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Taf. I.

Aus der Plakettensammlung (I.).

Unsere Sammlung besitzt von H. G. nachfolgende Stücke vgl. Taf. I:

1) Scylla und Minos. K. P. 203. Katal. 528 (dort irrtümlich Aeneas und Dido bezeichnet). Rund. Durchm. 0,182 m. Bleiguß.

In der Mitte der Platte Minos, nach links gallopierend, mit Helm bedeckt, in der Linken den Feldherrnstab haltend, den er auf die Hüfte stützt. Links von ihm ein barhäuptiger Mann in begrüßender Stellung, rechts ein Krieger mit Helm und Lanze. Im Vordergrunde zwei sitzende Krieger, den Rücken dem Beschauer zugewandt. Weiter im Hintergründe sieht man rechts die Krieger des Minos, links drei Frauen der Scylla. Letztere ist zweimal vertreten: wie sie von einem Turme aus Minos zuwinkt und wie sie, von einer Frau begleitet, ihrem Geliebten das Lebenshaar ihres Vaters Nisos zuträgt. Sämtliche Personen in antiker Gewandung. Im Hintergrunde Meer mit Delphinen und Schiffen, Architektur etc. Vorn unten auf der Platte befindet sich ein Baumstumpf mit der Inschrift: 1569 H G. Geflechtartige Umrahmung.

Das Vorbild zu dieser Darstellung finden wir in Johan. Posthii Germershemii tetrasticha in Ovidii metamor. lib. XV. quibus accesserunt Vergilii Solis figurae elegantiss. & iam primum in lucem editae. Frankfurt, Feyerabent. 1563. 8. S. 91. Die Scenerie ist hier allerdings bedeutend einfacher, da Solis den Gegenstand in zwei Holzschnitten behandelt. Solis ist aber auch nicht der Erfinder, sondern er hat fast sämtliche Abbildungen zu den Metamorphosen aus La vita et metamorfoseo d’Ovidio, Figurato & abbreuiato in forma d’epigrammi da M. Gabriello Symeoni. A Lione per Giouanni di Tornes, 1559. 8. übernommen[55].


Für die weitere Verbreitung und Benutzung der Plakette stehen mir zwei Beispiele zu Gebote. Erstens besitzt unsere Kupferstichsammlung unter Nr. 4015 eine Punzenarbeit (siehe die verkleinerte Abbild, im Text), die von einer nicht sehr geschickten Hand nach der Plakette gearbeitet wurde. Der Stich erscheint natürlich gegenseitig, die Perspektive mangelhaft, auffallend schlecht besonders in der Gruppe der Krieger, an die Stelle von Gräsern und Büschen hat der Copist häufig einfach Steine treten lassen. Monogramm und Jahreszahl auf dem Baumstumpf fehlen. Solcher Punzenarbeiten sind uns eine große Anzahl erhalten. Sie entstammen den Goldschmiedewerkstätten und dienten als Vorlagen für Treibarbeiten. Die Zeichnung wird auf die Kupferplatte übertragen und die Umrißlinien mit Punzen eingeschlagen. Die Linien bestehen daher aus einzelnen Punkten, und, um dem Treiber anzugeben, welche Partien höher und welche flacher im Relief gehalten worden sollen, werden die Punkte je nachdem tiefer oder flacher, dichter an einander, oder weiter von einander abstehend eingetrieben. Schattengebung ist für die Zwecke der Punzenarbeiten überflüssig, und erst, als auch diese Gattung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. sich zu selbständigen Kunstwerken ausgestaltete, finden wir auch den Schatten beigefügt. Bei unserem Stich, der nach der Art seiner Behandlung lediglich den Zweck einer Vorlage gehabt hat, ist auffallend die Ursache seines Entstehens. Wozu war ein Stich nötig, nachdem das Vorbild in Form einer Plakette, also eines brauchbareren und praktischeren Modells schon gegeben war? Es mag wohl der Grund darin zu suchen sein, daß mit der Vervielfältigung einer Plakette immerhin manche Umständlichkeiten verknüpft waren, daß ihre Aufbewahrung größere Sorgfalt verlangte, wenn die Einzelheiten, Baumschlag, Gesichtszüge etc., nicht, wie wir es an vielen Beispielen in unsern modernen Sammlungen noch sehen können, gedrückt, abgerieben und unkenntlich gemacht werden sollten. Wir müssen annehmen, daß die Goldschmiede der damaligen Zeit ausnahmslos gewandte Zeichner und geschickte Techniker waren, die Umsetzung einer Plakette in eine Zeichnung ging ihnen leicht von der Hand und das Arbeiten nach einem Stich bereitete ihnen keine Schwierigkeit. Es tritt uns häufig die Erscheinung entgegen, daß plastische Arbeiten nach einer Plakette im Gegensinne erscheinen. Ich glaube, daß wir in solchem Falle stets einen Stich als Zwischenglied anzunehmen haben. Auch nach unserer Plakette existiert eine Goldschmiedearbeit im Gegensinne, zu der aber nicht die angeführte Punzenarbeit unserer Kupferstichsammlung die Vermittelung gewesen sein kann, sondern zu der wir einen anderen Stich als Vorlage voraussetzen müssen. Die Arbeit, eine silber-vergoldete Schale, befand sich im Besitze Spitzers, und ist abgebildet in »La collection Spitzer« III, orfèvrerie civile Pl. VIII. Die Beschreibung lautet dort (S. 25 Nr. 66): «A I’intérieur de la coupe est figurée la légende de Scylla. Nisus (?), vêtu en guerrier antique, monté sur un cheval au galop, occupe le centre de la composition. A droite et à gauche, des groupes de guerriers (!). Au fond, on aperçoit Scylla tenant à la main la mèche de cheveux qu’elle a coupée a son père; on la voit encore sur le haut d’une tour qui fait partie de l’enceinte d’une ville, au dernier plan: fond de paysage et de fabriques. Sur le bord de la coupe, à l’intérieur, est gravée l’inscription suivante qui explique le sujet: Quid non cogit amor testis Niseia virgo | ausa in purpurea regna pater[56] coma | fatali tondere manu quid moenibus hostem | arces, hoste magis nata timenda tibi est. Heu quanto stetit unius tonsura capilli Scylla tibi en tecum patria versa tua est nil agis at vobis male sit nox somne cupido quorum opera tantum suscipere ausa scelus. (?)

Sur le bord de la coupe, à l’intérieur, un poinçon: un écusson chargé d’un V.

In Bezug auf die Landschaft ist der Meister dieser Arbeit sehr selbstständig vorgegangen, sie hat durch seine vereinfachende Behandlungsweise eher gewonnen, als verloren. Die manirierten Wolken sind verschwunden, die Architekturteile aber sind sehr mäßig ausgefallen. Der linke Eckturm der Stadt im Vordergrunde ist völlig mißraten. Scylla hat, in näherer Anlehnung an Solis, einen großen Busch Haare in der Rechten, damit an der Bedeutung ihrer Person kein Zweifel sein kann. Der Baumstumpf mit dem Monogramm und der Jahreszahl fehlt.

2) Verkleinerter Ausschnitt aus der unter 1) angeführten Darstellung von Scylla und Ninos. Copie. K. P. 888. Kat. 531. 0,05 × 0,45 m. Bleiguß.

3) Eberjagd. K. P. 461. Kat. 530. Rund. Durchm. 0,17 m. Arabeskenartige Umrahmung. Bleiguß.

Ein nach links gallopierender Reiter in antiker Gewandung, mit Federhut, in der Linken einen Jagdspeer schwingend und ein Jäger mit der Saufeder dringen auf einen von 4 Hunden angefallenen Eber ein. Im Vordergrunde rechts auf einem Baumstumpf 1570 H. G.

4) Tod des Adonis. Von Jagdscenen umgeben. K. P. 204. Kat. 605. Rund. Durchm. 0,159 m. Bleiguß.

Adonis, nackt, liegt nach rechts im Schoße der bekleideten Venus, von links beugt sich Amor zu ihm nieder, im Vordergrunde Schild, Horn, Jagdspeer und Mantel. Im Hintergrunde sieht man nach rechts den Eber enteilen. Durchm. des Mittelstücks incl. des umrahmenden Kranzes 0,065 m. Der Rand ist in einer Breite von 0,042 m von Jagdscenen bedeckt, unter denen sich die bei 3) aufgeführte mit geringen Änderungen rechts oberhalb der Venus wiederholt. Der Jäger steht nicht links, sondern rechts vom Eber und hat die Saufeder bereits dem Wild in die Seite gestoßen. Den Reiter sehen wir, etwas verändert, links von der Gruppe.

5) Der Angler. K. P. 205. Kat. 529. Durchm. 0,17 m. Umrahmung wie bei 1). Bleiguß.

Im Vordergrunde links sitzt ein nach rechts gewandter Mann am Ufer eines Flusses und angelt. Ein Korb hängt über einem Zweige im Wasser, ein zweiter steht am Ufer. Der Fluß ist belebt durch Vögel, Fische und Kähne. In der reichausgestatteten Landschaft bemerkt man rechts eine Mühle, links antike Gebäudeteile. Rechts dem Angler gegenüber befindet sich auf einem Baumstumpf die Inschrift: 1570. H. G.

6) Vulcan und 3 Cyclopen mit schmieden beschäftigt. K. P. 202. Kat. 602. Rund. Durchm. 0,17 m. Kranzartige Umrahmung. Bleiguß.

Vulcan, vor einem Ambos in offener Landschaft sitzend, und 3 stehende Cyclopen schmieden. Links die Feueresse, rechts Venus, die ihre rechte Hand auf Amors Haupt gelegt hat. Sämtliche Personen sind nackt.

7) Das Urteil Salomonis. K. P. 208. Kat. 603. Rund. Durchm. 0,17 m. Umrahmung ähnlich wie bei 3). Bleiguß.

Salomo, bartlos, sitzend in freier Landschaft, mit Scepter in der Rechten, vor ihm ein Scherge, der in der linken Hand das lebende Kind am Bein, in der Rechten das Schwert hält. Im Vordergrunde die beiden klagenden Weiber, zwischen ihnen noch einmal das Kind, liegend. Im Hintergrunde zwei bärtige Männer, deren einer das Liktorenbeil trägt. Rechts turmartiges Gebäude, von dessen Brüstung, ähnlich wie bei 1), ein Weib herunterschaut. Aus der Thüre, von der eine Treppe zum Erdboden führt, tritt eine Person mit einem Korbe in der Hand.

Schuchardt. Goethes Kunsts. II. S. 26 Nr. 74.

8) u. 9) Hirsch- und Eberjagd in der Art des H. G. K. P. 254 u. 253. Kat. 548. 549. 0,022 × 0,093 m. Bleiguß.

Ein Hirsch, nach links entfliehend, wird von Jägern und Hunden verfolgt. Ein Reiter mit Jagdhorn. Im Vordergrunde links ein Kreuz.

In der Mitte ein Reiter mit Jagdspeer, rechts ein von Hunden angefallener Eber, links laufender Mann mit zwei Hunden.

Nagler, Monogr. III. Nr. 974 erwähnt: »In der fürstlichen Sammlung zu Wallerstein befindet sich ein Pulverhorn mit einer runden getriebenen und vergoldeten Platte, welche den Saturnus vorstellt, wie er die nackte Wahrheit der aufgehenden Sonne entgegenführt. Ein düsterer Dämon sucht sie vergebens wieder niederzuhalten, denn schon schwebt die Friedenstaube über dem Lande. Die Umschrift besagt: Abstrusum Tenebris Tempus Me Educit In Auras. — H. G. 1570.«

Leider konnte mir eine Abbildung oder nähere Beschreibung dieses Pulverhorns nach gütiger Mitteilung des Herrn Bibliothekar Dr. Grupp augenblicklich nicht zur Verfügung gestellt werden, wohl aber ist mir durch die Liebenswürdigkeit der Verwaltung der archaeologischen Abteilung des Darmstädter Museums der Abguß einer Plakette zugegangen, die zweifellos das Modell zu der Platte des Pulverhorns darstellt. Die Plakette, rund, hat einen Durchmesser von 0,083 m., ohne den mit der Inschrift versehenen Rand 0,063 m. Die Darstellung entspricht genau der Beschreibung Naglers. Aber das erste Wort der Umschrift lautet nicht Abstrusum, sondern ABSTRVSAM, außerdem steht noch in der inneren Plakette mit kleineren Buchstaben: VERITAS· FILIA· TEMPORIS· Wenn Nagler also richtig zitiert, so hätten wir hier einen Beweis dafür, daß die Plakette nicht als Andenken von einer ausgeführten Treibarbeit abgegossen ist, sondern daß der Meister zunächst die Plakette herstellte, um nach ihr zu arbeiten, dann aber bei der Platte für das Pulverhorn den Fehler des Modells nicht nachahmte, sondern korrigierte. Ein zweites Exemplar dieser Plakette, weit besser erhalten als das Darmstädter, aber ohne Rand, also auch ohne das Monogramm, befindet sich in Kassel. Eine Photographie davon verdanke ich Herrn Prof. Dr. K. Lange. Es gehört dieses Stück zu den besten Arbeiten des Meisters H. G.

Von den Nachfolgern Flötners steht unserem Plakettisten in der Behandlung von figürlichen Darstellungen der durch eine große Reihe von Punzenarbeiten bekannte Meister J. S. am nächsten. Was A. Winkler im Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen Bd. XIII, S. 100 von diesem schreibt:

Besonders charakteristisch ist die Behandlung der Landschaft, zumeist eine Verbindung deutscher Fluß-, Dorf- und Städtelandschaft mit antik-römischen Reminiscenzen paßt ebenso auf Flötner und H. G. Auch die Wassermühle, die übrigens auch Jost Amman gern verwendet, ist ein bevorzugtes Motiv beider. Endlich erinnere ich noch an die Ähnlichkeit der Wolkenbehandlung zwischen H. G. und I. S. Lauter ähnliche Motive, die doch von jedem einzelnen Meister in origineller Weise wieder durchgebildet sind, die aber auf eine gemeinsame Schule schließen lassen, welche von Flötner ausgegangen ist.

Nürnberg.

Dr. F. Fuhse.

Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum: Jahrgang 1896

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