Willi Schmidt bei der Spurensicherung machen konnte.

Sie begrüßten sich mit flüchtigem Handschlag. »Es ist sehr schwer, etwas herauszufiltern, Albert. Kannst du dir vorstellen. Drei Tage im Freien, Sonne, am Montagabend ein Gewitter, Insekten, Larven, Würmer … Seine Büchse war geladen, aber nicht entsichert. Sie lag auf der Sitzbank. Er hatte sie wohl an die Seite gelegt, als er nachsehen wollte, wer ihn auf dem Ansitz besuchen kommt. Zwölf Patronen hatte er in der Jagdtasche. Sechs Stück Kaliber .223 Remington. Damit geht der Jäger auf Raubwild, sprich Füchse. Sechs 7 x 64, also Universalmunition für den ganzen Rest.«

»Büchse? Was ist das genau?«

»Eine Büchse, in diesem Fall eine Repetierbüchse, ist, einfach ausgedrückt, ein Gewehr, mit dem Kugeln verschossen werden. Im Gegensatz zur Flinte, die mit Schrot beladen wird.«

».223 Remington hatte er bei sich. 7 x 64 war die Patrone, mit der er erschossen wurde. Großer Unterschied?«

»Das kann man wohl sagen. Kaliber .223 ist ein amerikanisches Maß. Es entspricht 5,56 x 45 nach deutschem Maß. Wie du an den Ausmaßen ablesen kannst, ist es kleiner und daher leichter und hat dementsprechend einen geringeren Rückstoß. Diese Munition ist ebenfalls sehr zielgenau. Sie wird auch militärisch eingesetzt.«

»Also hat ihn ein dickes Kaliber erwischt. «

»Davon kannst du ausgehen. Es hätte auch für einen Hirschen von zweihundert Kilogramm gereicht oder einen Eber, der hat ungefähr das gleiche Gewicht.«

»Mit .223 geht man auf Füchse?«

»Vor allem auf Füchse und sogenanntes Raubwild. Die haben fünf bis sieben Kilo. Für alles andere nehmen die meisten Jäger heute die 7 x 64.«

»Habt ihr Fingerabdrücke sicherstellen können?«, fragte Berendtsen skeptisch.

»An der Leiter und an den Holmen, aber nur von dem, der ihn gefunden hat. Eine Fremd-DNA haben wir von der Unterseite des Holms der Leiter. Alles andere …« Willi bedauerte achselzuckend. »Mehrere Fußabdrücke, die nicht zum Opfer und nicht zum Fußabdruck oben auf dem Ansitz passen.«

»Da fällt mir ein, habt ihr einen Schlüsselbund bei ihm gefunden? Seine Frau sagt, er trug immer zwei Etuis bei sich.«

»Von einem Schlüsselbund weiß ich nichts.« Er zog eine Mappe aus der Ablage und sah nach. »Hier steht alles aufgeführt, was er bei sich hatte.« Er fuhr mit dem Zeigefinger die Zeilen entlang. »Mmmhh … ja. Hier steht ein Schlüsseletui aufgeführt, braun. Autoschlüssel, kleiner Tresor, wahrscheinlich der Waffenschrank, Haustür und zwei kleine nicht identifizierte. Dann gibt es hier noch einen Sicherheitsschlüssel. Wahrscheinlich für eine Schließanlage.« Willi Schmidt öffnete im Nebenraum den Schrank mit den Asservaten für diesen Fall. Er fand das braue Etui sofort. »Vielleicht haben das andere Etui die Leute von der Technik, die den Wagen untersuchen. Sie wollten heute Morgen mit der Untersuchung des Wagens beginnen«, fügte er kurz ein. »Die Schlüssel werden bei den Technikern sein. Sie haben gleich alles mitgenommen, auch die Jagdtasche. Die habe ich selbst einem Mitarbeiter übergeben. Es war eine kleine Tasche mit einem Überwurf und einem Schloss. Dafür könnte einer der kleinen Schlüssel sein« fiel ihm ein.

»Wenn die Leute der Technik das zweite Etui allerdings nicht haben … dann muss es der Täter haben. Wer sonst? Wenn er von unten geschossen hat, dann muss er nach dem Schuss auf den Ansitz gestiegen sein und die Jagdtasche durchgesehen haben. Vielleicht weist der Fußabdruck oben darauf hin. Die Größe des Abdrucks sagt über die Schuhgröße wenig aus. Es handelt sich um Sportschuhe. Die Sohlen sind bei allen gleich breit. Über die Länge können wir nichts aussagen, es ist nur die Fußspitze abgebildet. Den Autoschlüssel hatte er in der Hosentasche. Jedenfalls am Körper und nicht im Rucksack«, überlegte Berendtsen. »Der Wagen ist schon untersucht, sagst du?«

»Sie sind dabei. Ob sie die Schlüssel haben oder nicht. Die Technik hat kein Problem, diese älteren Autos auch ohne Schlüssel aufzubekommen. Ich kümmere mich darum. Ich gebe dir Bescheid.«

Berendtsen überlegte weiter: »Warum hat der Täter den Schlüssel gesucht?«

»Er hat ihn nicht gesucht!«, entgegnete Willi. »Ich gehe davon aus, dass er wusste, wo er den Schlüssel finden konnte! Es ist nichts durchsucht worden.«

»Wenn jemand Zugriff auf die Tasche hatte, das Etui an sich genommen hat und damit zum Hochsitz gefahren ist …? Warum?« Berendtsen kratzte seine Geheimratsecke.

»Hat er die Tatwaffe aus dem Waffenschrank genommen? … Hinterher entsorgt? Dann war es jemand, mit dem er gut bekannt war.«

Als Berendtsen in Uschi Bremers Büro eintrat, servierte sie Hallstein einen Kaffee mit Milch und Zucker, wie er ihn gerne trank, und legte ein paar Biskuits auf den Rand der Untertasse.

»Tag Uschi, wie läuft’s?«

»Gut, und selbst?«

»Zufrieden wie immer. Sagen Sie mal, können Sie mir die Kontaktdaten eines Herrn Dr. Otto Brinkhoff besorgen? Er hat die Leiche gefunden. Ich muss ihn herbestellen oder besuchen. Überlege ich noch. Ich könnte dabei sein Waffenarsenal durchsehen.«

»Hier sind die Daten.«

Auf den Blick Berendtsens hin: »Nun, ich habe Ihre Gedanken gelesen schon bevor Sie hier eintraten.« Sie blickte lächelnd auf Hallstein. Der hatte die gleichen Überlegungen angestellt: dass man über Otto den Großen an die Daten von Hillebrandts neuen Gefährten kommen könnte, weil er diesen Mann augenscheinlich auf dem Jagdtreffen im Oktober am Forggensee kennengelernt hatte. Otto war dabei gewesen, wie er stolz im Hervester Bruch kundgetan hatte.

»Sollen wir gleich hin, Albert? … Sollen wir ihn bestellen? Was denkst du?«

Berendtsen blickte auf den Zettel. »Wo wohnt Brinkhoff? Auf der Widukindstraße? Wo ist das denn?«

Uschi trat mit ihm an die große Karte des Kreises Recklinghausen und zeigte ihm den Weg auf den Hardtberg.

»Die Straße passt irgendwie zu ihm«, grinste Berendtsen, dem die zwei Fragezeichen in den Gesichtern von Hallstein und Uschi nicht entgingen.

»Was ist nun mit dem Gedankenlesen?« Dann erklärte er mit stolzer Brust: »Die Mutter und die Oma von Otto dem Großen stammten aus dem Adelsgeschlecht der Widukinds!«

»So etwas weißt du? Sag bloß …«

»Habe ich mir auf dem Handy in Wiki angeschaut, bevor ich unseren Oberstudiendirektor begrüßt habe. Man weiß nie, was so ein Lehrer von einem wissen will. Sicher ist sicher!« Berendtsen sah auf seine Uhr. Zwanzig Minuten nach vier. Er entschied, den Besuch für morgen anzusetzen, denn er musste noch in den Baumarkt. Als Uschi keine aktuellen Termine für ihn hatte, verabschiedete er sich in den Feierabend.

Sein Handy klingelte. Es war Willy.

»Sag mal, Albert, hat irgendjemand etwas von einem Jagdhund gehört? Ein Jäger, der zur Jagd geht, nimmt immer einen Hund mit. Wir haben aber im Jagdgebiet nirgends einen gefunden. Auch Zeugen haben kein Bellen gehört.«

»Er ist bei der Frau in Haltern. Ein großer brauner mit Schlappohren. Man kennt diese Sorte. Ich weiß aber nicht, wie sie heißen.«

»Ist er ohne Hund zur Jagd? Ungewöhnlich.«

»In diesem Falle nicht. Der Hund ist an der Pfote verletzt und in tierärztlicher Behandlung.«

»Danke, Albert. Wünsche dir einen schönen Tag.«

»Danke, ebenfalls.« Er ließ das Smartphone in seine Tasche gleiten.

»Eines noch, Chef, vielleicht interessiert es Sie, dass Herr Hillebrandt vor zwei Jahren einen Wilderer gestellt hat«, informierte sie, als Berendtsen die Klinke schon in der Hand hatte. »Dessen Daten habe ich bereits Herrn Hallstein gegeben.«

»Gut gemacht, Uschi. Wie sind Sie darauf gekommen?«

»Ich konnte mich erinnern, dass dort im Hervester Bruch jemand gewildert hat. Da habe ich recherchiert. Dieser Mann ist bei uns aktenkundig.«

»Die Geschichte ist zu alt. Wenn dieser Mann hätte Hillebrandt etwas antun wollen, wäre er längst zur Tat geschritten. Ich denke, den können wir vergessen. Es sei denn, er hat ihn abermals erwischt. Dann hätte er allerdings ein Motiv. Im Wiederholungsfall könnte er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Vielleicht fragt ihn jemand nach seinem Alibi. Dann können wir ihn ad acta legen. Da fällt mir ein: Hast du das Alibi der Frau überprüft?«

»Alles in Ordnung. Auch ihre Eltern waren den ganzen Morgen in Lavesum.«

Das Lob seiner Frau Irmgard war ihm sicher, als er nach Hause kam und den Weg in den Baumarkt nicht vergessen hatte. Er schloss die Geräte an, mähte den Rasen und mühte sich mit dem Schlauch. Schließlich tat der Rasensprenger seine Arbeit und er genoss sein wohlverdientes Bier. Irmgard hatte an seinen Steinkrug gedacht und ihn wegen des heißen Wetters schon am Vormittag ins Eisfach gestellt, so dass sie ihm sein wohlverdientes Bier an seinem Gartenstuhl eiskalt servieren konnte. Einen Teller mit verschieden belegten Schnittchen stellte sie dazu. Die Kinder fehlten ihm beim Abendessen. Sie waren noch unterwegs. Maximilian jobbte beim Friedhofsgärtner, der während dieser heißen Tage jede Hand brauchte, um die Gräber zu gießen und verschiedene Gärten und Außenanlagen instand zu halten, für die er die Verantwortung übernommen hatte. Sophie hatte sich mit ihrer Freundin Selma getroffen, um sich bei ihr Rat zu holen für ihre Hausarbeit.

Als erstes stach ihm die Mettwurst von Humberts Biohof ins Auge. Als Albert ihren fragenden Blick sah, versprach er die Geschichte der Mettwurst von Humberts Biohof nach dem Essen zu erzählen.

»Hallo! Ist jemand zuhause? … Hallo Irmgard! … Albert!« Franz Roloff kam durch das hintere Gartentor.

»Die Presse! Sieh mal an. Wenn alle Leute Feierabend haben … einer ist noch unterwegs.«

Berendtsen hatte seinen schleppenden Gang bemerkt. Er hatte Schmerzen.

»Was macht die Hüfte?«

»Heute schlimm. Ich glaube, es gibt ein Gewitter. Das Wetter schlägt um.«

Franz sagte zu einem kühlen Bier nicht nein und pflanzte sich breitbeinig auf einen Stuhl. Angst, dass der Gartenstuhl unter seinem Gewicht zerbrach, hatte Irmgard keine, denn der Koloss hatte sich schon des Öfteren zu ihnen gesetzt. Er kam zuweilen, um schon vor den Mitbewerbern einige Details zu erfahren. Der spannendste Moment war immer der Augenblick, in dem er sich die letzte Handbreite auf die Sitzfläche fallen ließ. Es hielt immer, aber man wusste ja nie … Er fummelte ein blitzsauberes, frisch gebügeltes Taschentuch aus der Hose, schlug es einmal aus und wischte sich die Stirn. Er faltete es sorgfältig wieder zusammen und ließ es in seinem Ärmel verschwinden. Dann nahm er das Glas in seine wuchtige Pranke, auf die ein kräftiger Schmied hätte stolz sein können, und leerte das Glas mit einem einzigen Schluck. Irmgard war wie immer verwundert, wie so ein Bierglas zwischen seinen Fingern verschwand. Sie entschuldigte sich kurz und ging ins Haus.

Franz brauchte gar nicht zu fragen.

»Viel haben wir nicht, Franz. Der Mann, nicht von Dorsten oder hier aus der Ecke, ist am Montag in aller Frühe, Anhaltspunkt ist sieben Uhr fünfzehn, erschossen worden. Direkt von unten in die Brust, als er sich über die Leiter gebeugt hat. Durch die Wucht des Kalibers wurde er in die Kanzel zurückgeworfen. Er hat drei Tage dort gelegen, bis man ihn gefunden hat.«

»Otte der Große und Karl-Heinz Hillebrandt aus Sythen. Stimmt’s?«

»Von mir hast du die Namen nicht. Wir stehen am Anfang der Ermittlungen. Was stellst du dir vor, was ich noch sagen könnte?«

»Alles gut. Wenn ich die Tatzeit schon habe … Viel hat man bereits am Tatort erfahren. Hillebrandt hat auch häufig für unsere Zeitung gearbeitet. Wusstest du das?«

»Ich weiß, dass er für das Journal inVESTigator gearbeitet hat.«

»Es erscheint einmal in der Woche am Freitag. Für uns hat er im Tagesgeschäft gearbeitet. Alle möglichen Themen. Parkplätze, Neubaugebiete, aber vor allem Umwelt. Sein Steckenpferd waren Alleen, Parks und auch verschmutzte Kinderspielplätze.«

»Hat er an einem bestimmten Artikel gearbeitet? Besondere Recherche?«

»Umwelt, vermute ich. Er hat sich vor vier Wochen bei mir nach einem Artikel über einen Entsorgungsbetrieb in Gladbeck erkundigt, über den wir vor vier Jahren einen Artikel gebracht haben. Das hat mich ein wenig erstaunt, denn Hillmann hat zuerst darüber berichtet.«

»Wer ist Hillmann?«

»Hillmann-Press GmbH ist der Verleger des inVESTigator, einer Wochenzeitung mit Skandalreport.«

»Was ist damals passiert?«

»Die Firma stand im Verdacht, Abfälle nicht sachgerecht entsorgt zu haben. Es sollte ein ehemaliges Industriegelände als Bauland ausgewiesen werden. Gleich bei den ersten Bodenanalysen wurden verschiedene Schwermetalle gefunden. Kein Wunder. Es bestand nicht nur eine kleine Raffinerie, die Grundstoffe für ein dort ehemals ansässiges Arzneimittelwerk herstellte, sondern auch eine Uhrenfabrik. Prompt wurde Zyankali gefunden. Früher hat man Goldschmiedearbeiten mit Zyankali zum Glänzen gebracht. Die Erde musste bis auf zwei Meter Tiefe abgetragen und chemisch aufgearbeitet werden. Diese Firma aus Gladbeck – an den Namen kann ich mich momentan nicht erinnern. Sie wurde vor zwei Jahren abgewickelt - hat den größten Teil entsorgt, aber es gab Anhaltspunkte, dass ein Teil davon unter die Fahrbahndecke der im Bau befindlichen A 31 verbracht wurde. An den Arbeiten war diese Firma ebenfalls teilweise beteiligt. Hinweise gab es von der Firma, die das Recycling übernehmen solle. Es bestand eine Unstimmigkeit zwischen den abgetragenen und den bei dieser Firma abgerechneten Kubikmetern. Die Gladbecker begründeten die Differenz mit Fehlern in ihrer Rechnungsstellung. Dieser Fehler sei laut Angaben des Inhabers wohl häufiger unbemerkt geblieben, was einer der Gründe für die Insolvenz gewesen sei. Weil die Autobahn fertiggestellt worden war und der Verdacht sich nicht durch andere Hinweise erhärtete, wie die Vernehmung der Fahrer und Auswertung der Tachoscheiben, wurde das Verfahren nach einiger Zeit eingestellt. Was Hillebrandt genau darüber wissen wollte, hat er mir nicht verraten. Ich vermute, er ging ihm um den Namen der Nachfolger. Es ist die MARKAN Recycling. Er ist auf eine Spur gestoßen, die ihm keine Ruhe ließ, aber noch nicht reif für einen Artikel war. Ihr solltet sein Haus durchsuchen. Es müssen Aufzeichnungen existieren, weil er schon mehrere Wochen mit den Recherchen beschäftigt war. Habt ihr sein Handy?«

»Handy lag in seiner Jagdtasche. Keine Aufzeichnungen, keine besonderen Telefonnummern, keine Bilder, Anrufliste … nichts Außergewöhnliches. Vielleicht hat er wieder einen Wilderer aufgespürt. Vor zwei Jahren hat er einen gestellt, der auch verurteilt worden ist. Darüber hast du sicher etwas im Archiv.«

»Danke Albert. Ein guter Tipp.«

»Hat Hillebrandt den Umweltbericht über diesen Verdacht geschrieben?«

»Nein, das war kein investigativer Artikel. Wir haben lediglich über die Ermittlungsarbeit der Polizei und das anschließende Verfahren berichtet. Hillebrandt hatte nichts damit zu tun. Sonst hätte er mich nicht fragen müssen.«

»Leuchtet ein.«

Irmgard erschien mit neuem Bier. Für Franz hatte sie einen Seidel dabei. Er trank gerne Bier aus einem Seidel. Er goss sich selbst ein, den Zeigefinger auf dem Rand des Seidels, den Flaschenhals darauf gestützt. So konnte er sich beim Eingießen im Garten umsehen, ohne Gefahr zu laufen, etwas zu verschütten. Den ersten Schluck nahm er schon ehe er die Flasche abstellte.

»Hast du frisch gemäht? Riecht gut. Überhaupt … hast alles schön in Ordnung. Wie geht es sonst?«

»Wir sind gesund und munter. Sag mal, was glaubst du, wann die Marler Straße wieder befahrbar ist. Es ist nervig, immer über die Abfahrt Hassel zu fahren.«

»Bis Ende des Monats soll alles fertig sein. Die Baustelle geht bis Haltern. Und neuerdings blitzen sie dort ganz kräftig. Nimm dich in Acht!«

Die Redaktion rief an. Franz bedankte sich für das Bier und machte sich mit den neuesten Informationen auf den Weg.

»Was ist das für ein neuer Fall, Albert? Hängt er mit der Mettwurst zusammen?« Sie musste laut lachen und steckte ihren Mann an. Albert musste von seiner neuen Untersuchung erzählen. Das Schlimmste ließ er weg. Irmgard konnte auch nicht großartig nachfragen, denn zunächst kam Sophie zurück und berichtete über einen Fall, den sie für das Jurastudium auszuarbeiten hatte. Sie war den Tränen nahe, weil sie schon drei Tage darüber nachgedacht hatte und zu keinem schlüssigen Konzept gekommen war. Sie hatte Probleme, sich für eine Ansicht des Falles zu entscheiden. Schließlich konnten die Eltern sie soweit beruhigen, dass sie die Pläne zur Aufgabe des Jurastudiums verschob. Papa versprach, sich im Präsidium nach Lösungsansätzen zu erkundigen. Max kam vom Friedhof. Er hatte augenscheinlich die Großmutter mit den Händen eingegraben, war erschöpft und ging duschen. Fleißig waren die Kinder. Albert war stolz auf sie und genoss es, wenn sie am Abend zusammen den Tag ausklingen ließen.

In der Ferne grollte der Donner. Die Hüfte hatte recht.

Der Investigator

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