Читать книгу Tantrische Ebenen und Pfade - Geshe Kelsang Gyatso - Страница 19
ОглавлениеIn Große Darlegung der Stufen des Geheimen Mantra stellt Je Tsongkhapa die Stufen des Pfades des Handlungstantra in vier Teilen vor: Ermächtigungen, Gelübde und Verpflichtungen, Annäherungsretreats sowie allgemeine und außergewöhnliche Erlangungen. Obwohl die Übungen des Handlungstantra sehr umfangreich sind, fasst Je Tsongkhapa sie in diese vier Teile zusammen und macht sie dadurch leicht verständlich. Da Je Tsongkhapas Darlegung so klar und praktisch ist, stützt sich mein Kommentar hauptsächlich auf seine Gliederung.
Das Handlungstantra wird nun in sechs Teilen erklärt:
1. Ermächtigungen erhalten, die Methode, mit der wir unser geistiges Kontinuum zur Reife bringen
2. Die Gelübde und Verpflichtungen einhalten
3. Ein Annäherungsretreat durchführen, die Methode, um Verwirklichungen zu erlangen
4. Wie die allgemeinen und außerwöhnlichen Erlangungen vollendet werden, nachdem wir Erfahrung in den vier Konzentrationen haben
5. Wie wir in Abhängigkeit vom Handlungstantra durch die Ebenen und Pfade fortschreiten
6. Die Familien der Gottheiten des Handlungstantra
ERMÄCHTIGUNGEN ERHALTEN, DIE METHODE, MIT DER WIR UNSER GEISTIGES KONTINUUM ZUR REIFE BRINGEN
Wir müssen eine Ermächtigung erhalten, um das Handlungstantra zu üben. Die Ermächtigungen des Handlungstantra sind viel einfacher als die Ermächtigungen des Höchsten Yoga Tantra und bestehen hauptsächlich aus einer Wasser-Ermächtigung und einer Kronen-Ermächtigung. In diesen Ermächtigungen gewährt der Vajrameister dem Körper und Geist der Schüler besondere Segnungen mit heiligem Wasser aus einer Vase und mit einer Krone, um ihre Samen der Stufen des Pfades des Handlungstantra reifen zu lassen.
DIE GELÜBDE UND VERPFLICHTUNGEN EINHALTEN
Da es im Handlungstantra keine Ermächtigung des spirituellen Meisters des Vajrayana gibt, ist keine Grundlage vorhanden, um tantrische Gelübde zu gewähren. Die Bodhisattva Gelübde werden aber gewährt. Auch gibt es in den Ermächtigungen einige Verpflichtungen, die sich jeweils in Abhängigkeit von der Familie der Gottheit unterscheiden.
EIN ANNÄHERUNGSRETREAT DURCHFÜHREN, DIE METHODE, UM VERWIRKLICHUNGEN ZU ERLANGEN
Ein Annäherungsretreat ist eine Methode, unserem Yidam oder unserer persönlichen Gottheit näher zu kommen, zum einen, indem wir unseren Geist einer äußeren, vor uns visualisierten Gottheit annähern, und zum anderen, indem wir selbst durch Schulung in Selbsterzeugung so werden wie diese Gottheit. Das endgültige Ergebnis des Annäherungsretreats ist, dass wir selbst eine Gottheit werden. Eine Gottheit oder ein Yidam ist ein tantrisches erleuchtetes Wesen. Es gibt vier Arten von Gottheiten: Gottheiten des Handlungstantra wie Muni Trisamaya Guhyaraja, Avalokiteshvara, Weiße Tara, Grüne Tara und Amitayus; Gottheiten des Ausführungstantra wie die einhundertsiebzehn Gottheiten des Mandalas von Buddha Munivairochana; Gottheiten des Yoga Tantra wie Sarvavid und die anderen sechsundneunzig Gottheiten; und Gottheiten des Höchsten Yoga Tantra wie die zweiundsechzig Gottheiten des Heruka Mandalas und die siebenunddreißig Gottheiten des Vajrayogini Körpermandalas sowie die zweiunddreißig Gottheiten des Guhyasamaja Mandalas.
Um die Erlangungen unserer persönlichen Gottheit zu empfangen, müssen wir die folgenden vier Konzentrationen üben:
1. Konzentration der viergliedrigen Rezitation
2. Konzentration des Verweilens im Feuer
3. Konzentration des Verweilens im Klang
4. Konzentration des Gewährens der Befreiung am Ende des Klangs
KONZENTRATION DER VIERGLIEDRIGEN REZITATION
Diese hat vier Teile:
1. Die Selbstgrundlage vollenden
2. Die andere Grundlage vollenden
3. Die Geistgrundlage vollenden
4. Die Klanggrundlage vollenden
DIE SELBSTGRUNDLAGE VOLLENDEN
«Selbstgrundlage» bedeutet im Handlungstantra Meditation über die Selbsterzeugung. In Das von Subahu erbetene Tantra und Tantra des Konzentrationskontinuums erklärt Buddha, wie wir die Selbsterzeugung üben, indem wir der Reihe nach über sechs Gottheiten meditieren: die Gottheit der Leerheit, die Gottheit des Klangs, die Gottheit der Buchstaben, die Gottheit der Form, die Gottheit der Mudra und die Gottheit der Zeichen. So wie wir im Höchsten Yoga Tantra vor der eigentlichen Meditation der Selbsterzeugung über das Bringen der drei Körper in den Pfad meditieren, so meditieren wir im Handlungstantra vor der eigentlichen Meditation über Selbsterzeugung über diese sechs Gottheiten. Diese sechs Gottheiten werden nun hinsichtlich unserer Selbsterzeugung als Gottheit Avalokiteshvara erläutert.
DIE GOTTHEIT DER LEERHEIT
Nach der Zufluchtnahme, dem Erzeugen von Bodhichitta und so weiter beginnen wir damit, uns daran zu erinnern, dass wir leer von inhärenter Existenz sind und dass Avalokiteshvara ebenfalls leer ist. Wir denken:
Ich bin weder mein Körper noch mein Geist, doch außer meinem Körper und Geist gibt es kein Ich. Also bin ich leer von inhärenter Existenz.
Indem wir über solche Begründungen nachdenken, versuchen wir die Erscheinung unseres normalen Ich zu überwinden und nur noch Leerheit wahrzunehmen. Wir wenden dieselbe Überlegung auf Avalokiteshvara an und schließen daraus, dass auch Avalokiteshvara leer von inhärenter Existenz ist. Da alle Leerheiten die gleiche Natur haben, sind unsere Leerheit und die Leerheit von Avalokiteshvara nicht verschieden. Deshalb sind wir auf einer endgültigen Ebene gleich und ununterscheidbar.
Stehen zwei Gläser auf einem Tisch, ist die Natur des Raumes innerhalb der zwei Gläser nicht verschieden. Deshalb können wir, wenn die Gläser zerbrochen sind, den Raum des einen Glases nicht vom Raum des anderen unterscheiden. Aus endgültiger Sicht sind wir und Avalokiteshvara wie der Raum der beiden Gläser. Zu Beginn unserer Meditation über Leerheit haben wir das Gefühl, unsere endgültige Natur und die endgültige Natur von Avalokiteshvara seien verschieden. Gelingt es uns aber, die konventionellen Erscheinungen von uns selbst und Avalokiteshvara zu überwinden, so ist dies wie das Zerbrechen der Gläser. Wir entdecken, dass unsere endgültige Natur und die endgültige Natur von Avalokiteshvara genau gleich sind, das bloße Fehlen inhärenter Existenz. Wir meditieren über die Ununterscheidbarkeit der Leerheit von uns selbst und der Leerheit von Avalokiteshvara, und denken:
Ich und Avalokiteshvara sind jetzt gleich geworden wie Wasser, das in Wasser gegossen wird.
Indem wir diese ununterscheidbare Abwesenheit von inhärenter Existenz feststellen, erkennen wir sie als Wahrheitskörper und entwickeln den göttlichen Stolz, dieser Wahrheitskörper zu sein. Alles, was uns erscheint, ist Leerheit. Diese Leerheit, die die Untrennbarkeit unserer endgültigen Natur und der endgültigen Natur Avalokiteshvaras ist, ist jetzt die Grundlage für die Zuschreibung unseres Ich.
Vielleicht denken wir, dass wir unser Körper oder unser Geist sind, doch unser Körper und Geist sind die Grundlage für die Zuschreibung unseres Ich, nicht das Ich selbst. Deshalb denken wir jedes Mal «Ich», wenn uns unser Körper oder unser Geist erscheint. In ähnlicher Weise wird die Leerheit selbst die Grundlage für die Zuschreibung unseres Ich, wenn wir über die Gottheit der Leerheit meditieren. Während wir Leerheit beobachten, entwickeln wir den Gedanken «Ich». Es ist wichtig zu verstehen, dass wir keinen physischen Körper brauchen, um ein Ich-Gefühl zu entwickeln. Götter des formlosen Bereichs haben zum Beispiel keinen physischen Körper, aber sie haben ein Ich-Gefühl.