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Kapitel 6.

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Nach der Mittagspause schaute Berendtsen auf dem Weg ins Büro kurz bei Uschi vorbei, um sich anzumelden. Sie schnappte sich Hillebrandts Bankauszüge, stampfte sie einmal längs, einmal quer auf die Schreibtischplatte, heftete sie zusammen und machte sich auf den Weg zu Berendtsen. Verschiedene Positionen hatte sie markiert. Es war ihr aufgefallen, dass Hillebrandt zusätzlich zu den Bezügen seiner Bücher- und Zeitschriftenverlage auch zweimal im Jahr Gewinne aus den Firmenanteilen einer Hillmann-Press GmbH in Recklinghausen bezog. Sie hatte recherchiert, dass es sich bei dieser Firma um einen Verlag für Zeitschriften aller Art handelte, teils eigenen und teils in Lizenzen gedruckte. Dem Verlag angeschlossen war eine Art Detektei, die sich vor allem auf Misswirtschaft und Verstöße gegen die Umwelt spezialisiert hatte, aber auch vor verdeckten Ermittlungen in Fleischskandalen nicht zurückschreckte. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Zeitschrift »inVESTigator« veröffentlicht. Inhaber und Chefredakteur war ein David Hillmann, der bereits verschiedene Delikte aufgedeckt hatte.

So gab es vor einigen Jahren im inVESTigator einen ersten Hinweis auf einen Fleischskandal, bei dem Pferdefleisch aus Deutschland nach Polen verschickt wurde und dann als frisches Rindfleisch wieder importiert wurde. Zu allem Überfluss kassierten die Gauner auch noch die Mehrwertsteuer. Dieses Vergehen wurde von einem verdeckten Ermittler dieser Detektei aufgespürt und zusammen mit dem Gesundheitsministerium in Bayern aufgeklärt. Der inVESTigator hatte die Exklusivrechte. Die Auflage des Journals hatte sich in dem Jahr, in dem wöchentlich in jeder Ausgabe ausführlich dieses Thema begleitet wurde, verdreifacht. Obwohl sich diese Untersuchungen oft sehr aufwendig gestalteten, schien es sich für David Hillmann zu lohnen. Dieser inVESTigator zählte zu einem der auflagenstärksten Wochenblätter im Vest Recklinghausen.

Berendtsen schob den Bericht zu Hallstein hinüber.

»Das ist genau das, was mein Nachbar angesprochen hatte. Ich denke, Oliver, wir sollten dem Verlag einen Besuch abstatten.«

Hallstein überflog die Zeilen. »Sollten wir!«

Das Industriegebiet, in dem sich das Verlagshaus befand, hatten die Kommissare nach kurzer Zeit erreicht. Jedoch gestaltete sich die Suche nach dem Gebäude länger als erwartet. Berendtsen nervten diese Gebiete. Dreimal hatte sie den Ring durchfahren müssen, bis sie ein kleines Hinweisschild auf ein unauffälliges zweieinhalbstöckiges Wohnhaus fanden, in dem sich im Untergeschoss die Druckerei und darüber die Räume der Detektei befanden. Hillmann wohnte mit seiner Lebensgefährtin oben in der Mansarde. Von den drei Klingelknöpfen PIVAT, BÜRO, DRUCKEREI wählte Hallstein BÜRO. Die Tür summte und ein Wegweiser führte sie zum Büro. Bereits auf dem Flur empfing sie eine junge Frau. Schlecht sah sie nicht aus, aber leichte Probleme mit ihrem BMI hatte sie. Vielleicht nur, weil sie an ihrer Größe nichts ändern konnte. Sie war höchstens …, wenn nicht weniger als ein Meter fünfundfünfzig. Hallstein wollte sich bei der Größe nicht festlegen. Sie trug eine Baseballkappe mit einem Logo. Es zeigte einen flammenden Basketball und die Aufschrift »Miami Heat«. Die Kappe reichte aus, ihr Haar größtenteils zu verdecken. Sie schienen frisch gewaschen, aber nicht in Form gebracht. »Luftgetrocknet« entschied Hallstein und ging davon aus, dass die gefärbten Streifen in ihrem dichten braunen Haar, das unter der Mütze hervorlugte, nicht so krass geplant waren. Teils erschienen sie hellrot bis violett, grün bis gelb. Andere Strähnen schienen verblasst. »Vielleicht hatte sich ihre Friseurin den Arm gebrochen«, erinnerte er sich an einen Sketch des Kabarettisten Hans-Dieter Hüsch. Ein Profi mit Konzept hätte sie sicher dezenter ausfallen lassen. Die Frisur passte gar nicht zu dieser dezent geschminkten Dame mit auffällig glattem Teint, die in einem eng sitzenden braunen Jeans-Rock mit weißem T-Shirt nicht sogleich als Sekretärin zu erkennen war. Beine aus dem Bilderbuch mit wohlgeformten Waden und schlanken Fesseln lenkten Hallsteins Blick direkt zu den schwarzen High Heel Pumps.

»Guten Tag meine Herren. Mein Name ist Evelyn Schön.«

Berendtsen stellte sich vor und wies sich aus. »Mein Kollege, Oliver Hallstein«. Sie gab den Weg frei. Das Büro war klein. Wegen der vielen Schränke und Ablagen, die alle voll Papier und Ordner standen, ging es eng zu. Geradezu auffallend war, wie exakt alles mit gedruckten Etiketten beschriftet war. Der Schreibtisch war aufgeräumt. Neben den Akten, die augenscheinlich in Arbeit waren, und den letzten Ausgaben des inVESTigator zierte lediglich eine ausrangierte Steinguttasse mit Stiften und einem Lineal die Tischplatte. Sie ließ sich auf einem eleganten und komfortablen Bürosessel nieder, auf dessen Lehne ein buntes Kopftuch abgelegt war. Ihre Handbewegung deutete auf einen einfachen Küchenstuhl vor der Heizungsverkleidung. Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und faltete ihre Hände. Berendtsen nahm Platz. Hallstein lehnte sich an die Fensterbank. Er interessierte sich für die goldene Aufschrift auf dem Shirt. »Miami South Beach«, bemerkte er. »Waren Sie einmal dort?«

»Im März in Miami und im Jahr davor auf Fort Myers Beach. It was great!«, jubelte sie leicht errötend, »einfach großartig!« Sie verstaute die restlichen Haare so gut es ging unter der Mütze.

»Die Mütze?«, fragte er, »auch von dort? Sieht nach Basketball aus.«

»Ist es auch. Die Miami-Heat spielen in der NBA, der ersten Liga! Ich habe ein Spiel besucht. Dabei hat mir ein Officer diese Kappe geschenkt, gewissermaßen als Entschuldigung. Dieser massive Koloss quälte sich direkt vor mir durch die Reihe, so dass ich den Ball nicht kommen sehen konnte. Er hat sich geduckt, ich habe den Ball abgefangen. Es ist nichts passiert, aber ich habe den Aufprall am Kopf deutlich gespürt. Er war so heftig, dass er mich in den Sitz zurückgeworfen hat. Wir haben herzlich gelacht. Er wollte mich auf einen Drink einladen. Als ich abgelehnt habe, hat er mir die Kappe geschenkt. Ausgesprochen nett, oder? Ich werde es nie vergessen.« Ihre Augen glänzten. Die Situation war gerettet. Sie rollte mit elegantem Schwung auf dem Sessel den Schrank entlang und zeigte ein Foto, auf dem sie braun gebrannt mit ihrem Freund auf einem Wave-Runner zu sehen war. »Das war im vorigen Jahr in Fort Myers.« Sie stellte das Bild zurück und nahm ihre Ausgangsposition wieder ein.

»Sie haben sicher einen Grund, der sie zu Hillmann-Press GmbH führt?«

Berendtsen musste an seine Frau denken, die als Lehrerin ebenfalls keine W-Fragen stellte.

»Wir kommen wegen Herrn Karl-Heinz Hillebrandt.«

Frau Schön war bereits durch dessen Frau über die Umstände seines Ablebens informiert.

»Wir benötigen einige Informationen zu seinem Umfeld«, ergänzte Hallstein.

»Privates weiß ich nicht viel über ihn. Bestimmt nicht mehr, als sie ohnehin schon wissen. Was die Zusammenarbeit betrifft … problemlos. Er lieferte. Beständig. Es hat uns – Herrn Hillmann und mich – immer gewundert, woher er seine Verdachtsmomente bezog, die ihn seine Recherchen starten ließen. Mir fällt das Beispiel ein, bei dem er die Beschaffung für eine Klärschlammpumpe in Lembeck untersucht hatte, die nicht ausgeschrieben worden war, obwohl sie bei einer Investition von diesem Volumen verpflichtend vorgeschrieben ist. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Ehegatte einer Cousine desjenigen städtischen Angestellten die Installation vorgenommen hatte, der im Auftrag der Stadt Dorsten die Order vergeben hatte. Über den Betrug beim Anbau der Schule in Henrichenburg wissen Sie sicher Bescheid.«

»Die Wärmedämmung hat mit der Auftragsvergabe nicht zusammengepasst«, antwortete Berendtsen. »Ich habe es aus der Zeitung. Sie sind noch damit beschäftigt, soweit ich weiß.«

»Die Firma wird dadurch wohl in die Insolvenz gehen. Sie wollten sparen. Jetzt kostet es richtig Geld.« Frau Schön blätterte in der vorletzten Ausgabe des inVESTigator und drehte die Zeitschrift zu den Kommissaren. Mit ihrem Kugelschreiber zeigte sie auf den Artikel. »Hier ist der Bericht. Ohne unseren Freund wäre dieser Betrug niemals aufgefallen. In der aktuellen Ausgabe berichtete er über die laschen Kontrollen. Diese waren der Firma stets angekündigt worden, so dass sie bei den Kontrollen die richtigen Dämmplatten verbauten.«

Hallstein machte sich Notizen.

»Karl-Heinz hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Grubenauffüllung in Gahlen nicht als Müllkippe missbraucht wurde. Dann hätten sie diesen Teil der Schwarzen Heide nicht als Wasserschutzgebiet ausweisen können. Trinkwasserentnahme wäre nicht möglich gewesen.«

Berendtsen wurde hellhörig.

»Das ist nicht weiter an die Öffentlichkeit gelangt. Die Sandgruben zwischen Kirchhellen und Gahlen waren entstanden, als das Kalksandsteinwerk noch in Betrieb war. Es gab dabei die Auflage, das Gebiet nach der Ausbeutung wieder zu Heide- und Ackerland umzugestalten. Dabei wurde Karl-Heinz darauf aufmerksam, dass ein Müllwagen dort seine Ladung abgekippt hat, die direkt von zwei anderen Lastwagen mit Erde zugeschüttet wurde, die von einer Aushebung für einen Supermarkt stammten. Zuletzt wurde Mutterboden darüber planiert. Es sah nach wunderbar fruchtbarem Boden aus. War es auch, aber der Müll hätte nicht darunter sein dürfen. Er hat es früh genug erkannt, so dass nicht weiter passiert ist. Die Firma musste den ganzen Boden wieder ausheben und hat zusätzlich noch eine saftige Strafe wegen des Umweltdeliktes auferlegt bekommen.«

Sie schob ein neues Blatt über den Tisch.

»Hier ist die neuste Story: ›Wilddiebe im Hervester Bruch(?)‹. Er hat das Fragezeichen in Klammern gesetzt. Das tat er öfter, wenn er die Geschichte spannend machen wollte.«

Die Kommissare überflogen gleichzeitig die Reportage. Hallsteinblickte über Berendtsens Schulter. Es gab nichts Konkretes zu berichten. Es wurden nur die vom Jagdbesitzer vermissten Tiere aufgeführt. Laut Frau Schön ging ihr Kollege immer nach diesem Schema vor. Zuerst der Verdacht, in der nächsten Ausgabe die Konkretisierung, dann die Beweise. So konnte er ein kleines Thema über mindestens drei bis vier Ausgaben hinziehen. Zuletzt berichtet er über den allfälligen Prozess, wenn es so weit kam.

Berendtsen wollte gerne Hillebrandts Büro sehen. Frau Schön führte sie quer durch eine große Halle, in der die Druckmaschinen auf vollen Touren mit entsprechendem Lärm liefen. Berendtsen war erstaunt über diese Halle. Er hatte diesen Anbau von vorne gar nicht bemerkt. Schließlich betraten sie »Hillebrandts Reich«, wie Frau Schön es vorstellte. Sein Zimmer war etwas größer als das Empfangsbüro und nobler eingerichtet. Der Stuhl war der gleiche. Der Ausblick des einzigen Doppelfensters fiel auf eine Baustelle. Weniger Regale ließen das Büro großzügiger erscheinen. Ein MINI-PC, nicht größer als die ersten Mobiltelefone, stand auf seinem Schreibtisch. Ein Bildschirm fehlte.

»Karl-Heinz hat in dieser Stube nicht viel Zeit verbracht. Er kam immer mit den vorbereiteten Artikeln her, warf den PC an und setzte sich mit mir oder dem Chef zusammen. Oder uns beiden.«

»Dürfen wir uns einmal den Rechner ansehen?«, fragte Hallstein.

»Schauen Sie ihn an. Er steht vor Ihnen«, wies sie Hallstein auf seine ungenaue Ausdrucksweise hin. Sie zog eine verdeckte Schublade unter der Tischplatte aus und zauberte ein iPad Maxi hervor, das den Bildschirm und die Tastatur ersetzte. Darüber wunderte sich Berendtsen, aber nicht, dass sie das Passwort wusste. Er dachte an Uschi. Die kannte sich ebenfalls aus. Sie hatte ihn vor einem Jahr überaus versiert in seinen Arbeitsplatz eingewiesen. Sie hatte das Zeug zu einer Top Sekretärin und nutzte es. Er musste es ihr unbedingt sagen. Hallstein hatte am Rechner den Vortritt. Er schob sich den Sessel zurecht und nahm würdevoll Platz, geradezu wie ein Pianist vor dem Flügel bei einem Konzert. Er brauchte keine fünf Minuten bis feststand, dass dieser Computer keine für die Ermittlungen relevanten Daten enthielt. Während dieser Zeit beobachte Berendtsen, wie Frau Schön in Gedanken einen teuren Stift aus der Gesäßtasche zog und ihn kunstvoll durch ihre Finger wirbelte. Er sah sich weiter um, rückte kurzerhand den Schreibtischcontainer so gut es ging zur Seite und zog mit dem Brieföffner einen Auto- und Haustürschlüssel darunter hervor.

»Wie kommt dieser Schlüssel hierher?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Herr Kommissar. Ich weiß wohl, dass Karl-Heinz vor mehreren Wochen seinen Schlüsselbund vermisst hatte. Er ist immer mit diesem Ersatz gefahren. Er hat sich neue nachmachen lassen. Gedankenlos wie er manchmal war, wenn er an etwas Dringlichem arbeitete, muss er diesen dann hier liegengelassen haben.«

»Frau Schön, ist Herr Hillmann im Haus?«, fragte Berendtsen.

Sie zeigte mit ihrem Stift nach oben, griff zum Telefon und wählte intern.

»Guten Morgen, Chef. Hier stehen zwei Kriminalbeamte, die mit der Aufklärung des Todes von Karl-Heinz beauftragt sind. Hätten Sie Zeit? … Er kommt.«

»Dürfen wir den Rechner mitnehmen? Unsere Experten sollten einen Blick darauf werfen lassen.«

Dem stand nichts im Wege. Einen Tresor, in dem er persönliche Dinge oder Geheimisse verschließen konnte, gab es nicht. Die Regale waren recht übersichtlich, so dass es auch hier nichts unterzubringen gab, was vor der Öffentlichkeit versteckt werden musste.

Herr Hillmann erschien. »Guten Tag, meine Herren, hallo Evelyn. Was kann ich für Sie tun, Herr …?« Ein leicht untersetzter Herr in Jeans und kurzärmligen weißen Nylonhemd sprang leichtfüßig die Treppenstufen herunter. Seine Lesebrille lugte aus seiner Brusttasche hervor.

»Berendtsen mein Name, mein Kollege Hallstein. Wir kommen wegen Ihres Mitarbeiters Karl-Heinz Hillebrandt. Wir sind dabei, erste Erkundigungen anzustellen. Wie gut kannten Sie Herrn Hillebrandt?«, begann Berendtsen sogleich mit der ersten Frage.

»Wir arbeiteten seit drei Jahren zusammen. Er machte einen guten Job. Als er von den Überlegungen erfuhr, die Zeitschrift einzustellen, bot er seine Hilfe an. Einmal mit finanzieller Unterstützung, mit der er als stiller Teilhaber in die Firma eintrat, aber auch mit seinen Artikeln. Wir haben unsere Auflage seitdem verdoppelt. Er griff Themen auf, die unsere Leser ansprachen. Er hatte einen Riecher für Skandale, die interessieren. Fragen Sie mich nicht, woher er seine Informationen bezog. Er behielt sein Wissen für sich. Wenn alle Details feststanden, schrieb er den Artikel, gab Evelyn das Manuskript und ließ sie den Artikel für den Druck ausgestalten. Dann verlangte er eine Vorlage und erst dann durfte er in Druck gehen. Er gab sein Wissen nur scheibchenweise preis. Es gab durchweg ein oder zwei Folgen über ein Thema … mit Ausnahmen.«

»Welche Ausnahmen? Können Sie ein Beispiel nennen?«

»Eine Entdeckung, die nur einen Artikel hergab. Die Autoschieberbande im Raum Dortmund – Unna, die er im vorigen Jahr ausgehoben hat. Da gab es keine Serie. Da musste sofort gehandelt werden. Die Polizei hat dann den Rest erledigt und die Bande hochgenommen. Lediglich das Vorgehen der Polizei und die Gerichtsverhandlung wurden kommentiert.«

»Herr Hillmann, wir müssen nicht nur seinen Bekanntenkreis berücksichtigen, sondern auch Leute, die bei seinen Berichten schlecht abgeschnitten haben. Kennen Sie mögliche Kandidaten, die wir berücksichtigen sollten?«

Hillmann machte ein nachdenkliches Gesicht, zog die Augenbrauen hoch. »Das tut mir leid, aber ich kann niemanden beisteuern. Vielleicht hilft Ihnen eine Liste seiner Beiträge, die er im letzten Jahr veröffentlicht hat. Vielleicht findet sich jemand in Ihrer Kartei.« Er gab Evelyn ein Zeichen. Sie tippte mit flinken Fingern auf der Tastatur herum und alsbald fragte sie nach der Emailadresse, an die sie die Daten schicken sollte.

Das weitere Gespräch ergab ebenso wenig Verwertbares wie zuvor die Unterhaltung mit der Sekretärin. Dennoch saßen sie noch eine halbe Stunde zusammen und unterhielten sich über den ermordeten Journalisten. Niemand wusste, wo er seine Informationen auftrieb und wo er sie versteckt hielt.

»Wir müssen Sie noch nach Ihrem Alibi fragen. Wo waren Sie am Montagmorgen in der Frühe?« Hallstein hatte Bleistift und Notizbuch zur Hand.

»Montagmorgen? Hier zuhause mit meiner Freundin. Sie glauben doch nicht, dass ich ihn erschossen habe. Ich töte nicht mein bestes Pferd im Stall! Sie ahnen nicht, was sein Tod für die Redaktion für Folgen hat. Ohne seine Mitarbeit wird es für uns enorm schwer.«

Wie immer spendierten sie eine ihrer Visitenkarte und wollten sich gerade auf den Weg machten, als Hillmann ganz nebenbei mit einer Bemerkung der Unterhaltung eine Wendung gab.

»Schade, dass er seine letzten Untersuchungen nicht abschließen konnte. So hätten wir bei den Reportagen noch etwas Luft gehabt. Ich hätte zu gerne gewusst, woran er gearbeitet hat.«

»Hatte er eine neue Spur? Wir haben Sie vor fünf Minuten nach seiner Arbeit gefragt!« Berendtsen war ein wenig ungehalten.

»Ich weiß nicht, ob er an irgendetwas dran war. Ich sagte es Ihnen schon. Er hat mit seinen Recherchen immer hinterm Berg gehalten, aber einmal hat er sich nach einem alten Umweltskandal erkundigt. Außerdem habe ich vor einiger Zeit gesehen, dass er verschiedene Wasserproben im Auto hatte. Ich kann dazu nichts sagen. Ich habe keine blasse Ahnung, worüber er Nachforschungen angestellt hat.«

»Hat er den Ort Henrichenburg erwähnt? Ich denke dabei an den Wesel – Datteln - Kanal.«

»Nein. Hier aus der Ecke war es nicht. Es muss am Niederrhein gewesen sein. Er wurde einmal dort geblitzt. Ich glaube in Rees. Er hat es mir selbst erzählt.«

»Wann war das … ungefähr?«

»Die Blitze? Zwei Monate? Die Wasserproben vor drei Wochen. Ich kam aus dem Urlaub. Da hat er mir die Ruder von meinem Kanu vorbeigebracht, die ich in Reparatur hatte. Dabei habe ich in seinen Kofferraum schauen können. Es handelte sich um drei Glasflaschen, die in einem Karton zusammengehalten wurden.«

»Das bringt uns ein Stück weiter. Vielen Dank, dass Ihnen das noch eingefallen ist. Unsere Telefonnummer …«

»Ich weiß.«

»Die Schön hinterlässt einen tollen Eindruck«, kommentierte Hallstein im Auto nach der ersten Kurve. »Hätte ich auf den ersten Blick nicht vermutet«.

»Die Haare …« Berendtsen verkniff sich seinen Kommentar. Die Kommissare sahen sich an. Dann schmunzelten sie verhalten.

»Shit happens!«

»Manchmal jedenfalls«, führte Berendtsen den Satz zu Ende. »Die Kappe war, zugegeben, sehr schön … und groß genug.« Er fischte sein Handy aus der Innentasche, drückte lange auf die Mitte der Tastatur, die 5, die einzige Kurzwahl, die er eingerichtet hatte. Es meldete sich Uschi. Er berichtete ihr von der Schule in Henrichenburg und bat um Informationen über die Baufirma. Sein Blick fiel auf die Digitaluhr in Hallsteins BMW. »Sonst irgendwelche Neuigkeiten?«

»Die Auswertungen seiner Telefongespräche sind da. Ich schicke sie als Mail.« Sie wusste, dass der Chef in seinen Garten wollte.

Es gab nichts. Berendtsen stieg am Präsidium aus und wechselte direkt in seinen Wagen. Sein Programm konnte er bei dem schönen Wetter auch im Garten aktualisieren. Außerdem wollte er seinen Nachbarn interviewen.

Eine halbe Stunde nach dem Anruf erschien Franz am Gartentor. Er kam aus der Redaktion. Das Bier stand bereit. Berendtsen drückte ihm den gefüllten Seidel in die Hand.

»Auf den Feierabend.«

»Auf unsere Freundschaft«, erwiderte Franz. Er trank fast drei Viertel seines Kruges leer und wischte sich mit dem Unterarm den Schaum vom Mund. Berendtsen schob die nächste Flasche nach. »Du hast mich angerufen. Bestimmt nicht, weil du das Bier nicht allein trinken kannst. Was möchtest du wissen? Hast du zufällig meinen Artikel in der Ruhrzeitung gelesen? Ich war auf der ersten Seite!«

»Habe ich. Verständlich geschrieben. Neutral gehalten, kein Sensationsjournalismus. Ich habe etwas für dich: Hillebrandt war an einem Umweltskandal dran. Niederrhein … mit Vorsicht. Ich meine, es ist nicht sicher. Die Schule in Henrichenburg war auch sein Werk. Das weißt du?«

»Ich weiß, dass es ein Problem mit der Dämmung gibt, aber das Hillebrandt das aufgedeckt hat, wusste ich nicht. Danke.«

»Hast du etwas über diese Bauunternehmen, das den Pfusch zu verantworten hat?«

»Die Firma heißt Krümpel, Inhaber Jochen Krümpel. Er soll in den nächsten Tagen Konkurs anmelden müssen. Ich weiß das aus sicherer Quelle von einem Malerbetrieb, der den Anbau anstreichen soll. Den Lothar kenne ich aus der Schule. Er erzählt keine Märchen.«

»Gut.«

»Denkst du, der Krümpel ist in die Sache am Hervester Bruch verwickelt? Hat der den Karl-Heinz aufgesucht?«

»Motiv ist da. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er wusste, wann Hillebrandt auf seinem Ansitz anzutreffen ist. Er konnte nicht wissen, wer der Verfasser des Artikels war, geschweige denn, wer seinen Pfusch aufgedeckt hat. Der Täter muss nicht nur die Person, sondern auch von seinem Jagdrevier Kenntnis gehabt haben und auch davon, wann er auf dem Sitz anzutreffen ist. Das wussten nur wenige. Prost … Gut, man kann eine Menge in Erfahrung bringen, wenn man wütend ist. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.«

»Außerdem musste er schießen können. Mit einer Jagdwaffe in Sekundenschnelle zu schießen und zu treffen ist nicht einfach.«

Der Investigator

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