Читать книгу Oma im Info-Stau - Gertraud Sayer - Страница 6

Kapitel 4: Zu viel Obst für Nele

Оглавление

Am Freitag pünktlich um elf Uhr erklomm ich mit zwei schweren Säcken, gefüllt mit Obst, gehörig schnaufend die vielen Treppen zu Jans und Neles Altbauwohnung, die im dritten Stock eines Hauses ohne Lift lag. Ich sollte wirklich ein wenig konsequenter an meiner Kondition arbeiten – nahm ich mir zumindest vor.

Bevor ich hergefahren war, hatte ich im Supermarkt das Obst für Cornelia besorgt und bei dieser Gelegenheit gleich meinen Wochenendeinkauf erledigt. Den konnte ich getrost im Auto liegen lassen, weil es wieder einmal trüb, kühl und windig war.

Auf dem Weg vom Supermarkt zu Nele war ich ein wenig nervös. Da sich meine Tochter – wir hatten inzwischen einige Male telefoniert – weiterhin konsequent weigerte, den Namen des Kindsvaters zu nennen, wollte ich heute versuchen, Jan als solchen zu überführen, und hatte mir zu diesem Behufe einen hübschen Plan zurechtgelegt.

Dazu musste ich nur zu einem erotischen Slip von Nele gelangen. Für den Fall, dass wir ihr Zimmer gar nicht betreten würden, hatte ich vorgesorgt: Ich hatte schon vor ein paar Tagen Neles Lieblingspralinen im Süßwarenspezialgeschäft erstanden und hübsch verpackt. Ich würde also sagen, ich hätte ein Überraschungsgeschenk für sie und wolle es in ihrem Zimmer deponieren. Dann würde sie mich gewiss allein „ihr Reich“ – wie sie es nannte – betreten lassen und ich würde mich unbeobachtet an ihrem Wäscheschrank bedienen können.

Irgendwie würde ich in weiterer Folge schon die Gelegenheit dazu haben, das heiße Dingsda in Jans Zimmer zu schmuggeln. Ich musste nur lange genug in der Wohnung bleiben. Einmal musste Jan ja sicherlich Pipi machen. Jeder Mensch musste schließlich ab und an Pipi machen.

Und wenn er dann wieder in seinem Zimmer verschwunden sein würde, würde ich scheinheilig freundlich anklopfen, ihn scheinheilig freundlich begrüßen und dann zufällig das heiße Dingsda entdecken.

Wenn ich ihm allerdings schon vorher irgendwo in der Wohnung begegnen würde, würde ich mich eben scheinheilig freundlich von ihm verabschieden und dann zufällig das erotische Dessous entdecken.

Ach Jan, Sie sind mir aber einer! Sie haben doch nicht etwa mit Nele, na, Sie wissen schon, was“, würde ich dann sagen und das Höschen als Beweisstück demonstrativ in die Höhe halten. An seiner Reaktion würde ich schon erkennen, was Sache ist.

Blieb nur noch zu hoffen, dass er überhaupt zuhause war.

Als ich die letzten Treppen geschafft hatte, stand Nele schon an der Tür und erwartete mich. „Schön, dass du da bist, Mamilein“, schnurrte sie, und dann umarmte und drückte sie mich wie immer herzlich und küsste mich zuerst auf die linke, dann auf die rechte Backe.

Wenn man Neles geräumige Altbauwohnung betrat, kam man zuerst in eine riesige, fast quadratische Diele, die gleichzeitig von Nele als ihr Atelier genutzt wurde. Hier stand ihre Staffelei, und Unmengen ihrer Zeichnungen und Gemälde waren im Raum verteilt. Obwohl es hier kein Tageslicht gab – außer man ließ die Zimmertüren offen – war der Raum durch zahlreiche Lampen, die an den Wänden und an der Decke montiert waren, hell erleuchtet.

Gleich neben dem Eingang befanden sich Badezimmer und Toilette.

An der rechten Wand des Ateliers führte eine Pforte in Neles fast dreißig Quadratmeter großes Reich, das mit vier hohen Fenstern ausgestattet und deshalb sehr hell war.

Gegenüber gab es zwei Türen: Die rechte führte in Jans Zimmer, die linke in einen von beiden genutzten hellen, geräumigen Wohnraum.

An der, vom Eingang aus betrachtet, linken Wand gelangte man in die Küche. Zwischen diesem Raum und dem Wohnzimmer gab es nur einen Durchbruch. Und sowohl von der Küche als auch vom Wohnzimmer aus konnte man auf einen Balkon hinaustreten, der in einen grünen Innenhof ragte.

Nele führte mich an diesem Vormittag gleich in die Küche. Die Tür zu Jans kleinem Reich war geschlossen.

„Ist dein Mitbewohner gar nicht zuhause?“, fragte ich enttäuscht.

„Doch, aber der schläft noch“, entgegnete Nele.

Da keimte wieder Hoffnung in mir auf.

„Magst du Kaffee?“, fragte mich meine Tochter. „Ich habe aber nur koffeinfreien zuhause.“

„Ja, gerne“, sagte ich, „trinken wir zuerst einen guten Kaffee. Wir können später ja noch eine Pizza bestellen oder vom Asiaten Sushi bringen lassen.“ Ich musste meinen Besuch an diesem Tag ja ziemlich lange ausdehnen.

„Hast du denn heute so viel Zeit?“, fragte Nele erstaunt.

Ich ignorierte diese Frage.

„Wann ist denn eigentlich der Geburtstermin?“, erkundigte ich mich stattdessen, weil ich es wirklich endlich wissen wollte, wann ich Großmutter wurde, und während Nele ihre altmodische Kaffeemaschine bediente, stapelte ich meinen Einkauf auf den großen Küchentisch: zwei Kilo Bananen, vier Kilo Äpfel, zwei Kilo Orangen, einen Kilo Birnen, einen Sack voll Zitronen, einen halben Kilo Kiwi und einen halben Kilo spanischer Erdbeeren.

„Am neunundzwanzigsten Oktober“, sagte Nele ohne sich umzudrehen, „ich bin jetzt in der zehnten Woche.“

Als sie mit dem Hantieren an der Kaffeemaschine endlich fertig war, drehte sie sich um, erblickte das Obstgebirge auf ihrem Küchentisch, rollte die Augen und strich sich eine Lockensträhne aus dem Gesicht.

„Ach Mamilein, ich hab doch gesagt, du sollst es mit dem Obst nicht übertreiben“, sagte sie liebe- und vorwurfsvoll zugleich, „das kann ich unmöglich alles aufessen, selbst wenn ich den ganzen Tag nichts anderes als Obst in mich hinein stopfe.“

Und dann sortierte sie aus: Sie behielt einen Kilo Bananen, zwei Kilo Äpfel, die Birnen und die Erdbeeren. Von denen naschte sie sogar. Meinen Einwand, sie müsse doch jetzt viele Vitamine zu sich nehmen, ignorierte sie.

„Zitrusfrüchte und Kiwi mag ich nicht, das solltest du wissen“, sagte sie, „den Rest kannst du wieder mitnehmen und selber essen, oder du bringst das Obst meinen Schwestern oder spendest es den Armen. Und jetzt setz dich endlich hin, jetzt trinken wir gemütlich unseren Kaffee. Ich muss dir nämlich etwas erzählen.“

Ich wollte schon beleidigt sein, weil sie meine Vitaminnahrung verschmähte, aber durch den Umstand, dass sie mir etwas erzählen wollte, gewann meine Neugier wieder die Oberhand. Also nahm ich Platz und drängte:

„Was denn? Erzähl schon!“

Nele wusste, dass ich diese Eigenschaft, wenn sie einmal geweckt war, kaum im Zaum halten konnte. Deshalb agierte sie jetzt besonders langsam. Sie stellte zuerst die Kaffeekanne auf den Tisch, holte jede Tasse, jede Untertasse und jeden Löffel einzeln, tat dann so, als müsste sie die Milch im Kühlschrank erst suchen und setzte sich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich auch hin.

„Also, du weißt ja, dass Papa die Siharsch heiratet“, fing sie an.

Ich nickte.

„Aber weißt du auch, warum er es mit der Ehe plötzlich so eilig hat?“

„Keine Ahnung. Ist sie womöglich doch schwanger?“, fragte ich. „Zu mir hat Heinz gesagt, sie sei nicht schwanger.“

„Ist sie auch nicht“, bestätigte Nele. „Aber sie erpresst ihn!“

„Wie? Wie erpresst sie ihn? Hat er eine Bank überfallen und sie droht ihm mit der Polizei?“, fragte ich blöde. Natürlich wusste ich, dass Heinz keine Bank überfallen hatte, aber mir fiel definitiv keine Möglichkeit ein, wie man einen Mann zu einer Eheschließung nötigen konnte, wenn er denn nicht heiraten wollte.

„Sie hat ihm gedroht“, sagte Nele noch immer mit einem geheimnisvollen Unterton in der Stimme.

„Womit gedroht?“, fragte ich, zunehmend irritiert.

„Sie hat gesagt, wenn sie nicht endlich seine Frau wird, dann verlässt sie nicht nur ihn, sondern sucht sich auch eine andere Stelle.“

„Dann soll er sie doch ziehen lassen“, meinte ich trocken, „oder liebt er sie so abgöttisch?“

„Das habe ich ihm auch geraten“, erklärte Nele, „und er liebt sie nicht abgöttisch. Im Grunde genommen liebt er sie überhaupt nicht. Auch das hat er mir erzählt. Aber er hat Angst vor dem Alleinsein im Alter. Und sonst hat er ja niemanden. Überleg mal, Mama, er ist fast sechzig. So schnell findet man in dem Alter keinen neuen Partner.“

Jetzt rollte ich die Augen. Mein seit jeher polygam veranlagter Exmann hatte niemanden! Mein Mitleid hielt sich in Grenzen.

„Ich bin auch schon sechsundfünfzig und habe niemanden“, sagte ich fast trotzig.

„Aber Mama, bei dir ist das doch ganz etwas anderes. Du hast dein Leben im Griff. Und außerdem bekommst du ja bald eine neue Aufgabe dazu: Du wirst Oma! Schon vergessen?“, meinte Nele.

Da war es wieder, das Stichwort: Ich wurde Oma! Und ich wollte heute den Kindsvater stellen. Ungeduldig schielte ich auf die Küchenuhr. Schlief denn der Kerl noch immer? Und plötzlich wurde mir heiß und kalt und wieder heiß. Ich brauchte unbedingt ein Dessous von Nele. Wie hatte ich bloß darauf vergessen können?!

Also kramte ich in meiner riesigen Handtasche und zog die Pralinenschachtel hervor.

„Nele, Schatz“, sagte ich, „ich habe dir auch eine Überraschung mitgebracht und würde gerne Osterhase spielen und sie in deinem Zimmer verstecken. Darf ich?“

„Du liebst es tatsächlich, noch immer so zu tun, als wären wir kleine Kinder“, meinte Nele schmunzelnd, „aber mach nur, ich hänge inzwischen die Wäsche auf den Balkon.“

Kaum hatte sie das gesagt, war sie auch schon im Badezimmer verschwunden, um die Waschmaschine auszuräumen. Das war mein Glück, denn beinahe hätte ich vergessen, meine Handtasche in ihr Zimmer mitzunehmen. Die brauchte ich aber unbedingt, denn ich musste ja meine Beute darin verstecken. Ich konnte doch nicht mit dem Dessous von Nele in der Hand zu ihr zurück kehren.

Ich schnappte also meine Tasche, schlich in Neles Reich, deponierte mein Geschenk einfallsreich, wie ich nun einmal bin, unter Neles Kopfkissen und machte mich dann auf die Suche nach dem Objekt meiner Begierde. Erst als ich die dritte Lade ihres Schrankes geöffnet hatte, wurde ich fündig. Doch was ich da sah, ließ mich erschaudern. Die meisten Dessous waren prüde Höschen aus weißer Baumwolle. Meine Tochter hatte doch wirklich keinen Geschmack!

Ich wühlte alles durch und befürchtete schon, unverrichteter Dinge nachhause gehen und einen neuen Plan aushecken zu müssen. Doch ganz unten fand ich dann zwei einigermaßen reizvoll aussehende Slips: Einer war schwarz und hatte einen Spitzeneinsatz, der andere war getigert. Ich wählte den getigerten. Ein wilder Tiger schien mir für eine heiße Liebesnacht genau das Richtige zu sein.

Hastig stopfte ich das Ding in meine Handtasche. Jetzt brauchte nur noch Jan aus seinem Koma zu erwachen und sein Zimmer zu verlassen, dann konnte ich mein Vorhaben endlich in die Tat umsetzen.

Zufrieden mit dem Erfolg meiner Mission kehrte ich zurück zu Nele in die Küche. Sie hantierte noch immer auf ihrem Balkon mit der Wäsche herum. Ich stellte mich zu ihr, blickte auf den Innenhof und hoffte inständig, dass mein Plan klappen würde.

„Sag mal, Mama“, riss mich meine Tochter wieder aus meinen Gedanken, „willst du es nicht noch einmal mit Papa versuchen? Ich glaube, er hängt immer noch an dir. Er hat ein paar Mal solche Andeutungen gemacht. Meinst du nicht, dass jeder eine zweite Chance verdient?“

„Dein Vater hatte mindestens hundert Chancen“, konterte ich, „und ich will ihm definitiv keine weitere mehr geben!“

„Geh, Mama! Er hat mir echt leidgetan, wie er mir die Geschichte von der Erpressung erzählt hat. Er hat irgendwie so hilflos gewirkt.“

„Ja, ich weiß“, sagte ich, „jedes zweite Wort ist „also“ und dann kommt er noch mit seinem Dackelblick. Aber bei mir zieht die Mitleidsmasche nicht mehr.“

„Na, vielleicht könnten wir ja dann wenigstens gemeinsam überlegen, wie wir diese Ehe verhindern könnten“, schlug Nele nun vor. „Er rennt doch in sein vorprogrammiertes Unglück!“

„Vergiss es, Tochter“, sagte ich nüchtern, „man kann keine Ehe verhindern, die geschlossen werden muss. Ich habe wahrlich genug Lebenserfahrung, um das behaupten zu können. Außerdem werde ich mich hüten, mich in diese Angelegenheit einzumischen. Was ich davon halte, habe ich deinem Vater unmissverständlich erklärt. Aber ich mache mich doch nicht zum Affen und unternehme etwas, damit er diesen Blödsinn nicht macht. Er hat sich die Suppe eingebrockt, jetzt soll er sie auch auslöffeln. Oder anders gesagt: Wer A sagt, muss auch B sagen. Er hat die Affäre mit dieser Tussi angefangen, jetzt soll er halt dazu stehen.“ Mehr Plattitüden fielen mir im Moment nicht ein.

Damit war das Thema für mich abgehakt. Wir tranken unseren inzwischen ausgekühlten Kaffee und Nele erzählte mir ein paar Episoden aus dem Fitnesscenter. Immer wieder schielte ich verstohlen auf die Küchenuhr.

Endlich um zwölf Uhr hörte man eine Tür knarren und ein völlig verschlafener Jan erschien in der Küche. Ich schöpfte wieder Hoffnung, meinen Plan endlich in die Tat umsetzen zu können.

„Morgen“, knurrte er, und als er bemerkte, dass Nele nicht allein war, kniff er seine Augen zusammen, fokussierte mich und sagte dann:

„Ja, guten Morgen, Frau Geiger, ich habe Sie gar nicht gesehen. Wie geht es Ihnen denn?“

„Danke, Jan, ganz gut, und Ihnen?“ erwiderte ich.

„Alles im grünen Bereich“, knurrte er zufrieden, und dann wandte er sich Nele zu und verwickelte sie in ein Gespräch über eine Vernissage, die er am Vorabend besucht hatte und bei der er jemanden kennengelernt hatte, der sich für Neles Bilder interessierte.

Ich sah meine Chance gekommen, schnappte meine Tasche, nuschelte erklärend: „Ich muss mal“, und draußen war ich.

Natürlich ging ich nicht aufs Klo, sondern schnurstracks in Jans Gemach. Es herrschte ein regelrechtes Tohuwabohu in diesem Raum, von Ordnung schien der junge Mann also nicht viel zu halten. Aber das war ein ausgesprochener Glücksfall für mich und meinen Plan: So würde ihm das Corpus Delicti nicht gleich auffallen, wenn er wieder hereinkommen würde.

Umständlich machte ich mich in meiner riesigen Handtasche auf die Suche nach Neles Slip. Wo war denn bloß das blöde Höschen? Das konnte doch nicht wahr sein! Ich hatte es ja vor kurzem erst hinein gestopft. Warum musste ich auch immer so riesige Handtaschen mitschleppen? Ich konnte doch hier nicht den Inhalt meiner Tasche komplett entleeren. Das würde viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen.

Endlich! Da hatte ich es. Triumphierend hielt ich das getigerte Dingsda in die Höhe. In diesem Moment hörte ich hinter mir ein Räuspern. Ich drehte mich um und wäre in diesem Augenblick am allerliebsten im Erdboden versunken oder hätte mich in Luft aufgelöst oder auf den Mars gebeamt. Hinter mir stand Jan im Türrahmen.

„Was machen Sie denn da, Frau Geiger?“, fragte er.

Was sollte ich jetzt bloß sagen? Verdammt, irgendetwas musste mir jetzt einfallen, wenn ich hier ungeschoren davon kommen wollte. Doch was? Ich räusperte mich, um Zeit zu gewinnen.

„Frau Geiger, ich frage Sie noch einmal: Was machen Sie da?“, bohrte Jan nach.

„Ich … ich … also ich … ich…“ Verdammt, jetzt stotterte ich schon genauso wie Heinz. Irgendetwas musste ich jetzt sagen, sonst war es mit Jans Contenance vorbei.

Und weil mir partout keine plausible Ausrede einfallen wollte, stotterte ich: „Ich … ich … ich hab mich wohl in der Tür geirrt. Ich … ich wollte eigentlich aufs Klo gehen.“

Einen Augenblick starrte mich Jan mit weit aufgerissenen Augen an, und dann begann er schallend zu lachen, zeigte auf das, was ich in der Hand hielt, und sagte: „Und unterwegs dorthin haben Sie Ihr Höschen gleich ausgezogen. Das ist ja wirklich ausgesprochen effizient.“

Wenn ich vorher rot wie eine Tomate war, so war ich jetzt sicher purpurrot wie dunkler, schwerer Rotwein. Zu allem Überfluss hatte Jans schallendes Gelächter meine Tochter angelockt. Als sie sah, dass ich in Jans Zimmer stand, rollte sie die Augen, strich sich eine Lockensträhne aus dem Gesicht und sagte:

„Was ist denn da los?“

Und als sie erkannte, was ich in meiner Hand hielt, die noch immer triumphierend in die Höhe ragte, brauchte sie nur wenige Sekunden, um zu begreifen, was hier gespielt wurde.

„Mama, du bist so was von peinlich!“, fauchte sie mich an. „Jetzt verstehe ich, warum du unbedingt Osterhase spielen wolltest! Das ist ja richtiggehend hinterlistig! Wie ich deinen Einfallsreichtum kenne, hast du mir dein Packerl einfach schnell unter mein Kopfkissen geschoben und dann meinen Schrank durchwühlt.“

Zornig schüttelte sie den Kopf. „Ich kann es einfach nicht fassen, dass du dich für so etwas hergibst! Dabei tust du immer so, als wärst du besonders seriös und reif, und weist bei jeder nur denkbaren Gelegenheit auf deine angebliche Lebenserfahrung hin.“

So wütend hatte ich meine Tochter noch nie zuvor erlebt.

„Ich glaube, es ist am besten, du gehst jetzt“, knurrte sie böse, machte auf dem Absatz kehrt und ließ mich stehen.

Ich kam mir vor wie ein Schulkind, das beim Schummeln erwischt worden war. So elend hatte ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt. Ich war zwar schon in so manchen Fettnapf getreten, aber das, was ich heute hier geliefert hatte, toppte wirklich alles.

Ich schnappte meine Tasche, die noch auf dem Boden in Jans Zimmer lag, und flüsterte beschämt:

„Schönen Tag noch.“

Dann stolperte ich zur Türe, öffnete sie und huschte die Treppe hinunter. Als ich bereits im zweiten Stock angekommen war, rief mir Nele nach: „Dein Vitaminsackerl liegt noch bei mir in der Küche. Das nimmst du schön mit! Oder glaubst du, nach dieser bescheuerten Aktion entsorge ich vor lauter Dankbarkeit deinen Biomüll auch noch?“


Oma im Info-Stau

Подняться наверх