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Improvisation und Organisation

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Spätestens seit dem 1995 in Vancouver von der Academy of Management ausgerichteten Kongress Jazz as a metaphor for organizing in the 21th century (Kamoche et al., 2002), wird Improvisation nicht mehr rein negativ – als Verlegenheitslösung und Planungsdefizit – konnotiert. Dell (2012, S. 129) spricht in der Folge dieser Diskussionen gar von einem improvisational turn in der Organisationstheorie. Auch für Weick[10] ist die Improvisation – als just in time strategy – eine «Geisteshaltung», die im manageriellen Handeln bedeutsam wird, als «gleichzeitiges Denken und Handeln, gleichzeitiges Aufstellen und Befolgen von Regeln […]. Handeln, das auf Codes basiert, permanenter Wechsel zwischen Erwartetem und Nicht-Erwartetem, und schliesslich eine grosse Abhängigkeit von intuitivem Erfassen» (Weick, 1998, zitiert in Rüsenberg, 2004, S. 206).

Demnach ist in einer improvisierenden Organisation ein konstruktiver Umgang möglich mit schlecht strukturierbaren situativen Anforderungen, wie sie in Abbildung 2 gekennzeichnet werden und bei den Akteuren «produktive Unruhe» auslösen: «Improvisation erkennt Unordnung an und versucht mit den Potenzialen, die in einer Situation vorhanden sind, zu arbeiten. Improvisation bedeutet dann, mit den Materialien der Wirklichkeit zu arbeiten und gleichzeitig diese Wirklichkeit mit zu gestalten» (Dell, 2012, S. 127).

Selbstverständlich wird nach wie vor in vielen Organisationen seriös geplant sowie überwiegend nach vorgegebenen «Partituren» gespielt und nur in Ausnahmesituationen improvisiert. Wenn eine hohe Betriebssicherheit entscheidend ist, sind wir alle froh, dass Mitarbeitende vor- und umsichtig mit Improvisationen umgehen. Nicht zuletzt treffen gerade in Expertenorganisationen Kulturen der Improvisation auf solche von notwendigerweise standardisierten Abläufen; beide sind notwendig und gerechtfertigt und beide benötigen ein Verständnis der anderen «Spielweise».

Improvisierendes Handeln ist jedoch sinnstiftend für Anforderungen, die ein flexibles und innovatives Vorgehen verlangen sowie für Situationen, in welchen man Routinen und Muster verändern und Bewegungen erzeugen möchte.

Eine «Improvisierende Organisation» (Dell, 2012) ermöglicht dann, fördernd mit komplexen Anforderungen umzugehen. Diese Akzentsetzung bedeutet jedoch auch hier nicht, dass in Organisationen bei jeder Gelegenheit improvisiert werden sollte. Auch im Jazz geht es letztlich nicht darum, ob und wie häufig improvisiert wird. Entscheidend ist eine improvisierende Haltung (vgl. hierzu auch den Beitrag von Kuhn, S. 154) und die Bereitschaft bei Unerwartetem das Handlungsrepertoire zu modifizieren.

Trotz offensichtlicher Parallelen hat die metaphorische Verwendung von Jazz in Organisationen auch Grenzen[11]: Neben der Grundhaltung, improvisieren zu wollen, setzt das Improvisieren unbedingtes Können voraus. Eine weitere Voraussetzung besteht darin, dass sämtliche «Mitspielende» kompetent sowie bereit und fähig sind, eigenverantwortlich zu handeln. In der Realität sind diese Voraussetzungen jedoch sowohl im Jazz als auch in Organisationen nicht immer erfüllt.

Abschliessend lässt sich somit festhalten, dass – entgegen der landläufigen Meinung – Improvisieren kein ungeplantes, sondern ein situatives und prozessorientiertes Handeln ist. Improvisierendes Handeln beinhaltet – sowohl für Individuen als auch für (Bildungs-)Organisationen – die gegebenen Handlungsräume permanent zu hinterfragen sowie für das Erweitern der Spielräume offen zu sein. Wenn wir uns als Individuen und als Organisationen als offen-prozesshaft und nicht als geschlossen-strukturell verstehen, reflektieren und handeln wir sowohl als Individuen als auch organisational in situativer Bewegung. Dies meint eben nicht, gescheiterte Pläne einfach nachzubessern. Improvisieren ist keine Verlegenheitslösung im Fall von Pannen oder Fehlern. Improvisieren ist ein konstruktiver Umgang mit dem, was unmittelbar gegeben und damit gefordert ist – auch wenn dies nicht so erwartet wurde.

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