Читать книгу Tantrische Ebenen und Pfade - Geshe Kelsang Gyatso - Страница 14

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Manche Menschen sagen, dass Buddhaschaft ein unerreichbares Ziel ist, während andere meinen, dass das Geheime Mantra zu fortgeschritten ist und dass es besser sei, sich auf Sutra zu konzentrieren. Solche Vorstellungen sind heutzutage sehr verbreitet, doch dürfen sich diejenigen, die tantrische Ermächtigungen empfangen haben, nicht auf diese Weise entmutigen lassen. Geben wir den Wunsch auf, Buddhaschaft zu erlangen, weil wir denken, dass sie unerreichbar ist, begehen wir eine Hauptübertretung unserer Bodhisattva Gelübde. Und geben wir die Absicht auf, das Geheime Mantra zu üben, weil wir denken, dass es zu schwierig ist, begehen wir eine Hauptübertretung unserer tantrischen Gelübde. Durch das Studium der Lehren der tantrischen Ebenen und Pfade, wie sie in diesem Buch dargestellt sind, werden wir verstehen, wie wir Buddhaschaft erlangen können, indem wir uns auf das Geheime Mantra verlassen, und wir werden große Begeisterung für die tantrische Praxis entwickeln. In dieser Weise sind wir davor geschützt, unsere Bodhisattva- und tantrischen Gelübde zu brechen.

Vielleicht fragen wir uns, warum Buddha die Sutrapfade überhaupt gelehrt hat, wenn das Geheime Mantra der direkte Pfad zur Buddhaschaft ist. Der Grund ist, dass Sutra die Grundlage für Tantra ist. Tantra ist wie ein Flugzeug, das uns direkt zur Buddhaschaft bringt, Sutra aber ist wie die Startbahn. Ohne Startbahn kann ein Flugzeug nicht starten und ohne die Grundlage des Sutra können wir keine authentische Erfahrung des Geheimen Mantra machen. Deshalb müssen diejenigen, die Buddhaschaft erlangen möchten, die Vereinigung von Sutra und Tantra üben.

Wir müssen alle Pfade zur Buddhaschaft vollenden, um ein voll erleuchtetes Wesen zu werden. Im Allgemeinen gibt es zwei Arten von Pfad: äußere Pfade und innere Pfade. Äußere Pfade können wir verstehen, wenn wir Landkarten oder Ähnliches zu Rate ziehen, doch sie helfen uns nicht Befreiung zu erlangen. Selbst wenn wir in einem Raumschiff bis ans Ende des Universums reisen würden, niemals würden wir Befreiung erreichen. Die einzige Methode, Befreiung zu erlangen, ist, dass wir ­richtigen inneren Pfaden folgen, die nur im Dharma erläutert werden.

Buddhas haben zehn besondere Eigenschaften, die fühlende Wesen nicht besitzen. Sie werden die «zehn Kräfte» genannt und eine davon ist die Kraft, die alle Pfade kennt. Buddhas kennen alle inneren Pfade und wissen, wo sie hinführen. Aus großem Mitgefühl zeigen sie den Lebewesen, wie sie zwischen richtigen und falschen Pfaden unterscheiden können. Hätten Buddhas keinen Dharma gelehrt, wüssten wir nichts von den Pfaden, die zur Befreiung führen, und aufgrund unserer Vertrautheit mit dem Festhalten am Selbst würden wir ohne jede Hoffnung auf Befreiung ewig in Samsara wandern. Seit anfangsloser Zeit sind wir falschen Pfaden gefolgt. Doch jetzt haben wir dank Buddha Shakyamunis Güte die Möglichkeit, eine vollständige Darlegung der spirituellen Pfade zur Befreiung und vollen Erleuchtung zu studieren.

Es gibt zwei Arten von innerem Pfad: weltliche innere Pfade und überweltliche innere Pfade. Weltliche innere Pfade führen uns tiefer in Samsara hinein, überweltliche innere Pfade führen uns jedoch zur Befreiung und Erleuchtung. Es gibt zwei Arten weltlicher Pfade: tugendhafte weltliche Pfade und nichttugendhafte weltliche Pfade. Tugendhafte weltliche Pfade sind tugendhafte Handlungen, die zu einer Wiedergeburt als Mensch, Halbgott oder Gott führen. Nichttugendhafte weltliche Pfade sind nichttugendhafte Handlungen, die zu einer Wiedergeburt als Tier, hungriger Geist oder Höllenwesen führen. Ausführliche Erklärungen zu den weltlichen Pfaden finden wir in Buddhas Lehren über Karma und die zwölf in abhängiger Beziehung stehenden Glieder.

Überweltliche Pfade sind tugendhafte Geistesarten, die zur Befreiung und Erleuchtung führen. Was die überweltlichen Pfade betrifft, sind Pfad, Ebene, ­spirituelles Fahrzeug und erhabenes Gewahrsein Synonyme. Spiri­tueller Pfad wird als ein erhabenes Gewahrsein definiert, das mit nichtgeschaffener Entsagung verbunden ist. Es gibt zwei Arten von spirituellem Pfad: Hinayanapfade und Mahayanapfade. Es gibt fünf Hinayanapfade: die Hinayanapfade der Ansammlung, der Vorbereitung, des Sehens, der Meditation und des Nicht­-mehr-­Lernens. Hinayanapfade führen zur kleinen Erleuchtung eines Hörers oder zur mittleren Erleuchtung eines Alleinigen Eroberers. Es gibt auch fünf Mahayanapfade: die Maha­yanapfade der Ansammlung, der Vorbereitung, des Sehens, der Meditation und des Nicht­-mehr-­Lernens. Mahayanapfade führen zur vollkommenen Erleuchtung eines Buddha.

Spirituelle Ebene wird als eine klare Verwirklichung definiert, die die Grundlage vieler guter Eigenschaften ist. Wie bei den spirituellen Pfaden gibt es auch zwei Arten spiritueller Ebenen: Hinayana Ebenen und Mahayana Ebenen. Es gibt acht Hinayana Ebenen, die alle in den fünf Hinayanapfaden enthalten sind. Es gibt auch zehn Mahayana Ebenen, die alle in den fünf Mahayanapfaden enthalten sind. So wie die Erde die Grundlage des Wachstums der Pflanzen, Bäume, Früchte und so weiter ist, so sind Hinayana Ebenen die Grundlage der Entwicklung guter Hinayana Eigenschaften und die Mahayana Ebenen sind die Grundlage der Entwicklung guter Mahayana Eigenschaften.

Spirituelles Fahrzeug wird als ein erhabenes Gewahr­sein definiert, das uns zu unserem endgültigen spirituellen Ziel führt. Es gibt zwei Arten von spirituellem Fahrzeug: das Hinayana oder Kleine Fahrzeug und das Mahayana oder Große Fahrzeug. Das Mahayana wird aufgeteilt in das Paramitayana oder Vollendungsfahrzeug und das Vajrayana oder Vajrafahrzeug. Die ersten vier der fünf Pfade werden «fortschreitende Pfade» oder «fortschreitende Fahrzeuge» genannt, weil sie uns zu unserem endgültigen spirituellen Ziel führen. Der fünfte Pfad, der Pfad des Nicht-mehr-Lernens, wird «resultierender Pfad» oder «Auswirkungsfahrzeug» genannt.

Erhabenes Gewahrsein wird als eine spirituelle Verwirklichung definiert, die die Natur ihres Hauptobjekts auf vollkommene Weise kennt. Alle spirituellen Pfade sind erhabene Gewahrseinsarten. Erhabenes Gewahrsein unterscheidet sich insofern von Weisheit, als Weisheit ihr Objekt notwendigerweise durch eigene Kraft verwirklicht, während erhabenes Gewahrsein sein Objekt durch die Kraft eines anderen Geistes verwirklichen kann. Bodhi­chitta ist zum Beispiel ein erhabenes Gewahrsein, aber keine Weisheit. Bodhichitta kennt die Natur seines Haupt­objekts, Erleuchtung, doch geschieht dies eher durch die Kraft des begleitenden geistigen Faktors Weisheit als durch eigene Kraft. Ebenso sind andere geistige Faktoren, die mit Bodhichitta verbunden sind, wie Konzentration, Absicht und Gefühl, ebenfalls erhabene Gewahrseinsarten, aber keine Weisheiten.

Deswegen ist Bodhichitta gleichzeitig ein Pfad, eine Ebene, ein spirituelles Fahrzeug und ein erhabenes Gewahrsein. Aus der Sicht, dass er zur Erleuchtung führt, ist er ein Pfad. Aus der Sicht, dass er die Grundlage von vielen guten Eigenschaften des Mahayana ist, ist er eine Ebene. Aus der Sicht, dass er das Mittel ist, um zur Erleuchtung voranzuschreiten, ist er ein Fahrzeug. Und aus Sicht seines Wissens und seiner Art, sein Objekt zu verstehen, ist er ein erhabenes Gewahrsein.

Da Lebewesen unterschiedliche Neigungen und geistige Fähigkeiten haben, lehrte Buddha Shakyamuni drei Fahrzeuge: das Hinayana, das Paramitayana und das Vajrayana. Für diejenigen mit begrenztem Bestreben, die sich hauptsächlich um ihre eigene Erlösung von Leiden kümmern, lehrte Buddha das Hinayana. Die Hina­yanisten sind sich der Fehler der Anhaftung sehr bewusst und sehen Anhaftung als Hauptobjekt, das aufzugeben ist. Deshalb wird das Hinayana manchmal «Fahrzeug der Trennung von Anhaftung» genannt. Um Anhaftung vorübergehend zu überwinden, entsagen Hinayanisten ihrer Familie, ihrem Heim und so weiter, ziehen sich an einen einsamen Ort zurück und meditieren über Unattraktivität. Und um Anhaftung vollständig aufzugeben, meditieren sie über Leerheit.

Für diejenigen, die vom weiten Pfad angezogen werden, lehrte Buddha das Paramitayana, in dem er die sechs Vollkommenheiten und die zehn Bodhisattva Ebenen erläuterte. Die Hauptobjekte, die von Bodhisattvas aufzugeben sind, sind die Behinderungen zur Allwissenheit. Bodhisattvas fürchten sich nicht vor Anhaftung, denn sie wissen, wie sie diese in den spirituellen Pfad umwandeln können. So wie Bauern unreine Substanzen wie Kuhmist als Dünger nutzen, um ihren Boden fruchtbar zu machen, so nutzen höhere Bodhisattvas Verblendungen wie zum Beispiel Anhaftung als Hilfsmittel auf dem Weg zur Buddhaschaft, indem sie sie durch die Kraft ihrer Weisheit und ihres Mitgefühls unschädlich machen.

Für diejenigen, die vom tiefgründigen Dharma angezogen werden, lehrte Buddha das dritte Fahrzeug, das Vajrayana. Das Vajrayana oder Fahrzeug des Geheimen Mantra wird manchmal auch «Fahrzeug der Anhaftung» genannt, denn anstatt zu versuchen, Anhaftung sofort aufzugeben, nutzen Übende dieses Fahrzeuges Anhaftung als Hilfsmittel, um spontane große Glückseligkeit zu erzeugen, mit der sie dann über Leerheit meditieren. Zudem zeigen sie sich, wenn sie schließlich Erleuchtung erlangen, in einem Aspekt als hätten sie Anhaftung, obwohl sie keine begehrende Anhaftung mehr haben; sie erscheinen als tantrische Buddhas im Aspekt von Vater und Mutter in sexueller Umarmung.

Obwohl wir durch die Praxis des Geheimen Mantra Anhaftung in den spirituellen Pfad umwandeln können, brauchen wir dazu großes Geschick, denn normalerweise stört eine sich stark entwickelnde Anhaftung automatisch unseren friedvollen Geist. Der Hauptgrund für die meisten Buddhas, das Geheime Mantra nicht darzulegen, ist die große Gefahr, dass unqualifizierte Übende dieses Fahrzeug für weltliche Vergnügen missbrauchen, und qualifizierte Übende sind in der Schülerschaft sehr selten. Buddha Shakyamuni aber ist eine Ausnahme. Durch die Kraft seiner früheren Gebete und besonderen Entschlossenheit haben seine Schüler das besondere Karma, das Geheime Mantra zu üben.

Es gibt die Vorhersage, dass die Praxis des Geheimen Mantra in dieser Welt für kurz Zeit stark aufblühen wird, wenn der Dharma Buddha Shakyamunis dabei ist zu erlöschen, so wie eine Kerzenflamme kurz vor dem Erlöschen hell aufleuchtet. Heutzutage scheint es viele Bücher über Tantra zu geben, viele Lehrer, die Tantra lehren, und viele Schüler, die versuchen Tantra zu üben. Doch nicht alle diese Bücher und Lehrer sind rein und authentisch. Deswegen wird es zunehmend wichtiger, authentische tantrische Lehren von jenen zu unterscheiden, die mit nichtbuddhistischen Lehren vermischt wurden. Wir haben außerordentlich viel Glück, den vollkommen reinen tantrischen Lehren begegnet zu sein, die von Buddha Shakyamuni über Je Tsongkhapa und vielen verwirklichten Lehrern der Neuen Kadampa Tradition überliefert wurden. Je Tsongkhapa, der eine Emanation des Weisheitsbuddha Manjushri war, klärte viele Aspekte tantrischer Praxis, die in der Vergangenheit oft missverstanden wurden. Insbesondere zeigte er, wie es möglich und in der Tat äußerst wichtig ist, die Vereinigung von Sutra und Tantra zu üben. Bevor Je Tsongkhapa erschien, dachten viele Menschen, dass das Geheime Mantra und die moralische Disziplin der Vinaya widersprüchlich seien und niemand beides zugleich praktizieren könne. Doch Je Tsongkhapa zeigte, dass die Praxis des ­Geheimen Mantra, statt mit der Vinaya im Widerspruch zu stehen, das erhabene, geschickte Mittel ist, um die Disziplin der Vinaya rein einzuhalten. Ich bin überaus glücklich diese reinen tantrischen Lehren von Je Tsongkhapa weiter­geben zu können und auch der Leser sollte sich sehr glücklich schätzen die Gelegenheit zu haben, diese Lehren zu studieren.

DIE GUTEN EIGENSCHAFTEN DES GEHEIMEN MANTRA

Wir können die Natur, die Funktionen und die guten Eigenschaften des Geheimen Mantra verstehen, indem wir die verschiedenen Namen betrachten, die Buddha ihm gegeben hat: Geheimes Fahrzeug, Mantrafahrzeug, Auswirkungsfahrzeug, Vajrafahrzeug, Methodenfahrzeug und Tantrafahrzeug. Diese werden jetzt erklärt.

Tantrische Ebenen und Pfade

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