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Handeln in komplexen Situationen: Handeln unter Unsicherheit

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Bildungsinstitutionelles Führungshandeln, aber auch unterrichtliches Planen und die Durchführung von Lehrveranstaltungen sind häufig Handeln in einem komplexen System und damit immer auch Handeln unter Unsicherheit (Grote, 2009 oder der Beitrag von Thomann, S. 46). Dieser Hinweis hätte zwar auch als erster Satz des Textes stehen können – er dient uns nun für den Ausklang von Teil I und zur Überleitung zu Teil II des Textes.

In komplexen Situationen bestehen dynamische Wechselwirkungen zwischen Innen- und Aussenwelt, es herrschen Un-Ordnung sowie Mehrdimensionalität und es fehlen strukturierte Verfahren, die Gewissheit bieten oder gar Richtigkeit versprechen. Was hier hilft, ist ein reflexiv-iteratives Handeln, dass die verschiedenen Sichtweisen – die sich durch das Handeln ergeben – zu stimulieren und zu koordinieren vermag. Komplexität erlaubt keine guten Prognosen und vorhersehbare Situationsbeschreibungen. Komplexität verlangt einerseits ein permanentes Beobachten der Umgebung, um Muster zu erkennen und zu prüfen, und andererseits ein zweckoffenes Experimentieren zur Erzeugung von Mustern, Routinen und Regeln. Beides dient nicht dazu, gesicherte Aussagen über die Zukunft zu machen, sondern es dient einem Stimulieren von Entwicklungspotenzial, um Anpassungsfähigkeit in der Gegenwart zu erzeugen. Die Pläne, Routinen oder Regeln – die auch in komplexen Kontexten sinnvoll sind – erhalten die Funktion, dass man sie diskutiert und sich als Handelnder positioniert – sie sind nicht dazu da, gehorsam umgesetzt zu werden. Um die innere Befindlichkeit in solchen Situationen zu beschreiben, sei auf die folgende Vierfeldertafel (Abb. 2) verwiesen.


Abbildung 2: Vorgehensweisen in einfachen versus komplexen Situationen (nach Wippermann, 2012)

In einfachen Situationen, in denen beispielsweise Dozierende klare Entscheidungen treffen und sie routinierte Handlungsmuster zur Zielerreichung verwenden können, herrscht «produktive Ruhe». Treten in diesen Situationen allerdings Überraschungen (unerwartete Ereignisse) auf, dann wird «un-produktive Unruhe» erlebt; unproduktiv deshalb, weil vorderhand Handlungskompetenzen und -routinen fehlen und man sich irgendwie durchwursteln oder gar als gescheitert aufgeben muss. In komplexen Situationen, in denen schlecht strukturierbare Entscheidungssituationen vorliegen und dennoch mit routinierten Handlungsmustern und nicht etwa mit improvisierendem Handlungsvermögen vorgegangen wird, kommt es zu «un-produktiver Ruhe». Unproduktiv deshalb, weil das Vorgehen eher zum Scheitern als zur Bewältigung der situativen Anforderungen führt. Werden komplexe Situationen auch als solche wahrgenommen und das Vorgehen als unbekannt eingestuft, herrscht «produktive Unruhe»: die günstigste Voraussetzung für den Umgang mit Komplexität in Organisationen und auch für improvisierendes Handeln. Um dies nachvollziehen zu können, muss im Folgenden auf Charakteristika organisationalen Handelns eingegangen werden, da wir in Teil I primär individuelles Handeln beschrieben haben. Um das Handeln in Organisationen zu verstehen, sei folgende Ausgangsfrage formuliert:

▸Wie lässt sich auf organisationaler Ebene eine Handlungsform beschreiben, die von Sensibilität für den Umgang mit Unerwartetem, einer produktiv-reflexiven Haltung zu nicht antizipierten Ereignissen und einem Hinterfragen von organisationalen Routinen gekennzeichnet ist?

Mit allem rechnen (E-Book)

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