Читать книгу Große Schatzkammer der Verdienste - Geshe Kelsang Gyatso - Страница 15

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Es gibt nie eine Zeit, in der wir uns nicht auf einen spiri­tuellen Meister verlassen müssen. Selbst nachdem wir Erleuchtung erlangt haben, müssen wir uns noch aufrichtig auf unseren spirituellen Meister verlassen, um anderen ein gutes Vorbild zu sein. So ist Avalokiteshvaras Scheitel zum Beispiel mit Amitabha geschmückt, um zu zeigen, wie er sich auf seinen spirituellen Meister verlässt. Ebenso ist Maitreyas Scheitel mit einem Stupa geschmückt, der symbolisiert, dass er sich auf seinen spirituellen Meister Buddha Shakyamuni verlässt.

Ein reiner spiritueller Meister muss authentische spirituelle Erlangungen haben, eine reine Überlieferungslinie halten, den Buddhadharma wertschätzen und mit Liebe und Mitgefühl seinen oder ihren Schülern fehlerlose Unterweisungen geben. Treffen wir solch einen spirituellen Meister, dann sollten wir uns sehr glücklich schätzen. Wir sollten Vertrauen in ihn entwickeln und uns aufrichtig auf ihn verlassen, indem wir in reiner Weise praktizieren, was er lehrt. Geshe Potowa sagt, dass es für einen reinen Schüler nicht schwer ist, Erleuchtung zu erlangen, wenn er einen reinen spirituellen Meister trifft.

Unser Geist ist wie ein Feld, die Anleitungen unseres spirituellen Meisters sind wie Samen, die in dieses Feld gesät werden, und unser Vertrauen in unseren spirituellen Meister ist wie das Wasser, das diese Samen keimen lässt. Kommen diese drei zusammen, so werden wir schnell und mühelos reichhaltige Dharma Verwirklichungen ernten. Haben wir diese Bedingungen derzeit nicht, sollten wir dafür beten, sie in der Zukunft zu finden.

Haben wir erst einmal einen qualifizierten spirituellen Meister getroffen, so ist die Art und Weise, wie wir uns auf ihn oder sie verlassen, im Grunde sehr einfach. Wir müssen nur Vertrauen in ihn entwickeln und seine Anleitungen so gut wir können praktisch umsetzen. Wenn wir dies tun, werden unsere Dharma Verwirklichungen ganz natürlich anwachsen und wir werden schnell Erleuchtung erlangen. Wir entwickeln Vertrauen in unseren spirituellen Meister, indem wir ihn als lebendigen Buddha, die Synthese aller Zufluchtsobjekte, betrachten. Obwohl unser spiritueller Meister uns vielleicht in einem gewöhnlichen Aspekt erscheint, sollten wir es vermeiden, Fehler in ihm zu sehen und stattdessen lernen ihn als Buddha zu betrachten. Wir müssen tiefes Vertrauen in unseren spirituellen Meister entwickeln und stets eine reine Sicht von ihm bewahren. Wir sollten versuchen uns ihm nahe zu fühlen, indem wir ihm gegenüber jederzeit einen glücklichen und zuneigungsvollen Geist bewahren. Wir sollten unseren spirituellen Meister als unsere Mutter betrachten, die für uns sorgt und uns wertschätzt, als unseren Vater, der uns mit allem, was wir benötigen, versorgt und uns vor Gefahren schützt, als den Mond, der die Hitze der Verblendungen in unserem Geisteskontinuum kühlt, als die Sonne, die die Dunkelheit der Unwissenheit aus unserem Geist vertreibt, und als einen gütigen Wohltäter, der uns das unschätzbare Geschenk des Dharma gibt.

Einen vollqualifizierten spirituellen Meister zu treffen, ist unendlich viel bedeutsamer, als äußeren Reichtum zu besitzen. Unser spiritueller Meister ist unser wirklicher Wohltäter. Er gibt uns den inneren Reichtum der moralischen Disziplin, Konzentration und Weisheit und führt uns schließlich zur erhabenen Glückseligkeit der vollen Erleuchtung. Selbst wenn wir riesigen materiellen Reichtum besitzen, sind wir in Wirklichkeit verarmt, sofern uns diese inneren Verwirklichungen fehlen. Entwickeln wir jedoch die Verwirklichungen der Stufen des Pfades in unserem Geisteskontinuum, indem wir uns auf einen spirituellen Meister verlassen, werden wir wahrlich reich sein, selbst wenn wir keinen materiellen Besitz haben. Deshalb sollten wir uns keine Sorgen um äußeren Reichtum oder äußere Entwicklungen machen, sondern unsere ganze Kraft darauf verwenden, uns aufrichtig auf einen vollqualifizierten spirituellen Meister zu verlassen.

Die Anleitungen unseres spirituellen Meisters praktisch umzusetzen ist die höchste Darbringung. Je Tsongkhapas Tradition zufolge wird sich ein qualifizierter spiritueller Meister mehr über die Dharma Praxis seiner Schüler freuen als über materielle Darbringungen. Selbst wenn wir den ganzen Tag lang Verbeugungen machen oder unserem spirituellen Meister regelmäßig etwas schenken, haben diese Übungen wenig Kraft, sofern wir nicht dem spirituellen Pfad folgen, den er uns gelehrt hat. Setzen wir jedoch die Anleitungen unseres spirituellen Meisters rein und mit tiefem Vertrauen um, dann werden wir, selbst wenn wir keine körperlichen Verbeugungen machen oder materielle Gaben darbringen können, ständig Darbringungen machen, die unseren spirituellen Meister erfreuen.

Durch aufrichtige Guru Yoga Praxis kann sogar jemand Erleuchtung erlangen, der vorher sehr viel Schlechtes getan hat. Doch ohne sich aufrichtig auf einen spirituellen Meister zu verlassen, kann selbst der intelligenteste Mensch nie ein Buddha werden. Milarepa war anfangs ein sehr schlechter Mensch. Bevor er seinen Guru Marpa traf, tötete er sechsunddreißig Menschen durch schwarze Magie. Später jedoch konnte er seinen Geist vollkommen reinigen, Verdienste und Weisheit ansammeln und schließlich im gleichen Leben Erleuchtung erlangen, indem er sich aufrichtig auf Marpa verließ.

Unser spiritueller Meister ist ein kraftvolles Feld, um Verdienste anzusammeln, negatives Karma zu reinigen und Segnungen zu erhalten. Verdienste müssen wir ansammeln, um in unserer spirituellen Schulung erfolgreich zu sein. In den Sutras sagt Buddha, dass diejenigen mit Verdiensten keine Schwierigkeiten haben, ihre Wünsche zu erfüllen, während diejenigen, denen es an Verdiensten mangelt, dies schwer finden, ganz gleich wie tugendhaft ihre Wünsche auch sein mögen. In ähnlicher Weise wird unser früher angesammeltes negatives Karma ein Hindernis für reine Dharma Verwirklichungen sein, wenn wir es nicht reinigen. So wie Pflanzen nicht in verseuchter Erde wachsen können, so können Dharma Verwirklichungen nicht in einem unreinen Geist gedeihen. Die Übungen, Verdienste anzusammeln und Negativität zu reinigen, sind deshalb essenzielle Vorbereitungen für eine erfolgreiche Dharma Praxis. Im Allgemeinen sind alle Buddhas und heiligen Wesen kraftvolle Objekte, in deren Gegenwart wir Verdienste ansammeln und unseren Geist reinigen können, doch das höchste Objekt ist unser eigener spiritueller Meister.

Auf gleiche Weise sind alle Buddhas sehr gütig, da sie den Geist fühlender Wesen segnen und Dharma enthüllen, doch unser spiritueller Meister ist gütiger als alle anderen Buddhas, da er oder sie uns direkt Segnungen und Dharma Anleitungen gibt. Deshalb heißt es im Heruka Tantra:

Er ist der selbstentstandene Gesegnete,

Der erste unter den Gottheiten des Höchsten Yoga Tantra,

Doch der spirituelle Meister des Vajrayana ist höher als er,

Da er Anleitungen gibt.

Wenn uns dies klar ist, dann sollten wir einen vollqualifizierten spirituellen Meister suchen und uns sowohl in Gedanken als auch in Taten aufrichtig auf ihn verlassen.

Im Sutra der Vollkommenheit der Weisheit in achttausend Zeilen wird die Geschichte eines großen Bodhisattva namens Sadaprarudita erzählt, der sich aufrichtig auf seinen spirituellen Meister Dharmodgata verließ und ihn als kostbarer als sein eigenes Leben und wichtiger als alle Buddhas betrachtete.

Zwar war Sadaprarudita ein hochverwirklichter Meditie­render, doch sehnte er sich danach, einen Lehrer zu treffen, der ihm das Sutra der Vollkommenheit der Weisheit erklären würde, denn er erkannte, dass es nicht möglich ist, Befreiung oder Erleuchtung zu erlangen, ohne die Bedeutung dieses Sutra zu verwirklichen. Obwohl sein Wunsch, einen qualifizierten spirituellen Meister zu treffen, groß war und er landauf landab nach einem solchen Meister suchte, konnte er keinen Lehrer finden, der ihm die ersehnten Anleitungen geben konnte. Er war so traurig, keinen spirituellen Meister zu finden, dass er ständig weinte. Deshalb nannten ihn diejenigen, die ihn kannten, «Sadaprarudita», was «der, der ständig weint» bedeutet.

Eines Tages, als Sadaprarudita in Meditation vertieft war, empfing er eine außergewöhnliche Vision, in der viele Buddhas direkt vor ihm erschienen. Sie sagten ihm, dass er eine enge Verbindung mit einem Bodhisattva namens Dharmodgata hatte, ihn solle er finden und seine Anleitungen befolgen. Nachdem Sadaprarudita sich aus seiner Meditation erhoben hatte, brach er zu seiner Suche nach Dharmodgata auf. Er legte große Strecken zurück und nahm viele Entbehrungen auf sich, doch er war glücklich, denn nun wusste er, dass es einen spirituellen Meister gab, der ihm die Hilfe geben konnte, die er brauchte. Schließlich fand er heraus, wo Dharmodgata lebte.

Sadaprarudita wollte einige Gaben mitbringen, um sie Dharmodgata darzubringen, doch er besaß nichts. Um etwas Geld für Darbringungen aufzutreiben, ging er in eine nahe gelegene Stadt und verkündete, dass er sein Fleisch an jeden verkaufen werde, der es haben wolle. Die Bewohner der Stadt glaubten, er sei verrückt, und schenkten ihm keine Beachtung. Der Gott Indra jedoch, der Sadaprarudita vom Himmel aus sah, entschloss sich die Aufrichtigkeit seiner Absichten auf die Probe zu stellen. Er manifestierte sich als alter Mann, ging zu Sadaprarudita und sagte, er wolle etwas von seinem Fleisch kaufen. Erfreut schnitt Sadaprarudita sofort ein Stück aus seinem Oberschenkel heraus und gab es ihm. Der Alte meinte, dass er gern auch etwas Knochenmark hätte. Sadaprarudita freute sich noch mehr. Gerade als er im Begriff war, sein Schienbein zu brechen, um etwas Knochenmark zu entnehmen, erschien eine junge Frau. Sie war die Tochter eines ortsansässigen Kaufmanns und fragte Sadaprarudita, was er da tue. Sadaprarudita antwortete, dass er sein Fleisch und Knochenmark verkaufe, um seinem spirituellen Meister Gaben darbringen zu können. Die Frau fragte, wie jemand derart wichtig sein könne, dass er zu einer solchen Tat bereit sei, um ihm Gaben darzubringen. Sadaprarudita erklärte, dass Dharmodgata ihm kostbare Anleitungen über die Vollkommenheit der Weisheit geben würde und dass er durch das Befolgen dieser Anleitungen in der Lage sein würde, Erleuchtung zum Wohle aller Lebewesen zu erlangen. Als sie dies hörte, entwickelte die junge Frau großes Vertrauen in Buddha und seine Lehren. Sie bat Sadaprarudita, sich nicht weiter zu verstümmeln und versprach ihre Eltern zu bitten, das Geld zu spenden, das er für die Darbringungen benötigte.

In dem Moment warf Indra seine Verkleidung ab und fragte Sadaprarudita, weshalb das Geld so wichtig sei. Sadaprarudita antwortete, er brauche nicht das Geld, sondern die Anleitungen über den Pfad zur Erleuchtung. Indra erkannte, dass Sadapraruditas Absicht echt war, und bot ihm alle erforderlichen Reichtümer an. Sadaprarudita aber lehnte das Angebot ab, da er nun von den Eltern der jungen Frau genügend Geld erhalten würde, um Dharmodgata Gaben darzubringen. Dann brach er mit der jungen Frau und vielen ihrer Diener auf, um Dharmodgata zu treffen. Sie brachten Gaben dar und erhielten kostbare Anleitungen über die Vollkommenheit der Weisheit, und indem sie Dharmodgatas Anleitungen umsetzten, erlangten sie später volle Erleuchtung.

Denken wir tief über diese Geschichte nach, so werden wir verstehen, dass es nichts Kostbareres gibt als einen qualifizierten spirituellen Meister, der uns richtige Anleitungen über den Pfad zur Erleuchtung geben kann. Wenn sich ein großer Meditierender wie Sadaprarudita, der direkt von den Buddhas Anleitungen erhalten konnte, auf einen spirituellen Meister verlassen musste, dann versteht es sich von selbst, dass wir einen qualifizierten spirituellen Meister finden und uns aufrichtig auf ihn oder sie verlassen müssen.

Große Schatzkammer der Verdienste

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